Amt der Wiener Landesregierung

 

                                                                                              Dienststelle:      Magistratsdirektion

                                                                                                                                                       Geschäftsbereich Recht

                                                                                                                                                       Verfassungsdienst und

                                                                                                                                                       EU-Angelegenheiten

                                                                                              Adresse:         1082 Wien, Rathaus

                                                                                              Telefon:          4000-82345

                                                                                              Telefax:              4000-99-82310

                                                                                              e-mail:                 post@md-v.wien.gv.at

                                                                                              DVR:                  0000191

 

MD-VD - 458-1/11                                                            Wien, 5. Mai 2011

Entwurf eines Bundesgesetzes                                         

über die Förderung der Elektrizitäts-

erzeugung aus erneuerbaren Energie-

trägern (Ökostromgesetz 2012 -

ÖSG 2012);

Begutachtung;

Stellungnahme

 

zu BMWFJ-551.100/0021-IV/1/2011

 

 

 

An das

Bundesministerium für Wirtschaft,

Familie und Jugend

 

 

Zu dem mit Schreiben vom 28. März 2011 übermittelten Entwurf eines Bundesgesetzes wird nach Anhörung des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien wie folgt Stellung genommen:

 


Vorab wird festgehalten, dass die Grundproblematik des Ökostromgesetzes, dass neue Ökostromanlagen automatisch zu neuen, langfristigen Endkundenbelastungen führen, durch diesen Entwurf nicht entschärft wird.

 

Das derzeitige Ökostromgesetz und auch der vorliegende Entwurf führen dazu, dass keine Möglichkeiten für neue Anlagenförderungen mehr gegeben sind, weil fast die gesamten Fördermittel in die Bestandsförderung laufen müssen. Dies gilt nach der vorliegenden Novelle sogar bis über das Jahr 2030 hinaus.

 

Damit ein stabiler Finanzierungsrahmen bei gleichzeitigem Ausbau der Ökostromanlagen überhaupt möglich ist, wären grundsätzlich folgende Änderungen im Ökostromsystem notwendig:

 

Das Fördersystem sollte soweit als möglich auf Investitionsförderungen umgestellt werden. Zudem sollte es auf brennstofffreie Anlagen konzentriert werden. Bei diesen Anlagen wäre ein Weiterbetrieb am Ende der Förderdauer gegeben. Um einen breiteren Einsatz von Stromerzeugungsanlagen auf Basis erneuerbarer Energieträger in einem städtischen Umfeld zu ermöglichen, sollte das Fördersystem einen Schwerpunkt auf jene Technologien setzen, die vor Ort keine Emissionen von Luftschadstoffen verursachen. Der Schwerpunkt eines neuen Ökostromgesetzes sollte daher bei Wasserkraftwerken, bei Windkraftwerken und bei Fotovoltaikanlagen liegen. Diese Anlagen benötigen keine langfristigen Einspeisetarife.

 

Abgelehnt wird die im Gesetzesentwurf vorgesehene Umstellung des Systems im Sinne einer Änderung des Aufbringungsmechanismus. Von der Systematik soll vielmehr das geltende System (nämlich jährlich zur Verfügung stehende Fördermittel) beibehalten werden.

 

Um einen höheren Beitrag zur Erreichung des Zieles Österreichs - den Anteil erneuerbarer Energieträger auf 34 % zu steigern - zu gewährleisten, wäre es erforderlich, dass Biogas nicht mehr verstromt wird, sondern aufbereitet direkt ins Erdgasnetz eingeliefert wird. Der niedrige Wirkungsgrad bei der Biogasverstromung würde dadurch vermieden. Durch die Verlagerung der Biogasausbaukosten aus der Stromwirtschaft in die Gaswirtschaft würde auch gleichzeitig der Förderbedarf erheblich sinken, weil die Förderintensität von Biogas viel geringer ist als von Ökostrom. Auf Grund des technischen Fortschrittes ist die Biogasaufbereitung mittlerweile auch technisch verfügbar und sollte daher auch eingesetzt werden.

 

Die Biomasseverstromung wäre auf den Bestand zu beschränken, nicht nur weil zunehmend andere Wirtschaftsakteure - die ebenfalls Holz benötigen - durch Verknappung des Holzes wirtschaftlichen Schaden erleiden, sondern weil es volkswirtschaftlich viel günstiger wäre, Holz im Raumwärmemarkt zu forcieren, als es mit hohen Kosten zu verstromen. Wie auch Biogas liefert Holz im Raumwärmemarkt durch den deutlich höheren Wirkungsgrad einen wesentlich größeren Beitrag zur Zielerreichung als bei der Verstromung.

 

Im Zusammenhang mit der Erzeugung von Energie mit Hilfe fester Biomasse bedarf es einer Erweiterung des KWK-Bonus (§ 21 Abs. 2) auch für bestehende Biomassekraftwerke, die mit fester Biomasse sowohl elektrische Energie als auch Wärme (KWK-Technologie in hocheffizienten KWK-Anlagen) erzeugen. Diese Ergänzung ist erforderlich, weil die bisher bereits vorgesehene kombinierte Förderung von Wärme und Strom für Biomassekraftwerke wirkungslos ist, da das System keine wirtschaftlich sinnvolle Abgabe von Wärme zulässt.

 

Tariflaufzeiten sollten möglichst kurz gehalten werden und keinesfalls durch Nachfolgetarife, welche für das gesamte Bundesgebiet anwendbar sind, verlängert werden. Wenn Anlagen das Gesetzesziel, d. h. das Heranführen der Anlagen an einen wirtschaftlichen Betrieb, nicht erreichen, man gleichzeitig aber diesen Bestand an Ökostromanlagen nicht wieder aufgeben will, wäre im Einzelfall eine Lösung über Nachfolgetarife eine denkbare Alternative.

 

Ein klarer und eindeutiger Endkundenkostendeckel sollte für die Haushalte unbedingt eingeführt werden. Vorstellbar wäre eine maximale Kostenbelastung für einen durchschnittlichen Haushaltskunden von € 40 im Jahr, wobei hier Zählpunktpauschale und Verrechnungspreis inkludiert sind. Darüber hinausgehende Zuschläge, insbesondere solche hinter denen gar keine betrieblichen Mehrkosten stehen bzw. Kostensteigerungen ohne individueller Kostennachweise werden abgelehnt.

 

Eine Abgabe des Ökostroms zu Marktpreisen an die Stromhändler widerspricht der Praxis, dass praktisch alle Stromhändler ihre Ökostromvertragsprodukte höher bepreisen als Normallieferungen. Bei der nun vorgeschlagenen Konstruktion würde der Endkunde zweimal bezahlen: einerseits bezahlt er die Mehrkosten des Ökostroms, damit der Ökostrom überhaupt auf den Markt kommen kann, und andererseits sind von ihm die Mehrkosten zu tragen, sobald er selbst ein Ökostromangebot bezieht. Diese Mehrkosten hat der Stromhändler nicht mehr. Daher wäre eine marktkonforme Weitergabe des Ökostroms vorzusehen, indem dieser von der OeMAG ausgeschrieben und an den Bestbieter verkauft wird. Das würde die Förderkosten senken, die über Endkundenbeiträge einzubringen sind.

 

Zu den einzelnen Bestimmungen:

 

Zu § 6:

Im Rahmen der Wettbewerbsaufsicht wird der E-Control die Aufgabe übertragen, die Netzbetreiber dahingehend zu überwachen, dass sie alle Betreiber von Ökostromanlagen „gleich behandeln und beim Netzanschluss nach transparenten Kriterien vorgehen“. Hingegen sind die Landesbehörden zur Entscheidung von Streitigkeiten über den Netzanschluss zuständig. Ein derartiges „Splitting“ von Zuständigkeiten zwischen Bundes- und Landesbehörden steht mit dem Grundsatz der Verwaltungsökonomie im Widerspruch. Daher wäre es unter diesem Blickwinkel sachgerecht, dass auch die Wettbewerbsaufsicht gemäß § 6 Abs. 2 den zuständigen Landesbehörden obliegt.

 

Zu § 10 Abs. 5:

Nach dem Entwurf sind Herkunftsnachweise kostenlos zu überlassen, sofern der Ökostrom an die Ökostromabwicklungsstelle geliefert wird. In jenen Fällen, in denen Ökostromanlagen ohne Förderungen (Investitionsförderungen, Betriebsförderungen) errichtet und betrieben werden, müsste somit ein entgeltlicher Verkauf der Herkunftsnachweise zulässig sein. Eine entsprechende Klarstellung im Gesetz erscheint geboten.

 

Zu § 22:

Kritisch gesehen wird der geplante Betriebskostenzuschlag, in dem auch sonstige, substratunabhängige Kostensteigerungen bei Biogasanlagen berücksichtigt werden. Es sind keinerlei Kostenüberprüfungen vorgesehen, die Zuschläge sollen vielmehr generell an alle Anlagenbetreiber ausbezahlt werden. Diesen Zuschlägen steht daher keinerlei Anreizwirkung entsprechend den Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen gegenüber.

 

Zu § 48:

Eine Umstellung des Finanzierungsmechanismus ist nicht erforderlich, da die Europäische Kommission den Aufbringungsmechanismus genehmigt hat; der Versuch einer unzulässigen Industrieentlastung wurde abgelehnt. Wichtiger ist ein leistungsfähiger Kostendeckel für die Haushaltskunden, die schon jetzt durch die sehr unsymmetrische Verteilung der Netzkosten überdurchschnittlich belastet werden. Auch ist zu erwarten, dass für die Haushaltskunden erhebliche finanzielle Belastungen durch die Einführung von „smart meters“ entstehen. Die gesamten Umbaukosten des Energiesystems können nicht die Haushalte alleine tragen; vielmehr sollen die Kosten auf Industrie und Haushalte gleichmäßig verteilt werden.

 

Der Ökostromförderbeitrag sollte so festgelegt werden, dass bei gleichem Abnahmeverhalten vom Kunden bundesweit der gleiche absolute Betrag einzuheben ist. Der nunmehr vorgesehene prozentuelle Zuschlag würde auf Grund unterschiedlicher Netzpreise der Netzbetreiber trotz gleichen Verbrauchsverhaltens zu unterschiedlich hohen Ökostromförderungen seitens des Kunden führen.

 

Zu § 56 Abs. 4 und 5:

Entschieden abzulehnen ist der Vorschlag, ohne Kostenrahmen in § 56 Abs. 4 und Abs. 5 die Anträge der Vergangenheit, welche mangels finanzieller Deckung bislang nicht abgearbeitet werden konnten, pauschal freizugeben. Damit würde das System - ein klar definiertes Geldvolumen pro Jahr für den Ausbau zur Verfügung zu stellen - durchbrochen.

 

 

                                                                      Für den Landesamtsdirektor:

 

 

                                                                                 Dr. Peter Krasa

MMag. Michael Ramharter                                     Obersenatsrat

 

 

 

 

Ergeht an:

1.  Präsidium des Nationalrates

 

2.  alle Ämter der Landes-

regierungen

 

3.  Verbindungsstelle der

Bundesländer

 

4.  MA 64

(zu MA 64 - 1276/2011)

mit dem Ersuchen um Weiter-

leitung an die einbezogenen

Dienststellen