Stellungnahme zu GZ BMUKK-12.660/0001-III/2/2011

ÖLI-UG zur Begutachtung des Entwurfes der Novellierungen zur „Oberstufe neu“

Die Österreichische LehrerInneninitiative-Unabhängige GewerkschafterInnen in der GÖD schlägt in offener Frist die Aufnahme der folgenden Überlegungen in die Endfassung der zur Begutachtung ausgesandten Gesetzesentwürfe vor:

 

Grundsätzliches: 

 

Die ÖLI-UG begrüßt die Einführung von Unterstützungsstrukturen, die auf die Unterschiedlichkeiten der SchülerInnen in ihren individuellen Lernsituationen abzielen, sowohl bei begabten SchülerInnen als auch bei SchülerInnen mit zu überwindenden Lerndefiziten. Die individuelle Förderung durch Früherkennung, Lernbegleitung, Vertiefung, Festigen und Vorwegnehmen von Lernzielen und Kompetenzen, kann die Motivation der SchülerInnen für Lernen und Leistungssteigerung stärken und die Zahl der Schulstufenwiederholungen entsprechend den Absichten des Regierungsprogramms verringern.

Der Einsatz von LernbegleiterInnen ist zu begrüßen, ihre anspruchsvolle, zusätzlich zur übrigen Lehrverpflichtung zu leistende Tätigkeit ist in die Lehrverpflichtung einzurechnen.

Das Vermeiden von Schulstufenwiederholungen und der Verbleib im Klassenverband ist positiv hervorzuheben, wobei dem Klassenvorstand zusätzliche Fürsorgepflichten gegenüber seinen SchülerInnen überantwortet werden. Im Zuge der Dienstrechtsreform ist auch in diesem Zusammenhang die Wiedereinrechung der Klassenvorstandstätigkeit in die Lehrverpflichtung zu verhandeln.

 

Realistische Kostenberechnung und Zusage des BMFin für die Bereitstellung der erforderlichen Budgetmittel fehlt:

Die im Entwurf angeführte Kostenneutralität erscheint erst für den „Vollausbau“ der Oberstufe NEU nachvollziehbar. In der Versuchsphase und bis es zu einer die Lehrfächerverteilungen entlastenden Wirkung kommt, ist aber mit Mehrkosten zu rechnen. Der Ansatz von Input = Outcome wird in der stufenweisen Übergangsphase bis 2016 schwer durchführbar sein, da die Ressourcenzuteilung unverändert und damit mangelverwaltet bleiben wird. Die ÖLI-UG fordert noch vor der Beschlussfassung realistische Berechnungen, in denen die Einrechnung der Kosten von für die modulare Oberstufe notwendiger LehrerInnen-Mehrarbeit in die Lehrverpflichtungen berücksichtigt werden. Die Anlaufkosten-Schätzungen hat dabei folgende Fragen zu berücksichtigen:  Beteiligung wie vieler Schulen ab wann? Wann ist mit „break-even-point“ d.h. Einsparungen durch weniger SchülerInnen/RepetentInnen im System zu rechnen? Ab wieviel Jahren kann sich die angestrebte Kosteneffizienz der modularisierten Oberstufe als Regelschule zeigen? (Finanzielle Abgeltung von LehrerInnenarbeit im Interesse der Qualität und Arbeitszeiterfordernis der neuen Tätigkeiten nur als Ausnahme!)

 

Explizite Einbindung der Personalvertretung

Die Einbindung der Personalvertretung ist bei konkret geforderten und im Entwurf vermehrt auftretenden Diensteinteilungen, Stundenzuteilungen, semesterweise variablen Eröffnungs- und Teilungszahlen, die der Schulleitung überantwortet werden, sicher zu stellen. Die Aufnahme dieser Mitwirkungsrechte sollen in den gegenständlichen Entwurf explizit aufgenommen werden, auch die Mitwirkungsrechte der SchulpartnerInnen, darunter die LehrerInnenvertreterInnen im SGA, sind entsprechend zu erweitern und Gegenstand von Verhandlungen mit der Gewerkschaft.

 

Ab dem Schuljahr 2012/13 können ohne zahlenmäßige Beschränkung die neuen Oberstufenregelungen als Schulversuch eingeführt werden. Das Prozedere für die Schulversuchsbeteiligung einer AHS-Oberstufe/BMHS wird im Entwurf nicht ausgeführt. Um widersprüchlichen Interpretationen vorzubeugen, sind klare gesetzliche Vorgaben notwendig und mit der Gewerkschaft zu verhandeln.

 

Detailfragen:

Lehrpläne und Kompetenzen

Die Semesteraufteilung des Lehrstoffes soll erst mit 1. März 2016 zur Verfügung stehen, d.h. die LehrerInnen müssten diese Aufteilung bis dahin schulautonom festlegen und auch die Festlegung der mindestens zwei Kompetenzbereiche pro Semester, die von der Schulkonferenz zu beschließen sind, wird den LehrerInnen am Standort aufgetragen. Die Forderung nach einer zentralen Vorgabe der Semesterlehrpläne samt für alle Schulen verbindlichen Kompetenzbereichen durch den Dienstgeber ist sowohl im Sinn einer Entlastung der LehrerInnen als auch der Vergleichbarkeit von Schulanforderungen angebracht, die Aufnahme zusätzlicher schulspezifischer Kompetenzen kann im Zuge der Schwerpunktsetzung schulautonom erfolgen. Dass Sonderformen mit musischem bzw. sportlichem Schwerpunkt die Jahresgliederung behalten ist im Entwurf als „zweckmäßig“ ausgewiesen, bedarf aber einer genaueren Begründung.

 

Der Mehraufwand in der Organisationsstruktur

Zur individueller Lernbegleitung und den damit befassten KollegInnen, zu neuen Semesterprüfungen für begabte und lernschwächere SchülerInnen und deren mehrmaliger Wiederholung, zum Überspringen und/oder Wiederholen einzelner Unterrichtsgegenstände, zur Befreiung von der Teilnahme an Pflichtgegenständen wird es zu nicht auf den Beginn des Schuljahres oder eines Semesters beschränkten wechselnden Klassen- bzw. Lerngruppengrößen kommen. Die Entscheidung über ein Überschreiten der der Eröffnungs- und Teilungszahlen und damit die entsprechende Berücksichtigung in der LFV wird der Schulleitung überlassenen.

Nach Auffassung der ÖLI-UG ist die Abgeltung der zusätzlichen Tätigkeiten von AdministratorInnen bzw. des Schulleitungsteams von der Gewerkschaft ebenso zu verhandeln wie die Präzisierung und Stärkung der Personalvertretungsrechte an der Dienststelle.

 

Schulautonome Überschreitung der KlassenschülerInnenhöchstzahl, semesterweise oder auch für kürzere Unterrichtssequenzen

Im Modell der neuen Oberstufe ist in einzelnen Unterrichtsgegenständen semesterweise oder für bestimmte Unterrichtssequenzen, durch die Direktorin/den Direktor am Standort verfügt, eine Überschreitung der KlassenschülerInnenhöchstzahl um 20%, maximale SchülerInnenzahl 36, möglich. Diese Überschreitungen sind aus pädagogischen und methodisch-fachdidaktischen Überlegungen insbesondere in Gegenständen mit schriftlichen Überprüfungen abzulehnen, denn jede Überschreitung stellt eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen der SchülerInnen und der LehrerInnen dar, die bisher nur in Ausnahmesituationen zulässig gewesen ist.

Der Entwurf sieht weiters vor, dass Semesterprüfungen und einmalige Prüfungen über ein bis zwei Semester außerhalb des lehrplanmäßigen Unterrichts abgehalten werden. Dies ist im Falle mehrmaliger Wiederholungen nicht nur ein zeitlicher Mehraufwand für die LehrerInnen, denn zu jeder Prüfung sind auch schriftliche Dokumentationen zu erstellen. Die Zuteilung von PrüfungskandidatInnen erfolgt durch die Schulleitung, was ebenfalls zusätzlichen Zeit- und Arbeitsaufwand bedeutet. Ab der zweiten Wiederholung haben die KandidatInnen ein PrüferInnen-Vorschlagsrecht, dem die SchulleiterIn mit Ausnahme zwingender Gründe zu folgen hat.

Auch hier ist von der Gewerkschaft zu verhandeln und im Personalvertretungsrecht sicherzustellen, dass die Personalvertretung an der Schule eingebunden wird, um berechtigte Interessen der betroffenen KollegInnen und eine ausgewogene Zuteilungsdichte zu gewährleisten.

Die intensive Zusammenarbeit von LernbegleiterInnen und Fachlehrkräften erfordert die Bereitstellung entsprechender zusätzlicher Ressourcen, insbesondere für die Fälle, in denen sie verstärkt notwendig ist, wenn die LernbegleiterInnen nicht in den für die begleiteten SchülerInnen relevanten Fächern unterrichten. Außerdem sind die LernbegleiterInnen nicht nur für das fachliche Coaching zuständig, sondern sollen eine Art Generalbetreuung des Schülers, der Schülerin leisten.

 

Einrechnung der neuen Tätigkeiten in die Lehrverpflichtung

Diese intensive und gegebenenfalls längerfristige Betreuung von SchülerInnen muss in die Lehrfächerverteilung eingerechnet werden, die Wertigkeit und das Ausmaß der Einrechnung muss Thema gewerkschaftlicher Verhandlungen mit dem Dienstgeber sein.

 

Einige rechtliche Überlegungen:

Schulnachricht über das 1. Semester und Jahreszeugnis mit Bescheid-Charakter werden formal in Winter- und Sommersemester umbenannt, eine Klärung der rechtlichen Norm der Zeugnisse fehlt im Entwurf. Da jedoch Beurteilungen mit „Nicht Genügend“ für die Schülerin, den Schüler weitreichende Konsequenzen haben (Aufsteigen in die nächste Schulstufe, positiver Abschluss aller Semester-Module als Zulassungsvoraussetzung für die Reiprüfung), müssen sie auch einspruchswürdig sein.

Vorgezogene Teilprüfungen der Reifeprüfung bis zu 2 Semester sind bei Begabten möglich, die abschließende Arbeit, Präsentation und Diskussion darüber können vor dem Haupttermin stattfinden. Diese Termine müssen mit der „teilzentralen Matura“ akkordiert werden.

 

Aufsteigen mit negativen Beurteilungen

Die Nicht genügend, deren Anzahl das Aufsteigen einer Schülerin, eines Schülers noch zulässt oder verhindert, sind – entgegen dem in den Medien verbreiteten Eindruck – keine Jahresnoten, sondern Modulnoten aus dem Winter- bzw. Sommersemester. Die Semesterprüfungen zielen nicht auf den gesamten Stoff, sondern auf negativ beurteilte Kompetenzbereiche ab – zum Vergleich: derzeit gibt es Jahresnoten, die Wiederholungsprüfung umfasst den Stoffbereich eines Schuljahres. Das bisherige Aufsteigen mit einem Nicht genügend, das durch keine Jahresprüfung verbessert werden muss, gibt es nicht mehr, denn alle Oberstufenmodule müssen vor der Zulassung zur Reifeprüfung positiv abgeschlossen worden sein. Diese veränderten Gegebenheiten und die an den Schulversuchen dokumentierten Erfahrungen haben gezeigt, dass Aufsteigen mit mehreren Nicht genügend eine eher seltene Ausnahme darstellen wird; aus diesen Gründen schlagen wir die Rücknahme der im Zug der Sachverhalte verzerrenden Diskussion des Erstentwurfes vorgenommenen Verschärfungen vor (Aufsteigen nur mit zwei Winter-/Sommer-Semester-Fünfern, bei dreien ein Konferenzbeschluss, bei Vieren Schulstufenwiederholung).

 

Ingrid Kalchmair, Reinhart Sellner (AHS)

Josef Gary Fuchsbauer, Katharina Bachmann (BMHS)

Wilfried Mayr (APS, Vorsitzender der ÖLI)