An das

Bundesministerium für Justiz

z.Hd. Frau Dr. Dagmar Dimmel

Museumstraße 7

1070 Wien

E-Mail: team.z@bmj.gv.at

E-Mail: begutachtungsverfahren@parlament.gv.at

 

 

 

Ministerialentwurf für ein Bundesgesetz, mit dem das Vereinsgesetz 2002

Geändert wird (Vereinsgesetznovelle 2011 VerGNov2011); Begutachtungsverfahren

 

BMJ-Z20.390/0001-I 5/2011

 

Stellungnahme des Österreichischen Automobil-, Motorrad- und Touring Clubs (ÖAMTC)

 

 

 

Der ÖAMTC bedankt sich für die Möglichkeit zur Stellungnahme und führt aus wie folgt:

 

Allgemeines

 

Die Überlegung, unentgeltlich tätige Organwalter und Rechnungsprüfer eines ideellen Vereines haftungsmäßig (weiter) zu entlasten, wird begrüßt. Auch die Überlegung, den Sorgfaltsmaßstab für die Angesprochenen konkreter zu definieren und vorhersehbarer zu machen, wird mitgetragen. Der ÖAMTC unterstützt sohin ausdrücklich das rechtspolitische Anliegen des vorliegenden Entwurfes.

 

Bevor näher auf einzelne Aspekte der Haftungsfrage eingegangen wird, sei die Bemerkung erlaubt, dass uns nicht ganz nachvollziehbar scheint, weshalb die VerGNov 2011 eher punktuell auf einige wenige Bestimmungen des VerG 2002 eingeht und die Möglichkeit ungenutzt bleibt, das nun ein Jahrzehnt in Kraft befindliche - unserer Einschätzung nach übrigens durchaus gelungene VerG 2002 - insgesamt zu evaluieren.

 

Auch wenn das Gesetz, wie bereits gesagt, eine gute Basis für die Aktivitäten der Vereine gibt, wären etliche Änderungen (im Sinne vor Konkretisierungen und Vervollständigungen) unserer Einschätzung nach sinnvoll. Ohne an dieser Stelle zu weit auszuholen und ohne Anspruch auf Vollständigkeit sei etwa § 20 VerG 2002 angesprochen (worüber und in welcher Form ist abgesehen von Gebarungsfragen durch das Leitungsorgan zu berichten?), oder - § 17 Abs 8 VerG 2002 - ist wirklich nur der gute Glaube dessen geschützt, der die Vereinsregisterauskunft eingeholt hat, nicht auch der gute Glaube dessen, dem sie vorgelegt wird? Auch die Regelung über die Streitschlichtung in § 8 VerG 2002 scheint nicht vollständig zufriedenstellend, da weit formuliert und somit die Vereinsschiedsgerichte eher überfordernd.

 

Im Zusammenhang mit der vorgeschlagenen Novellierung stellen sich aber auch einige Fragen, die unserer Einschätzung nach näher geprüft werden sollten.

 

 

Grobe Fahrlässigkeit geeignetes Merkmal für konkreteren Maßstab ?

 

In Anbetracht der völlig unterschiedlichen Vereine (Größe, Zwecke, Tätigkeiten, Mittelaufbringung, Organstruktur, Aufsichts- und Prüfungsstruktur usw.) scheint es schwierig,

von der Judikatur die Entwicklung exakter Formeln zu erwarten, die vorhersehbar machen, wann grobe Fahrlässigkeit anzunehmen ist. Unserer Einschätzung nach werden die völlig verschiedenen Anforderungen an Organe und Rechnungsprüfer zu einzelfalllastigen Entscheidungen führen.

 

Widerspruch zu § 6 Abs 1 Z 9 KSchG ?

 

Die genannte Bestimmung lässt den Ausschluss der Haftung für leichte Fahrlässigkeit bei Personenschäden nicht zu. Nun kann auch ein (unentgeltlich tätiger) Organwalter eines ideellen Vereines einen Personenschaden verursachen. Soll nun tatsächlich auch in diesem Fall der Organwalter für leichte Fahrlässigkeit nicht haften? Also schlussendlich der Schaden des Dritten vom Verein getragen werden? Soll/kann der Schutz eines absolut geschützten Rechtsgutes (Leib und Leben) durch ein Haftungsprivileg relativiert werden, das, wenn schon nicht die Ersatzansprüche des Verletzten, so doch die Präventivwirkung des Normensystems in Frage stellt?

 

 

Entgeltlichkeit

 

Die Haftungserleichterung des (neuen) § 24 Abs 1 zweiter Satz soll „unentgeltlich Tätigen“ zugute kommen. Was bedeutet nun „unentgeltlich“? Schließt der Ausgleich nachgewiesener Aufwendungen die Unentgeltlichkeit aus? Wohl eher nicht. Wie aber ist pauschaler Aufwandsausgleich zu sehen? „Unschädlich“, wenn im angemessenen Umfang?

 

 

Verletzung der gesetzlichen und statutarischen Pflichten oder rechtmäßiger Beschlüsse

 

Gilt nun die Haftungserleichterung tatsächlich nur für Handlungen des Organwalters/Rechungsprüfers in Wahrnehmung gesetzlicher und statutarischer Pflichten oder rechtmäßiger Beschlüsse oder doch ganz allgemein für sein Handeln für den Verein?

Er hat die Organpflicht freiwillig und unentgeltlich übernommen, warum soll er einem strengeren Haftungsregime unterliegen, wenn er noch zusätzliche Aufgaben (ebenfalls freiwillig und unentgeltlich) übernimmt?

 

 

Zusammenwirken von unentgeltlich und entgeltlich tätigen Organwaltern

 

Ein enges Zusammenwirken von unentgeltlich und entgeltlich tätigen Organwaltern ist in ideellen Vereinen durchaus üblich. Dabei kann es ein Miteinander von Organwaltern verschiedener Organe geben (unentgeltlich tätiger Präsident wirkt mit entgeltlich tätigem Geschäftsführer zusammen), dies ist sowohl bei der Geschäftsführung als auch bei der Vertretung des Vereines vorstellbar.

Durchaus vorstellbar ist auch ein Zusammenwirken eines unentgeltlich Tätigen mit einem entgeltlich Tätigen in einem (Leitungs- bzw Aufsichts-) Organ. Handelt nun das Organ durch Beschluss dieses gemischt besetzten Organs, stellen sich eine Vielzahl von Fragen.

In diesen Fällen scheint jedenfalls eine flexiblere Haftungsregelung (wie die derzeit geltende) besser geeignet, als eine, die starre Grenzen vorgibt.

 

 

Zusammenwirken von unentgeltlich tätigen Organwaltern und Gehilfen

 

Recht häufig findet man in (größeren) Vereinen Strukturen, die ein unentgeltlich tätiges Leitungsorgan und Gehilfen, denen zB im Wege von Geschäftsordnungen Aufgaben delegiert sind, vorsehen.  In diesen Fällen haften die Organwalter für das Verschulden ihrer Gehilfen. Es stellt sich nun die Frage, ob das Haftungsprivileg auch für den (entgeltlich tätigen) Gehilfen gelten soll. Hat etwa der Verein Regressansprüche gegen den Gehilfen, wenn der Organwalter von einem Dritten wegen eines fahrlässig verursachten Schadens in Anspruch genommen wird und der Verein den Organwalter „freistellt“?

 

 

Tätigkeit von einfachen Vereinsmitgliedern

 

Wenn man unentgeltliches Engagement in ideeller Vereinen fördern will, fragt sich, weshalb Organwalter und Rechnungsprüfer haftungsmäßig privilegiert werden sollen, einfache Vereinsmitglieder aber nicht. Vielfach werden sie es sein, die einem Haftungsrisiko ausgesetzt sind.

 

 

Unentgeltliche Tätigkeit ausserhalb des ideellen Vereines

 

Zweifellos ist unentgeltliche Tätigkeit auch ausserhalb des Rahmens eines ideellen Vereins möglich und findet auch de facto statt (man denke beispielsweise an ein Engagement in einer Religionsgemeinschaft oder auch in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Gibt es Argumente dafür, die solcherart (vergleichbar)Tätigen haftungsmäßig schlechter zu stellen als in Vereinen organisiert Tätige?

 

 

Ideelle Vereine - Kapitalgesellschaften

 

Organwalter in Kapitalgesellschaften unterliegen einem strengen Haftungsregime.

Bekommen Mitglieder von Leitungs - oder Aufsichtsorganen kein Entgelt (etwa wegen schlechter wirtschaftlicher Situation der Gesellschaft) so wirkt sich das auf deren Haftung nicht aus. Warum sollte zwischen Organen einer Kapitalgesellschaft und Organen eines (allenfalls selbst unternehmerisch tätigen) ideellen Vereines differenziert werden?

 

 

Widerspruch zu Prinzipien der Dienstnehmerhaftung

 

Der Gesetzgeber hat im DHG dem Gericht die Möglichkeit eingeräumt, in Fällen fahrlässiger Schadenszufügung durch Dienstnehmer aus Billigkeitsgründen den Ersatz zu mäßigen oder auch sofern der Schaden durch einen minderen Grad des Versehens zugefügt worden ist, zur Gänze zu erlassen. Wie das VerG 2002 („Bei der Beurteilung des Sorgfaltsmaßstabes ist eine Unentgeltlichkeit der Tätigkeit zu berücksichtigen“) normiert der Gesetzgeber auch im DHG keine generelle gesetzliche Haftungsbeschränkung sondern räumt dem Gericht die Möglichkeit ein, Schadenersatzansprüche zu mäßigen oder zu erlassen.

Warum soll ein Prinzip, das für Dienstnehmer Gültigkeit hat, für Vereinsorgane und Rechungsprüfer nicht gelten? Es hätte sich eine Angleichung der beiden Rechtsmaterien angeboten, auch die (zusätzliche) Klärung offener Fragen, insbesondere dahingehend, ob das DHG für Dienstnehmer gilt, die Organwalter in Vereinsorganen sind.

 

 

Verfassungswidrigkeit des Haftungsprivilegs für unentgeltlich tätige Organwalter bzw. Rechungsprüfer des ideellen Vereines

 

Aus den obigen Ausführungen ergibt sich die Fragestellung, ob das angedachte Haftungsprivileg für „ehrenamtlich Tätige“ in Folge von Gleichheitswidrigkeit verfassungswidrig ist. Nur Ungleiches darf ungleich behandelt werden, dies bedarf einer sachlichen Rechtfertigung.

 

In diesem Zusammenhang sei einleitend an die ErläutRV zu § 24 VerG 2002 erinnert:

Dort heißt es wörtlich: „Im Zuge der rechtspolitischen Diskussion wurde gefordert, dass unentgeltlich tätige Organwalter von einer Haftung gegenüber dem Verein bzw. gegen Dritte möglichst freigestellt werden mögen. Eine weit gehende Haftungsfreistellung wäre jedoch nicht nur ein gravierender Eingriff in das allgemeine Schadenersatzsystem, sondern darüber hinaus auch aus verfassungsrechtlichen Gründen bedenklich.“

 

Diese Überlegungen führten zur Formulierung des § 24 Abs 1 zweiter Satz in der Fassung des VerG 2002. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit sich der verfassungsrechtliche Maßstab geändert haben sollte. Es besteht zumindest die Gefahr, dass die vorgeschlagene Neufassung (Einschränkung der Verschuldenshaftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit - nur - für unentgeltlich tätige Organwalter und Rechungsprüfer) nicht mehr als „vertretbare Verwirklichung rechtspolitischer Vorstellungen“ sondern als „unsachliche Differenzierung“ gewertet wird.

 

 

Zur Frage der Haftpflichtversicherung

 

Grundsätzlich erweckt die Haftpflichtversicherung aus der Perspektive des Schadenersatzrechts oft einen zwiespältigen Eindruck, da befürchtet wird, dass sie die Präventivfunktion des Schadeneratzrechts beeinträchtigt. Es darf aber nicht übersehen werden, dass Haftpflichtversicherungen dem Interesse des Geschädigten dienen, in anderen Bereichen - man denke an die Kraftfahrzeughaftpflicht - sind sie wohl bereits unabdingbar.

 

Man wird davon ausgehen können, dass der Markt für einen gewissen Ausgleich der Funktionen durch Selbstbehalte oder Bonus/Malus Regelungen sorgen wird.

 

Begrüßenswert ist, dass den Vereinen Haftpflichtversicherungen nicht zwingend vorgegeben werden, da wohl die (generelle) Zumutbarkeit der Haftpflichtversicherung Voraussetzung ihrer Normierung sein muss.

 

Wenn schon nicht für den ÖAMTC so doch für kleinere Vereine mag die Änderung/Erweiterung bestehender Haftpflichtversicherungen (auf Deckung des Freistellungsanspruchs leicht fahrlässig handelnder Organwalter oder Rechnungsprüfer)

durchaus ein wirtschaftlich nicht unproblematisches Faktum darstellen. Gelingt es dem Verein nicht, eine äquivalente Versicherungsprämie für den erhöhten Deckungsumfang auszuhandeln, wird es ihm wohl gestattet sein, die Versicherung mit bisherigem Deckungsumfang weiterzuführen, da es Vereinen ja auch gestattet ist, überhaupt keine Haftpflichtversicherung abzuschließen.

 

 

 

Zusammenfassung

 

Der ÖAMTC begrüßt die rechtspolitischen Überlegungen, die zu Haftungserleichterungen für unentgeltlich tätige Organwalter und Rechungsprüfer ideeller Vereine führen bzw diese Haftungserleichterungen konkret und vorhersehbar machen sollen.

 

Der ÖAMTC sieht im Entwurf Widersprüche zu anderen Rechtsmaterien und offene Fragen (siehe oben), insbesondere die nach einer allfälligen Ungleichbehandlung von Organwaltern und Rechungsprüfern ideeller Vereine mit sonstigen, in - und ausserhalb von ideellen Vereinen - unentgeltlich tätigen Personen.

 

Der ÖAMTC regt höflich an, den Entwurf nochmals überdenken zu wollen, insbesondere eine Angleichung in Richtung des Regelungssystems des Dienstnehmerhaftpflichtrechts erscheint überlegenswert.

 

Der ÖAMTC spricht sich für ein ausreichend flexibles Haftungssystem aus, das dem Richter durch Festlegung maßgebender Faktoren ein (eingeschränktes) Ermessen einräumt, und dadurch vorhersehbare, aber der Vielfalt der Sachverhalte gerecht werdende Entscheidungen ermöglicht.

 

 

 

 

Wien, am 19.09.2011

 

Mag. Michael Bartl

Generalsekretariat