An das

Bundesministerium

für Wirtschaft, Familie und Jugend

Stubenring 1

1011 Wien

 

Per E-Mail:     post@c12.bmwfj.gv.at

                        begutachtungsverfahren@parlament.gv.at

 

 

Wien, am 24. April 2009

Zl. B,K-035-1/240409/LI,AR

 

 

GZ: BMWFJ-56.205/0011-C1/2/2009

 

 

Betreff: Sammelgesetz Dienstleistungsrichtlinie

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Der Österreichische Gemeindebund erlaubt sich mitzuteilen, dass zu obig angeführtem Gesetzesentwurf folgende Stellungnahme abgegeben wird:

 

Grundsätzliches:

 

Mit dem vorliegenden Entwurf soll die zitierte EU-Richtlinie über Dienstleistungen im Binnenmarkt in nationales Recht umgesetzt werden.

 

Im Vorblatt zum Gesetzesentwurf werden als Alternativen zum Dienstleitungsgesetz die Möglichkeit einer Integration der horizontalen Elemente der Dienstleistungsrichtlinie in die betroffenen Materiengesetze oder deren Übernahme in das AVG angeführt.

 

Der Ablehnung der Alternativlösung der Integration in die betroffenen Materiengesetze können wir aus folgenden Gründen nicht folgen.

Bei den vom Dienstleistungsgesetz erfassten Dienstleistungen handelt es sich zum überwiegenden Teil um der Gewerbeordnung 1994 unterliegende gewerbliche und industrielle Tätigkeiten, weshalb die in Betracht kommenden Bestimmungen auch dort verankert werden sollten. Ein zahlenmäßig weitaus geringerer Teil betrifft die Dienstleistungen der freien Berufe (Ärzte, Rechtsanwälte, Steuerberater, Architekten...), bei denen die Dienstleistungsrichtlinie ebenfalls im jeweiligen Berufsgesetz umgesetzt werden sollte.

Dieser Weg wurde zuletzt auch richtigerweise bei der Regierungsvorlage zur 12. Ärztegesetz-Novelle (§ 37) umgesetzt und entspricht daher unserer Rechtssystematik. In dieselbe Richtung gehen auch die im § 19 geregelten Informationspflichten der Wirtschaftskammer Österreich gegenüber Unternehmen und des Vereins für Konsumenteninformation gegenüber Konsumenten.

Als Auskunftsstellen, welche die Informationspflichten gegenüber anfragenden EU-Unternehmen oder EU-Bürgern zu erfüllen haben, sollten unseres Erachtens daher generell die gesetzlichen oder beruflichen Interessensvertretungen der jeweiligen freien Berufe gesetzlich vorgesehen werden.

 

Die materiellen Bestimmungen der Dienstleistungsrichtlinie für die wenigen Berufe und Dienstleistungen, die durch Landesgesetz geregelt werden –z.B. Schischulen oder Bergführer – könnten sicherlich ebenfalls in den betreffenden Landesgesetzen umgesetzt werden.

 

Aus all diesen Gründen erscheint die Verfassungsbestimmung im § 1 des Dienstleistungsgesetzes entbehrlich, da die Regelungskompetenz für die Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie für nahezu alle Dienstleistungen ohnehin beim Bund liegt und in den jeweiligen Materiengesetzen für die einzelnen Berufe und Dienstleistungen auszuführen wäre.

 

Keinesfalls aber darf die Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie zum Anlass genommen werden, um durch den geplanten § 1 Abs. 3 DLG in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden einzugreifen.

Zudem betreffen die im Art. 118 Abs. 3 B-VG angeführten Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches solche behördlichen, primär polizeilichen, Aufgaben, die von der Dienstleitungsrichtlinie bzw. dem Dienstleistungsgesetz nicht erfasst sind.

 

Der Österreichische Gemeindebund weist deshalb diese gesetzlichen Absichten des Bundes mit aller Entschiedenheit zurück und fordert den ersatzlosen Entfall der Kompetenzdeckungsklausel. Die beabsichtigte Verfassungsbestimmung würde im Übrigen auch eine Änderung des Art. 118  Abs. 4 B-VG voraussetzen, welche im Hinblick auf die Gemeindeautonomie vehement abgelehnt wird.

 

Weiters spricht sich der Österreichische Gemeindebund vehement gegen die in

§ 9 DLG vorgesehene Genehmigungsfiktion aus, die einen absoluten Systembruch im Allgemeinen Verwaltungsverfahren bedeuten würde.

 

 

 

 

Zu den einzelnen Gesetzesentwürfen:

 

 

Zum Dienstleistungsgesetz:

 

Zu § 1

 

Die Kompetenzdeckungsklausel in § 1 des DLG stellt einen tiefschürfenden Eingriff in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden dar und führt zu einer massiven Aushöhlung der Gemeindeautonomie, weshalb sie ausdrücklich abgelehnt wird.

 

Zu § 6

 

Es wird befürchtet, dass die der einheitlichen Stelle (§ 5) zur Verfügung zu stellenden Informationen von kleinen Verwaltungseinheiten derzeit nicht bewerkstelligt werden können, weshalb wir uns für ausreichende Übergangsfristen aussprechen.

 

Zu §§ 7 und 8

 

Die in § 7 vorgesehene Abwicklung des behördlichen Verfahrens auf Verlangen des „Beteiligten“ in elektronischer Form, die lt. Erläuterungen verpflichtend für alle Behördenverfahren gelten soll, ist zum jetzigen Zeitpunkt ebenso wenig realisierbar wie die in § 8 normierte Möglichkeit der elektronischen Bestätigung von Kopien, da eine dementsprechende IT- Ausstattung bei vielen betroffenen Behörden noch nicht vorhanden ist.

Diese Bestimmungen sind daher auf jedenfalls um den Vorbehalt „soweit die EDV/IT-mäßigen Voraussetzungen bei der Behörde vorliegen“ zu ergänzen.

 

Zu § 9

 

Die Konstruktion der „Genehmigungsfiktion“ im DLG widerspricht den fundamentalen  Grundsätzen des AVG, insbesondere den Verfahrensgrundsätzen der §§ 18, §§ 56 ff sowie insbesondere des § 73 Abs. 1.

 

Es ist schlichtweg unverständlich, weshalb solch gravierenden Änderungen von Verfahrensgrundsätzen ohne gleichzeitige Anpassung des AVG im DLG umgesetzt werden sollten.

 

Unseres Erachtens sind die beabsichtigten Bestimmungen des 2. und 3. Abschnittes des DLG-Entwurfes systematisch auf jeden Fall als Änderungen bzw. Ergänzungen des AVG anzusehen und sollten daher auch dort – nach entsprechender Abstimmung der beabsichtigten Regelungen – normiert werden.

 

Zu § 24

 

Da durch das DLG auch Gemeindeinteressen berührt sein werden, wird angeregt auch Vertreter des Österreichischen Gemeindebundes bzw. auf Wunsch auch Vertreter des Österreichischen Städtebundes in den Beirat beim BM für Wirtschaft, Familie und Jugend aufzunehmen.

 

 

Zur Änderung des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991:

 

Unbestritten ist, dass die Einrichtung der einheitlichen Stelle, die nur als An- und Einlaufstelle für die von anderen Behörden durchzuführenden Verfahren anzusehen ist, zu einer wesentlichen Verfahrensverzögerung gegenüber den jetzigen Abläufen führen wird.

 

Zu § 20 a

 

Die im § 20a Abs. 4 des Entwurfes vorgesehene Variante, dass Entscheidungsfristen mit dem dritten Werktag nach der Einbringung  bei einer einheitlichen Stelle beginnen, ist ebenso unbefriedigend wie der Beginn des Fristenlaufes mit Einlangen bei der einheitlichen Stelle.

Für den Fall, dass die einheitliche Stelle mit der Weiterleitung in Verzug geraten würde, ginge dies zu Lasten der entscheidenden Behörde bzw. träfe die Gebietskörperschaft im Rahmen ihrer Amtshaftung die Haftung für die aus Schlecht- oder Nichterfüllung durch die einheitliche Stelle entstandenen Schäden.

 

Eine für die Gemeinden befriedigende Lösung  kann nur sein, wenn der „Postweg“ von der einleitenden Stelle bis zur zuständigen Behörde im Sinne des § 33 Abs. 2 AVG in die Frist nicht eingerechnet wird.

Dies insbesondere deswegen, weil auch die Möglichkeit der Einbringung in einem anderen Bundesland vorgesehen ist als in jenem, in dem die zuständige Behörde liegt, (siehe § 20a Abs. 3 – Weiterleitung an eine andere einheitliche Stelle), was zu einer Verzögerung des Einlangens des Anbringens bei der zuständigen Behörde führen kann.

Klärungsbedarf besteht aus unserer Sicht außerdem hinsichtlich der Frage, ob die einheitliche Stelle auch für die Weiterleitung von im Zusammenhang mit der Erbringung einer Dienstleistung notwendigen gerichtlichen Anträgen sein kann.

 

 

Änderungen des Verwaltungsstrafgesetzes:

 

Gegen die laut Entwurf beabsichtigen Änderungen des Verwaltungsstrafgesetzes bestehen unsererseits insoweit Bedenken, als in dessen § 24 zweiter Satz nach der Wortfolge „§ 14 Abs. 3 zweiter Satz“, der Ausdruck „§ 20 a“ eingefügt werden soll, gegen den die schon mehrfach dargelegten Einwände aufrecht erhalten werden.

 

 

Änderungen des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes:

 

Gegen die vorgesehenen Änderungen des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes 1991 bestehen keine Bedenken.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Für den Österreichischen Gemeindebund:

 

Der Generalsekretär:

Der Präsident:

 

 

Hink e.h.

Mödlhammer e.h.

 

Dr. Robert Hink

Bgm. Helmut Mödlhammer

 

 

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