Wettbewerbskommission

 

Wien, am 27. Februar 2012

 

 

 

 

 

 

An das

1. Bundesministerium für Wirtschaft,Familie und Jugend

    Abt C1/4 –Wettbewerbspolitik und –recht

    Stubenring 1

    1011 Wien

     mittels E-Mail  an die Anschrift  post@c14.bmwfj.gv.at

2. Bundesministerium für Justiz

    Museumstrasse 7

    1070 Wien

    mittels E-mail an die Anschrift team.z@bmj.gv.at

 

 

 

Betreff: Entwurf einer Novelle zum Wettbewerbsgesetz, Kartellgesetz 2005  und Nahversorgungsgesetz

             Stellungnahme

 

 

 

Die Wettbewerbskommission dankt für die Übermittlung der im Betreff genannten Gesetzesentwürfe sowie die Einladung zur Übermittlung von Überlegungen zur Gestaltung eines Wettbewerbsmonitorings und gestattet sich, folgende Stellungnahme abzugeben:

 

Die Wettbewerbskommission(WBK) hat schon mehrfach in ihren Stellungnahmen zu den Berichten der Bundeswettbewerbsbehörde(BWB) darauf hingewiesen, dass nach ihrer Auffassung eine Verbesserung des Instrumentariums der BWB im Sinne einer effizienten Wettbewerbspolitik geboten erscheint.

 

Die zur Begutachtung vorliegenden Entwürfe liegen weitgehend auf der Linie bisheriger Vorschläge der WBK und werden daher grundsätzlich begrüßt. Die WBK begrüßt insbesondere die Berücksichtigung einer langjährigen Empfehlung der WBK in Richtung Beweislastumkehr im Energiesektor im Entwurf der Novelle zum Nahversorgungsgesetz.

Zusammenfassend ruft die WBK jedoch auch jene Themen  in Erinnerung, die darüber hinaus nach Auffassung der WBK Berücksichtigung finden sollten:

 

-         Nach wie vor erfordert die Ressourcenausstattung der BWB im Zusammenhang mit der BWB übertragenen Aufgabenstellungen besonderes Augenmerk.

-         Im Bereich der Fusionskontrolle kommt dem Thema Multiplikatorverordnung für eine Durchsetzung der leitenden Grundsätze des Wettbewerbsrechts große Bedeutung zu. Die Problematik wurde immer wieder für den Bereich der Kinos, für Apotheken und Asphaltmischanlagen diskutiert. Gesamthafte Überlegungen zu einem Vorschlag für die Erfassung kleinerer Unternehmen, die zwar unter den Schwellenwerten liegen, jedoch über eine überragende Marktstellung in einzelnen Märkten verfügen, sollten ehestens angestellt werden.

-       Die Definition der Marktbeherrschung ist zu überdenken. Das Abstellen auf „eine bestimmte Ware oder Leistung“ für die Berechnung von Marktanteilen und die derzeitige Interpretation dieser gesetzlichen Bestimmung durch die Gerichte führen dazu, dass eine tatsächlich bestehende  Marktbeherrschung z.B. von Anbietern eines breiten Sortiments in vertretbarer Zeit nicht – dem wahren wirtschaftlichen Gehalt entsprechend – dargestellt werden kann.

-       die Interessenskonflikte aufgrund der Mehrfachrolle von Bund und Ländern als Eigentümer der Energieversorgungsunternehmen, Gesetzgeber und Aufsichtsorgane über die Entbündelung stellen eine Wettbewerbsbehinderung

 

 

 

      dar, die zu beseitigen wäre; entsprechende gesetzliche  Rahmenbedingungen, die der internationalen Praxis von ordnungspolitischer "good governance" entsprechen, sollten ohne zeitlichen Verzug implementiert werden.

-       Die WBK erachtet eine Stärkung der Marktmissbrauchskontrolle durch die Bundeswettbewerbsbehörde für angebracht. Der BWB müssen dafür die entsprechenden Instrumente zur Verfügung stehen. Hinsichtlich des Tatbestands des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung hat die Bundeswettbewerbsbehörde den betreffenden Unternehmen erstens die marktbeherrschende Stellung und zweitens deren Missbrauch nachzuweisen. Aufgrund der mangelnden Informationsbereitschaft entlang der Wertschöpfungskette sind diese Tatbestandselemente von der Behörde in der Praxis nur schwierig „gerichtsfest“ zu beweisen. Die WBK empfiehlt daher gesetzliche Beweiserleichterungen sowohl hinsichtlich des Tatbestandes der Marktbeherrschung (z.B. durch gesetzliche, aber widerlegbare Vermutungsregelungen) als auch des Tatbestands des Missbrauchs der marktbeherrschenden Stellung (z.B. Beweiserleichterung durch Anscheinsbeweis;  Verwendung von plausiblen Auskünften von Beschwerdeführern als „best information available“). Gleichzeitig schlägt die WBK vor, zum Ausgleich der weiter gehenden  Behördenrechte eine entsprechende richterliche Kontrolle des Behördenhandelns sicher zu stellen.

-       Die Wettbewerbskommission erachtet den Aufbau eines Wettbewerbsmonitorings als notwendig. Sie empfiehlt den Aufbau eines systematischen, transparenten, kontinuierlichen und ökonomisch fundierten Wettbewerbsmonitorings. Die Datenlage über die einzelnen Sektoren entlang der Wertschöpfungskette ist in Österreich stark verbesserungsbedürftig. Eckpunkte eines solchen Wettbewerbsmonitorings könnten unter anderem sein: Marktkonzentrationsgrade, Ländervergleiche und quantitative Marktstudien. Ein kontinuierliches Wettbewerbsmonitoring ist auch als Voraussetzung für eine effiziente Aufsicht gegen Marktmachtmissbrauch anzusehen. Die BWB sollte gesetzlich beauftragt und von den Ressourcen her in die Lage versetzt werden, ein solches Wettbewerbsmonitoring aufzubauen. Eine institutionalisierte Mitwirkung der Wettbewerbskommission an diesem Projekt in Art einer Begutachtungseinrichtung wäre sicher zu stellen.

Die WBK entspricht gerne dem do. Ersuchen, zum Thema des in den Erläuterungen zu den Novellen erwähnten Wettbewerbsmonitorings zusätzliche Überlegungen zu übermitteln.

 

1.         Ausgangssituation

 

Aufbauend auf den wissenschaftlichen Erkenntnissen des WIFO - Weißbuches für Wachstum und Beschäftigung (Teilkapitel 19: Wettbewerb und Regulierung) und der sozialpartnerschaftlichen Expertise aus der Studie des Beirats für Wirtschaft- und Sozialfragen zur Zukunft der Wettbewerbspolitik in Österreich hat die WBK seit dem Jahr 2008 wiederholt die Etablierung eines systematischen, transparenten, kontinuierlichen und ökonomisch fundierten Wettbewerbsmonitorings zur  Verbesserung der Entscheidungsgrundlagen für Wettbewerbsvollzug und –politik in Österreich empfohlen.

 

Aus diesem Grunde wird die Initiative von BMWFJ und BMJ, im Rahmen der Wettbewerbsrechtsnovelle 2012 neben anderen Reformmaßnahmen ein Wettbewerbsmonitoring gesetzlich verankern zu wollen, von der WBK ausdrücklich begrüßt und grundsätzlich unterstützt.

 

Beim Wettbewerbsmonitoring handelt es sich um ein Ressourcen intensives Thema –  je nach Tiefe des Wettbewerbsmonitorings im personellen und sachlichen Bereich. Es ist nicht davon auszugehen, dass die BWB diese Aufgabe mit vorhandenen Ressourcen bestreiten kann.

 

Die Empfehlungen der WBK zu den grundsätzlichen Zielen und einige Eckpunkte zur Ausgestaltung des Wettbewerbsmonitorings sind nachfolgend zusammengefasst.

 

2.         Grundzüge eines Wettbewerbsmonitoring

 

2.1      Zielsetzung

 

Unter Wettbewerbsmonitoring wird ein systematisch, kontinuierlich (d.h. nicht auf ad hoc-Basis) und nachhaltig zum Einsatz gelangendes wettbewerbspolitisches Hilfsmittel zur Entdeckung von Auffälligkeiten in Wettbewerbsprozessen verstanden, um Anhaltspunkte sowohl für wettbewerbspolitische Initiativen als auch für den Wettbewerbsrechtsvollzug zu liefern.

 

Wettbewerbsmonitoring in diesem Sinne ist die kontinuierliche Aufbereitung wichtiger wettbewerbspolitischer Parameter mit dem Ziel, die wettbewerbliche  Datenlage  in wichtigen Bereichen der österreichischen Volkswirtschaft entlang der Wertschöpfungskette zu verbessern. Sensible Branchen/Sektoren sind insbesondere solche, die im internationalen Vergleich überdurchschnittliche Preisentwicklungen bzw. Preisniveaus vorweisen.

 

Das Wettbewerbsmonitoring soll als zusätzliches Instrument gesetzlich verankert werden, um systematisch und frühzeitig Wettbewerbsprobleme zu erkennen und entsprechend gegensteuern zu können.

 

 

2.2      Definition

 

Wettbewerbsmonitoring beschreibt eine konkreten rechtlichen Vorgaben folgende, von einer geeigneten Stelle durchgeführte und auf Dauer angelegte Aktivität der Beobachtung von Marktentwicklungen und Wettbewerbsprozessen betreffend österreichische Unternehmenssektoren, Branchen, Verbundgruppen und Wirtschaftszweigen sowie ihren internationalen Verflechtungen auf der Grundlage von geeignetem statistischem Datenmaterial, das von einer mit der Erhebung statistischer Daten gesetzlich beauftragten Stelle nach (vom BMWFJ) vorab zu definierenden Qualitätskriterien erhoben und bereitgestellt wird, mit dem Ziel, Grundlagen und Anhaltspunkte für wettbewerbspolitische Entscheidungen und für den wettbewerbsrechtlichen Vollzug zu liefern – dies unter strikter Einhaltung der Grundsätze der Datensparsamkeit und des effizienten Mitteleinsatzes.

 

Die Meinung tendiert zu einer Übertragung des Wettbewerbsmonitorings an die BWB, wobei Vorteile einer Mitbefassung von Statistik Austria, Regulierungsbehörden und eventuell anderen Einrichtungen zu klären wären.

 

Es sollte klar gestellt werden, welche Datenkategorien in welcher Intensität und Regelmäßigkeit sinnvoller Weise konkret zu erheben sind und die Verantwortung hiefür fest gelegt werden.

 

Die WBK sollte damit beauftragt werden, zu den Ergebnissen des Wettbewerbsmonitorings Empfehlungen an die BWB und die beiden zuständigen Ministerien abzugeben (z.B. die Durchführung einer Branchenstudie, die Bereitstellung von Ressourcen für das Wettbewerbsmonitoring, die Setzung legistischer oder administrativer Maßnahmen).

 

Die WBK sollte weiters damit betraut werden, den Prozess des Wettbewerbsmonitorings laufend zu evaluieren  und Empfehlungen zu seiner Weiterentwicklung zu erarbeiten (z.B. Kennzahlen für Wertschöpfungsketten, die Entwicklung eines Kennzahlenschemas nach dem Beispiel Dänemark mit gewichteten quantitativen und qualitativen Parametern, den Einsatz neuer Methoden o.ä.).   

 

2.3      Weitere Vorgangsweise

 

Eine tiefer gehende Stellungnahme zu den einschlägigen Fragen übersteigt die Kapazitäten und Möglichkeiten der WBK innerhalb der kurzen Frist des legislativen Begutachtungsprozesses. Aus diesem Grunde belässt es die WBK bei ihren Empfehlungen im Rahmen dieser Stellungnahme auch bei den oben skizzierten Eckpunkten.

 

Insbesondere sollte die Kategorie von zu erhebenden Daten (z.B. Konzentrationsgrad, Preisentwicklung im internationalen Vergleich entlang der Wertschöpfungskette ehestens definiert werden. Die WBK empfiehlt deshalb dem BMWFJ und dem BMJ, sich zur Konkretisierung externer Expertise (z.B. in Form einer umfassenden wissenschaftlichen Studie) zu versichern. Die WBK ist gerne bereit, im Rahmen ihrer Möglichkeiten an der Definition des Studienauftrags und auch an der Studie selbst mitzuwirken.

 

 

 

 

Dem do. Ersuchen entsprechend, wird diese Stellungnahme auch dem Präsidium des Nationalrates auf elektronischem Wege an die Anschrift begutachtungsverfahren@parlament.gv.at übermittelt.

 

 

Dr. Klaus Wejwoda

Vorsitzender der WBK