IX/27030

Fristvermerk:

 

Anschrift:

An das
Bundeskanzleramt
Ballhausplatz 2
1014 Wien

 

An das
Präsidium des Nationalrates
Dr. Karl Renner Ring 3
1017 Wien

 

 

Singerstraße 17-19, 1011 Wien
Tel.: +43-1-514 39/190
Fax: +43-1-514 39/509
Doris.Steiner@bmf.gv.at
www.finanzprokuratur.at

Per E-mail:   v@bka.gv.at
                        begutachtungsverfahren@parlament.gv.at

Datum:                          

Wien, am 17. Dezember 2008

Betreff:

Bundesgesetz, mit dem das Bundesvergabegesetz 2006 geändert wird
(BVergG-Novelle 2008), Aussendung zur Begutachtung

Beilagen:

 

Anrede

Sehr geehrte Damen und Herren!

Texteingabe:

Zu dem ausgesendeten Entwurf darf die Prokuratur wie folgt Stellung nehmen:

 

A. Zu den im Anschreiben vom 23.10.2008 aufgeworfenen Diskussionspunkten:

 

1. Neuregelung der Subvergabe:

 

Im Hinblick darauf, dass es sich hiebei um eine Kann-Bestimmung handelt, besteht seitens der Prokuratur gegen die vorgeschlagene Neuregelung grundsätzlich kein Einwand, soweit die Textierung in weiterer Folge nicht - trotz des Verwendens des Wortes „kann“ - als Verpflichtung interpretiert wird. Sinnwidrig erscheint es jedoch, in den Ausschreibungsunterlagen festzuschreiben, dass ein ganz bestimmter Prozentsatz des Auftrages zwingend an Subunternehmer weiter zu geben ist; in dem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass der Auftraggeber naturgemäß ein vehementes Interesse daran hat, dass der Auftrag vom Auftragnehmer größtenteils selbst ausgeführt wird, zumal die Beiziehung von Subunternehmern in der Praxis bei Vertragsabwicklung des öfteren erhebliche Probleme auslöst, die insbesonders aus dem Umstand, dass keine unmittelbare Durchgriffsmöglichkeit auf Subunternehmer besteht, resultieren.

 

2. Entfall der Mitteilungspflicht gemäß § 106 Abs 6 BVergG 2006:

 

Der vorgesehene Entfall der in § 106 Abs 6 normierten Verpflichtung des Unternehmers, dem Auftraggeber umgehend mitzuteilen, dass aus seiner Sicht eine Berichtigung der Ausschreibung oder der Ausschreibungsunterlagen erforderlich ist, wird seitens der Prokuratur insbesonders aus zivilrechtlichen Erwägungen vehement abgelehnt. Die zitierte Bestimmung ist nämlich eng mit den in die Judikatur verankerten vorvertraglichen Prüf- und Warnpflichten verknüpft, die nach geltender Rechtsprechung auch nicht ausgeschlossen werden können und sich auch auf die Warnung vor einem unvollständigen Auftrag erstrecken. Der Hinweis auf ohnedies existente Standesregeln geht nach Auffassung der Prokuratur ins Leere: Einerseits existieren solche nicht für Anbieter unterschiedlichster Leistungskategorien und kann andererseits eine Übertretung von Standesregeln lediglich als Verwaltungsübertretung geahndet werden, aus der der Auftraggeber im Vergabeverfahren keinerlei wie auch immer geartete Konsequenzen ziehen kann. Wie weit eine Übertretung der Standesregeln für Baumeister in einem allfälligen Nachprüfungsverfahren zu berücksichtigen sein wird, ist ebenfalls unklar.

 

Für den Fall, dass tatsächlich beabsichtigt sein sollte, Interessensvertretungen eine Antragslegitimation bezüglich der Ausschreibungsunterlagen einzuräumen, wäre nach Auffassung der Prokuratur eine „Verlinkung“ der Mitteilungspflicht, die dann natürlich auch für die Interessensvertretungen zu gelten hätte, vorzunehmen. Konkret würde das bedeuten, dass die Interessensvertretungen nur dann und insoweit antragslegitimiert sind, als vorweg innerhalb der Anfechtungsfrist ein substantiierter Berichtigungsantrag beim Auftraggeber eingebracht und diesem nicht Folge geleistet wurde. Sinnvollerweise sollte dies mit einer Unzulässigkeit respektive Verlust der Antragslegitimation bei Unterlassen einer Berichtigungsmitteilung bzw bei Anfechtung aus Gründen, die nicht Gegenstand der Berichtigung waren, verknüpft werden. Die Mitteilungsverpflichtung auch durch die Interessensvertretung vorzusehen, hätte den Vorteil, die offensichtlich gewünschte Anonymität der Bieter zu wahren.

 

Abschließend darf darauf hingewiesen werden, dass ein gänzlicher Entfall der Mitteilungspflicht massive Kosten für den Auftraggeber infolge unterbliebener Berichtigung nach sich ziehen kann und wäre die Kostensituation auch aus diesem Blickwinkel näher zu betrachten.

 

3. Zur Antragslegitimation der Interessensvertretungen:

 

Das vorgesehene Antragsrecht der Interessensvertretungen, das wohl noch einer detaillierteren legistischen Ausgestaltung zuzuführen wäre, ist nach Auffassung der Prokuratur, die insbesonders die Interessen öffentlicher Auftraggeber zu wahren hat, nicht nur problematisch, sondern insgesamt betrachtet abzulehnen.

 

Vorrangig ist unklar, ob jeglicher Interessensvertretung in jeglicher Causa eine Antragslegitimation zukommen soll, oder ob tatsächlich nur die aufgrund des Beschaffungsgegenstandes respektive des betroffenen Unternehmerkreises zuständige Vertretung mit dem Antragsrecht ausgestattet wird.

 

Der Umstand, dass Interessensvertretungen an einer Nachprüfung wohl kein rechtliches Interesse geltend machen können und ein Antragsrecht bereits aus diesem Grund über das Richtlinienerfordernis hinausgeht, ist mit dem Grundsatz des Verzichtes auf ein „golden plating“ unvereinbar. Darüber hinaus ist unklar, wie die Interessensvertretungen im Falle widerstreitender Interessen ihrer Mitglieder agieren sollen bzw werden und könnte eine derartige Konfliktsituation im Licht der Gleichbehandlung respektive Nichtdiskriminierung der Mitglieder erhebliche Probleme nach sich ziehen. Da die Interessensvertretungen selbst öffentliche Auftraggeber sind, stellt sich hiebei die Frage, wem in concreto diesbezüglich Antragslegitimation zukäme.

 

Ein derartiges Antragsrecht widerspricht auch dem primärrechtlichen Grundsatz der Nichtdiskriminierung, zumal gänzlich ungeklärt ist, in welcher Form Interessensvertretungen in anderen Mitgliedsstaaten ein Antragsrecht erhalten sollen und wie eine Diskriminierung von Bietern aus Mitgliedsstaaten zu vermeiden ist, die keiner Interessensvertretung angehören bzw in deren Mitgliedsstaaten eine solche nicht existiert. Im Hinblick auf die Zwangsmitgliedschaft in Österreich wären inländische Unternehmen in gemeinschaftsrechtlich bedenklicher Art und Weise jedenfalls materiell bevorteiligt.

 

Bedenklich erscheint die Festschreibung der Antragslegitimation für gesetzliche Interessensvertretungen insbesonders auch im Licht der bei der Europäischen Kommission eingebrachten Beschwerde gegen die Zwangsmitgliedschaft in österreichischen Wirtschaftskammern, in der insbesonders auch ein Verstoß gegen das Beihilfenverbot im Sinne einer Verfälschung des Wettbewerbs durch verbotene Quersubventionierung relativiert wird.

 

Im Hinblick darauf, dass Mitglieder einer Interessensvertretung als Mitglieder des BVA-Senates über Nachprüfungsanträge mitentscheiden, die von eben dieser Interessensvertretung eingebracht werden, widerspricht ein solches Antragsrecht auch Art 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention; dem könnte auch dadurch nicht Abhilfe geschaffen werden, dass Beisitzer aus anderen Interessensvertretungen herangezogen werden. Zur Gleichbehandlung aller Antragsteller müsste sohin die Senatsbesetzung im Bundesvergabeamt gänzlich entfallen, was jedoch aus rein praktischen Erwägungen heraus wohl kaum gewollt ist bzw auch nicht wünschenswert wäre.

 

4. Alternative Sanktionen:

 

Da die vorgeschlagene Fassung weit über den Richtlinienwortlaut hinausgeht, wird im Hinblick auf den Verzicht auf das „golden plating“ angeregt, den Richtlinientext (Art 2d und 2e) in das Bundesvergabegesetz zu übernehmen. Während nämlich die Richtlinie als Sanktion alternativ die Verkürzung der Laufzeit oder die Verhängung von Geldbußen vorsieht, wird im Entwurf einerseits die Möglichkeit der befristeten Weitergeltung des Vertrages und kumulativ zwingend die Verhängung einer Sanktion geregelt. Die Richtlinie selbst sieht darüber hinaus die Nichtigerklärung von Verträgen bzw die Verhängung von alternativen Sanktionen naturgemäß nur für den Oberschwellenbereich vor und sollte nach Auffassung der Prokuratur der Unterschwellenbereich von dieser Regelung demgemäß nicht mitumfasst sein.

 

Die vorgesehene Sanktion, dass der Spruch des Feststellungsbescheides auf Kosten des Auftraggebers in einer oder mehreren periodischen Druckschriften zu veröffentlichen ist und der öffentliche Auftraggeber damit an den Pranger gestellt werden soll, widerspricht nicht nur dem System des Verbotes des „golden plating“, sondern schießt darüber hinaus weit über das Ziel der Richtlinie hinaus und ist schon deshalb entschieden abzulehnen.

 

Mit dem vorliegenden Entwurfstext sollen die Vergabekontrollbehörden das Recht zur Aufhebung zivilrechtlicher Verträge erhalten. Dies widerspricht dem verfassungsrechtlich verankerten Grundsatz der Gewaltentrennung und würde die Vergabekontrollbehörden, die als Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag eingerichtet sind, unzulässigerweise zu Behörden „sui generis“ einrichten. Der Ausspruch und die zivilrechtlichen Konsequenzen sollten weiterhin ausschließlich den hiefür zuständigen Zivilgerichten vorbehalten bleiben, wie es auch im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen in der bisherigen Regelung des § 341 BVergG vorgesehen ist.

 

Welche Vorteile eine Aufhebung des Vertrages ex tunc gegenüber einer solchen ex nunc insbesonders auch für den übergangenen Bieter haben soll, ist nicht ersichtlich, zumal Aufhebungen ex tunc samt bereicherungsrechtlicher Rückabwicklung, beispielsweise bei Bauleistungen in den seltensten Fällen zu einer Neuausschreibung ein und desselben Projektes führen.

 

Zu den Ausführungen in den Materialien, wonach die Verhängung einer Geldbuße keine Verwaltungsstrafe darstelle, sondern mit Geldbußen nach § 29 KartellG vergleichbar wären, ist zu bemerken, dass es sich bei den Kartellgerichten eben um Gerichte und nicht um Verwaltungsbehörden handelt. Die Übertragung dieser Agenden an die Zivilgerichte wäre sohin nicht nur richtlinienkonform, sondern auch mit der geltenden österreichischen Verfassung in Einklang zu bringen.

 

 

B. Allgemeines zum vorliegenden Entwurf:

 

Die vom Gesetzgeber seit Jahren verfolgte Linie des Verzichts auf „golden plating“, die sich aus wirtschaftlicher Sicht sehr bewährt hat, sollte nach Auffassung der Prokuratur beibehalten werden. Darüber hinaus besteht angesichts der im Entwurf - im Unterschied zur derzeit geltenden Gesetzesfassung - infolge vermehrter Querverweise die Gefahr der Unübersichtlichkeit; um eine einfachere Lesbarkeit auch für juristisch nicht bewanderte Auftraggeber und Auftragnehmer zu gewährleisten, wird angeregt, die Querverweise - wenn möglich - auf ein geringes Maß zu reduzieren.

 

Die vorgesehenen Zehn-Tage-Fristen, die mit den europäischen Vorgaben konform gehen, sind - ebenso wie die Unterscheidung zwischen den im Ober- und Unterschwellenbereich vorgesehenen Fristen - jedenfalls zu begrüßen.

 

 

C. Zu den einzelnen Bestimmungen des vorliegenden Entwurfes:

 

ad § 70 Abs 3:

 

Im Zusammenhang mit der Eigenerklärung wird um Klarstellung ersucht, ob dies ebenfalls für jene Nachweise, die die technische Leistungsfähigkeit betreffen, insbesonders den Beleg für eine allenfalls geforderte Referenzleistung, gelten soll, insbesonders, zumal sich die Begründung ihrer Notwendigkeit und der diesbezüglichen Nachweise bereits im Verlangen eines solchen und der Notwendigkeit beim ursprünglichen Auftraggeber Nachforschungen anstellen zu können, manifestiert. Als problematisch erweist sich diese Regelung insbesonders auch bei 2-stufigen Verfahren, in denen die Mitnahme von Bietern in die 2. Stufe anzahlmäßig beschränkt wurde und sich erst vor Zuschlagserteilung das Nichtvorliegen der Eignung herausstellt, was de facto bei früherer Kenntnis zu einem anderen Bieterkreis hätte führen müssen.

 

In dem Zusammenhang wird angeregt, die Begründungspflicht fallen zu lassen.

 

ad § 119:

 

Der an die Stelle des einfachen Zeitstempeldienstes tretende qualifizierte Zeitstempeldienst hat dermaßen hohe Anforderungen, dass diese nur durch Beiziehung eines externen Diensteanbieters erfüllt werden können. Dies würde zu erheblichen Irritationen der Bieter führen, zumal eine Anforderung des qualifizierten Zeitstempels nur dann erfolgen kann, wenn die Angebotsdateien auf dem Server des Auftraggebers eingetroffen sind. Es käme sohin auf die aktuelle Übertragungsgeschwindigkeit der Leitungen des Auftraggebers an.

 

ad § 129 Abs 1 Z 11:

 

Folgt man dem Rundschreiben des BKA-Verfassungsdienstes vom 13.5.2008 so kommt der Dienstleistungsanzeige bei sensiblen Gewerben konstitutive Wirkung zu, während bei nicht sensiblen die Anzeige selbst nur deklarative Bedeutung hat. Die unterlassene Dienstleistungsanzeige bei nicht sensiblen Gewerben stellt sohin bloß eine Ordnungswidrigkeit dar, die kein Ausscheiden des Angebotes nach sich zieht. Insoweit steht die derzeitige Fassung in Widerspruch zu § 373a Abs 5 Z 3 GewO.

 

Aus der Frist in § 373a Abs 5 Z 3 GewO ergibt sich auch, dass es bis zu zwei Monaten dauern kann, bis eine Mitteilung durch den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit ergeht und erst nach Verstreichen dieser Frist sichergestellt ist, dass der Bieter die angebotene Dienstleistung auch tatsächlich ausüben darf. Diese extrem lange Wartefrist ist für den Auftraggeber nicht nur unzumutbar, sondern steht auch in einem Widerspruch zur Intention des Gesetzgebers, der mit der Novelle zur GewO eine Erleichterung bei der Erbringung grenzüberschreitender Dienstleistungen schaffen wollte. Nach Auffassung der Prokuratur könnte dadurch Abhilfe geschaffen werden, dass die Vorlage einer Eigenerklärung bezüglich der gewerberechtlichen Qualifikation auch für den präsumptiven Zuschlagsempfänger ausreicht und ein Nachweis über die erfolgte Antragstellung für Dienstleistungsanzeigen iSd § 373a Abs 4 GewO nur über ausdrückliche Aufforderung des Auftraggebers beizubringen ist. Dies hätte auch den Vorteil, dass der betroffene Auftraggeber nicht zu einer umfassenden Kontrolleinrichtung und ausgewiesenem Gewerberechtsexperten mutieren muss, was zweifelsfrei auch nicht gewünscht sein dürfte.

 

 

D. Anregungen:

 

Im Zusammenhang mit der Novellierung des Bundesvergabegesetzes wird angeregt, die im Zusammenhang mit § 140 Abs 3 2. Satz in der Praxis häufig auftretende Unklarheit des Beginns der Stillhaltefrist zu beseitigen: Im Hinblick darauf, dass die EU-weite Bekanntmachung gegenüber der Einschaltung im Lieferanzeiger erheblich verzögert ist, müsste von einem differierenden Fristenlauf ausgegangen werden. Sofern darüber hinaus auch noch jene „Bieter in spe“, die die Ausschreibungsunterlagen angefordert bzw Fragen gestellt haben, zusätzlich per Fax von der Widerrufsentscheidung informiert werden, wären drei verschiedene Stillhaltefristen zu beachten. Eine entsprechende Differenzierung zumindest in den Materialien wäre hier nach Auffassung der Prokuratur wünschenswert.

 

 

Mit vorzüglicher Hochachtung
Im Auftrag:

(Dr. D. Steiner)