Stellungnahe zum Bundesgesetz, mit dem ein BFA-Einrichtungsgesetz und ein BFA – Verfahrensgesetz erlassen sowie das Asylgesetz 2005, das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Staatsbürgerschaftsgesetz1985, das Grundversorgungsgesetz – Bund 2005 und das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 2008 geändert werden.

 

Die folgende Stellungnahme wurde von LEFÖ – Interventionsstelle für Betroffene des Frauenhandels erarbeitet:

 

Aufenthalt für Opfer nach §57 AsylG

Entwurf

§ 57 (1) AsylG: Im Bundesgebiet aufhältige Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine Aufenthaltsbewilligung für besonderen Schutz zu erteilen:

1. (…)

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur

Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel;

3. (…)

 

 (3) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 2 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein Strafverfahren nicht  begonnen wurde oder zivilrechtlichen Ansprüche nicht geltend gemacht wurden. Eine Aufenthaltsbewilligung gemäß Abs. 1 Z 2 ist mindestens für sechs Monate zu erteilen; die Behörde hat binnen sechs Wochen zu entscheiden.

 

Problembenennung

Der Bestimmung §57 AsylG „Besonderer Schutz“ muss vorausgeschickt werden, dass die Basis, dass Menschen ein Aufenthaltsrecht in Anspruch nehmen können, ist, dass sie von den zuständigen Behörden als Opfer erkannt werden. Diese Identifizierung gehandelter Personen setzt eine entsprechende Schulung der zuständigen Personen und Behörden in einer gender- und kultursensitiven Weise voraus.

Der Aufenthalt ist weiterhin an die Bereitschaft oder Fähigkeit des Opfers gebunden, im Strafverfahren als ZeugInnen gegen den/ die Menschenhändler auszusagen.

Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt, dass die konditionale Verbindung von „Aussage“ und „Aufenthalt“ in Strafverfahren als Argument verwendet wird, um die Glaubwürdigkeit der Zeuginnen zu untergraben.

Der Aufenthalt  ist auf die Gewährleistung von Strafverfolgung oder die Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen reduziert.

Weiters besteht keine aufschiebende Wirkung: dies führt in der Realität dazu, dass betroffene Frauen einen Antrag stellen, dann aber in Schubhaft genommen werden können. Dies trägt extrem zur Verhinderung der Stabilisierung bei.

 

Hier stellt sich die Frage, ob dies den internationalen Verpflichtungen widerspricht. Der Verpflichtung der Europaratskonvention, Bedenkzeit und Aufenthalt zu gewährleisten, wird damit nicht nachgekommen. Konkret heißt das, dass eine Ausweisung von der Fremdenpolizei gemacht werden kann, obwohl ein Antrag nach §57 (2) AsylG läuft.

 

Reformvorschlag

1. Empfohlen wird, dass bis zur Entscheidung über den Antrag ein faktischer Abschiebeschutz besteht. Auch diese Personengruppe darf Rechtssicherheit während des Verfahrens erwarten. Dieser ist im vorliegenden Text nicht festgehalten.

Ebenfalls wird in der Stellungnahme der EU-ExpertInnengruppe von 2009[1] empfohlen, dass der Aufenthalt unabhängig von der Beteiligung an der Strafverfolgung ausgesprochen werden soll, da nur dies den Schutz der Opfer garantiert.

 

  1. Auch um für Opfer eine Rechtssicherheit zu schaffen, empfehlen wir den vorliegenden Text insofern zu ergänzen, dass ein Aufenthaltstitel auch zum Schutz und zur Sicherheit für Opfer erteilt werden kann und dazu die Expertise einer Opferschutzeinrichtung zugezogen wird und der Antrag auf jeden Fall eine aufschiebende Wirkung haben muss.

 

§60 AsylG: Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen:

……

(2 )Aufenthaltstitelgemäß §56 und im Verlängerungsverfahren gemäß §57 erteilte Aufenthaltstitel  dürfen einem Drittstaatsangehörigen nur erteilt werden, wenn

1. der Drittstaatsangehörige einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine

vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird;

2. der Drittstaatsangehörige über einen alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutz

verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist;

3. der Aufenthalt des Drittstaatsangehörige zu keiner finanziellen Belastung einer

Gebietskörperschaft (§ 11 Abs. 5 NAG) führen könnte;

4. durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem

anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden.

 

Problembenennung:

 

Mit diesem Entwurf wird festgeschrieben, dass schwer traumatisierte Frauen, innerhalb eines Jahres, obwohl ein aufrechtes Verfahren besteht, die genannten Voraussetzungen erfüllen müssen. Im aktuellen Gesetz sind Opfer von Menschenhandel auch bei Verlängerung davon ausgenommen.

Die Praxis zeigt, dass es kaum möglich ist in einem Jahr sowohl ausreichende Mittel als auch eine ortsübliche Unterkunft zu finden. Betroffenen Frauen brauchen ausreichend Zeit sich zu stabilisieren und neu zu orientieren. Strafverfahren und Zivilrechtliche Verfahren sind oft nicht innerhalb eines Jahres abgeschlossen, insofern ist die Betroffene, dann wenn sie bei Gericht aussagen würde, oder aber ihre Ansprüche im Zivilverfahren vertreten muss nicht mehr in Österreich. Diese Bestimmung entspricht nicht der „Richtlinie 2004/81/EG des Rates vom 29.April 2004 über die Erteilung von Aufenthaltstitel für Drittstaatsangehörige, die Opfer des Menschenhandels sind oder deren Beihilfe zur illegalen Einwanderung geleistet wurde und die mit den zuständigen Behörden kooperieren“ Gemäß deren Artikel 8 Abs.3 hat die Verlängerung unter den gleichen Voraussetzungen zu erfolgen wie die Erteilung des ersten Aufenthaltstitel.

Empfehlung:

Verlängerungen nach §57 insbesonder Z 2 vom §60 auszunehmen.

 

Rot Weiß Rot Karte Plus:

Aktuelle Rechtslage

In §41a NAG sind die Voraussetzungen für die Erteilung einer Niederlassung geregelt.

 

„(3) Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ zu

erteilen, wenn eine Mitteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 58 Abs. 3 AsylG

2005 vorliegt. Der Aufenthaltstitel ist unverzüglich, längstens jedoch binnen acht Wochen ab Zustellung

der Mitteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, zu erteilen. § 20 Abs. 2 gilt sinngemäß.“

 

 

Problembenennung:

In der jetzigen Form des Gesetzes wird davon ausgegangen, dass die Gefährdung nur bei einem laufenden Strafverfahren vorhanden  ist: Doch zeigt die Praxis, dass die Gefährdung ab dem Zeitpunkt gegeben ist, sobald eine Frau einer Behörde etwas mitteilt und sich weigert weiter zu arbeiten, was ja meist der Mitteilung an eine Behörde vorausgeht. Weiters ist sie gefährdet, wenn sie als Opfer aussagt, über die Dauer des Prozesses hinaus. Da es sich um ein internationales Verbrechen handelt, sind mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht alle TäterInnen in Haft und gerade die sinnen auf Rache oder aber auch „Klarstellungen“, um hier Präzedenzfälle zu verhindern. Denn Frauen, die sich erfolgreich dem Einflussbereich der TäterInnen entziehen, gefährden die Struktur der organisierten Kriminalität und können Vorbilder für andere Frauen sein.

 

Die Sicherheit von Betroffenen ist aber mit der Haft von einzelnen TäterInnen nicht gewährleistet, daher ist im Besonderen bei der Aussage gegen TäterInnen über das Verfahren hinaus Sicherheit zu gewährleisten. Traumatisierte können kaum im Laufe eines Jahres die Hürden des Arbeitsmarktes bewältigen und in Wien am Wohnungsmarkt eine eigene Ortsübliche Unterkunft finden.

Das heißt, Frauen, die es wagen eine Anzeige zu erstatten, wo keine Täter ausgeforscht werden können, oder aber wo ein Verfahren innerhalb eines Jahres abgeschlossen wird und die in diesem Zeitraum keine Arbeit und keine Wohnung finden, haben ihr Aufenthaltsrecht verwirkt.

 

 

Vorschlag:

Daher wird empfohlen, die Gefährdung der Sicherheit der Betroffenen auch nach dem Verfahren in die Erteilungsgründe einzubeziehen und zumindest die geltende Rechtslage zu übernehmen.

 

 

Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz

Aufenthalt für EU – Bürgerinnen

Aktuelle Rechtslage

§51(1) NAG: Auf  Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie

  1. (…)
  2. Für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, sodass sie während ihres Aufenthaltes weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen,

…..

 

Problembenennung

Mit 1.1.2011 wurde im §51 NAG der Zusatz der Ausgleichszulagen hinzugefügt. Somit ist es jetzt rechtlich unmöglich, dass Betroffene des Frauenhandels aus EU Ländern in Österreich eine Anmeldebescheinigung bekommen können. Ohne diese Anmeldebescheinigung ist es unmöglich Zugang zu Sozialleistungen zu erhalten, auch die Krankenversicherung ist ausgeschlossen. Insofern wurden keine Regelungen im umfassenden Opferschutz geschaffen, die allen Betroffenen den gleichen Zugang gewährleisten.

 

Reformvorschlag:

Empfohlen werden die Bestimmungen des Niederlassung – und Aufenthaltsgesetzes insofern zu überprüfen, als dass der Opferschutz auch von EU Bürgerinnen wieder gewährleistet werden kann und sie sich zu ihrer Sicherheit in Österreich aufhalten können und sie daher eine Anmeldebescheinigung erlangen können.

 

 

 

 



[1]              EU-ExpertInnengruppe, Stellungnahme vom 16.06.2009, Absatz 13,Seite 4.