Mag. Isabella Zins

Bundesobfrau der Vereinigung

christlicher LehrerInnen an AHS und BMHS

 

Goethestraße 28

2136 Laa/Thaya

Stellungnahme zum Entwurf eines

Bundesgesetzes, mit dem das

Schulunterrichtsgesetz geändert wird

In offener Frist übermittelt die VCL Österreich ihre Stellungnahme zum gegenständlichen Entwurf.

Präambel:

Die VCL Österreich bekennt sich ausdrücklich zu einer standardisierten kompetenzorientierten Reifeprüfung mit zentralen Elementen unter Berücksichtigung schulautonomer pädagogischer Schwerpunkte, wie sie auch im Regierungsübereinkommen vorgesehen ist. Dabei muss einerseits die Vielfalt der Begabungen, Interessen und Neigungen der Schüler[1] berücksichtigt werden, die auch in den unterschiedlichen Schularten und Schulformen ihren Ausdruck findet. Andererseits sollen Abschlusszeugnisse vergleichbarer und damit aussagekräftiger werden.

Um Vergleichbarkeit und Vielfalt zu gewährleisten, müssen folgende Punkte gewährleistet sein:

·        Standardisierte Vorgaben müssen für ALLE Abschlussprüfungen, die eine allgemeine Studienberechtigung verleihen (Reifeprüfung an AHS und BHS, Externistenprüfung, Berufsreifeprüfung…), in gleicher Weise gelten.

·        Diese für alle Schularten und Schulformen gleichen Aufgabenstellungen für TEILE von Prüfungen müssen zentral vorgegeben werden.[2] Damit soll keineswegs eine „Verwässerung“ erfolgen. Zentraler und nicht zentraler Teil werden getrennt beurteilt. Beide Teile müssen mindestens mit Genügend beurteilt sein, um die Reifeprüfung zu bestehen. Im Reifeprüfungszeugnis werden beide Noten aufgewiesen. (Siehe dazu auch unsere Anmerkungen zu § 42g Abs. 2 Z 5 des Entwurfs.)

·        Prüfungsmodi, bei denen ALLE Aufgabenstellungen auch nur einer Teilprüfung zentral vorgegeben werden, lehnt die VCL Österreich jedoch aus den oben genannten Überlegungen heraus mit Entschiedenheit ab.
Bei einer Klausur, deren Prüfungsaufgaben ausschließlich zentral vorgegeben werden, wäre der Druck groß, in jenen Unterrichtsgegenständen, in denen der Großteil der Kandidaten nur schriftlich zur Reifeprüfung antritt, nur mehr jene Grundkompetenzen zu unterrichten, die sich leicht in standardisierter Form abprüfen lassen. Ein solches Teaching-to-the-test, das auch international (z.B. in Großbritannien) heftig kritisiert wird, führt zu einer Verarmung des Unterrichts und lässt wenig Platz für Kreativität, Schwerpunktsetzungen und Eingehen auf die Interessen der Schüler.

·        Zentrale Aufgaben können nur die Grundkompetenzen abprüfen, die für eine allgemeine Studienberechtigung als unbedingt erforderlich angesehen werden. Sie sollen und müssen zentral vorgegeben sein.

·        Kompetenzen können nur anhand konkreter Inhalte abgeprüft werden. Zentral Geprüftes muss sich in konkreten Inhalten in den Lehrplänen finden. Das ist bei den momentan gültigen Lehrplänen nicht der Fall.

·        Die Gleichwertigkeit von schriftlicher und mündlicher Reifeprüfung muss gewahrt bleiben. Wir fordern daher die Beibehaltung von mündlichen Schwerpunktprüfungen (z.B. Pflichtgegenstand in Kombination mit dem dazugehörigen Wahlpflichtgegenstand).

·        Zur Berücksichtigung der unterschiedlichen Schwerpunktsetzung der Schulformen und der schulautonomen Schwerpunktsetzungen sind gewisse Vorgaben erforderlich, nach denen Kandidaten ihre Prüfungsgebiete wählen müssen. Es ist absurd, wenn z.B. in Zeiten, in denen Fremdsprachenkompetenz immer stärker eingefordert wird, die derzeit bestehende Verpflichtung zur Ablegung der mündlichen Reifeprüfung in einer Fremdsprache sowie in einem für die jeweilige Schulform typenbildenden Gegenstand abgeschafft werden soll. (Das entnehmen wir zumindest den Informationen zur geplanten Zentralmatura auf der Website des BMUKK.)

·        Eine Reform der Reifeprüfung darf nicht zu ihrer Entwertung führen.

·        Vor der flächendeckenden Einführung muss eine neue Reifeprüfung im Schulversuch erprobt werden. (Die derzeit in Schulversuchen entwickelte standardisierte Reifeprüfung in Englisch und Französisch spiegelt bestenfalls einen kleinen Teil einer neuen Reifeprüfung wider.)

·        Das vollständig ausgearbeitete, detaillierte Konzept muss mindestens fünf Jahre vor der tatsächlichen Anwendung bei einer Reifeprüfung gesetzlich verankert werden. Vier oder fünf Jahre dauert nämlich die Sekundarstufe II. Schüler und Lehrer müssen wissen, worauf sie hinarbeiten, wenn die Sekundarstufe II beginnt.

Mit diesen Forderungen befinden wir uns im Einklang mit den Bundesschülervertretern.

Einerseits werden im vorliegenden Gesetzesentwurf manche dieser Forderungen definitiv nicht erfüllt. Andererseits liegt kein Entwurf einer neuen Reifeprüfungsverordnung vor, aus dem beurteilt werden könnte, inwieweit andere Forderungen umgesetzt werden sollen. Eine Verordnungsermächtigung ohne detailliertes Konzept ist ein „Blanko-Scheck“ für den zuständigen Bundesminister. Das lehnt die VCL Österreich in einer für unser Bildungssystem so zentralen Frage mit Entschiedenheit ab, zumal es keinerlei Notwendigkeit einer SchUG-Änderung zum jetzigen Zeitpunkt gibt. Diese kann erfolgen, sobald ein Verordnungsentwurf vorliegt.

Allgemeine Bemerkungen:

In den Erläuterungen heißt es wörtlich:

„Die Neukonzeption der Reifeprüfungsbestimmungen für allgemein bildende höhere Schulen trägt mit den drei voneinander unabhängigen Säulen (verpflichtende vorwissenschaftliche Arbeit mit Präsentation, standardisierte schriftliche Klausurprüfung, standortbezogene mündliche Prüfung) auch den Anforderungen nach Erhöhung der Studierfähigkeit, Standardisierung und Kompetenzorientierung sowie der Wahrung von standortbezogenen Spezifizierungen und schulautonomen Profilbildungen Rechnung.“

„Die vorwissenschaftliche Arbeit vereint die positiven Erfahrungen aus den Bereichen der Fachbereichsarbeit sowie der Spezialfrage und trägt den individuellen Interessen der Schülerinnen und Schüler sowie schulspezifischen Elementen und schulautonomen pädagogischen Schwerpunkten Rechnung.“

Die mündliche Prüfung soll die schulspezifischen Elemente einschließlich schulautonomer pädagogischer Schwerpunkte wahren.“ (unsere Unterstreichungen)

Diese Aussagen sind schlichtweg falsch, wenn man von den Informationen zur geplanten Zentralmatura auf der Website des BMUKK ausgeht. Der Schüler entscheidet völlig frei, in welchem Gegenstand er eine vorwissenschaftliche Arbeit verfasst. Die Wahl der mündlichen Prüfungsgebiete soll im Gegensatz zur jetzigen Rechtslage ebenfalls völlig frei erfolgen. Die Klausuren sollen VOLLzentral abgehalten werden. Das derzeitige Konzept einer neuen Reifeprüfung berücksichtigt daher in keiner Weise standortbezogene Spezifizierungen, schulautonome Profilbildungen, schulspezifische Elemente oder schulautonome pädagogische Schwerpunkte. Was bei der neuen Reifeprüfung nicht zentral vorgegeben wird, wird in die SCHÜLERautonomie verlagert – und NICHT in die SCHULautonomie.

Zwei konkrete Beispiele: Ein Schüler besucht ein Realgymnasium mit Schwerpunktsetzung und Laborunterricht in Biologie, Physik und Chemie. Nach dem BMUKK-Konzept einer Zentralmatura kann dieser Schüler eine vorwissenschaftliche Arbeit in Englisch schreiben, schriftlich vollzentral in Deutsch, Mathematik und Englisch maturieren und mündlich Englisch, Deutsch und Geschichte wählen.

Ein anderer Schüler besucht ein Gymnasium mit einer besonderen Schwerpunktsetzung in Fremdsprachen. Dieser Schüler schreibt eine vorwissenschaftliche Arbeit in Geschichte. Schriftlich maturiert er vollzentral in Deutsch, Mathematik und Englisch. Mündlich wählt er Geschichte, Biologie und Geographie.

Im allgemeinen Teil der Erläuterungen wird angekündigt, dass die „Ergebnisse der Schülerleistungen im Rahmen der teilzentralen Reifeprüfungen“ vom Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesen (BIFIE) „zusammengefasst“ und „analysiert“ werden sollen. Es geht dabei um eine enorme Menge personenbezogener Daten. Die  VCL Österreich fordert in diesem Zusammenhang geeignete Maßnahmen, die den Datenschutz in vollem Umfang gewährleisten.

Bei der Darstellung der finanziellen Auswirkungen wird zwischen Entwicklungskosten (bis 2013) und den laufenden jährlichen Kosten ab 2014 unterschieden.

Entwicklungskosten: Die VCL Österreich fordert eine Klarstellung, für welche „13 Klausurgegenstände“ Aufgaben entwickelt werden sollen. Den Informationen zur Zentralmatura auf der BMUKK-Website entnehmen wir nämlich, dass bisherige Klausurgegenstände in Sonderformen (Sportkunde, Musikerziehung) nicht mehr klausurfähig sein sollen. Die Höhe der Kosten (16,6 Millionen Euro) verwundert. Damit können im AHS-Bereich fast ein Jahrzehnt hindurch alle Prüfungstaxen bei den Klausuren bezahlt werden! Die VCL Österreich fordert daher gerade in Zeiten der Budgetnot eine Verschiebung der Maßnahme. Das hätte mehrere Vorteile:

·        Die Entwicklung im Bereich der BHS und der Berufsreifeprüfung könnten weitergeführt bzw. initiiert werden, womit die Einführung zentraler Elemente bei allen Abschlussprüfungen, die eine allgemeine Studienberechtigung verleihen, gleichzeitig erfolgen könnte.

·        Die neue Form der Reifeprüfung könnte im Schulversuch erprobt werden.

·        Die Entwicklung gemeinsamer Aufgabenstellungen für alle Schularten ist sicherlich kostengünstiger als die Entwicklung von unterschiedlichen Beispielsätzen für jede einzelne Schulart.

Laufende jährliche Kosten: Es ist fast eine Verhöhnung der gesetzgebenden Körperschaften, wenn es dazu lapidar heißt, dazu könne man keine konkreten Angaben machen. Der Gesetzgeber soll also eine Maßnahme beschließen, über deren Kosten er in keiner Weise Bescheid weiß?

Eine Absurdität oder eine gefährliche Drohung stellt folgende Aussage dar:

Keinesfalls wird es aber in diesem Bereich [laufende jährliche Kosten; unsere Anmerkung] durch die geänderte neue Form der Reifeprüfung zu Mehrausgaben gegenüber dem Status-Quo kommen.“

Derzeit verfasst etwa jeder 20. Schüler eine Fachbereichsarbeit. In Zukunft soll jeder Schüler eine vorwissenschaftliche Arbeit schreiben. Diese muss betreut, korrigiert und beurteilt werden, und diese Leistungen müssen dem Zeitaufwand entsprechend abgegolten werden. Der neue Gesetzestext ist in dieser Hinsicht mit dem derzeitigen praktisch wortident, also ist davon auszugehen, dass auch der Arbeitsaufwand pro vorwissenschaftlicher Arbeit nicht geringer ist als derzeit für eine Fachbereichsarbeit. Klausuren müssen weiterhin korrigiert werden. Mündliche Prüfungen müssen erstellt und abgehalten werden. Der Mehraufwand, der durch die wesentlich höhere Anzahl an vorzubereitenden Aufgabenstellungen entsteht, wird ebenso abzugelten sein wie der zeitliche Aufwand des bisher nicht vorgesehenen fachkundigen Beisitzers. Trotzdem sollen die Summe aller Prüfungstaxen und die „laufenden jährlichen Kosten ab 2014 für die Abwicklung der schriftlichen Reifeprüfung“, die dem BIFIE zu erstatten sind, gleich hoch sein wie derzeit die Summe der Prüfungstaxen? Selbst wenn das BIFIE oder die Lehrer unentgeltlich arbeiten sollten – und beides schließt die VCL Österreich aus –, wäre diese Aussage wahrscheinlich falsch.

Ad Überschrift von Abschnitt 8 und 8a:

Hier soll die gesetzliche Grundlage für eine diskriminierende Trennung in AHS und Nicht-AHS geschaffen werden. Das lehnt die VCL Österreich entschieden ab. Wir befürworten eine Reform der Reifeprüfung. Doch muss eine solche für alle gelten.

Ad § 36 Abs. 3:

Die VCL Österreich begrüßt die Formulierung „im Falle einer bundesweit einheitlichen Durchführung der abschließenden Prüfung oder von Teilen derselben“. Dadurch wird eine teilzentrale Reifeprüfung in unserem Sinn (TEILE von einzelnen Prüfungen werden zentral vorgegeben.) möglich.

Ad § 42a Abs. 1 Z 1:

Die Absicht, eine pflichtige Vorprüfung auch an den Sonderformen unter besonderer Berücksichtigung der musischen Ausbildung einzuführen, kann die VCL Österreich nicht beurteilen, da außer der lapidaren Änderung des Gesetzestextes und dem Hinweis in den Erläuterungen, damit die „Gleichwertigkeit aller Sonderformen betonen“ zu wollen, keinerlei Angaben gemacht werden. Eine Rückfrage an den betroffenen Schulen, ob das BMUKK mit den betroffenen Schulen im Vorfeld Kontakt aufgenommen hat und ob es dazu konkrete Vorstellungen gibt, war leider infolge der ungewöhnlich kurzen Begutachtungsfrist, die noch dazu großteils in die Osterferien fällt, nicht möglich. Die VCL Österreich lehnt diese Änderung mangels genauerer Informationen daher ab.

Ad § 42b:

Abs. 1: Der Prüfungskommission bei der Vorprüfung soll u.a. der „Fachvorstand“ angehören. Einen solchen gibt es im AHS-Bereich nicht. Die VCL Österreich versteht daher den Sinn dieser Regelung nicht.

Abs. 2 Z 1: Die VCL Österreich fordert, in Z 1 die bisherige Formulierung in § 35 Abs. 1 SchUG beizubehalten und schlägt daher folgende Formulierung vor:

„1.       der nach der Geschäftsverteilung des Amtes des Landesschulrates zuständige Landesschulinspektor oder ein anderer von der Schulbehörde erster Instanz zu bestellender Experte des höheren Schulwesens der betreffenden Schulart als Vorsitzender,“

Begründung: Ein BHS-Experte ist zweifellos ein Experte des höheren Schulwesens. Es erscheint jedoch sinnvoll, dass der Vorsitzende bei einer AHS-Reifeprüfung AHS-Experte ist.

Abs. 2 Z 2: Die VCL Österreich hält es für wichtig, dass der Schulleiter der Prüfungskommission angehört. Eine Vertretung sollte daher nur in Ausnahmefällen möglich sein (z.B. Krankheit). Eine Vertretungsregelung findet sich ohnehin in Abs. 3.

Abs. 2 Z 5: Die VCL Österreich erkennt nicht die Notwendigkeit eines „Beisitzers“, der im Übrigen für seine Tätigkeit auch adäquat abgegolten werden muss. Wenn der Gesetzgeber allerdings die Auffassung des BMUKK teilt, dass eine zweite Person zur „objektiven“ Beurteilung erforderlich ist, fordert die VCL Österreich folgende genauere Definition:

„5.       bei Prüfungsgebieten der mündlichen Prüfung ein vom Schulleiter zu bestimmender fachkundiger Lehrer (Beisitzer), der selbst die Ausbildung und Berechtigung hat, als Fachprüfer im jeweiligen Prüfungsgebiet tätig zu sein. Wenn an der Schule kein Lehrer zur Verfügung steht, der diese Voraussetzung erfüllt, ist von der Schulbehörde erster Instanz ein Lehrer einer anderen Schule, der diese Voraussetzungen erfüllt, als Beisitzer zu bestimmen.

Begründung: Wenn das BMUKK die Objektivität des Fachprüfers überprüfen lassen möchte, kann das wohl nur durch einen Beisitzer geschehen, der selbst über die notwendige Fachkompetenz verfügt.

Abs. 3: Die VCL Österreich fordert folgende Änderungen:

„(3) Für einen Beschluss der Prüfungskommissionen gemäß Abs. 1 und 2 ist die Anwesenheit aller in den Abs. 1 und 2 genannten Kommissionsmitglieder erforderlich. Der Vorsitzende der Prüfungskommissionen gemäß Abs. 2 stimmt nicht mit, entscheidet jedoch im Falle der Stimmengleichheit. Stimmenthaltungen sind unzulässig. Bei Prüfungsgebieten der mündlichen Prüfung kommt dem Prüfer und dem Beisitzer gemeinsam eine Stimme zu. Im Falle der unvorhergesehenen Verhinderung des Vorsitzenden gemäß Abs. 2 Z 1 erfolgt die Vorsitzführung durch den Schulleiter oder einen von diesem zu bestellenden Lehrer. Wenn ein anderes Mitglied der jeweiligen Prüfungskommission verhindert ist oder wenn die Funktion des Prüfers mit der des Vorsitzenden, des Fachvorstandes oder des Klassenvorstandes zusammenfällt, hat der Schulleiter für das betreffende Mitglied einen Stellvertreter zu bestellen.“

Begründung: Wenn das BMUKK schon zur „Objektivierung“ einen fachkundigen Beisitzer wünscht, ist nicht einzusehen, warum in der Prüfungskommission alle Nicht-Fachkundigen jeweils eine eigene Stimme haben, aber gerade die Fachkundigen nicht. Die vorgeschlagene Änderung führt allerdings zu einer geraden Anzahl von Stimmberechtigten (oder besser Stimmverpflichteten), womit entsprechend der derzeitigen Rechtslage (§ 35 Abs. 4 SchUG) ein Dirimierungsrecht des Vorsitzenden notwendig wird.

Einen Fachvorstand gibt es in der AHS nicht.

Ad § 42c Abs. 2:

Abs. 2: Die VCL Österreich fordert, dass die Hauptprüfungen wie bisher (§ 36 SchUG) in den letzten neun Wochen des Unterrichtsjahres stattzufinden haben. Eine Ausdehnung der Frist auf zehn Wochen geht auf Kosten der Unterrichtszeit und stellt eine unnötige Verkürzung des Unterrichtsjahres und somit der zum Lernen und zum Wiederholen zur Verfügung stehenden Zeit dar.

Abs. 3 Z 2: Der zweite Prüfungstermin für die Klausurarbeiten sollte nicht zwei Wochen vor der mündlichen Prüfung liegen, sondern im zeitlichen Rahmen der mündlichen Prüfung, allenfalls unmittelbar davor oder danach. Einerseits würde der größere zeitliche Abstand zum ersten Klausurtermin dem Kandidaten mehr Gelegenheit geben, an der Behebung allfälliger Lerndefizite zu arbeiten, andererseits erübrigt sich dann die Verkürzung des Unterrichtsjahres (siehe unsere Anmerkungen zu Abs. 2). Auch nach der derzeitigen Rechtslage (§ 18 Abs. 8 RPVO) sind bei negativer Beurteilung von ein oder zwei schriftlichen Klausurarbeiten ein bzw. zwei zusätzliche mündliche Teilprüfungen abzulegen, sofern die betreffenden Prüfungsgebiete nicht als mündliche Teilprüfung gewählt worden sind.

Ad § 42d Abs. 1:

Die VCL Österreich fordert folgende Änderung:

(1) Zur Ablegung der Hauptprüfung sind alle Prüfungskandidaten berechtigt, die die letzte lehrplanmäßig vorgesehene Schulstufe im Sinne des § 25 Abs. 1 erfolgreich abgeschlossen haben; im Falle des § 25 Abs. 1 letzter Satz ist der Prüfungskandidat berechtigt, eine Wiederholungsprüfung gemäß § 23 Abs. 1aa abzulegen.“

Begründung: Die von uns geforderte Ergänzung entspräche der sinngemäßen Beibehaltung der jetzigen Rechtslage, die es einem Prüfungskandidaten erlaubt, ein Nicht genügend auszubessern. Diese Möglichkeit würde nun wegfallen.

Die Auswirkung der vorgesehenen Gesetzesänderung wird in den Erläuterungen übrigens nicht ganz korrekt dargestellt. Eine Schulstufe gilt gem. § 25 Abs. 1 SchUG auch dann als erfolgreich abgeschlossen, wenn bei Wiederholen von Schulstufen das Jahreszeugnis in höchstens einem Pflichtgegenstand die Note „Nicht genügend” enthält und dieser Pflichtgegenstand vor der Wiederholung der Schulstufe zumindest mit „Befriedigend” beurteilt wurde. Auf das Wort „höchstens“ hat man in den Erläuterungen vergessen.

Ad § 42e Abs. 2:

Z 2: Die VCL Österreich fordert folgende Änderung:

2.       für die vorwissenschaftliche Arbeit durch den Prüfer im Einvernehmen mit dem Prüfungskandidaten und mit Zustimmung des Schulleiters der Schulbehörde erster Instanz,“

Begründung: Im Sinne der Qualitätssicherung und Vergleichbarkeit zumindest innerhalb eines Bundeslandes fordert die VCL Österreich in Hinblick auf die vorwissenschaftliche Arbeit die Beibehaltung der derzeitigen Rechtslage in Bezug auf die Themenstellung bei der Fachbereichsarbeit (§ 37 Abs. 2 Z 3 SchUG).

Z 3: Die VCL Österreich verweist auf die Ausführungen in der Präambel. Die VCL Österreich befürwortet zentrale Elemente als Teil von Prüfungen. Eine VOLLzentrale Klausur hingegen lehnen wir mit aller Entschiedenheit ab.

Standardisierte Elemente eignen sich zweifellos dazu, Qualitätsstandards zu sichern. Doch können bei einer zentralen Prüfung, die Berechtigungen vergibt und damit große Auswirkungen auf den weiteren Lebensweg der jungen Menschen haben kann, im Gegensatz zu Bildungsstandards immer nur Mindeststandards abgeprüft werden. Es gilt hier Hürden zu definieren, über die einfach jeder kommen muss, der eine Studienberechtigung erhalten möchte. Wenn daher die gesamte Klausur zentral vorgegeben wird, kommt es zweifellos zu einer „Matura light“[3]. Kein Bildungspolitiker würde es politisch überleben, wenn österreichweit oder auch nur regional zu viele Personen diese Prüfung nicht schafften. Das Niveau würde sich zwangsläufig an den Leistungsschwächsten orientieren. Darüber hinaus würde sich die Aufmerksamkeit der Schule sehr schnell und fast ausschließlich auf diese zentral geprüften Fächer richten und „den Rest“ so behandeln, wie es einem Rest zu ergehen pflegt. In den zentral geprüften Fächern wiederum würde sich – auch auf Druck der Schüler und ihrer Eltern, und Eltern von leistungsschwachen Schülern wäre es nicht einmal zu verdenken – der Unterricht auf die zentral vorgegebenen Themenstellungen konzentrieren – ein Teaching-to-the-test ohne Wenn und Aber.

Die VCL Österreich fordert daher eine TEILzentrale Klausur und schlägt folgenden Text vor:

3.       für die einzelnen Prüfungsgebiete jedes Prüfungsgebiet der Klausurprüfung (Klausurarbeiten und mündliche Kompensationsprüfungen) zum Teil durch den zuständigen Bundesminister und zum Teil durch den Prüfer im Einvernehmen mit der Schulbehörde erster Instanz und

Z 4: Die VCL Österreich lehnt diese Formulierung mit Entschiedenheit ab. Sie entspricht nicht einmal dem auf der Website des BMUKK dargestellten Konzept. Die Vorgabe von verpflichtenden Themenbereichen durch die Fachlehrerkonferenz erscheint in Pflichtgegenständen wenig sinnvoll, in Wahlpflichtgegenständen sogar völlig unmöglich. Gem. Lehrplanverordnung ist es nämlich das Ziel des Wahlpflichtunterrichts, „den Schülerinnen und Schülern gemäß ihrer Interessen eine Erweiterung bzw. Vertiefung ihres Bildungshorizontes zu bieten.“ Dieses verpflichtend vorgegebene und sinnvolle Eingehen auf die Schülerinteressen kann eine Fachlehrerkonferenz bei Vorgabe von Themenbereichen aus prinzipiellen Gründen nicht bewerkstelligen. Und auch in den Pflichtgegenständen verlangen die Lehrpläne vom Lehrer Schwerpunktsetzungen und das Eingehen auf die Interessen der Schüler – daher können die Themenbereiche sinnvoll nur vom unterrichtenden Lehrer festgelegt werden.

Maßnahmen zur Qualitätssicherung und einer möglichst hohen Objektivität werden von der VCL Österreich ausdrücklich begrüßt. Das im Gesetzesentwurf vorgeschlagenen Konzept gehört aber zweifellos überdacht.

Außerdem war bisher seitens des BMUKK immer die Rede davon, dass der Kandidat zwei Themenbereiche zieht, also durch Zufall auswählt, und sich dann für einen davon entscheidet. Im Entwurf steht aber nun, dass der Kandidat aus den Themenbereichen „wählt“. Das würde bedeuten, dass nicht der Zufall die Themenbereiche bestimmt, sondern der Kandidat, d.h. dass der Kandidat sich lange vor der Prüfung entscheiden kann, welchen Themenbereich er wählen wird, und nur diesen einen Bereich lernt. Das wäre eine völlige Entwertung der mündlichen Prüfung.

Ad § 42e Abs. 5:

Die VCL Österreich fordert die Beibehaltung der derzeitigen Rechtslage in Bezug auf die Funktion des Schriftführers, da diese mehr Flexibilität einräumt. Derzeit muss der Schriftführer nämlich nicht unbedingt Mitglied der Prüfungskommission sein. Die  VCL Österreich sieht auch bei einer neuen Form der Reifeprüfung keinerlei Notwendigkeit für eine Änderung der diesbezüglichen Rechtslage.

Ad § 42f Abs. 3:

Es ist internationaler Standard, dass die Antworten auf zentrale Fragestellungen auch zentral korrigiert und ausgewertet werden.

Der Punkt nach „abgelegt.“ in der letzten Zeile gehört gestrichen.

Ad § 42f Abs. 4:

Die VCL Österreich fordert folgende Änderung:

(4) Die Leistungen des Prüfungskandidaten bei den einzelnen Prüfungsgebieten der mündlichen Prüfung der Hauptprüfung sind auf Grund von einvernehmlichen Anträgen der Prüfer und Beisitzer von der jeweiligen Prüfungskommission der Hauptprüfung (§ 42b Abs. 2 und 3) zu beurteilen (Beurteilungen der Prüfungsgebiete der mündlichen Prüfung). Bei Nichteinigung von Prüfer und Beisitzer stellt der Prüfer den Antrag.

Begründung: Falls Prüfer und Beisitzer unterschiedlicher Meinung sind (Auch Gerichtsgutachter kommen manchmal zu unterschiedlichen Ergebnissen!), muss die Prüfungskommission trotzdem handlungsfähig bleiben. Diese Einschätzung scheint nun auch das BMUKK zu teilen, denn in den am 1. April 2009 aktualisierten Informationen zur Zentralmatura auf der Website des BMUKK heißt es wörtlich:

„Hauptprüfer/in und Beisitzer/in müssen zu einem gemeinsamen Beurteilungsvorschlag kommen (und haben daher insgesamt eine Stimme); bei Nichteinigung macht der/die Hauptprüferin einen Notenvorschlag, über den abgestimmt wird.“

Die  VCL Österreich fragt sich nur, warum das BMUKK das nicht so im Gesetzesentwurf dargestellt hat.

Ad § 42f Abs. 6:

Die Beurteilungen haben unter Anwendung des § 18 Abs. 2 bis 4 und 6 SchUG zu erfolgen. Das entspricht auch der derzeitigen Rechtslage. § 18 Abs. 6 SchUG lautet:

(6) Schüler, die wegen einer körperlichen Behinderung eine entsprechende Leistung nicht erbringen können oder durch die Leistungsfeststellung gesundheitlich gefährdet wären, sind entsprechend den Forderungen des Lehrplanes unter Bedachtnahme auf den wegen der körperlichen Behinderung bzw. gesundheitlichen Gefährdung erreichbaren Stand des Unterrichtserfolges zu beurteilen, soweit die Bildungs- und Lehraufgabe des betreffenden Unterrichtsgegenstandes grundsätzlich erreicht wird.“

Der Gesetzesentwurf und die Erläuterungen bleiben jegliche Erklärung dafür schuldig, wie das bei zentraler Aufgabenstellung gewährleistet werden kann. Vor Einführung zentraler Elemente bei der Reifeprüfung muss das geklärt sein!

Ad § 42g Abs. 2 Z 5:

Die VCL Österreich stellt erfreut einen Sinneswandel im BMUKK fest. Bisher wurde uns mitgeteilt, dass die von uns geforderte teilzentrale Aufgabenstellung (ein Teil einer Prüfung wird zentral vorgegeben, der andere vom Prüfer) deshalb nicht möglich sei, weil bei der Beurteilung eine Vermischung eintrete und daher die Objektivität und Vergleichbarkeit nicht gesichert wäre. Unser Argument, dass wir gar keine Vermischung wollen, sondern zwei von einander unabhängige Beurteilungen, die beide im Reifeprüfungszeugnis ausgewiesen werden und beide mindestens auf Genügend lauten müssen, um die Reifeprüfung zu bestehen, wurde als „zu kompliziert“ zurückgewiesen. Nun ist es offensichtlich nicht mehr „zu kompliziert“. Es sind nun sogar drei Noten in einem Gegenstand möglich (Klausurnote; Note der mündlichen Kompensationsprüfung; Note auf die mündliche Reifeprüfung, wenn dieser Gegenstand auch mündlich gewählt wurde).

Ad § 42i Abs. 3:

Hier zeigt sich die Problematik der Einführung zentraler Elemente bei einer Abschlussprüfung in nur einer Schulart. Nach dem vorliegenden Gesetzesentwurf kann jemand eine Zusatzprüfung in Darstellender Geometrie in Zukunft VOLLzentral an einer AHS oder VOLL „normal“ an einer HTL ablegen. Beide Prüfungen erteilen idente Berechtigungen.

 

Laa /Thaya, 12. 4. 2009                                                                                  Mag. Isabella Zins



[1] Personenbezogene Bezeichnungen umfassen gleichermaßen Personen männlichen und weiblichen Geschlechts.

[2] Das ist übrigens genau das, was bei den vom BMUKK so gelobten Schulversuchen zur „standardisierten Reifeprüfung in den Fächern Englisch und Französisch“ getan wird. (Die Aufgabestellung zur Textproduktion („Aufsatzthemen“) stammen vom unterrichtenden Lehrer.)

[3] Copyright Mag. Michael Zahradnik.