Stellungnahme zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem […] das Tierversuchsgesetz 2012 erlassen wird (Tierversuchsrechtsänderungsgesetz – TVRÄG)

 

Der vorliegende Entwurf zum Tierversuchsgesetz orientiert sich an der vom Standpunkt des Tierschutzes schlechtest möglichen Umsetzung der EU-Richtlinie 2010/63. Zwar wurden das Verbot von Tierversuchen an Menschenaffen, das Verbot des LD-50 Tests und das Verbot von Tierversuchen für Kosmetika vom bisherigen Tierversuchsgesetz übernommen, aber ansonsten wurden sogar die bisherigen Bestimmungen zum Teil nach unten nivelliert.

 

Das neue Tierversuchsgesetz muss, im Gegensatz dazu, die EU-Richtlinie 2010/63 aus Tierschutzsicht strengst möglich umsetzen und insbesondere ein strenges Genehmigungsverfahren vorsehen, das es ermöglicht, Tierversuche aus Tierschutzgründen zu verbieten, wenn deren Nutzen für die Menschen den durch sie verursachten Schaden für die Tiere nicht aufwiegt.

 

Die folgenden Punkte sind daher in das neue Tierversuchsgesetz aufzunehmen:

 

1) Vorschreiben eines Evaluierungskatalogs für die Schaden-Nutzen Abwägung bei Anträgen auf Genehmigung von Tierversuchsprojekten

 

Die EU-Richtlinie 2010/63 schreibt vor, dass für jeden Antrag auf Genehmigung eines Tierversuchsprojekts eine Schaden-Nutzen Abwägung auf ethischer Basis stattfinden muss. Diese Abwägung kann nicht einfach nach dem Bauchgefühl eines Beamten bzw. einer Beamtin oder gar nach dem Eindruck des- bzw. derjenigen erfolgen, der/die den Tierversuch durchführen will. Für diese Abwägung muss ein objektiver Kriterienkatalog in Form von Fragen vorgeschrieben werden, der ein eindeutiges Ergebnis liefert, ob der jeweilige Tierversuche zuzulassen ist. In der Schweiz wird ein derartiger Evaluierungskatalog bereits eingesetzt, für Österreich sollte ein eigener Katalog erarbeitet werden.

 

2) Transparenz des Genehmigungsprozesses

 

In einer Demokratie müssen einschneidende Entscheidungen, die im Namen der Gesellschaft getroffen werden, nach Möglichkeit transparent und einer Kritik durch die Öffentlichkeit zugänglich sein. Daher müssen ausnahmslos alle Tierversuchsprojekte, die positiv beurteilt wurden, auf einer eigenen Internetseite in Form von nichttechnischen Projektzusammenfassungen veröffentlicht werden, deren Inhalt in jedem Fall eine detaillierte Beschreibung der Versuchsanordnung, der verwendeten Tiere nach Anzahl, Art und Zuchtlinie, der Versuchsdauer, der Nachwirkungen des Versuchs und der Schweregrade des Leidens enthalten.

 

3) Rückblickende Bewertung

 

Für ausnahmslos alle positiv beurteilten Tierversuchsprojekte ist eine rückblickende Bewertung durchzuführen, die ebenfalls auf obiger Internetseite veröffentlicht wird. Nur so können das Genehmigungsprozedere und die Richtigkeit der Angaben beim Tierversuchsantrag überprüft werden.

 

4) Oberkontrolle durch eine Tierschutz-Ombudsschaft

 

Die Tierschutz-Ombudsschaft wurde im Tierschutzgesetz 2005 eingeführt, um das allgegenwärtige Vollzugsdefizit im Tierschutz zu bekämpfen und eine Oberkontrolle der Kontrollen des Gesetzes und dessen Vollzugs durchzuführen. Dabei hat die Tierschutz-Ombudsschaft Parteienstellung in allen Verwaltungs- und Verwaltungsstrafverfahren. Das Tierversuchsgesetz ist aus rein historischen Gründen aus dieser Kontrolle ausgenommen. Da dort aber genauso ein Vollzugsdefizit existiert, muss diese bewährte Oberkontrolle aus dem Tierschutzgesetz in das Tierversuchsgesetz übernommen werden. Die Tierschutz-Ombudsschaften, oder neu zu schaffende Versuchstier-Ombudsschaften, sollen eine Oberkontrolle bzgl. des Tierversuchsgesetzes übernehmen, Parteienstellung in allen Genehmigungsanträgen und Verwaltungs- sowie Verwaltungsstrafverfahren nach dem Tierversuchsrecht bekommen und gegebenenfalls auch gegen Entscheidungen der Behörde berufen können.

 

5) Tierschutz als Staatsziel in die Bundesverfassung

 

Die Einschränkung der Freiheit der Wissenschaft auf Basis des vorgeschlagenen strengen Genehmigungsverfahrens für Tierversuchsanträge, also die Einschränkung der Freiheit der Wissenschaft durch Tierschutz, kann nur gesetzlich vorgeschrieben werden, wenn gleichzeitig Tierschutz als Staatsziel in die Verfassung aufgenommen wird, da das Grundrecht auf Wissenschaftsfreiheit bereits in der Verfassung verankert ist. Dieses Versprechen der Politik, die Zielbestimmung §1 des Tierschutzgesetzes in den Verfassungsrang zu erheben, ist bereits 16 (!) Jahre alt und wurde am 27. Mai 2004 durch einen einstimmigen Beschluss des Parlaments gefordert.

 

6) Jährlich unangemeldete Kontrollen aller Tierversuchseinrichtungen

 

Das bisherige Tierversuchsgesetz sieht jährlich unangemeldete Kontrollen aller Tierversuchseinrichtungen vor. Es ist nicht einzusehen, warum das neue Tierversuchsgesetz diesbezüglich verschlechtert werden sollte.

 

7) Verbote von Tierversuchsmethoden

 

Das neue Tierversuchsgesetz muss die Möglichkeit vorsehen, gewisse Methoden von Tierversuchen zu verbieten. Die EU-Richtlinie 2010/63 stellt das den Mitgliedstaaten explizit frei. Die folgenden Tierversuchsmethoden sind obsolet und sollten daher jetzt schon verboten werden:

 

8) Verbot von Tierversuchen, die ein lang anhaltendes, schweres Leid verursachen

 

Die EU-Richtlinie 2010/63 sieht explizit die Möglichkeit vor, Tierversuche zu verbieten, die für die betroffenen Versuchstiere ein lang anhaltendes, schweres Leid bedeuten. Von dieser Möglichkeit, eine absolute Obergrenze des maximal zulässigen Tierleids für Tierversuche einzuführen, muss unbedingt Gebrauch gemacht werden. Versuche, die ein derart hohes Leid erzeugen, haben auch keinen wissenschaftlichen Wert mehr, weil das schwere Leid der Reproduzierbarkeit der Resultate entgegen steht.

 

9) Einschränkung der Tierversuche an Primaten

 

Die EU-Richtlinie 2010/63 sieht die Möglichkeit vor, Tierversuche an Primaten auf den Zweck einzuschränken, nur Menschen und nicht auch anderen Tieren oder Pflanzen zugute zu kommen, siehe Schutzklausel Artikel 55 (1). Von dieser Möglichkeit muss unbedingt Gebrauch gemacht werden.

 

10) Alle Tierversuche sollten eine Genehmigung benötigen

 

Der Entwurf zum Tierversuchsgesetz sieht vor, für gewisse Tierversuche ein eingeschränktes Verwaltungsverfahren durchzuführen und keine Genehmigung vorzuschreiben. Es sollten aber ausnahmslos alle Tierversuche eine Genehmigung benötigen, um durchgeführt werden zu können.

 

11) Erstellung einer intelligenten Datenbank

 

Tierversuche, die bereits schon einmal durchgeführt worden sind, sind verboten. Diese Bestimmung ist zu begrüßen. Zu ihrer Durchsetzung ist es aber erforderlich, eine intelligente Datenbank zu erstellen, aus der rasch und effizient ersichtlich ist, welcher Tierversuch bereits stattgefunden hat. Diese intelligente Datenbank aller Tierversuche ist dann der Genehmigungskommission zur Verfügung zu stellen.

 

12) Einrichtung eines Zentrums zur Erforschung und Evaluierung von Alternativen zum Tierversuch

 

Artikel 47 der EU-Richtlinie 2010/63 verpflichtet Österreich zur Förderung von Alternativen zum Tierversuch. Dafür ist in Österreich ein eigenes Zentrum zur Entwicklung von Ersatzmethoden zum Tierversuch zu gründen und mit einem ausreichenden Budget zu versehen, sodass es auch Evaluierungen derartiger Methoden durchführen kann. Das neue Tierversuchsgesetz soll ein ausreichendes Budget zur Förderung der Erforschung von Alternativmethoden garantieren.

 

13) Rehabilitation von Versuchstieren nach dem Tierversuch

 

§6 Tierschutzgesetz und §222 (3) StGB verbieten das Töten von Tieren bzw. Wirbeltieren ohne vernünftigen Grund. Daher sind Versuchstiere, die nach einem Versuch nach Artikel 19 der EU-Richtlinie 2010/63 rehabilitierbar sind, in private Pflege zu übergeben. Das neue Tierversuchsgesetz muss eine entsprechende Regelung enthalten und die Tierversuchseinrichtungen dazu verpflichten, diese Rehabilitation in größtmöglichem Ausmaß auch wirklich durchzuführen.