145/SPET XXIV. GP
Eingebracht am 05.09.2011
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Stellungnahme zu Petition
Petition Nr.
84 betr. "Nulltoleranz für Gen-Dreck in Futtermitteln",
Petition Nr. 96 betr. "Weg mit dem Spitalskostenbeitrag für
Kinder",
Petition Nr. 104 betr. "Verbot von Kastenständen in der
Schweinehaltung"
Sehr geehrte Damen und Herren!
Unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 28. Juni 2011, GZ. 17010.0020/72-
L1.3/2011, teilt das Bundesministerium für Gesundheit zu den im Betreff genannten
Petitionen Folgendes mit:
Petition Nr. 84 betreffend „Nulltoleranz für Gen-Dreck in Futtermitteln“
Ad Punkt 1:
Es darf darauf verwiesen werden, dass die in der Petition angesprochene
Rechtsvorschrift zur „Festlegung der Probenahme- und Analyseverfahren für die
amtliche Untersuchung von Futtermitteln im Hinblick auf genetisch veränderte
Ausgangserzeugnisse, für die ein Zulassungsverfahren anhängig ist oder deren
Zulassung abläuft“ von der Europäischen Kommission (EK) am 24. Juni 2011
beschlossen wurde (Verordnung (EU) Nr. 619/2011) und mit 15. Juli in Kraft getreten
ist.
Unter
http://ec.europa.eu/food/food/biotechnology/harmonisation of controls en.htm
hat die EK jene Produkte aufgelistet, welche vom Geltungsumfang dieser Verordnung
umfasst sind.
Aufgrund der
Messungenauigkeit bei quantitativen Analysemethoden wurde eine
unionsweite
nähere
Bestimmung an der analytischen Nachweisgrenze für in der EU
nicht zugelassene gentechnisch veränderte Futtermittel erforderlich.
Dieser sich an
der routinemäßigen
Nachweisgrenze orientierende strenge Wert von 0,1 % gilt laut
Gentechnikgesetz in Österreich für
gentechnisch veränderte Organismen (GVO)
bereits
seit der Gentechnikgesetz-Novelle BGBl. I Nr. 126/2004
(§62 c Abs. 2
GTG
1995
idgF).
Nach der
Verordnung (EG) 1829/2003 wurden für beantragte, noch nicht zugelassene
GVO übergangsweise sogar bis 0,5 % toleriert. Seit Auslaufen
der Übergangsfrist gab
es
keine klaren Regeln mehr.
Die
Expert/inn/en der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit
(AGES) und
des
Umweltbundesamtes (UBA) - insbesondere jene für GVO-Analytik
und
Futtermittel
-waren von Beginn an in Besprechungen eingebunden und haben aktiv
an
der Formulierung von Textvorschlägen und den vorgebrachten österreichischen
Kommentaren mitgewirkt. Dieser Einsatz führte schlussendlich
auch zur
Verbesserung
des endgültigen Textvorschlages der EK.
Der Vorschlag der
Kommission zur Festlegung eines analytischen Schwellenwerts
kleiner
als 0,1 % für gentechnisch veränderte Futtermittel
wurde unter folgenden
Voraussetzungen
von einer qualifizierten Mehrheit der Mitgliedstaaten, darunter
Österreich,
unterstützt:
• Der GVO ist bereits in einem Drittland zugelassen.
• Der
Zulassungsantrag für den GVO ist seit 3 Monaten bei der EFSA
anhängig (d.h.
die Konsultation der Mitgliedstaaten wird abgewartet);
• keine negativen Auswirkungen auf Umwelt oder Gesundheit laut EFSA.
• Vorliegen
einer validierten, veröffentlichten quantitativen
Analysenmethode
• Vorhandensein von zertifiziertem Referenzmaterial
Ad Punkt 2:
Die
EU-Verordnung über gentechnisch veränderte
Lebens- und Futtermittel (EG Nr.
1829/2003) ist direkt anzuwendendes gültiges EU-Recht. Sie
sieht eine EU-weite
Zulassung von Futtermitteln vor, die GVO sind oder diese enthalten. Diese sind
entsprechend
als „gentechnisch verändert“ oder „enthält GVO“
zu kennzeichnen.
Darüber hinaus
wurde im Österreichischen Lebensmittelbuch unter Federführung des
Bundesministeriums für Gesundheit die Richtline zur Kennzeichnung
von
gentechnikfreien
Lebensmitteln bereits 1998 erarbeitet und 2007 novelliert.
Diese
Richtlinie enthält spezielle Kriterien und sieht unabhängige
Kontrollen durch
akkreditierte
Zertifizierungsstellen vor. Es gibt bereits rund 1200 Produkte mit einer
derartigen
Kennzeichnung am österreichischen Markt.
Die
Verbraucher/innen werden durch klare Aussagen - „enthält GVO“
bzw.
„gentechnisch verändert“; „gentechnikfrei“ - gut informiert.
Nicht unerwähnt gelassen
wird auch noch eine weitere Wahlmöglichkeit für
Verbraucherinnen und Verbraucher, die Gentechnik meiden wollen: neben der
Auslobung
„gentechnikfrei“
nach Codex sind auch alle Biolebensmittel
„gentechnikfrei“.
Diese sind nach der EU-Bio-Verordnung ohne Verwendung von GVO
zu
produzieren.
Ad Punkt 3:
Für Futtermittel und die entsprechende Logistik ist der Bundesminister für Land- und
Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft zuständig.
Es wird darauf verwiesen, dass bereits im Juli 2008 ein ähnlicher Antrag zur Schaffung
entsprechender Rahmenbedingungen in Österreich im Landwirtschaftsausschuss
beschlossen wurde. Es wurden daraufhin auch erste Akzente gesetzt, in Österreich
alternative Futtermittelproduktionen zu forcieren (Sojaersatz). Es bestehen seitens
der Ölmühlenindustrie und der Landwirtschaft auch ernste Bemühungen zur
langfristigen Substitution von GVO-Futtermitteln.
Petition Nr. 96 betreffend „Weg mit dem Spitalskostenbeitrag für Kinder“
In letzter
Zeit wurde der Selbstbehalt bei Spitalsaufenthalten von Kindern und
Jugendlichen
in zahlreichen politischen Initiativen sowohl auf Bundesebene als auch
auf
Landesebene thematisiert.
Kostenbeiträge für stationäre
Spitalsbehandlungen (Spitalsaufenthalte) sieht sowohl
das
Kranken- und Kuranstaltengesetz des Bundes (KAKuG) in § 27a als auch
das ASVG
in
§ 447f Abs. 7
vor. Festzuhalten ist, dass entweder der Kostenbeitrag nach KAKuG
oder
der Kostenbeitrag nach ASVG oder - bei Vorliegen eines Befreiungsgrundes -
keiner der beiden Kostenbeiträge zu leisten ist.
Hinsichtlich
des Kostenbeitrages nach ASVG sieht die geltende Vereinbarung gemäß
Art.
15a B-VG vor, dass die Sozialversicherung einen Beitrag in der Höhe des
variablen
Finanzvolumens an die Landesgesundheitsfonds leistet, das sich auf Grund der
1996
bestehenden
Rechtslage bezüglich dieser Kostenbeiträge ergeben hätte. Dieses
Finanz-
volumen
ist entsprechend der Steigerung der Beitragseinnahmen jährlich zu
valorisieren (Hundertsätze). Daher würde eine
Streichung dieses Kostenbeitrages für
Kinder
und Jugendliche zu Einnahmenverlusten der Landesgesundheitsfonds und
damit
in weiterer Folge der KA-Träger führen, die auf
Grund der geltenden
Vereinbarung
von der Sozialversicherung (allenfalls vom Bund) zu ersetzen wären.
Der
Kostenbeitrag nach KAKuG wird von den Krankenanstalten-Trägern direkt
eingehoben.
Eine Ausnahmeregelung von Kindern und Jugendlichen würde
demzufolge
ebenfalls die Einnahmen der Krankenanstalten-Träger mindern.
Es
ist richtig, dass gerade für Familien oder auch
Alleinerzieherinnen und Allein-
erzieher-
insbesondere von mehreren bzw. von chronisch kranken Kindern - die
Einhebung des
Spitalskostenbeitrages für Kinder und Jugendliche finanziell
belastend
ist. Zudem tritt diese Belastung oft in einer Situation ein, die für die
Betroffenen
mit viel Leid und weiteren Belastungen und Einschränkungen
verbunden ist.
Der
Herr Bundesminister für Gesundheit unterstützt daher
dieses berechtigte
Anliegen und ist bereits im Dezember 2010 in dieser Angelegenheit an die
Gesundheitspolitiker/innen
der Länder mit der Frage herangetreten, ob eine
Streichung
des Kostenbeitrages für Kinder möglich ist.
Seitens der Länder wurde in
diversen Besprechungsrunden festgestellt, dass mit einer
einseitigen
Streichung der Spitalskostenbeiträge für Kinder und
Jugendliche in den
geltenden
Finanzausgleich eingegriffen werden würde und dieses
Vorgehen der
geltenden
Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG widersprechen würde. Seitens
der
Länder wurde
weiters mitgeteilt, dass bei Ersatz des durch die Streichung der
Kostenbeiträge bedingten Einnahmenausfalls Gesprächsbereitschaft
bestünde.
Eine
Streichung der Spitalskostenbeiträge für Kinder kann
daher - sofern nicht eine
entsprechende
Einigung mit den Ländern hinsichtlich der Tragung des damit
verbundenen Einnahmenentfalls erreicht werden kann - erst im Zuge der nächsten
Finanzausgleichsverhandlungen
zum Thema gemacht werden.
Petition Nr. 104 betreffend „Verbot von Kastenständen in der Schweinehaltung“
Anlagen und
Haltungseinrichtungen, die ab dem 1. Jänner 2003 neu gebaut
oder
umgebaut
oder in Betrieb genommen wurden, müssen seit diesem Zeitpunkt der EU-
Richtlinie
2008/120/EG vom 18. Dezember 2008 über Mindestanforderungen für den
Schutz
von Schweinen (kodifizierte Fassung) entsprechen, wonach die
Gruppenhaltung
für tragende
Sauen vier Wochen nach der Besamung bis eine Woche
vor
der Geburt verpflichtend ist. Mit Gültigkeit dieser EU-Richtlinie werden
Schweine
in
der Deckzeit 28 bis 34 Tage und während Geburt und Säugezeit rund
35 Tage im
Kastenstand gehalten. In Summe werden die Sauen 63 Tage je Produktionszyklus im
Kastenstand
gehalten. Bei 2,2 bis 2,5 Produktionszyklen pro Jahr (2,2 bis 2,5 Würfe
pro
Jahr) ergibt sich eine Haltung von 139 bis 158 Tagen pro Jahr im Kastenstand.
Handelt es sich um Anlagen, die vor 2003 in Betrieb waren, ist es gemäß EU-
Bestimmung
bis zum 1. Jänner 2013 erlaubt, die Schweine beliebig lang
in den
Kastenständen zu
halten (bis zu 365 Tage im Jahr).
Aufgrund
einer Missstandsfeststellung der Volksanwaltschaft hinsichtlich der
Haltungsbedingungen
von Schweinen ging am 4. März 2011 der Verordnungsentwurf
des
Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) zur Änderung der 1.
Tierhaltungs-
verordnung
in Begutachtung. Bei dem Verordnungsentwurf wurde versucht, die
Verwendung
des Kastenstandes auf ein Mindestmaß zu beschränken und somit
den
Muttersauen ein artgerechteres Leben als bisher bieten zu können:
Der Kastenstand wurde
für den Zeitraum
der Geburt zur Ausnahme und darf nur im
Einzelfall (bei
aggressivem Verhalten gegenüber den Ferkeln oder bei
Gliedmaßenproblemen) vom Beginn des Nestbauverhaltens bis längstens zum
Ende
des dritten Tages, der auf die Geburt folgt, in Summe also ca. 7 Tage, zum
Einsatz
kommen
(bisher 35 Tage, nämlich eine Woche vor dem zu erwartenden
Abferkeln
sowie
während des
Abferkelns und Säugens). Auch der Zeitraum, in dem die
Schweine
für das Decken
im Kastenstand sind, wurde auf 10 Tage verkürzt (bisher 28
bis
34 Tage).
In Gesprächen auf
politischer Ebene wurde bei der Abferkelbucht (Punkt 6 im
Begutachtungsentwurf)
vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft,
Umwelt
und Wasserwirtschaft (BMLFUW) als Kompromissvorschlag angeboten, die
Zeit,
welche die Tiere in Gruppen zu halten sind, statt 7 Tage erst 5 Tage vor dem
voraussichtlichen
Abferkeltermin zu beenden, wodurch Schweine während Geburt
und
Säugezeit statt
derzeit 35 Tage nur 33 Tage gemäß Vorschlag des BMLFUW
im
Kastenstand
gehalten werden dürften. Im Verordnungsentwurf des BMG sind
hingegen
lediglich im Einzelfall ca. 7 Tage vorgesehen, nämlich vom
Beginn des
Nestbauverhaltens bis längstens zum Ende des dritten Tages, der auf
die Geburt folgt.
Der Kürzung des
Zeitraums, während der die Schweine in der Deckzeit im
Kastenstand
gehalten werden dürfen, von derzeit 28 bis 34 Tage auf 10 Tage,
wie im
Verordnungsentwurf
vorgesehen, wurde im Kompromissvorschlag des BMLFUW
zugestimmt.
Die Zeit, in
der die Schweine pro Jahr im Kastenstand gehalten werden dürfen,
beträgt gemäß Verordnungsentwurf
des BMG insgesamt 22 bis maximal 43 Tage pro
Jahr gegenüber derzeit 365 Tage im Jahr (für Anlagen die
bereits vor 2003 in Betrieb
waren)
bzw. 139 bis 158 Tage pro Jahr (für Anlagen die nach dem 1. Jänner 2003 in
Betrieb
genommen bzw. neu- oder umgebaut wurden), gemäß
Kompromissvorschlag
des BMLFUW insgesamt
95 bis 108 Tage pro Jahr.
Da mit diesem
Kompromissvorschlag - auch vor dem Hintergrund der von der
Volksanwaltschaft
geforderten Verbesserung der Situation in der Abferkelbucht - aus
Sicht des BMG dem Tierschutz nicht ausreichend genüge getan
wurde, wurde der
Begutachtungsentwurf
zur Änderung der 1. Tierhaltungsverordnung in (im Vergleich
zur
Begutachtungsfassung) weitgehend unveränderter Form dem
BMLFUW zur
Herstellung
des erforderlichen Einvernehmens gemäß § 24
Tierschutzgesetz (TSchG)
und zur Erreichung eines akzeptablen Kompromissvorschlages mit dem Ersuchen um
Rückmeldung bis
4. Juli 2011 übermittelt.
Nachdem eine
Rückmeldung des
BMLFUW bis zum 4. Juli 2011 ausgeblieben fand
am
26. Juli 2011 ein Gipfelgespräch zwischen dem Gesundheits- und dem
Landwirtschaftsminister
über eine
Weiterentwicklung der Ferkelhaltung in
Österreich
statt. Es schien eine erste Annäherung in der Frage wie der Tierschutz
in
der österreichischen Schweinezucht künftig aussehen
soll zu geben und das Treffen
endete
mit der Vereinbarung, die schon im Verordnungsentwurf zur Änderung der
1.
THVO vorgesehene Fachstelle gemäß § 18 Abs. 6
TSchG für tiergerechte
Haltungssysteme
in Form einer weiteren Verordnung umgehend nach
abschließender
Akkordierung auf Kabinettsebene der Begutachtung zuzuleiten, um
darauf
aufbauend weitere Gespräche führen zu können.
Mit der
Fachstelle sollte Herstellern von Aufstallungssystemen ein Anreiz geboten
werden, entsprechende Systeme, die den Ausstieg aus der Kastenstandhaltung
gewährleisten, zu
entwickeln und anzubieten und Rechtssicherheit für die
betroffenen Landwirte zu schaffen.
Entgegen der
besprochenen Vorgangsweise konnte seit dem Gespräch am 26.
Juli
2011
auch über diesen Entwurf mit dem BMLFUW kein Einvernehmen für eine
Einleitung einer allgemeinen Begutachtung hergestellt werden, da seitens des
BMLFUW
weiterer Gesprächsbedarf angekündigt wurde,
der dem BMG bis zum
jetzigen
Zeitpunkt allerdings trotz mehrmaligem Nachfragen nicht näher
kommuniziert wurde.
Der
Volksanwaltschaft wurde daher mit Schreiben von 19. August 2011 mitgeteilt,
dass
vor diesem Hintergrund und der Tatsache, dass in den bisher acht
vergangenen
Monaten zu keinem Zeitpunkt Vorschläge bzw. ernsthafte
Bereitschaft
zur Änderung der Haltung/Fixierung der Sauen in Abferkelbuchten
seitens
des BMLFUW übermittelt bzw. signalisiert wurden, aus Sicht des BMG
keine
Chance mehr auf Herstellung des für die Erlassung der vom BMG
vorgeschlagenen
Änderung der 1.
THVO erforderlichen Einvernehmens bestehe.
Darüber hinaus
wurde mitgeteilt, dass auch in Verbindung mit den im Zuge der
Diskussionen
angestrebten Überlegungen bezüglich der
Verordnung zur Einrichtung
einer Fachstelle eine den Ansprüchen des Tierschutzes gerecht werdende
einvernehmliche
Lösung mit dem
BMLFUW nicht absehbar sei.
Die
Volksanwaltschaft hat für den Fall, dass es zu keiner substantiellen
Verbesserung
der
Haltungsbedingungen von Schweinen kommt, angekündigt, noch
dieses Jahr
Klage
beim Verfassungsgerichtshof zu erheben.
Für den Bundesminister:
Irene
Peischl
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