204/SPET XXIV. GP

Eingebracht am 19.04.2012
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Stellungnahme zu Petition

Betr.:   Petition Nr. 149 betreffend Ersatz von Verteidigungskosten bei Freisprüchen“
            Stellungnahme der Volksanwaltschaft, do GZ 17010.0020/34-L1.3/2012

Sehr geehrte Frau Vorsitzende!

Gerne kommt die Volksanwaltschaft dem Ersuchen des Ausschusses für Petitionen und Bürger- initiativen, eine Stellungnahme zur Petition betreffend Ersatz von Verteidigungskosten bei Frei- sprüchen“ abzugeben, nach.

1. Wie in der Petition zutreffend erwähnt, fand die Problematik des unzureichenden Ersatzes von Verteidigungskosten im Falle eines Freispruches Aufnahme in die Berichte der Volksanwaltschaft an den National- und Bundesrat. Dies betrifft sowohl Freisprüche, die in strafgerichtlichen Verfah- ren ergingen, wie Freisprüche in Finanzstrafverfahren vor den Finanzbehörden.


So führte die Volksanwaltschaft in ihrem 24. Bericht an den Nationalrat und Bundesrat aus dem Jahr 2000 zu Punkt 6.1.5. (Defizite nach gerichtlichen Freisprüchen) unter anderem aus:

Ein weiteres Problem nach strafgerichtlichen Freisprüchen stellt die Forderung von Rechtsanwaltskosten dar, wobei die im § 393a StPO vorgesehenen Höchst- beträge für Verteidigungskosten im Verfahren vor den Geschworenengerichten in Höhe von derzeit maximal S 60.000,--, im Verfahren vor den Schöffengerichten in Höhe von derzeit maximal S 30.000,--, in Verfahren vor dem Einzelrichter des Ge- richtshofes erster Instanz in Höhe von derzeit maximal S 15.000,-- und in Verfah- ren vor dem Bezirksgericht in Höhe von derzeit maximal S 5.000,-- meist in kei- nem Verhältnis zu den tatsächlich aufgelaufenen Rechtsanwaltskosten stehen und daher als absolut unbefriedigend empfunden werden. Zuletzt erfolgte eine Anpassung dieser   Beträge durch das Strafprozess-Änderungsgesetz 1993 (BGBl.Nr. 526/93) ab dem 1. Jänner 1994. Die damals angepassten Höchstbeträ- ge blieben in nunmehr über sieben Jahren unverändert.

Auch wenn das Problem der Forderung von Rechtsanwaltskosten nach strafge- richtlichen Freisprüchen nicht in den Bereich der von der VA prüfbaren öffentli- chen Verwaltung gehört, hält die VA die Angelegenheit für wichtig genug, um dem Nationalrat in Erinnerung gerufen zu werden. Insbesondere verschließt sich die VA nicht dem Argument eines betroffenen Beschwerdeführers, dass es nicht ein- zusehen ist, warum im Strafverfahren ein zu Unrecht Beschuldigter trotz seines Freispruchs die Kosten seines Rechtsanwaltes tragen muss, während im Zivilpro- zess die Partei, die den Prozess zur Gänze gewinnt, selbstverständlich den Er- satz der gesamten ihr im Verfahren entstandenen Kosten zugesprochen erhält.

Die Entscheidung über die Erhöhung der Verteidigerkosten nach strafgerichtli- chem Freispruch und eine Anpassung an aktuelle Verhältnisse obliegt aber letzt- endlich allein dem Gesetzgeber (VA 25-J/00)“.

Bezug nehmend auf diese Ausführungen hat die Volksanwaltschaft beginnend mit dem Berichts- jahr 2000 dem Gesetzgeber zu dem Betreff unzureichender Ersatz von Verteidigungskosten nach strafgerichtlichen Freisprüchen“ eine legistische Anregung unterbreitet. An dieser Anregung wurde in den Tätigkeitsberichten über die Jahre 2001 und 2002 festgehalten.

Im Jahr 2001 hat die Volksanwaltschaft ihre Anregung auf Ersatz der Verteidigungskosten auf verwaltungsbehördliche Finanzstrafverfahren ausgeweitet, wobei in dem 25. Bericht über die Tä- tigkeit der Volksanwaltschaft im Jahr 2001 an den National- und Bundesrat zu 6.1.2.3.1. hiezu ausgeführt wurde:

„Auf Grund der Beschwerde eines Rechtsanwaltes zu der Einführung einer Kos- tenersatzregelung für Rechtsanwälte im Finanzstrafverfahren (vergleichbar mit je- ner im Strafverfahren) hat die VA ein Prüfverfahren eingeleitet.

In § 393a StPO ist vorgesehen, dass der Bund unter bestimmten gesetzlichen Vo- raussetzungen im Falle eines Freispruches, der Einstellung eines Strafverfahrens oder selbst bei einem Schuldspruch einen Beitrag zu den Kosten der Verteidigung zu leisten hat. Diese Bestimmung betrifft lediglich das gerichtliche Strafverfahren.

Im finanzstrafrechtlichen Verfahren hängt die Zuständigkeit des Gerichtes und damit die Anwendbarkeit der StPO von dem begangenen Delikt ab. Bei geringfü- gigen Delikten (vor allem Finanzordnungswidrigkeiten) sind die Finanzämter und die Finanzlandesdirektionen als Finanzstrafbehörden zuständig; bei Delikten mit größerem Unrechtsgehalt sind hingegen nach § 53 FinStrG die ordentlichen Ge- richte zuständig. Im Fall der gerichtlichen Zuständigkeit kommt die StPO und in Verbindung mit § 228 FinStrG auch § 393a StPO zur Anwendung. Für Finanz- strafverfahren vor den Finanzbehörden ist eine derartige Kostenersatzregelung nicht vorgesehen.

Daraus ergibt sich für Finanzstrafverfahren eine Ungleichbehandlung. Denn die Möglichkeit einer Kostenersatzregelung hängt davon ab, ob die ordentlichen Ge- richte oder die Finanzbehörden für das jeweilige Verfahren zuständig sind.

Der Bundesminister für Finanzen hat dazu ausgeführt, dass der Unterschied bei dieser Kostenersatzregelung gegenüber dem Verwaltungsverfahren im Allgemei- nen bestehen würde. Die Kostenersatzbestimmung des § 393a StPO knüpfe an einen Freispruch in der Hauptverhandlung und an Einstellungen nach durchge- führten Hauptverhandlungen an. Daraus sei ersichtlich, dass damit die besonde- ren, dem Beschuldigten erwachsenen Aufwendungen für mitunter mehrtägige Hauptverhandlungen abgegolten werden sollen.

Im verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren und im Verwaltungsstrafverfah- ren sei an Stelle der Hauptverhandlung eine mündliche Verhandlung im ordentli- chen Verfahren vorgesehen, zu welchem es allerdings nur ausnahmsweise kom- me. In der Regel würden die Verwaltungssachen im so genannten vereinfachten Verfahren, also bereits im Untersuchungsstadium erledigt werden. Auch bei Heranziehung der Regelung der StPO würde es daher zu keinem Kostenersatz kommen.

Die Ansicht des Bundesministers für Finanzen überzeugt insofern nicht, als zu- mindest für jene Fälle in denen es zu einer mündlichen Verhandlung kommt (auch wenn das nicht der Regelfall ist), eine derartiger Aufwandsersatz  geleistet wer- den müsste. Die VA regt daher an, im Sinne der Angleichung der Verfahrensvor- schriften eine entsprechende Bestimmung einzuführen.“

a)  Zu dem nunmehr dem Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen unterbreiteten Ersuchen ist - ungeachtet der Ausführungen zu 2. - festzuhalten, dass die Kosten für Aktenkopien nach gel- tender Rechtslage zu den Barauslagen zählen und zur Gänze ersatzfähig sind, gleichgültig wer diese Kosten zunächst bezahlt hat.

Diese Kosten sind unter der Voraussetzung der Notwendigkeit und der wirklichen Bestreitung zu ersetzen. Darüber sind vom Erstgericht Feststellungen zu treffen (OLG Innsbruck vom 14. August 1991, 7 Bs 394/91).

b) Darüber hinaus deckt sich das Anliegen der Petenten mit der Kritik der Volksanwaltschaft. So sind nach der derzeit geltenden Rechtslage nicht die gesamten Kosten der Verteidigung zu erset- zen. Vielmehr wird vom Bund hierzu nur ein Beitrag geleistet, wobei dieser Beitrag nach oben hin begrenzt ist. Die Höchstbeträge sind in § 393a Abs 1 Strafprozessordnung (StPO) normiert; sie variieren nach Verfahrensart.

§ 393a StPO bestimmt auch, dass Umfang und die Schwierigkeit der Verteidigung sowie das Ausmaß des notwendigen und zweckmäßigen Einsatzes des Verteidigers über die Höhe des Zu- spruches entscheiden. Ausgehend von diesen Bemessungsgrundsätzen wird von der Rechtspre- chung der vorgeschlagene Höchstbetrag nicht so verstanden, dass der Betrag im Falle nachweis- lich höherer Kosten stets oder auch nur im Regelfall mit diesem Höchstbetrag zu bemessen wäre (OLG Innsbruck LSK 1984/120 ua).

De facto decken die zugesprochenen Beträge nur einen Bruchteil der tatsächlichen Verteidiger- kosten“ ab (so Seiler, Strafprozessrecht11 [2010] Rz 1275).

Zwar wird vom Fachschrifttum aufgezeigt, dass weder den geltenden Verfassungsbestimmungen noch der Judikatur des EGMR eine Verpflichtung, dem Freigesprochenen sämtliche oder auch nur bestimmte Aufwendungen für seine Verteidigung zu ersetzen, entnommen werden kann (Lendl, in Fuchs/Ratz [Hrsg] Wiener Kommentar zur Strafprozessordnung § 393a Rz 13 mNw). Doch selbst soweit in der Literatur die Forderung nach einem gänzlichen Ersatz der Verteidi- gungskosten nicht erhoben wird, wird zumindest eine Erhöhung der vorgesehenen Maximalbeträ- ge aus Gründen der Rechtskultur“ für gerechtfertigt erachtet (Lendl aaO).

Die eben angesprochene Rechtskultur“ ist es auch, die Befürworter eines vollen Kostenersatzes ins Treffen führen (Birklbauer, RZ 2001, 110). Sie verweisen zudem darauf, dass Beschuldigte, wenn sie freigesprochen werden, nicht durch das Strafverfahren geschädigt bleiben“ dürfen (idS Bertel/Venier, Strafprozessrecht5 [2011] Rz 686).

2. Unabhängig von den derzeit zu tragenden Kosten im Falle eines Freispruches ist ganz generell die in der Petition angesprochene finanzielle Belastung für die Herstellung von Ablichtungen und Abschriften in gerichtlichen Verfahren zu sehen:

Ursächlich hiefür sind Bestimmungen, die sich im Gerichtsgebührengesetz finden. Sie hat der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 13.12.2011, G 85, 86/11-17, V 77-81/11-17 als ver- fassungswidrig aufgehoben.

Der Gerichtshof hat in dieser Entscheidung ausgesprochen, dass Anmerkung 6 zu Tarifpost 15 des Gerichtsgebührengesetzes (GGG) in der Fassung BGBl. I Nr. 52/2009 verfassungswidrig war und Ziffer 3 lit. a, c und d (samt Fußnoten) des Erlasses der Bundesministerin für Justiz vom 26. Juli 2010, Zl. BMJ-B18.000/0006-I 7/2010, über einzelne Aspekte zur Bestimmung der Rechtsmit- telgebühren nach Tarifpost 12a GGG in Exekutionsverfahren sowie der Gebühren für Aktenab- schriften, -ablichtungen und sonstige Kopien nach Tarifpost 15 Anmerkung 6 GGG als gesetzwid- rig aufgehoben.

Begründend führte der Verfassungsgerichtshof aus, dass das Argument der Verursachung von Personalkosten im Zusammenhang mit der Herstellung von Kopien auch mit eigenen technischen Mitteln der Parteien auf die bloße – gebührenfreie – Akteneinsicht in gleicher Weise zutrifft. Die Erhebung einer Gebühr für das Anfertigen von Ablichtungen durch die Partei selbst – ohne Nut- zung von Gerichtsinfrastruktur und unter Heranziehung eigener, von der Partei selbst mitgebrach- ter Geräte (wie Scanner oder Digitalkameras) – ist mit dem Gleichheitsgrundsatz nicht vereinbar,

da dies bloß eine im Rahmen der Akteneinsicht vorgenommene, zeitgemäße Form der Abschrift- nahme darstellt.

Im Juli 2011 erließ die Frau Bundesministerin für Justiz eine Verordnung über die Neufestsetzung von Gerichtsgebühren. Demnach wurden unter anderem in der Tarifpost 15

a)         in der Spalte Höhe der Gebühren“ die dort angeführten Beträge geändert (von 1,-- auf 1,10 und von 3,20 auf 3,40) und

b)     wird in der Anmerkung 6 der Betrag von „1 Euro“ durch den Betrag von „1,10 Euro“ und der Betrag von „50Cent“ durch den Betrag von „60 Cent“ ersetzt.

Die Verordnung wurde im Bundesgesetzblatt II unter der Nr. 242 kundgemacht. Sie trat am 1.8.2011 in Kraft.

Mit dem am 7.12.2011 kundgemachten Budgetbegleitgesetz 2012, BGBl. I Nr. 112/2011, wurde mit dessen Artikel 11 das Gerichtsgebührengesetz neuerlich geändert und in der Tarifpost 15 in der Anmerkung 6 der Betrag 1,10 Euro“ durch den Betrag 60 Cent“ und der Betrag 60 Cent“ durch den Betrag 30 Cent“ ersetzt.

Die Regelung, wonach jemand, der einen Akt bei Gericht mit seiner eigenen Kamera fotografiert, denselben Preis zahlen muss, wie jemand, der öffentliches Eigentum (Gerichtskopiergeräte) nützt, widerspricht der in obigem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zum Ausdruck ge- brachten Auffassung, wonach von der Partei selbst – ohne Nutzung von Gerichtsinfrastruktur – angefertigte Kopien gebührenfrei sein sollen.

Die Volksanwaltschaft hat daher – ungeachtet des Umstandes, dass ihr keine Gesetzesprüfungs- befugnis zukommt – die mit Jahresbeginn in Kraft getretene Neuerung des Budgetbegleitgesetzes 2012 zum Anlass genommen, die Frau Bundesministerin für Justiz um Stellungnahme zu ersu- chen, welche Veranlassungen von ihrem Ressort getroffen werden, um einer neuerlichen Aufhe- bung des Gerichtsgebührengesetzes durch den Verfassungsgerichtshof zuvorzukommen.

Die Vorsitzende:

Volksanwältin Dr. Gertrude BRINEK