235/SPET XXIV. GP

Eingebracht am 18.09.2012
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Stellungnahme zu Petition

 

 

Petition Nr. 164 betr. Streichung der bisherigen Regelung zur Eugenischen Indikation

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

Unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 4. Juni 2012, GZ. 17010.0020/82- L1.3/2012, teilt das Bundesministerium für Gesundheit zu der im Betreff genannten Petition Folgendes mit:

Die gegenständliche Petition Nr. 164 „Streichung der bisherigen Regelung zur eugenischen Indikation“ strebt eine Streichung der Indikation zum Schwangerschaftsabbruch gemäß § 97 Abs.1 Z2 Fall 2 STGB an.

 

 

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Der § 97 StGB sieht drei Fallgruppen eines straflosen Schwangerschaftsabbruches vor:

Abs. 1 Z 1 -            innerhalb der ersten drei Schwangerschaftsmonate

Abs. 1 Z 2 -            zur Abwendung einer nicht anders abwendbaren ernsten Gefahr für das Leben oder eines schweren Schadens für die körperliche und seelische Gesundheit der Schwangeren (sog. „medizinische Indikation“) oder wenn eine ernste Gefahr besteht, dass das Kind geistig und körperlich schwer geschädigt sein werde („embryopathische Indikation“), oder die Schwangere zur Zeit der Schwängerung unmündig gewesen ist

Abs. 1 Z 3 -           zur Rettung der Schwangeren aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Lebensgefahr

Bei der (Be)Wertung im Zusammenhang mit dieser emotional, politisch sehr kontroversiell besetzten Thematik, hinsichtlich der Regelung im Strafrecht (§ 97 Abs1. Z 2, Fall 2) geht es nicht in erster Linie um medizinische oder gesundheitspolitische Fragen.

Sondern es geht hierbei um ethisch, moralisch und rechtlich zu entscheidende Fragen bzw. durchzuführende Wertungen, die sich in der äußerst komplexen und schwierigen Abwägung der gesellschaftlich anerkannten Güter, wie Schutzwürdigkeit, Lebensschutz, Menschenwürde, körperliche, psychische und soziale Rechte, individuelle Verantwortung, Selbstbestimmung der Frauen, Entscheidungsfreiheit, um nur die Wichtigsten zu nennen, darstellen.

Grundsätzlich ist festzuhalten und davon auszugehen, dass heute durch die Anwendung von pränataldiagnostischen Methoden schwerste Fehlbildungen des Kindes zumeist bereits in den ersten Schwangerschaftsmonaten diagnostiziert werden. Dennoch kann nicht ausgeschlossen werden, dass vereinzelt die Diagnose einer gravierenden und möglicherweise nicht mit dem Leben zu vereinbarenden Fehlbildung erst nach der 12. SSW gestellt wird. In so einem Fall wäre die Schwangere bei Abschaffung der kindlichen Indikation gezwungen ein Kind, das unmittelbar nach der Geburt oder in den ersten Lebenswochen sterben wird (zB Anencephalus), auszutragen und zur Welt zu bringen.

Schwangerschaftsabbrüche kurz vor der Geburt werden nur in ganz wenigen Einzelfällen bei nachgewiesenen schwersten Fehlbildungen mit aussichtsloser Prognose durchgeführt; d.h., dass ein solcher also nur unter ganz speziellen, das Leben der Schwangeren oder des Kindes in Frage stellenden Umständen möglich ist.

Die Durchführung eines solchen Spätabbruches durch einen Arzt oder eine Ärztin, ohne eindeutig belegbare Anzeichen für eine schwere Schädigung ist strafbar und würde den Verlust zur Ausübung des Berufes zur Folge haben.


Bei der Streichung bzw. bei Abschaffung der kindlichen Indikation im nationalen Recht bestünde - wie angeführt - in einem solchen Fall noch immer die Möglichkeit eines straflosen Schwangerschaftsabbruchs nach § 97 Abs. 1Z 2, wenn dieser zur Abwendung einer nicht anders abwendbaren Gefahr eines schweren Schadens für die körperliche oder seelische Gesundheit der Schwangeren erforderlich ist.

Abschließend wird nochmals festgehalten, dass es sich natürlich um ein ethisches Problem handelt, aber es ist und soll auch in Zukunft immer die Entscheidung und Angelegenheit der betroffenen Schwangeren sein, ob sie ein schwerst behindertes, nicht lebensfähiges Kind bzw. kurz nach der Geburt sterbendes Kind austragen will.

Es sollte niemand gezwungen werden die psychische Belastung des Wartens auf die Geburt eines Kindes zu durchleben, das unmittelbar danach sterben wird.

 

Diese im Gesetz verankerte Regelung rechtfertigt keine Form von „Selektionsmentalität" und billigt nicht die Differenzierung im Sinne eugenischer Tendenzen, die Beibehaltung der kindlichen Indikation ist daher anzustreben.

Auf die Zuständigkeit des Bundesministeriums für Justiz wird verwiesen.

Für den Bundesminister:

Petra Woller

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