245/SPET XXIV. GP
Eingebracht am 15.11.2012
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Stellungnahme zu Petition
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Betr.: Petition Nr. 168 betreffend „Studierendenfreundliche Tarife im öffentlichen Fernverkehr“ Stellungnahme der Volksanwaltschaft, do GZ: 17010.0020/102-L1.3/2012
Sehr geehrte Frau Vorsitzende!
Gerne kommt die Volksanwaltschaft dem Ersuchen des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen nach, eine Stellungnahme zur Petition „Studierendenfreundliche Tarife im öffentlichen Fernverkehr" abzugeben.
Die Intention der AktionsGemeinschaft ist es, auf die spezielle finanzielle Belastung von Studierenden, die eine Zweitunterkunft zu Ausbildungszwecken finanzieren und zusätzlich auch den Aufwand für die „Familienheimfahrten“, insbesondere an Wochenenden tragen müssen, hinzuweisen. Verbunden wurde dies mit der Aufforderung an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie sowie die Abgeordneten des Nationalrates, „Maßnahmen zu ergreifen, die kostengünstige Studententickets bei ÖBB und Westbahn ohne zusätzlichen bürokratischen Aufwand für die Studierenden ermöglichen“.
In der Petition wird zutreffend ausgeführt, dass Studierende, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, wie alle anderen dieser Altersgruppe die Möglichkeit haben, bei den ÖBB eine „Vorteilscard <26“ zum Preis von € 19,90 zu erwerben. Mit dieser Karte können beim Erwerb von Einzeltickets Ermäßigung des Fahrpreises von um 45 % (beim Kauf am Fahrkartenschalter) bzw. 50 % (beim Kauf am Automaten oder im Internet) in Anspruch genommen werden.
Daneben eröffnen die ÖBB aber speziell für jugendliche Vielfahrer die Möglichkeit, eine Jahresnetzkarte (Österreichcard <26) zu erwerben. Auch dies stellt eine allgemeine Jugendermäßigung dar, die zur Nutzung des gesamte Schienennetzes der ÖBB sowie einiger Privatbahnen berechtigt und im Wesentlichen auch andere Begünstigungen einer Vorteilscard (ermäßigte Carsharing- Tarife, verbilligte Tickets zum Flughafen Wien Schwechat in den Bussen der ÖBB Vienna Airport - Lines und im CAT City Airport Train) einschließt. Die „Österreichcard <26“ für die 2. Wagenklasse ist seit der letzten Tarifreform vom 2. Juli 2012 um € 999 erhältlich. Diese Jahresnetzkarten können ohne Mehrkosten auch in Form monatlicher Teilzahlung erworben werden (siehe http://www.oebb.at/de/Ermaessigungskarten/OeSTERREICHcard/OeCard_Flyer.pdf).
Die WESTbahn Management GmbH hat auf ihren Bahnstrecken ein vergleichbares Angebot für alle Jugendlichen unter 26. Jahren. Diese Jahresnetzkarte ist eine personalisierte, nicht übertragbare Zeitkarte, welche in Kooperation mit der WESTbus GmbH zu unbegrenzten Fahrten im WESTbahnnetz und im WESTbusnetz berechtigt. Die Gültigkeitsdauer beträgt 365 Tage, der Beginn der Gültigkeit kann frei gewählt werden. Die Kosten für die „Jahresnetzkarte <26“ der WESTbahn Management GmbH betragen aktuell € 799 (https://westbahn.at/sonstiges/agbs/allg- tarifbestimmungen).
Angesichts dieser Informationen sind die in der Petition von der AktionsGemeinschaft angestell- ten Rechenbeispiele zu den Fahrtkosten zweier Studierenden ebenso wie die Schlussfolgerung, „über € 1.400 bzw. mehr als € 1.300 pro Jahr ist für viele Studierende zusätzlich zu den Lebenserhaltungskosten am Studienort nicht leistbar", aus der Sicht der Volksanwaltschaft doch zu relativieren. Es empfiehlt sich gerade bei häufiger Bahnbenutzung im Fernverkehr gerade auch für Studierende nicht bloß ermäßigte Einzeltickets zu erwerben, sondern den Kauf von „Jahresnetzkarten <26“, die beide in der Petition ausdrücklich angeführten Unternehmungen zu deutlich günstigeren Konditionen anbieten, in Erwägung zu ziehen.
Die Volksanwaltschaft verkennt nicht, dass es Studierenden - aber auch anderen Bevölkerungsgruppen - im Tarifdschungel, der sich infolge der acht Verkehrsverbünde und der unterschiedlich ausgestalteten Abstimmungen etwa zwischen dem Bahn- und Busverkehr ergeben, schwer fällt, das für sie günstigste Angebot unter Ausschöpfung von Ermäßigungen ausfindig zu machen. In den Bussen der Verkehrsverbünde (außer VOR Verkehrsverbund Ost-Region) berechtigen die Vorteilscard Familie, Senior, Blind und Spezial zu ermäßigten Fahrten, nicht jedoch die Vorteilscard Classic, <26 und Österreichcard - was ua. vor allem Kundinnen und Kunden des ÖBB- Unternehmens Postbus schwer zu erklären ist.
Zu verweisen ist aber darauf, dass die Beurteilung der Tarifgestaltung von Verkehrsunternehmungen nicht in den Zuständigkeitsbereich der Volksanwaltschaft fällt, zumal diese Unternehmungen staatsorganisationsrechtlich besehen nicht oder nicht mehr Teil der staatlichen Verwaltung iSd Art. 148a B-VG sind.
Wie das Bundesministerium für Verkehr , Innovation u. Technologie (BMVIT) zur gegenständlichen Petition in seiner Stellungnahme vom 31. Oktober 2012 (240/SPET) ausgeführt hat, fällt die Festlegung der Tarife und der Tarifbestimmungen grundsätzlich in die Autonomie der Verkehrsunternehmen, die auch die wirtschaftliche Verantwortung dafür zu tragen haben. Tarifermäßigungen oder Änderungen bestehender Tarife kann das BMVIT daher nicht per Weisung anordnen. Gemeinwirtschaftliche Leistungen im Schienen-Personenverkehr, die im öffentlichen Interesse liegen und deren Kosten nicht allein durch Tarifeinnahmen gedeckt werden, bedingen eine vertraglich vereinbarte Mitfinanzierung des Ausgleichs dadurch bedingter Einkommensausfälle aus Mitteln des Bundes, aber auch der Länder und Gemeinden. Fahrpreisermäßigungen auf Bahnstrecken für bestimmte Bevölkerungsgruppen (Familien, Schülerinnen und Schüler, Studierende, Pendler, Menschen mit Behinderung, Senioren) werden auch im Rahmen sog. Gemeinschaftlicher Leistungsverträge abgegolten. Eine Zusammenstellung genehmigter Fahrpreisermäßigungen im Kraftfahrlinienverkehr, die auch für Eisenbahnunternehmen gelten, enthält die gemäß § 46 Abs. 1 Kraftfahrzeugliniengesetz erlassene Anlage 1 der Verordnung über die Allgemeinen Beförderungsbedingungen für den Kraftfahrlinienverkehr, BGBl. Nr. II 47/2001 idF BGBl. II Nr. 431/2011.
Das Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) ermächtigt das Bundesministerium für Wirtschaft, Jugend und mit Verkehrsunternehmen des öffentlichen Verkehrs Verträge abzuschließen, wonach der Bund den Verkehrsunternehmen unter bestimmten Voraussetzungen die im Tarif jeweils vorgesehenen Fahrpreise für die Beförderung von Schülerinnen und Schülern sowie Lehrlingen ersetzt, wenn sich die Verkehrsunternehmen verpflichten, einen Fahrausweis zur freien Beförderung gegen Nachweis eines geleisteten Selbstbehaltes am Fahrpreis auszugebeh (Schul- und Lehrlingsfreifahrten).
Schulfahrtbeihilfe bzw. Fahrtbeihilfe für Lehrlinge gebührt neben den aus dem Familienlastenaus- gleichsfonds finanzierten Freifahrten, wenn mindestens zwei km (in einer Richtung) nicht im Rahmen einer unentgeltlichen Beförderung oder im Rahmen der Schülerfreifahrt zurückgelegt werden können und Anspruch auf österreichische Familienbeihilfe besteht. Die Schulfahrtbeihilfe für sogenannte Wochenendheimfahrten („Heimfahrtbeihilfe“), wurde im Rahmen des Strukturan- passungsgesetzes 1995, BGBl. Nr. 297/1995 abgeschafft und kann nach der Novellierung des FLAG durch das BGBl I 158/2002 mit Wirksamkeit ab 1. September 2002 beantragt werden, wenn zum Zwecke einer Schulausbildung oder für Zwecke einer Lehrausbildung notwendigerweise eine Zweitunterkunft außerhalb eines inländischen Hauptwohnortes bezogen werden musste. Je nach Entfernung zwischen der Wohnung im Hauptwohnort und der Zweitunterkunft gebühren zwischen 19,-- und 58,-- € pro Monat als „Heimfahrtbeihilfe“.
Studierende haben allerdings keinen Anspruch auf Schulfreifahrt oder Schulfahrtbeihilfe. Diese Änderung wurde mit dem Strukturanpassungsgesetz 1996 (BGBl 201/1996) eingeführt, indem der Abs. 3 des § 30a FLAG in der damals geltenden Fassung, wonach unter Schülern auch Studierende zu verstehen sind, gestrichen wurde. Förderungen speziell für diesen Personenkreis regelt seither das Studienförderungsgesetz (StdFG). Dazu zählt auch der Fahrtkostenzuschuss gemäß § 52 StdFG, welcher mit dem Strukturanpassungsgesetz 1996 eingeführt wurde und der durch die Studienbeihilfenbehörden bei Vorliegen der Voraussetzungen automatisch in zehn Monatsraten ausbezahlt wird. Für die Zuerkennung der Fahrtkostenzuschüsse ist kein gesonderter Antrag erforderlich. Die Auszahlung erfolgt im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung gemeinsam mit der Studienbeihilfe. Diese Förderung wird in drei verschiedenen Formen gewährt:
• Allgemeiner Fahrtkostenzuschuss (FKZ 1)
• Pendlerzuschuss (FKZ 2)
• Heimfahrtzuschuss
für Studierende, deren Eltern mehr als 200 km vom Studienort entfernt im
Inland wohnen und die weder verheiratet, noch Vollwaisen oder
Selbsterhalterinnen
und Selbsterhalter sind (FKZ 3)
Studienbeihilfebeziehende können entweder den FKZ 1 oder den FKZ 2, bei Zutreffen der Voraussetzungen zusätzlich auch den FKZ 3 erhalten.
Förderungen der Bundesländer
Von mehreren Bundesländern wird im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung auch für Studierende ein Zuschuss für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel gewährt. So können etwa Studierende mit Hauptwohnsitz in Niederösterreich, die als ordentliche Hörerinnen und Hörer an einer öffentlichen Universität, Privatuniversität, Fachhochschule oder an einer pädagogischen Hochschule inskribiert sind, vom Land Niederösterreich und den niederösterreichischen Gemeinden bis zur Vollendung des 26. Lebensjahres unter bestimmten Voraussetzungen einen finanziellen Zuschuss von maximal € 75 pro Semester erhalten.
Das Land Burgenland gewährt Studierenden mit Hauptwohnsitz im Burgenland, die außerhalb des Burgenlandes an einer österreichischen Universität, Hochschule, Fachhochschule oder an einer pädagogischen Hochschule studieren, eine Förderung in Höhe von 50% der nachgewiesenen Kosten von öffentlichen Verkehrsmittel am Studienort. Darüber hinaus unterstützt das Land Burgenland auch Studierende mit Ermäßigungsausweis (wie zB ÖBB-Vorteilscard) bei der Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmittel vom Wohnort zum Studienort. Studierende erhalten Tickets für öffentliche Verkehrsmittel auf Grundlage ihrer Ermäßigungskarte am Fahrkartenschalter automatisch um 30% billiger, wobei das Land Burgenland den Verkehrsverbünden den daraus resultierenden Einnahmenausfall ersetzt.
In einigen Bundesländern gibt es spezielle Semestertickets. So etwa in Wien, wo die Semesterkarte für Studierende mit Hauptwohnsitz in Wien € 75 und für Studierende ohne Hauptwohnsitz in Wien € 150 kostet. In Tirol bietet ein Semester-Ticket des Verkehrsverbundes Tirol für alle Studierenden unter 27 Jahren eine vergünstigte Mobilität auf allen Bus-, Bahn- und Tramlinien. Spezielle Angebote für Studierende gibt es etwa auch seitens des Salzburger Verkehrsverbundes.
Eine Gesamtübersicht aller bestehenden „Begünstigungen“ für Studierende bei Inanspruchnahme öffentlicher Verkehrsmittel ist im Rahmen dieser Stellungnahme nicht leistbar gewesen.
Für die Volksanwaltschaft ist es aber nicht zweifelhaft, dass auf dem Boden der geltenden Rechtslage die Frage, ob bei den ÖBB bzw. der WESTbahn eine über die Jahresnetzkarten hinausgehende - in der Petition so bezeichnete - „studierendenfreundliche Tarifgestaltung“ eingeführt werden soll, eine unternehmerische Entscheidung anspricht, die von den die entsprechende Beförderung anbietenden Unternehmen zu treffen ist. Tariffestlegungen müssen immer auch EUrechtskonform und diskriminierungsfrei ausgestaltet werden. Sehr spezifische Kundenbedürfnisse einer mehr oder weniger klar abgrenzbaren Gruppe von Studierenden, die im Fernverkehr jedes Wochenende unterwegs sind, könnten nicht - wie von der AktionsGemeinschaft auch gefordert wird - ohne Inkaufnahme eines administrativen Aufwandes umgesetzt werden.
Für die Volksanwaltschaft:
Volksanwältin Gertrude BRINEK e.h.