350/UEA XXIV. GP

Eingebracht am 19.11.2009
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Entschließungsantrag

 

der Abg. Dr. Wolfgang Schüssel, Marianne Hagenhofer

Kolleginnen und Kollegen

 

betreffend Religionsfreiheit und das Urteil des EGMR in der Rechtssache Lautsi vs. Italien vom 3. November 2009 über die Anbringung von Kreuzen in Klassenzimmern

 

eingebracht in der NR-Sitzung am 19.11.2009 im Zuge der Debatte zum TOP 12 betreffend den Bericht des Außenpolitischen Ausschusses in 436 d.B. über den Außenpolitischen Bericht 2008 der Bundesregierung (III-89 d.B.)

 

 

Der außenpolitische Bericht befasst sich unter anderem mit dem internationalen Engagement Österreichs in Fragen der Menschenrechte sowie mit aktuellen Entwicklungen in diesem Zusammenhang. Eines der grundlegenden Menschenrechte ist das Recht auf Religions-, Glaubens- und Gewissenfreiheit.

 

In Auslegung dieses Rechts hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in der Sache Lautsi vs. Italien am 3.11.2009 ein wenn auch noch nicht rechtskräftiges Urteil gefällt, das europaweite Diskussionen ausgelöst hat. Die dem EGMR-Urteil zugrundeliegende Tendenz des Zurückdrängens des Religiösen beziehungsweise der Präsenz religiöser Symbole aus dem öffentlichen Raum hat breite Kritik ausgelöst.

 

In Österreich besteht durch das Religionsunterrichtsgesetz und durch das Konkordat mit dem Hl. Stuhl die verfassungsgesetzlich geschützte und völkerrechtlich verankerte Pflicht, in Schulklassen mit einer Mehrheit von SchülerInnen, die einer christlichen Konfession angehören, Kreuze anzubringen.

 

Das Grundrecht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit findet sich in der österreichischen Rechtsordnung in Art. 14 Staatsgrundgesetz, Art. 63 Abs. 2 Staatsvertrag von Saint Germain sowie Art. 9 Abs. 1 EMRK. Auch nach herrschender Lehre ist es völlig unbestritten, dass diese Bestimmungen jedermann auch dazu berechtigt, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder in Gemeinschaft, öffentlich oder privat auszuüben.


In diesem Zusammenhang sei auf den Vertrag von Lissabon verwiesen, in dem die Europäische Union deutlich macht, dass sie das kulturelle, religiöse und humanistische Erbe Europas respektiert.

 

Die fortgesetzte Anwendung der vom EGMR im gegenständlichen nicht rechtskräftigen Urteil angewendeten Kriterien könnte zu substanziellen Einschränkungen und zur Aushöhlung des Rechts auf öffentliche Religionsausübung führen. Auch eine scheinbar neutrale Haltung des Staates kann dazu führen, dass Religionen und ihre Symbole im Ergebnis aus dem öffentlichen Raum gedrängt und ihre Anhänger wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft diskriminiert werden. Eine Aushöhlung des Menschenrechts auf öffentliche Religionsausübung als mögliche Folge dieses Urteils könnte sich zudem negativ auf die Situation religiöser Minderheiten in anderen Ländern der Welt auswirken.

 

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 

Entschließungsantrag:

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Die Bundesregierung bzw. der Bundeskanzler und die jeweils zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden ersucht,

 

1. weiterhin dahingehend zu wirken, dass die Präsenz von religiösen Symbolen im öffentlichen Raum und in öffentlichen Räumlichkeiten auch in Zukunft möglich ist und die Anbringung von Kreuzen in Schulklassen mit einer Mehrheit von SchülerInnen, die einer christlichen Konfession angehören, in Übereinstimmung mit der österreichischen Verfassungsordnung und den völkerrechtlichen Verpflichtungen gesichert ist;

 

2. gegenüber dem Europarat, dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union die Haltung zu vertreten, dass die Wertungen, Kriterien und Schlussfolgerungen des  Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im gegenständlichen nicht rechtskräftigen Urteil über die diesem Gerichtshof zukommende Auslegung der Konvention weit hinausgehen und nicht dem Verständnis des im Artikel 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerten Grundrechts auf Glaubens-, Gewissens- und Religionsfreiheit entsprechen, zu dessen Gewährleistung sich Österreich durch den Beitritt zur EMRK verpflichtet hat;


 

3. in der Öffentlichkeit zu erläutern, dass das kritisierte Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes ist.