495/UEA XXIV. GP

Eingebracht am 22.10.2010
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

 

der Abgeordneten Ing. Schuttes, Petra Bayr

Kolleginnen und Kollegen

betreffend geplante Laufzeitverlängerung von Kernkraftwerken in Deutschland

eingebracht im Zuge der Debatte zum Tagesordnungspunkt 14, Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 1280/A(E) der Abgeordneten Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend sofortige Stilllegung von Isar 1 (925 d.B.) in der 81. Sitzung des Nationalrates am 21. Oktober 2010

Die aktuellen Entwicklungen zur Atomenergie in Deutschland haben in Österreich große Besorgnis ausgelöst.

Österreich lehnt die energetische Nutzung der Kernenergie ab. Dort, wo es um legitime Schutzbedürfnisse der österreichischen Bevölkerung, bzw. um den Schutz der Umwelt, geht, ist Österreich berechtigt und verpflichtet, seine Stimme zu erheben. Die Bundesregierung wird - wie im Regierungsprogramm ausgeführt - in allen Fällen von kerntechnischen Anlagen, die negative Auswirkungen auf Österreich haben oder haben könnten, alle Möglichkeiten zur Wahrung der österreichischen Sicherheitsinteressen nutzen.

Bisher wurde in Deutschland der „Atomausstieg" in einem Vertrag der Bundesrepublik mit den Betreibergesellschaften geregelt, dem so genannten Atomkonsens. Auf Grundlage dieses Vertrags wurde seinerzeit das Atomgesetz (AtG 2002) novelliert. In diesem Vertrag wurden die Reststrommengen für die deutschen Kernkraftwerke (KKW) festgelegt.

Im neuen Koalitionsvertrag wurde eine Verlängerung der Laufzeiten der KKW anvisiert. Es folgten Verhandlungen zwischen dem deutschen Umwelt- und dem Wirtschaftsministerium. Am 5. September 2010 einigten sich die deutschen Koalitionsparteien auf einen Kompromiss.  

Aus diesem Kompromiss sind nun folgende Änderungen bekannt: Für die älteren KKW bis einschließlich 1980 werden die nach dem AtG 2002 definierten Laufzeiten um acht Jahre verlängert. Bei den neueren KKW werden die Laufzeiten auf 14 Jahre ausgedehnt. Daraus resultiert eine durchschnittliche Verlängerung von 12 Jahren. Aus diesen Daten ergibt sich eine Verschiebung des Atomausstiegs voraussichtlich auf das Jahr 2040. Die Jahreszahlen sind allerdings nur Eckpunkte, da die tatsächliche Laufzeit von der produzierten Strommenge abhängig ist.      

In Zusammenhang mit der Sicherheit stehen konkrete Entscheidungen noch aus, es wird jedoch betont, dass die Sicherheit der KKW höchste Priorität hat.


Durch die Laufzeitverlängerungen verschärft sich auch das Entsorgungsproblem. Laut deutschem Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) würden bei einer durchschnittlichen Laufzeitverlängerung von 12 Jahren zusätzlich 4.400 t Wärme entwickelnde Abfälle anfallen. Derzeit werden die Abfälle an allen KKW-Standorten zwischengelagert. Es gibt auch in Deutschland kein Endlager für hochradioaktiven Abfall.

Mit Deutschland besteht ein bilaterales Informationsabkommen zur Regelung von Fragen gemeinsamen Interesses im Zusammenhang mit nuklearer Sicherheit und Strahlenschutz („Nuklearinformationsabkommen"), in dessen Rahmen regelmäßig Treffen stattfinden.

Bereits am 5. September, an dem die politische Einigung auf den neuen deutschen „Atomkonsens" bekannt wurde, hat Bundesminister DI Nikolaus Berlakovich seine Ablehnung


und Enttäuschung deutlich gemacht und auch die planmäßige Schließung des Kernkraftwerkes Isar1 gefordert, sollten nicht alle Sicherheitsdefizite ausreichend behoben werden können. Zusätzlich wurde ein Sondertreffen im Rahmen des bilateralen „Nuklearinformationsabkommen" gefordert, bei dem Deutschland zu erklären haben wird, welche Auswirkungen sich für Österreich ergeben, speziell im Hinblick auf die grenznahen Kernreaktoren und wie es um die sicherheitstechnische Nachrüstung bestellt ist. Erste Konsultationen sind bereits für den 19. Oktober 2010 vorgesehen.

Weiters hat Bundeskanzler Faymann in einem Telefonat mit Bundeskanzlerin Merkel am 10. September sowie bei anderen Gelegenheiten die diesbezügliche österreichische Position nachdrücklich dargelegt. Der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten hat den österreichischen Botschafter in Berlin mit einer umgehenden Vorsprache beim deutschen Umweltminister Röttgen beauftragt. Zudem hat der Generalsekretär im BMeiA die österreichischen Bedenken gegenüber Staatsminister Hoyer vorgebracht.

Die Entscheidung der deutschen Bundesregierung unterstreicht einmal mehr, dass sich das europa- und geopolitische Umfeld für die österreichische Anti-Atom-Politik in den vergangenen Jahren sehr verschlechtert hat. Österreich hat zudem weiterhin im Einklang mit internationalem und europäischem Recht die nationale Souveränität anderer Staaten hinsichtlich deren Auswahl der Energieträger zu respektieren. Es ist daher umso mehr geboten, dass die Maßnahmen der österreichischen Bundesregierung zielorientiert ausgestaltet werden und insbesondere auch die österreichische Öffentlichkeit über Inhalt und Umfang der Österreich zur Verfügung stehenden Instrumente klar ins Bild gesetzt wird.

Vor diesem Hintergrund wird die Vertretung von Österreichs Sicherheitsinteressen konsequent fortgesetzt. Dies bedarf der Mitwirkung der gesamten Bundesregierung.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden aufgefordert alle Möglichkeiten zu nutzen, um

       konkrete Informationen über die tatsächliche Verlängerung der Laufzeit der deutschen Kernkraftwerke zu erhalten;

       Informationen über geplante Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit der deutschen Kernkraftwerke zu erhalten;

       konkrete Maßnahmen zur sicherheitstechnischen Nachrüstung deutscher Kernkraftwerke zu erwirken;

       eine rasche Abschaltung der älteren Anlagen, vor allem der Siedewasserreaktoren der Baulinie SWR-69, zu erwirken;

       angesichts der geographischen Lage insbesondere eine rasche Abschaltung des KKW lsar-1 zu erwirken, sollten nicht alle Sicherheitsdefizite ausreichend behoben werden können;

       die sich im Rahmen der EU stellenden wettbewerbs-, vergaberechtlichen sowie sonstigen rechtlichen Fragen im Dialog mit der Europäischen Kommission zu klären.