622/UEA XXIV. GP

Eingebracht am 22.03.2011
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Hermann Schultes, Wolfgang Katzian, Dr. Martin Bartenstein,

Andrea Gessl-Ranftl

Kolleginnen und Kollegen

betreffend den raschest möglichen Ausstieg aus der Atomenergie

eingebracht im Zuge der Debatte anlässlich der Sondersitzung vom 22. März 2011 zur Erklärungen des Bundeskanzlers und des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates zum Thema "Aktuelle Perspektiven der österreichischen und europäischen Energiepolitik nach Fukushima“

Angesichts der jüngsten Ereignisse in den japanischen Atomkraftwerken zeigt sich erneut auf dramatische Weise, dass die Nutzung der Atomenergie keine sichere und nachhaltige Energiequelle darstellt. Die einzige zuverlässige Antwort auf diese Gefahren bildet ein vollständiger Verzicht auf die Nutzung von Atomenergie zur Energieerzeugung. Österreich drängt seit langem mit Nachdruck auf europäischer und internationaler Ebene auf einen solchen Verzicht, wie das in der Volksabstimmung über das AKW Zwentendorf aus dem Jahre 1978 bereits zum Ausdruck gebracht wurde.

So lange dieser auf europäischer und internationaler Ebene jedoch nicht verwirklicht ist, gilt es in Zusammenarbeit mit den europäischen Institutionen alle geeigneten Sicherheits- und Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen.

Sofort nach Bekanntwerden des Erdbebens in Japan und der möglichen nuklearen Bedrohung wurde in Österreich die nukleare Notfallplanung aktiviert und ein 24-Stunden-Präsenzdienst der Strahlenschutzbehörde eingerichtet, um für alle Eventualitäten vorbereitet zu sein. Die Situation in Japan wird laufend überwacht.

Im Zusammenhang mit der dramatischen Lage in Japan muss auch die Sicherheitslage der europäischen Kernkraftwerke überprüft werden. Österreich setzt sich daher für "Stresstests" (umfassende Sicherheitsüberprüfung) aller europäischen Kernkraftwerke ein. Dieser Vorschlag wurde am 14. März 2011 im Rahmen der Ratstagung der EU­Umweltministerlnnen eingebracht und wurde von der Europäischen Kommission übernommen.

Österreich hat zwar kein eigenes Atomkraftwerk ist jedoch seit dem Jahre 2001 netto­Energieimporteur und bezieht somit Atomstrom von ausländischen Energieerzeugern. Auf Grund des Energiemixes dieser Erzeuger importiert Österreich durchgerechnet ca. 5 % Atomstrom.


Die Natur- und Umweltkatastrophe in Japan hat auch eine allgemeine Diskussion über das gegenwärtige Energiesystem ausgelöst. Österreich ist gemäß dem im Dezember 2008 verabschiedeten Energie- und Klimapaket der Europäischen Union dazu verpflichtet, den Anteil „Erneuerbarer Energieträger“ am Bruttoendenergieverbrauch bis 2020 auf 34 Prozent zu erhöhen und gleichzeitig seine Treibhausgasemissionen in Sektoren, die nicht dem Emissionshandel (Nicht-ETS) unterliegen, bis 2020 um mindestens 16 Prozent (bezogen auf die Emissionen des Jahres 2005) zu reduzieren. Weiters soll die Energieeffizienz bis 2020 um  20 Prozent im Vergleich zum Referenz-Szenario erhöht werden.

Damit die Energiepolitik mit dem allgemeinen volkswirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Zielsystem kompatibel ist, wurden Versorgungssicherheit, Umweltverträglichkeit, Sozialverträglichkeit, Kosteneffizienz und Wettbewerbsfähigkeit als Rahmenvorgaben fixiert.

Der Ausbau „Erneuerbarer Energien“ hat in Österreich enorme Bedeutung für die nationale Eigenversorgung und Stärkung der Energieversorgungssicherheit, schafft neue Arbeitsplätze, stärkt die Wettbewerbsfähigkeit und ist zur Erreichung der energie- und klimapolitischen Ziele eine Notwendigkeit.

Die langfristige Sicherstellung der Energieversorgung der Gesellschaft und die damit in Verbindung stehenden Kosten und Umweltauswirkungen dominieren in einem hohen  Maße die volkswirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Staates. Es ist erforderlich, den Energieverbrauch möglichst gering zu halten, die eigenen Energieressourcen sorgsam zu nützen und auszubauen, notwendige Importe durch Diversifikation zu sichern und ausreichende Infrastrukturen für Transport und Speicher zur Verfügung zu stellen.

Mit einer ambitionierten Strategie zur Steigerung der Energieeffizienz, der Energieeinsparung und dem engagierten Ausbau der Erneuerbaren Energien kann Österreich seine Klimaschutzziele erreichen, die Abhängigkeit von Energieimporten drastisch zu vermindern und Wirtschaft und Beschäftigung einen kräftigen Schub zu geben.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher nachstehenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden ersucht, zur Erzielung eines nachhaltigen Energiesystems folgende Punkte umzusetzen:

 

         Förderung eines europa- und weltweiten Verzichts auf die Nutzung der Kernenergie;

 

         konsequente Steigerung  der Energieeffizienz in allen wesentlichen   Sektoren, vor  allem bei Gebäuden,   Haushalten und  Betrieben,   Mobilität,  Primärenergieeinsatz  und Abwärmenutzung u.a. mithilfe eines einheitlichen Energieeffizienzgesetzes;

 

         Einsatz für verbindliche Energieeffizienzziele auf europäischer Ebene;


         Ausbau der „Erneuerbaren Energien“ in der Stromerzeugung, im Wärmebereich und im Verkehrsbereich sowie weiterer Ausbau von Fernwärme und -kälte;

 

         gemeinsam mit den EVU Anreize zur Vermeidung von Atomstromimporten zu setzen;

 

         langfristige Sicherstellung der Energieversorgung durch ausreichende Infrastruktur für Transport und Speicher;

         Energieverbrauch möglichst gering zu halten, die eigenen Energieressourcen sorgsam zu nützen bzw. auszubauen und die notwendigen Importe durch Diversifikation zu sichern;

         Abhängigkeit    von    ausländischen    Energieerzeugern   zu   senken,   sowie    den Energieverbrauch unter der Wirtschaftswachstumsrate zu stabilisieren;

         bei der Erlassung bzw. Novellierung von Gesetzen diese auf ihre energiepolitischen Auswirkungen (Energieversorgungssicherheit in Österreich) hin zu prüfen;

         dass  die  Mittel   für   die   nicht-nukleare   gemeinschaftliche   Energieforschung, insbesondere   zugunsten   der   erneuerbaren  Energieträger   und   Steigerung   der Energieeffizienz, umgeschichtet werden;

         sich für eine totale Neuorientierung der europäischen  Nuklearforschung  im Rahmen  des derzeit zu verhandelnden  Euratom-Forschungsprogramms  2012-2013  einzusetzen und damit verbunden  für eine grundlegende Änderung der Forschungsaktivitäten im Sinne des bestmöglichen Schutzes der Bevölkerung vor den desaströsen Folgen der energetischen Nutzung der Kernenergie;

         alle Möglichkeiten zur Einberufung einer  Euratom-Vertragsrevisionskonferenz mit  dem Ziel eines Atomausstieges auszuschöpfen;

         sich einzusetzen, dass die Sicherheitsforschung zu Lasten anderer Bereiche des Forschungsprogramms massiv verstärkt wird, um den höchst möglichen Schutz der Bevölkerung   angesichts  der   noch   bestehenden  Kernkraftwerke   in   Europa   zu gewährleisten;

         Ausrichtung   der   im   Herbst   erwarteten   Vorschläge   für    das    Euratom­Forschungsprogramm 2014-2018  ausschließlich auf die Forschung zu nuklearer Sicherheit,  auf  Risikoforschung  und   Strahlenschutz   sowie   in   den   laufenden Verhandlungen des Rates über das  Euratom-Forschungsrahmenprogramm  2012-2013  auf dieselbe Festlegung hinzuwirken;

         möglichst rasche Einleitung einer rigorosen Sicherheitsüberprüfung („Stresstest“) aller europäischen Kernkraftwerke nach europaweit einheitlichen Standards;

         sich dafür einzusetzen,  dass  in Zukunft durchgeführte  Sicherheitsüberprüfungen (Stresstests)    europäischer    sowie    angrenzender    Kernkraftwerke    verpflichtend stattfinden, und bei entsprechendem negativen Ausgang mit der einzig möglichen Konsequenz einer Abschaltung des entsprechenden Kraftwerks verbunden werden;

         sich dafür einzusetzen, dass auf Basis der Ergebnisse der  Stresstests ein  Fahrplan für  den endgültigen Atomausstieg entwickelt und umgesetzt wird;


         sich auf europäischer Ebene im Bereich der Nuklearhaftung für strenge Regelungen einzusetzen.   Die   strengen,     nationalen     Regelungen     des     österreichischen Atomhaftpflichtgesetzes sollten weiterhin nicht verwässert werden;

         eine engere Kooperation mit anderen  atomkritischen Staaten innerhalb und  außerhalb  der Europäischen Union anzustreben. Alle Mitglieder der Bundesregierung werden ersucht  in allen relevanten internationalen  Gremien für  den  Ausstieg  aus  der Kernenergie und für die Stärkung der nuklearen Sicherheit einzutreten, vor  allem  aber  für  eine  Beseitigung  von  Förderungen  und  sonstigen  Begünstigungen  für  die Nuklearindustrie;

         sich für optimale Mitsprache und intensiven Informationsaustausch im Rahmen bestehender Nuklearinformationsabkommen und für den Abschluss weiterer solcher Abkommen einzusetzen;

         sich   auch    dafür   einzusetzen,   dass    sich   europäische   und    internationale Finanzinstitutionen    verstärkt    der    Förderung   von   erneuerbaren    Energien, Energieeffizienz,   sowie  Strahlenschutz  und  Projekten,   die unmittelbar mit  der Schließung von Kernkraftwerken in Verbindung stehen, widmen;

         Evaluierung alle  Katastrophenschutz- und Zivilschutzpläne in  Österreich, aufbauend  auf den neu gewonnenen Erkenntnissen der Katastrophe in Japan

         weiterer Ausbau des europäischen Frühwarnsystem ECURIE;

         generelle Verstärkung der europaweiten Koordination im Bereich der im nuklearen Ernstfall zu treffenden Maßnahmen;“