„Öffentlich-rechtlicher Rundfunk – Medienvielfalt in Österreich“

 

 

 

 

Parlamentarische Enquete des Nationalrates

Donnerstag, 17. September 2009

 

(Stenographisches Protokoll)

 

 


Parlamentarische Enquete

Donnerstag, 17. September 2009

(XXIV. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates)

Thema

„Öffentlich-rechtlicher Rundfunk – Medienvielfalt in Österreich“

Dauer der Enquete

Donnerstag, 17. September 2009: 9.06 – 17.32 Uhr

*****

Tagesordnung

Themenblock I: Grundsätzliche Statements

Themenblock II: Zukunftschancen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus europäi­scher Sicht

Themenblock III: Rahmenbedingungen für Medienvielfalt in Österreich

Schlussstatements

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Inhalt

Themenblock I: Grundsätzliche Statements .................................................................. 5

Abg. Dr. Josef Cap ......................................................................................................... 5

Abg. Karlheinz Kopf ....................................................................................................... 7

Abg. Harald Vilimsky ..................................................................................................... 9

Abg. Stefan Petzner ..................................................................................................... 10

Abg. Dieter Brosz ......................................................................................................... 12

Staatssekretär Dr. Josef Ostermayer ........................................................................ 14

Staatssekretär Reinhold Lopatka ............................................................................... 17

Themenblock II: Zukunftschancen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus europäischer Sicht         ............................................................................................................................... 19

Impulsreferat:

Referent Generaldirektor Philip Lowe ....................................................................... 20

Panels:

Daniel Eckmann ........................................................................................................... 23

Ross Biggam ................................................................................................................ 26

Jane Vizard .................................................................................................................... 30

Markus Schächter ........................................................................................................ 33

Dr. Tobias Schmid ....................................................................................................... 36

Diskussion:

Abg. Mag. Christine Muttonen ................................................................................... 40

Abg. Mag. Wilhelm Molterer ....................................................................................... 41

Mag. Eva Blimlinger ..................................................................................................... 42

Bundesrat Stefan Schennach ..................................................................................... 43

Bundesrat Josef Kalina .......................................................................................... ..... 44

Dr. Sepp Brugger ......................................................................................................... 45

Abg. Angela Lueger ..................................................................................................... 46

Abg. Mag. Dr. Beatrix Karl .......................................................................................... 47

Abg. Mag. Dr. Wolfgang Zinggl .................................................................................. 48

Abg. Mag. Silvia Fuhrmann ........................................................................................ 49

Bundesrat Mag. Gerald Klug ...................................................................................... 50

Abg. Werner Amon, MBA ...................................................................................... ..... 51

Mag. Gerald Grünberger ............................................................................................. 52

Dr. Franz-Josef Huainigg ............................................................................................ 53

Hon.-Prof. Dr. Georg Weißmann ................................................................................ 54

Abg. Ing. Peter Westenthaler ...................................................................................... 54

Abg. Dr. Peter Fichtenbauer ....................................................................................... 56

Themenblock III: Rahmenbedingungen für Medienvielfalt in Österreich ..................... 57

Impulsreferate:

Referent Dr. Alexander Wrabetz ........................................................................  57, 110

Referent DDr. Horst Pirker .......................................................................................... 60

Panels:

Mag. Christian Stögmüller .................................................................................  63, 109

Dr. Ludwig Bauer ................................................................................................  66, 114

Daniel Krausz ................................................................................................................ 69

Univ.-Prof. Dr. Michael Holoubek ............................................................................... 72

Dr. Peter Drössler ........................................................................................................ 74

Univ.-Prof. DDr. Matthias Karmasin .................................................................  77, 113

Ao. Univ.-Prof. Dr. Fritz Hausjell .......................................................................  79, 113

Fritz Wendl ...........................................................................................................  82, 112

Dr. Wolfgang Burtscher .............................................................................................. 84

Armin Thurnher ............................................................................................................ 87

Dr. Gerhard Moser ....................................................................................................... 91

Mag. Markus Breitenecker .................................................................................  94, 111

Diskussion:

Dr. Reinhard Christl ..................................................................................................... 97

Dr. Franz Medwenitsch ................................................................................................ 98

Mag. Roland Teichmann ........................................................................................... 100

Abg. Peter Mayer ........................................................................................................ 101

Mag. Eva Blimlinger ................................................................................................... 102

Dr. Sepp Brugger ....................................................................................................... 103

Dr. Klaus Unterberger ............................................................................................... 104

Mag. Helmut Peissl .................................................................................................... 105

Abg. Mag. Helene Jarmer .......................................................................................... 106

Mag. Franz C. Bauer .................................................................................................. 107

Peter Weller ................................................................................................................. 108

Brigitte Kulovits-Rupp ............................................................................................... 109

Schlussstatements

Abg. Dr. Josef Cap ..................................................................................................... 115

Abg. Karlheinz Kopf ................................................................................................... 117

Abg. Harald Vilimsky ................................................................................................. 119

Abg. Stefan Petzner ................................................................................................... 121

Abg. Dieter Brosz ....................................................................................................... 121

Geschäftsbehandlung

Unterbrechung der Sitzung .......................................................................................... 65


09.05.50Beginn der Enquete: 9.06 Uhr

Vorsitzende: Präsidentin Mag. Barbara Prammer, Zweiter Präsident Fritz Neuge­bauer, Dritter Präsident Mag. Dr. Martin Graf.

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Vorsitzende Präsidentin Mag. Barbara Prammer|: Guten Morgen, meine Damen und Herren! Ich eröffne die parlamentarischen Enquete des Nationalrates „Öffentlich-rechtlicher Rundfunk – Medienvielfalt in Österreich“ und darf Sie alle sehr herzlich begrüßen, vor allem auch unsere internationalen Gäste.

Gemäß § 98a Abs. 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates ist die Enquete für Me­dienvertreterinnen und Medienvertreter sowie für die Öffentlichkeit zugänglich. Bild- und Tonaufnahmen sind damit zulässig.

Der ORF hat seine Absicht mitgeteilt, die gesamte Enquete live zu übertragen, am Vor­mittag auf ORF 2 und am Nachmittag auf TW 1.

Auch den Vertreterinnen und Vertretern anderer Medien wird der Zutritt zum Sitzungs­saal für die Gesamtdauer der Enquete ermöglicht.

09.07.00Einleitende Bemerkungen der Vorsitzenden

 


Vorsitzende Präsidentin Mag. Barbara Prammer|: Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich eingangs ein paar Bemerkungen ganz grundsätzlicher Natur machen! Über diese Enquete gab es viele Diskussionen, auch viel Kritik in den letzten Tagen. Daher sind meiner Meinung einige Klarstellungen eingangs notwendig.

Was ist eine parlamentarische Enquete? – Es ist ein Instrument, das wir nicht sehr oft, ich darf sagen, viel zu wenig oft, einsetzen. Eine Enquete dient der Anhörung von Sachverständigen und Auskunftspersonen über bundesgesetzliche Angelegenheiten. Es ist daher sinnvoll, Enqueten durchzuführen, vor allen Dingen im Vorfeld von Geset­zesbeschlüssen und Gesetzesnovellen.

Im Rahmen der Enquete holen sich die Abgeordneten Expertisen ein und treten mit Ex­­­pertinnen und Experten und mit den Betroffenen in Dialog.

Ich als Nationalratspräsidentin lade wohl zu einer solchen Enquete ein, habe aber auf die Details – das möchte ich an dieser Stelle betonen – keinen Einfluss. Das ist aus­schließlich Sache des Hauptausschusses des Nationalrates und damit der Fraktionen.

Alle fünf Parteien haben im Hauptausschuss vorgeschlagen und beschlossen, diese En­quete abzuhalten. Sie haben das Thema festgelegt und haben die Referenten nomi­niert. Dabei wurde versucht, alle relevanten Institutionen, Organisationen und Gruppen zu berücksichtigen. Aber selbstverständlich können heute nicht alle zu Wort kommen, die zum Thema etwas zu sagen hätten. Das würde am heutigen Tag wohl auch den Rah­men sprengen.

Dass sich unter den Referenten nur eine einzige Frau befindet, bedauere ich ebenfalls außerordentlich. Es wurden allerdings einige Frauen eingeladen, die leider nicht kom­men konnten. Damit wird aber auch sichtbar, wie wenig Frauen auch oder gerade im Medienbereich in Leitungsfunktionen tätig sind.

Einmal mehr ist festzuhalten, wie wichtig es ist, dass Frauen in führende Positionen ge­langen. Ich mache an dieser Stelle bereits auf eine nächste bereits beschlossene par­lamentarische Enquete aufmerksam, nämlich am 7. Oktober genau zu diesem Thema: „Frauen in der Politik – mehr Frauen in die Politik“.

Der ORF ist Teil der österreichischen Identität, die er wesentlich mitgestaltet. Daraus leitet sich ein weitreichender Kulturauftrag ab. Dieser spezielle Auftrag ist immer wieder neu zu definieren, da sich Erwartungen, Ansprüche, Gewohnheiten des Publikums ver­ändern. Ebenso verändern sich die Konkurrenz und das Marktumfeld. Über Ausrich­tung und Ausstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in diesem veränderten Um­feld wird heute zu diskutieren sein. Es gab viele Wortmeldungen in den vergangenen Tagen und Wochen zur Medienpolitik, namentlich zum ORF. Diese sind Beweis dafür, dass diese Diskussion jetzt zu führen ist, und zwar dort, wo sie hingehört, nämlich im Parlament.

Ich möchte eingangs im Interesse des Parlamentarismus auch festhalten, dass die En­quete keine politische Einflussnahme, sondern vielmehr politische Verpflichtung ist.

*****

Bevor wir in die Beratungen eingehen, möchte ich darauf hinweisen, dass in der Pro­grammgestaltung der Enquete gegenüber der am 15. Juli 2009 ausgegebenen, Ihnen postalisch zugegangenen Tagesordnung einige Veränderungen eingetreten sind, die sich aus der Verhinderung ursprünglich genannter Referentinnen und Referenten be­ziehungsweise Teilnehmerinnen und Teilnehmer ergeben.

Für diesen Fall sieht der Beschluss des Hauptausschusses vom 10. Juli 2009 vor, dass eine Vertretung im Konsens der parlamentarischen Fraktionen festgelegt werden kann. Das ist auch erfolgt. Die neue Programmfolge können Sie Ihren Mappen, die Sie erhal­ten haben, entnehmen.

(Es folgen technische Mitteilungen durch die Vorsitzende.)

09.12.03Themenblock I: Grundsätzliche Statements

 


Vorsitzende Präsidentin Mag. Barbara Prammer|: Damit gelangen wir nun zum The­menblock I: Grundsätzliche Statements.

Ich mache darauf aufmerksam: Es ist für die Statements eine Redezeit von jeweils 5 Minuten vereinbart.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Dr. Cap. – Bitte.

 


9.12.58

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ)|: Meine Damen und Herren! Warum machen wir diese Enquete? – Das Wichtigste ist der Zuseher, ist die Zuseherin, ist der Zuhörer, ist die Zuhörerin. Es geht hier darum, in gewissen Abständen einmal grundsätzlich über öffentlich-rechtlich und ORF nachzudenken, aber auch darüber nachzudenken, wie ein duales System funktionieren soll, denn wir wollen den öffentlich-rechtlichen genauso wie den privaten Teil. Wir wollen, dass die beiden kooperieren, wir wollen, dass sie stark sind.

Wir müssen aber auch sehen, dass der ORF in Konkurrenz steht, in einer mächtigen Konkurrenz: Über 60 deutsche Kanäle strahlen nach Österreich herein, und keiner von uns kann wollen, dass Österreich eine deutsche Medienkolonie wird, sondern wir wollen das Österreichische besonders hervorheben. Wir glauben, dass es wichtig ist, dass sich dieses österreichische Element, diese Kulturidentität, welche die Frau Präsi­dentin angesprochen hat, im ORF widerspiegelt. Aber es geht nicht nur um die Kultur­identität, sondern auch um die Art und Weise, wie wir hier leben, um unsere Lebens­kultur und die vielen Werte, die wir vertreten. Und das alles muss sich im ORF wieder­finden.

Ich gehöre auch manchmal zu den Kritikern, die die eine oder andere kritische Anmer­kung zum ORF machen. Aber ich glaube, der ORF ist eine wichtige Einrichtung für uns, für unsere Gesellschaft, ein Schaufenster auch für die Welt, nach draußen. Und da, so glaube ich, hat der ORF eine ganz wichtige Aufgabe.

Und: Er soll unabhängig sein. Er soll selbstverständlich von der Politik unabhängig sein, er soll aber auch ökonomisch unabhängig sein. – Die EU hat es ja ausdrücklich gestattet, dass es Einnahmen von der Werbeseite genauso wie von der Gebührenseite gibt. Das garantiert die Unabhängigkeit des ORF. Wer Werbeeinnahmen infrage stellt, riskiert, dass die Gebühren steigen.

Zur berühmten Diskussion über die Quote. Will man, dass dem ORF-Programm mög­lichst viele zusehen und zuhören? – Ja! Die Akzeptanz ist wichtig! Wenn man schon Gebühren zahlt, dann soll es auch ein hoch qualitatives Fernseh- und Radioprogramm sein. Es ist es! Der ORF liegt mit seinen Programmen in Europa an der Spitze. Es gibt im ORF hoch qualifizierte Journalistinnen und Journalisten, die dort tagtäglich „kämp­fen“. Daher bin ich auch dafür, dass es zwar Strukturreformen gibt, dass gespart wird, aber dass nicht kaputtgespart wird.

Ich bin dafür, dass wir diskutieren, dass es das duale System gibt, dass es die Privaten gibt, aber nicht, dass der ORF zerteilt und teilweise privatisiert wird. Das kann nicht das Ziel sein! Wir wollen einen starken ORF, einen starken ORF nach außen hin, der sig­nalisiert, dass wir stolz auf unser Land sind, dass wir stolz auf unser Leben hier in die­sem Land sind. Und das ist etwas, was der ORF durchaus auch transportieren kann. Und da, denke ich, ist eben der Faktor der Unabhängigkeit ein wichtiger.

Unabhängigkeit bedeutet auch hohe Glaubwürdigkeit. Es wird dann zugesehen, es wird dann der ORF-Kanal frequentiert, wenn man sieht, hier werden von den Journalis­ten kritische Fragen gestellt. An uns liegt es dann, die Antworten zu geben. Das ist eine Herausforderung, und da kann man nur ja dazu sagen. Es muss eine unabhängi­ge Berichterstattung geben. Aber es muss natürlich auch Unterhaltung geboten wer­den. Ich glaube, dass diese Mischform klug ist.

Wenn man den Öffentlich-Rechtlichen bloß auf ein Verkündigungsfernsehen ohne jede Art von Unterhaltung reduzieren will, dann soll man gleich ehrlicherweise sagen, man will ihn zerstören. Ich finde, dass in dieser Diskussion im Hintergrund oft ganz andere Ziele stehen, als so manche anzustreben angeben.

Ich meine, diese Einrichtung ist ein hohes Gut, und viele, die Sportveranstaltungen ma­chen, viele, die Kulturveranstaltungen machen, wissen, dass ihnen das natürlich hilft, wenn der ORF kommt. Und da ist oft auch so eine Art Verselbständigung dabei, dass man sagt: Ich mache eine Sportveranstaltung oder eine Kulturveranstaltung, und da ist es doch logisch, dass der ORF kommt. – Logisch ist es nicht, aber es ist natürlich Teil seiner Aufgabe, und es hilft natürlich auch. Es geht darum, das breite Spektrum des österreichischen Kulturlebens abzudecken, und dazu kann der ORF einen wirklich we­sentlichen und großen Beitrag leisten.

Daher ist es wichtig, dass wir uns hier heute Gedanken machen, wie wir die Basis der Arbeit, wie wir die Grundsätze des Öffentlich-Rechtlichen in Österreich unterstützen können, dass wir das alles immer wieder grundsätzlich diskutieren, auch den Pro­grammauftrag, all die Dinge, die in den Gesetzen festgeschrieben sind.

Es hat 2001 ein damals von uns sogar kritisiertes Gesetz der damaligen ÖVP-Regie­rung gegeben, das sich aber in der Praxis bewährt hat, mit dem wirklich die Hand­lungsfähigkeit des ORF erkennbar ist. Im Stiftungsrat etwa hat vor Kurzem mit 30 zu fünf Stimmen eine große Mehrheit dafür gestimmt, dass es die notwendigen Struktur­reformen geben soll, dass eingespart, aber nicht kaputtgespart werden soll. Das soll nämlich der Gebührenzahler wissen: Es soll verantwortungsvoll mit den Geldern umge­gangen werden. Aber zugleich ist das Signal auch: nicht aushungern!

Wenn die Politik beschließt, dass es aus sozialen Gründen Gebührenbefreiungen zu geben hat, dann sollte die Politik aber auch dafür sorgen, dass dieses Geld dem ORF refundiert wird. Das sind immerhin 60 Millionen € im Jahr.

Wenn der ORF, der den Kopf für 700 Millionen € an eingenommenen Gebühren hinhal­ten muss, nur 500 Millionen davon bekommt, dann muss man das öffentlich machen und auch darstellen.

Ich denke, dass nicht nur auf der Seite der Strukturreformen nachzudenken ist, son­dern auch auf der Seite der Einnahmen. Das halte ich für eine ganz entscheidende Sa­che, und ich hoffe, dass wir heute eine sehr konstruktive Diskussion haben werden – ich verlasse mich darauf. Ich glaube, dass wir hier heute eine super Zusammensetzung haben, sind doch alle Experten, auch Private hier vertreten. Ich hoffe auf eine faire und objektive Debatte.

9.18


Vorsitzende Präsidentin Mag. Barbara Prammer|: Es kommt nun Herr Klubobmann Kopf mit 5 Minuten zu Wort. – Bitte.

 


9.18.29

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP)|: Frau Präsidentin! Meine geschätzten Damen und Herren! Wir stehen kurz davor, das ORF-Gesetz zu novellieren, zum Teil auch no­vellieren zu müssen. Und es muss uns allen klar sein: Ein ORF-Gesetz ist nicht nur für den ORF relevant, sondern es ist für die gesamte Medienlandschaft wichtig und gestal­tet die Rahmenbedingungen weit über den ORF hinaus, nämlich auch für die Printme­dien und für die Privaten im elektronischen Bereich.

Unser oberstes Ziel muss sein, Medienvielfalt in diesem Land sicherzustellen, weil ich meine, dass Medienvielfalt auch eine ganz wesentliche Grundlage unserer Demokratie darstellt. In den Printmedien haben wir das seit vielen Jahren und Jahrzehnten. Auch die Presseförderung, die wir in Österreich haben, leistet ihren Beitrag dazu, diese Viel­falt zu erhalten und auch in die Zukunft fortschreiben zu können. Bei den elektroni­schen Medien haben wir diese Vielfalt noch nicht sehr lange. Österreich ist im Ver­gleich zu anderen Ländern deutlich hinterher, was die Öffnung des elektronischen Me­dienmarktes anbelangt. Aber diese Öffnung des Marktes hat auch hier etwas Vielfalt gebracht. Da denke ich weniger an die einstrahlenden deutschen Sender, sondern vor allem auch an die zwei, drei sich inzwischen gut entwickelnden privaten, die hier im Land angesiedelt sind.

Diese duale Medienlandschaft im elektronischen Bereich, zu der wir uns ganz klar und offensiv bekennen, besteht auf der einen Seite – damit das auch klar gesagt ist – aus einem starken, aus einem unabhängigen ORF, den wir nicht nur nicht in Frage stellen wollen, sondern den wir auch absolut stärken wollen. – Aber ich komme dann noch zu manchem Missverständnis, was eine Stärkung des ORF bedeutet und was es für mich nicht bedeutet.

Diese duale Medienlandschaft besteht natürlich aus starken – und zu stärkenden, sage ich gleich dazu – und damit lebensfähigen privaten Rundfunkanstalten, von denen es in Österreich ohnedies nur wenige gibt.

Der ORF als öffentlich-rechtlicher Sender hat ein besonderes Privileg, nämlich Gebüh­ren, Pflichtgebühren, einheben zu dürfen von allen, die ein Fernsehgerät zu Hause an­geschlossen haben. Dieses Privileg erlegt dem ORF einerseits Pflichten auf – oder wir müssen sie per Gesetz dem ORF auferlegen – und schränkt andererseits auch seine Rechte ein. Auch das müssen wir per Gesetz tun – nicht nur, weil es die EU-Kommis­sion von uns verlangt, sondern weil es im Sinne der Vielfalt der Medienlandschaft ein Gebot der Stunde ist.

Zu den Pflichten des öffentlich-rechtlichen Senders. Wo „ORF“ draufsteht, muss mög­lichst viel Österreich drinnen sein. Das ist eines der Gebote aus dem öffentlich-rechtli­chen Auftrag. Das heißt, wir müssen diesen Auftrag klar definieren, ihn messbar, ihn kontrollierbar machen, und wir müssen ihn auch kontrollieren. Das bedeutet, dieser öf­fentlich-rechtliche Auftrag im Gesetz ist auch die Basis für eine blühende Kreativwirt­schaft im Land, für eine blühende Filmwirtschaft im Land, ist die Möglichkeit, abseits der Quotenjagd interessante Dokumentationen, Magazine und anderes den Menschen zur Verfügung zu stellen. Wie gesagt: abseits der Jagd nach Quoten, wobei ich nicht sagen möchte, dass diese Dinge nicht interessant sind.

Auch die Landesstudios sind in diesem Zusammenhang wichtig, die Behinderten­gerech­tigkeit ist wichtig, und auch die Einschränkung der Rechte in der Werbung oder der Möglichkeiten in der Werbung ist wichtig, um die Gebühren, das Gebührenprivileg durch den ORF zu legitimieren. All das muss auch kontrolliert werden, und zwar von einer un­abhängigen Behörde.

Der ORF hat Probleme, keine Frage: sinkende Reichweiten durch die Marktöffnung, sinkende Werbeeinnahmen auch durch die Marktöffnung und die Wirtschaftskrise, aber auch durch eigene Fehler. Zu lange hat er sich verhalten wie jeder Monopolist, der dann in einen freien Markt kommt. Man hat lange versucht, diese Öffnung zu verhin­dern, mit aller Kraft, wie bei der Post, bei der Telekom, bei den Energieversorgungs­unternehmen, auch hier genau das gleiche Bild. Man hat lange versucht, die Marktöff­nung zu verhindern, statt sich darauf zu konzentrieren, das Unternehmen für diese völ­lig neue Wettbewerbs- und Marktsituation fit zu machen. Und es gab auch Programm­reformen, die danebengegangen sind, und vieles andere mehr.

Das heißt, für den ORF muss jetzt die Aufgabe lauten, das Unternehmen an diese ver­änderten Marktbedingungen anzupassen, nicht Fernsehabkommen, Film-Fernsehab­kommen zu kündigen und andere Dinge, den öffentlich-rechtlichen Auftrag zu erfüllen und ernst zu nehmen, das Unternehmen zu restrukturieren, die Kosten herunterzufah­ren, statt auszuweiten und den Privaten Konkurrenz machen zu wollen. Das kann nie funktionieren! (Vorsitzende Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.) Dann haben wir am Ende eine Medienvielfalt – mein Schlusssatz, Frau Präsidentin –, in der wir eine faire Chance, ein faires Miteinander von Privaten, dem Öffentlich-Recht­lichen und auch den Printmedien haben, und es wird für alle einen Platz in Österreichs Medienlandschaft geben. – Danke. (Beifall.)

9.24


Vorsitzende Präsidentin Mag. Barbara Prammer|: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Vilimsky mit 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


9.24.28

Abgeordneter Harald Vilimsky (FPÖ)|: Frau Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Ihnen einen wundervollen „Guten Morgen!“ wünschen und darf zu­nächst unmissverständlich festhalten: Ja, die Freiheitliche Partei will einen starken ORF. Die Freiheitliche Partei will einen rot-weiß-roten und einen möglichst unabhängi­gen ORF. Und die Freiheitliche Partei möchte einen ORF, der möglichst eine Refe­renzrolle am internationalen Vergleichssektor der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten spielt.

Um aber zu diesem Ziel zu gelangen, muss man eine möglichst schonungslose Be­standsaufnahme machen. Und wenn Sie mir nicht trauen und den Vertretern der ande­ren Parteien nicht trauen, so hoffe ich doch, Sie trauen einem, nämlich dem heutigen Fernsehprogramm. Wenn ich mir da ORF 1 ansehe: Es beginnt um 8 Uhr mit „Bezau­bernde Jeannie“, dann folgt „What’s up, Dad?“, in weiterer Folge „Malcolm mittendrin“; dann folgt „Scrubs“, „Jim hat immer Recht“, „Charmed“, „The Mentalist“, „Was gibt es Neues?“, „Anna und die Liebe“, „Baywatch“, „Wickie“, „Freddy“ und „Yakari“, „Disneys Phil aus der Zukunft“, dann kommt die Wiederholung der „Bezaubernden Jeannie“, dann werden wir mit der Serie „Eine schrecklich nette Familie“ beglückt, und dann kommt „What’s up, Dad?“, und so weiter, und so fort.

Ich behaupte einmal, das ist nicht das, was die Öffentlichkeit unter Public Value, unter öffentlich-rechtlichem Auftrag versteht.

Auf der anderen Seite: ORF 2. Da wird heute diese Enquete übertragen. Das ist gut (Heiterkeit), weil man die Öffentlichkeit in einen wichtigen Prozess mit einbindet. Zu viel – zu viel! – an österreichischem, Identität stiftendem Gut ist schon den Bach hinun­ter gegangen, ob das die AUA ist, ob das die Post ist. Der ORF muss gerettet werden! (Zwischenrufe des Abg. Dr. Cap.) Und es ist auch gut, wenn in weiterer Folge die Mediensprecher heute darüber diskutieren können, wie es mit dem Österreichischen Rundfunk weitergeht, und da ist Polemik nicht angebracht, Herr Klubobmann Cap!

Auch gestern war die Möglichkeit für Diskussion, und ich habe den Vertreter des ORF, als er den Public Value des ORF argumentiert hat und wie viel politische Berichterstat­tung da drinnen war, fast schon in Verdacht gehabt, dass er die geheimen Ministerrats­protokolle, täglich auf Ö3, als Teil der politischen Berichterstattung des ORF emp­findet. – Ja, das ist lustig, ja, das ist witzig. Manchmal glaube ich selbst, dass diese
Ö3 Comedy-Serie da jeden Morgen die tatsächlichen Ministerratsprotokolle veröffent­licht. Aber das ist nicht das, was klassisch öffentlich-rechtlich ist.

Da muss man einmal schauen, welche Partei ungefähr was will, und da bin ich bei Ih­nen, Herr Klubobmann Cap und den Sozialdemokraten, und Ihrem Modell, wie man den ORF verbessern kann, wie man ihn reformieren kann. Es schaut so aus, dass alles so bleiben muss, wie es ist. Es sagt ja Herr Generaldirektor Wrabetz auch in der „Wie­ner Zeitung“ gestern: Er möchte, dass der ORF so bleibt, wie er ist.

Jetzt sage ich einmal, mit einem Schuss Polemik in Ihre Richtung: Ich verstehe das schon, wenn man vom Bundeskanzleramt am Küniglberg anruft, und innerhalb von zwei Stunden wird ein Sommer-Interview mit dem hohen SPÖ-Vorsitzenden komplett umgekrempelt und ins Festspielhaus hinein verlegt, weil man Angst hat, der hohe SPÖ-Vorsitzende könnte vielleicht damit konfrontiert sein, dass im Hintergrund Enten quaken oder Wind durchs Haar streicht. Das ist aber nicht die Unabhängigkeit, die ich von einem öffentlich-rechtlichen Sender erwarte.

Damit bin ich bei der zweiten Regierungspartei, der ÖVP, wo ich eigentlich aufhorchen musste, nachdem die ÖVP über zwei Jahrzehnte direkt in der Regierung drinnen sitzt und man auf einmal sagt, der ORF soll keine Werbung machen oder nur mehr mit einem minimalen Werbebereich auskommen, was in Wirklichkeit zu einer Zerstörung des ORF führen würde.

Ich behaupte einmal, das liegt in Folgendem begründet: Sie haben einen Tauschhan­del mit den Sozialdemokraten gemacht: Sie (in Richtung ÖVP) haben den EU-Kommis­sar, da (zur SPÖ gewandt) ist die ORF-Führung beheimatet. Es war ja in allen Medien nachzulesen. Deswegen ist der Ärger der ÖVP auf den ORF groß, und deswegen will die ÖVP den ORF auch möglichst redimensionieren.

Ich behaupte, es gibt abseits von Ihren beiden Modellen andere Modelle der Medien­förderung, nicht Medienfördermodelle des 20. Jahrhunderts, sondern solche des 21. Jahrhunderts. Die Gebührenhoheit kommt nun einmal aus einer Zeit, wo man nur ORF 1 und ORF 2 empfangen konnte. Sie wissen es selbst: Sie haben 60 Programme und Konkurrenzsender erwähnt, Sie haben Ihre Satellitenmöglichkeiten erwähnt. Und es gibt in Österreich abseits des ORF gute Anbieter im Privatbereich, im Fernsehbe­reich und im Radiobereich. Warum sollen nicht auch die, die öffentlich-rechtliche Inhal­te anbieten, in den Genuss einer Medienförderung kommen?

Ich sage, schaffen wir diese Gebühren ab und entwickeln ein modernes, ein faires, ein transparentes und auch ein nachvollziehbares Modell einer Medienförderung, wo jeder, der öffentlich-rechtliche Inhalte anbietet, auch in den Genuss einer Förderung kommen kann, um Pluralität zu sichern, um einen hohen rot-weiß-roten Anteil in der Bericht­erstattung zu sichern und auch den ORF sanft dazu zu bringen, dass er endlich wieder Qualität auch in seiner Berichterstattung sicherstellt. Ein bisschen weniger „Scrubs“, ein bisschen weniger vielleicht von „Dancing Stars“, ein bisschen weniger – sage ich einmal – sich freuen darüber, dass man einen Society-Berichterstatter aus dem priva­ten Bereich mit viel Geld abwirbt und dafür auf der anderen Seite das Rundfunk- und Symphonieorchester des ORF abschaffen möchte. – Das kann nicht der Weg einer öf­fentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt in Österreich sein, sondern das ist ein Weg, wo natürlich Privatsender in Konkurrenz mit dem ORF stehen und sich zu Recht aufregen.

Nehmen wir die heutige Enquete als Startschuss, eine gute Basis zu erarbeiten! Das kann nicht das letzte Mal gewesen sein. Ich würde mich freuen, im Willensbildungspro­zess Sie alle wiederfinden zu dürfen und mit Ihnen darüber diskutieren zu können. – Danke sehr. (Beifall.)

9.29


Vorsitzende Präsidentin Mag. Barbara Prammer|: Nun gelangt Herr Abgeordneter Petzner mit 5 Minuten Redezeit zu Wort. – Bitte.

 


9.30.03

Abgeordneter Stefan Petzner (BZÖ)|: Meine Damen und Herren! Wenn wir heute un­ter dem Titel „Öffentlich-rechtlicher Rundfunk – Medienvielfalt in Österreich“ die Zukunft der Medien diskutieren, so bringt dieser Titel sehr genau und sehr gut auf den Punkt, worum es geht. Und er bringt auch sehr gut die Position des BZÖ und das, was wir wollen, auf den Punkt: Wir wollen einerseits – und wir bekennen uns dazu – einen star­ken öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit einem öffentlich-rechtlichen Auftrag. Das ist wichtig, das brauchen wir auch im Sinne einer Mediendemokratie: und das wollen wir erhalten. Und es geht andererseits darum, dass wir auch starke private, nicht-kommer­zielle Sender im Sinne einer Medienvielfalt in Österreich haben.

Das muss das Ziel sein. Aber die Frage ist: Was hat man in Österreich in den letzten Jahren, in den letzten Jahrzehnten, in den letzten Monaten und Wochen diesbezüglich getan? Was hat die Bundesregierung, was haben ÖVP und SPÖ in den letzten Jahr­zehnten in diesem Bereich getan?

Man hat Folgendes getan: Man hat einerseits systematisch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk kaputt gemacht, so kaputt gemacht, dass er heute vor der Pleite steht, weil es Ihnen immer nur darum gegangen ist, wie Sie im ORF vorkommen, weil es Ihnen immer nur darum gegangen ist, welche Posten und welchen Einfluss Sie sich sichern können, und nie um das Unternehmen selbst.

Und andererseits haben Sie über Jahre und Jahrzehnte zu verhindern versucht, dass im Sinne einer Medienvielfalt die Österreicherinnen und Österreicher zwischen mehre­ren Programmen und Sendern, öffentlich-rechtlichen und privaten, auswählen können.

Das hat dazu geführt, dass wir heute einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk haben, der pleite ist – das sagen alle Experten –: Im Jahr 2008 minus 79 Millionen €, für 2009 lau­tet die Prognose derzeit minus 53 Millionen €, Tendenz steigend. Die Reichweiten sind mit 34 Prozent im August so tief wie noch nie.

Andererseits haben wir private Sender, die ums Überleben kämpfen und versuchen, auf diesem Medienmarkt gegen den übermächtigen ORF zu bestehen.

Und was mich weiters schockiert, das ist, dass auch angesichts dieser schrecklichen Lage, in der der ORF derzeit ist, sowohl – und das haben die Statements auch ge­zeigt – SPÖ als auch ÖVP nach wie vor kein Konzept haben und nicht wissen, wie sie weiter tun wollen.

Die Einzigen, die ein wirkliches Konzept haben – auch jetzt bei diesen Ausführungen hier –, sind wir vom BZÖ. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Wir sagen – hören Sie mir zu! –, es gibt drei Möglichkeiten, Herr Cap, wie Sie den ORF retten können.

Erstens: Gebühren erhöhen – das wollen wir nicht. Zweitens: Werbebestimmungen ausweiten – wollen wir auch nicht, weil es den Privaten wieder stört. Und der dritte Weg – das ist unser Weg – ist, dass wir sagen: Erstens Gebühren komplett abschaf­fen, weil wir glauben, dass das keine Zukunft hat. Zweitens: ORF 1 privatisieren und mit den Erlösen aus ORF 1 aus dem ORF 2 einen neu gegründeten starken öffentlich-rechtlichen Sender mit öffentlich-rechtlichem Auftrag zu machen.

Hier muss auch der öffentlich-rechtliche Auftrag neu definiert werden. Da fallen vor al­lem auch die Landesstudios hinein. Diese wollen wir in dem Sinne erhalten, dass unse­res Erachtens die Werbebestimmungen für die Landesstudios gelockert werden soll­ten – ein Beispiel: im Radiobereich von 5 Minuten auf 7 Minuten erhöhen, damit auch die Landesstudios Zukunft haben – und im Gegenzug auch für die Werbewirtschaft, als Impuls für die Wirtschaft, als Impuls für die Medien die Werbesteuer von 5 Prozent ab­zuschaffen ist.

Das ist unser Konzept in diesen fünf Schritten, und da sind wir die einzige Parlaments­partei – und das haben auch die Ausführungen des Herrn Cap, des Herrn Kopf und des Herrn Vilimsky, der nur das Fernsehprogramm heute aufgezählt hat, gezeigt –, die ein Konzept hat. Und ich bitte Sie wirklich, sich dieses Konzept anzusehen, denn sonst geht es dem ORF so wie der AUA, die mit 500 Millionen € Steuerhilfe verschenkt wur­de. Sonst geht es dem ORF so wie den ÖBB, die vor der Pleite stehen. Sonst geht es dem ORF so wie der Bundesfinanzierungsagentur, die 600 Millionen € Steuergeld ver­spekuliert hat, und so weiter, und so weiter.

Nehmen Sie das ernst! Kümmern wir uns gemeinsam darum, dass wir den öffentlich-rechtlichen Rundfunk retten, dass wir die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sichern, und sorgen wir dafür, dass die privaten Anbieter und die nicht-kommerziellen Anbieter auch auf dem Markt eine Chance haben. – Danke. (Beifall.)

9.34


Vorsitzende Präsidentin Mag. Barbara Prammer|: Nun gelangt Herr Abgeordneter Brosz zu Wort. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


9.34.37

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne)|: Ich habe mir gestern sowohl auf „Puls 4“ als auch im ORF die Debatten zur Zukunft des ORF angeschaut, und ich habe auch heute zugehört und stelle fest, dass wir über eine Dimension kaum geredet haben, insbeson­dere die Regierungsvertreter, nämlich über die Frage der parteipolitischen Einfluss­nahme auf dieses Unternehmen.

Ich finde, dass das etwas ist, was man ja in einer Debatte um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht auslassen kann. Wenn hier die Schwierigkeiten des ORF, von Klubob­mann Kopf beispielsweise, aufgegriffen werden, dann sollte man schon einmal schau­en, was im Hintergrund eigentlich geschehen ist. Wenn in dieser Legislaturperiode das Regierungsübereinkommen offenbar vorsieht, dass es einen Deal gibt, wonach der EU-Kommissar der ÖVP zusteht und das Nominierungsrecht für den Generaldirektor des ORF der SPÖ, dann sieht man ja schon, dass Parteipolitik in diesem Land, was Medienpolitik betrifft, eine äußerst wichtige Rolle spielt.

Das ist ein Punkt, der uns ganz wichtig ist: Medienpolitik und ORF-Politik darf nicht Parteipolitik sein!

Hier muss man aber differenzieren, glaube ich, weil sich im ORF in den letzten zwei Jahren eine Entwicklung gezeigt hat, die durchaus positiv zu würdigen ist, dass näm­lich der Einfluss auf die Berichterstattung, auf die Informationsberichterstattung der Parteien deutlich zurückgegangen ist. Wir haben davor eine Ära erlebt, die den ORF meiner Meinung nach hinsichtlich seiner Unabhängigkeit extrem in Frage gestellt hat, wo es einen zentralen Chefredakteur gegeben hat, der für alle Sendungsinhalte verant­wortlich war, der durchgreifen konnte und der im Sinne der damaligen Regierungspar­tei, der Kanzlerpartei ÖVP, ein Programm gefahren hat, wodurch im Informationsbe­reich die Unabhängigkeit massiv in Frage gestellt worden ist.

Jetzt kommen aus meiner Sicht alle Parteien ziemlich gleichmäßig dran. Das ist in einer Demokratie, in einem öffentlich-rechtlichen Rundfunk auch notwendig. Hier soll Kritik geübt werden.

Im Übrigen kann ich mich, glaube ich, an das Antrittsinterview von Generaldirektor Wrabetz in der „ZiB 2“ erinnern, in dem er zum Schluss die für ihn wahrscheinlich nicht so angenehme Frage gestellt bekommen hat, ob er eigentlich an Rücktritt denke – und das war etwas, was unmöglich war, sich das vorher vorzustellen, dass es eine kritische Berichterstattung gibt, die auch vor dem eigenen Haus nicht haltmacht.

Ich halte das also für eine sehr positive Entwicklung, die es da gegeben hat und die es auch zu schützen gilt.

Hier ist es einmal notwendig zu sagen – erster Punkt –: Im Informationsbereich ist die Unabhängigkeit zu sichern.

Der zweite Punkt, der hier diskutiert wird, sind die Finanzen und die Lage des ORF. So zu tun, als ob diese Wirtschaftskrise nicht auch für den ORF Auswirkungen hätte, wäre etwas absurd. Aber wenn hier immer über die Gebühren geredet wird – ich habe mir das jetzt als Niederösterreicher mitgenommen –: Es gibt ja beim Steuerzahlen immer so ein beliebtes Spiel, wie lange man für den Finanzminister zahlt und wie lange für den Rest.

Als Niederösterreicher kann ich sagen, ich zahle 45 € Rundfunkgebühr, davon gehen 30 € an den ORF. Wenn man das jetzt in der bewährten Manier macht, dann könnte man sagen: Die ersten zehn Tage zahle ich die Rundfunkgebühr für Erwin Pröll – das ist nämlich die Landesabgabe; damit kann er dann wunderbare Dinge in Niederöster­reich fördern –, die nächsten zehn Tage zahle ich für Josef Pröll, den Finanzminister, der die Mehrwertsteuer lukriert, die Beiträge lukriert, die ins Budget hineinfließen kön­nen. Dann zahle ich etwa eineinhalb Tage fürs Radio, und als jemand, der sehr inten­siv Ö1 hört, finde ich, es ist angemessen, 72 Cent Rundfunkgebühr für zwei Monate Ö1. Und dann zahlen wir fürs Fernsehen.

Also wenn wir hier eine offene Debatte führen, Herr Klubobmann Kopf, dann würde ich doch ersuchen, einmal auch darüber zu diskutieren, ob diese Finanzierungsstruktur nicht verändert werden sollte, denn die meisten Menschen, die jetzt vor dem Fernseher zuschauen, glauben ja, die Gebühr geht 1 : 1 zum ORF und wird nicht für ganz andere Zwecke verwendet. Ob das gerechtfertigt ist, ist die Frage, und das ist der nächste Punkt, den wir hier einmal verändern wollen. (Abg. Kopf: Das ist nicht die Frage!)

Das ist nicht die Frage, das weiß ich schon. Wenn Sie dem Erwin Pröll sagen, Sie neh­men ihm seine 8,20 € pro Teilnehmer weg, dann werden Sie gewisse Schwierigkeiten bekommen. Aber diskutieren wir doch einmal über Medienpolitik und nicht über Partei­politik!

Wenn wir von gewachsenen Strukturen und Kosten im ORF reden, dann muss sich doch die Politik, nämlich die Regierungspolitik, auch selber an der Nase nehmen. Wir wissen doch, dass es in den letzten Jahren sehr oft bei einem Regierungswechsel auch einen kompletten Wechsel in der Führungsetage des Rundfunks gegeben hat. Wir wissen, dass es die sogenannten weißen – eigentlich sollte man sagen: roten und schwarzen – Elefanten gibt, die dort in teure Bereiche gekommen sind und die auf­grund von politischer Willfährigkeit umbesetzt worden sind. Dafür trägt die Politik die Verantwortung.

Und die Politik trägt auch die Verantwortung dafür, dass in Österreich das duale Sys­tem massiv behindert worden ist. Dass in Österreich der ORF versucht hat, hier Kon­kurrenz abzuwehren, das verstehe ich ja noch. Aber dass Privatfernsehen später als in Albanien zugelassen worden ist, dass das Privatradio massiv in seiner Entwicklung beeinträchtigt worden ist, dafür trägt die Politik die Verantwortung! Und daraus gilt es eine vernünftige Konsequenz zu ziehen, zum Beispiel über die Fördermaßnahmen, auch für Qualitätsförderung, und einen Qualitätsfördertopf für alle einzurichten. (Abg. Kopf: Haben wir eingeführt!) – Ja, fürs Radio. Wenn man sich anschaut, was Josef Pröll an Steuereinahmen kassiert und wie viel Sie fördern, dann sieht man das Un­gleichgewicht. Es soll hier wirklich auch Qualität im Privatbereich finanziert werden.

Und es geht darum, den ORF auf finanziell solide Beine zu stellen, und das ist mit einem Werbeverbot oder mit einer Privatisierung und Filetierung meiner Meinung nach nicht möglich. Der Herr Petzner könnte mir das dann erklären. Wenn ORF 1 privatisiert ist und das Geld weg ist, dann privatisieren wir vermutlich ORF 2, und dann schauen wir, dass wir mit Ö1 den Rest finanzieren. Das kann doch kein Konzept für eine Me­dienvielfalt sein!

Hier geht es darum, ein Konzept zu erstellen, das für Österreich einen öffentlich-rechtli­chen Rundfunk sichert, der im deutschsprachigen Raum konkurrenzieren kann. Da geht es nicht in erster Linie um die Konkurrenz zu den österreichischen Privaten, son­dern zu den deutschen Fenstern. Und wenn es der Sinn sein soll, dass man aus­schließlich das Geld, das direkt an Deutschland geht, nimmt, dann kann der Finanzmi­nister die 200 Millionen, die dort kommen, gleich direkt an den Herrn Steinbrück über­weisen, dann hätten wir das auch erledigt. Das kann man mit dem Werbeverbot ma­chen.

Der Glaube, dass im österreichischen Privat-TV 1 : 1 die Einnahmen aus dem ORF lukriert werden können, ist aus meiner Sicht eine Illusion. Ich hoffe, wir hören das auch aus internationaler Quelle bestätigt, wie da die Entwicklungen sind. Die Grünen stehen massiv für einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk. (Beifall.)

9.40


Vorsitzende Präsidentin Mag. Barbara Prammer|: Es gelangen nun die beiden Mit­glieder der Bundesregierung zu Wort – zunächst Herr Staatssekretär Dr. Ostermayer mit 10 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


9.40.30

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Josef Ostermayer|: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete und Experten! Sehr geehr­te Zuseher vor den Bildschirmen! Ich möchte eingangs Dank dafür sagen, dass diese Veranstaltung hier im Parlament stattfindet, und auch dafür, dass sehr viele Experten und eine Expertin zu dieser Veranstaltung gekommen sind – auch deshalb, weil das Thema „öffentlich-rechtlicher Rundfunk und Medienvielfalt“ keines ist, das auf Öster­reich beschränkt ist. Der Herr Generaldirektor der Wettbewerbskommission hat gestern gesagt, dass es diese Diskussion in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union – und ich würde meinen, wohl auch darüber hinaus – gibt.

Wir haben uns im Regierungsprogramm natürlich auch mit diesen Fragen auseinander­gesetzt und haben dort drei wesentliche Ziele festgelegt:

Wir haben zum einen vereinbart, die Vielfalt der Wettbewerbsfähigkeit der österreichi­schen Medienlandschaft zu sichern. – Ich sage es wirklich in dieser Betonung; da kann man auch ein bisschen an das anschließen, was Herr Abgeordneter Brosz vorhin ge­sagt hat.

Wir haben uns zweitens vorgenommen, den Ausbau und auch die Absicherung des dualen Rundfunksystems zu ermöglichen – also privat-kommerziell und öffentlich-rechtlich nebeneinander.

Und wir haben drittens ein klares Bekenntnis zur demokratie- und gesellschaftspoliti­schen Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks abgegeben.

Ähnliches gibt es dazu vom Europarat und auch in einer Mitteilung der Kommission, die im Juli dieses Jahres veröffentlicht wurde.

Diese Festlegungen wurden natürlich vor dem Hintergrund einer ganz spezifischen Si­tuation getroffen, die eigentlich in dieser Ausprägung einmalig ist: nämlich ein Land mit 8 Millionen Einwohnern und einem Nachbarn mit 80 Millionen Einwohnern und natür­lich einer Einstrahlung, einem Spill-over der deutschen Sender nach Österreich, die al­leine dadurch einerseits für Vielfalt sorgen, andererseits natürlich die Vielfalt von öster­reichischen Medienunternehmen – auch von privaten österreichischen Medienunter­nehmen – erschweren, weil ein relativ großer Teil des Werbeetats, den die Unterneh­men in Werbung im Fernsehen und im Radio investieren, nach Deutschland abfließt.

Daher müssen wir auch diese unterschiedlichen Ausgangssituationen berücksichtigen. Wenn in der öffentlichen Meinung ab und zu der ORF auf der einen Seite mit beispiels­weise den öffentlich-rechtlichen Sendern in Deutschland auf der anderen Seite vergli­chen wird, dann muss man schlicht und einfach auch berücksichtigen, dass der ORF Einnahmen in der Größenordnung von etwa 500 Millionen € aus Programmentgelten hat und die Öffentlich-rechtlichen in Deutschland, glaube ich, derzeit etwa 7,5 Milliar­den €. Wenn eine Minute Film- oder Fernsehproduktion in Österreich und in Deutsch­land ähnlich viel kostet, lässt das auch Rückschlüsse darauf zu, was sozusagen an so­genanntem österreichischem Programm möglich ist. Das ist auch eine gewisse Erklä­rung dafür, warum bestimmte Serien eingekauft werden – was auch sehr häufig disku­tiert wird.

Das soll aber kein Plädoyer dafür sein, kein österreichisches Programm zu machen; darauf komme ich noch später zurück. Wofür ich aber plädieren will, ist, dass man sich ein bisschen von der Frage der österreichischen Medienunternehmen untereinander loslöst und stattdessen überlegt – Josef Cap hat es eingangs auch schon gesagt –, wie wir mehr österreichische Wertschöpfung kreieren können und wie man gemeinsam et­was unternehmen kann.

Fernsehen war jetzt der eine Punkt; Ähnliches gilt natürlich auch für das Internet und für die Frage der Online-Aktivitäten. Sowohl ich als auch die Kommission haben natür­lich großes Verständnis für die Interessen der Mitbewerber des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – beziehungsweise des ORF, um es konkreter zu sagen –, es steht aber auch die Frage im Raum, ob es da um die Interessen des ORF gegen jene der Online­plattformen von Printmedien geht oder um die Interessen von ORF und Printmedien gegen die großen Internationalen.

Schaut man sich Werbevolumina und den Fluss von Werbevolumina an, dann wird man sehen, dass die Entwicklung dahin geht, dass Google, YouTube, Facebook und all die anderen Dinge, die wir kennen, also ganz große, internationale Plattformen da viel Geld abschöpfen, und das wird wohl nicht weniger werden.

Um diese eingangs erwähnte Dualität zu stützen, haben wir es in der Regierung trotz der schwierigen budgetären Lage, die ja allen hier bekannt ist, geschafft, dass es erst­mals eine Medienförderung für private und nichtkommerzielle Rundfunkveranstalter gibt. Die Forderungen oder die Wünsche waren natürlich höher als das, was wir erfül­len konnten, aber wir konnten in Summe 6 Millionen € an Förderung beschließen – da läuft jetzt gerade das Notifizierungsverfahren –, um mit diesem Geld die duale Rund­funkssituation in Österreich, also private und öffentlich-rechtliche Rundfunksender, zu unterstützen.

Wir konnten übrigens auch – das ist ebenfalls ein Punkt, auf den ich noch zurückkom­men möchte – zusätzlich den Fernsehfilmförderungsfonds von 7,5 auf 13,5 Millionen € aufstocken – nämlich um österreichischen Content, österreichischen Inhalt zu unter­stützen!

Die Diskussion, die immer wieder im Raum steht, ist sozusagen: Wie definiert man, was öffentlich-rechtlich ist? Ich glaube, wir sind uns alle darin einig, dass die Bericht­erstattung und Information zu Bildung, Kultur, Sport oder Gesundheit ganz wesentliche Bereiche sind; es spaltet sich dann immer bei der Frage: Unterhaltung – ja oder nein?

Im ORF-Gesetz steht Unterhaltung dezidiert als Auftrag drinnen. Es ist auch internatio­nal vollkommen unbestritten, dass Unterhaltung ein wesentlicher Teil des öffentlich-rechtlichen Auftrages ist. Und es ist auch eine Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rund­funks und daher auch des ORF, dass er möglichst viele gesellschaftliche Schichten er­reicht oder, anders formuliert, dass er tatsächlich populär zu sein hat, denn wenn alle Menschen, die Fernsehgeräte oder Empfangsgeräte haben, Gebühren oder Rundfunk­programmentgelte zahlen, dann haben sie auch ein Recht darauf, Sendungen sehen zu können, die sie sehen wollen.

Neben den anderen Aufgaben – Integration, gesellschaftlicher Zusammenhang und so weiter – ist das auch ein Punkt. Es muss Sendungen für Minderheiten geben, es muss aber auch Sendungen für Mehrheiten geben, daher auch Unterhaltungssendungen. Aber die Frage: Wie definiert man den öffentlich-rechtlichen Auftrag?, ist etwas, das quer durchgeht.

Es ist auch eine ganz spannende Frage, wo die Unabhängigkeit beginnt, wie weit in das Unternehmen eingegriffen werden darf. Wir haben im § 4 des ORF-Gesetzes eine Aufzählung der Verpflichtungen, die wesentlich umfangreicher ist als beispielsweise die in der BBC-Charter oder auch bei anderen Rundfunkunternehmen. Dort gibt es eben dann noch einzelne Festlegungen, die aus dem Unternehmen heraus kommen, im Un­ternehmen formuliert werden und dann durch eine unabhängige Behörde auch in ir­gendeiner Form evaluiert werden.

Ich bin auch der Meinung – und das haben wir auch öfter schon gesagt –, damit der ORF sozusagen dauerhaften Bestand hat, muss man jetzt leider ganz scharfe Maß­nahmen setzen, und zwar deshalb – und der Stiftungsrat hat ja am 2. April dieses Jah­res einen entsprechenden Auftrag erteilt –, weil viele Maßnahmen in der Vergangen­heit schlicht und einfach nicht gesetzt wurden. Im Zuge der Digitalisierung war klar, dass es einen starken Zuwachs an Konkurrenten, an Mitbewerbern geben wird, doch die strukturellen Reformen, die damals erforderlich gewesen wären, wurden leider nicht gesetzt. – Das muss jetzt nachgeholt werden.

Da meine Redezeit schon fast zu Ende ist, werde ich jetzt nur noch einen Punkt ganz knapp streifen, nämlich die Frage der EU-Verfahren. Ich habe letzte Woche einen Ter­min mit der Kommissarin Kroes gehabt, bei dem wir uns auf die Grundsätze einigen konnten. Gestern gab es Gespräche zwischen den Mitarbeitern des Bundeskanzler­amts und der Kommission, die ja auch hier anwesend sind – sehr konstruktive Gesprä­che, in denen es um klare Festlegungen zum Online-Auftrag, zum Public Value Test und zu verschiedenen anderen Dingen, die schon gesagt wurden, gegangen ist.

Abschließend möchte ich sagen: Ich bin auch weiterhin ganz klar für die Mischfinan­zierung des ORF – also auf der einen Seite Programmentgelte, auf der anderen Seite Werbeeinnahmen. Ich halte nichts davon, einem Unternehmen, das Strukturreformen durchführen muss, auch noch Geld wegzunehmen, sondern ich meine, dass wir im Ge­genteil diese Strukturreformen – das heißt, die Überleitung des Unternehmens, wie es jetzt ist, in ein Unternehmen mit einer Bestandsmöglichkeit in der Zukunft – auch unter­stützen müssen. Auch der Obmann des Fachverbandes Werbung meinte, dass es ganz schlecht wäre, wenn man dem ORF die Werbung wegnehmen würde. Ich schlie­ße mit einem sehr bekannten Zitat von Dostojewski: „Geld ist geprägte Freiheit“. Wa­rum sage ich das jetzt? Wenn wir – und ich glaube, darüber gibt es Konsens – der Mei­nung sind, dass der ORF unabhängig sein soll und unabhängig bleiben muss, dann muss er auch eine entsprechende ökonomische Basis haben. Dazu gehört einerseits diese Strukturreform, und dazu gehört meines Erachtens auch, dass wir diese Struktur­reform entsprechend unterstützen.

Strukturreform bedeutet in der Regel auch immer Kosten am Beginn. Ich bin daher der Meinung, dass es eine Refundierung der Gebührenbefreiungen geben soll, damit wir nämlich auch erreichen können, dass es mehr Österreich, mehr österreichisches Pro­gramm im ORF gibt. Ich gehe nicht davon aus, dass man annehmen könnte, dass mehr österreichische Filme geschaffen werden und das nichts kostet. Das kostet natür­lich und soll daher unterstützt werden. Ich danke schön. (Beifall.)

9.51


Vorsitzende Präsidentin Mag. Barbara Prammer|: Nun gelangt Herr Staatssekretär Dr. Lopatka mit 10 Minuten Redezeit zu Wort. – Bitte.

 


9.51.44

Staatssekretär Reinhold Lopatka|: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Da-
men und Herren! Herr Kollege Ostermayer hat gemeint: „Geld ist geprägte Freiheit.“ – Wir
wollen, dass möglichst viel dieser Freiheit bei den Bürgern, bei den Steuerzahlern bleibt, wenn ich das eingangs sagen darf.

Lassen Sie mich grundsätzlich bemerken: Wir seitens der Regierungsfraktion der ÖVP stehen dafür, dass wir Medienvielfalt in Österreich garantieren, und daher sind wir auch für eine öffentliche Presseförderung und für einen gebührenfinanzierten ORF. Nur da­durch schaffen wir auch faire Bedingungen für alle Medien.

Es ist uns bewusst, dass der ORF als das mit Abstand größte Medienunternehmen eine zentrale Rolle hat; mit einer Bilanzsumme von 1 Milliarde € und 4 500 Mitarbeitern ist diese Bedeutung auch durch Zahlen untermauert. Aber durch diese Sonderstellung, durch die Gebühreneinnahmen hat der ORF auch einen klaren Auftrag, nämlich diesen öffentlich-rechtlichen Auftrag. Das ist die Kernfrage für uns: inwieweit der ORF diesem gebührenrechtlichen öffentlichen Auftrag auch nachkommt, denn das ist auch die einzi­ge Rechtfertigung für diese Sonderstellung.

Uns ist es aber auch ein zentrales Anliegen, dass neben dem ORF selbstverständlich private Radios und Privatfernsehen eine Chance haben, gerade in der Zeit der Finanz- und Wirtschaftskrise auf dem Markt bleiben zu können. Daher müssen wir natürlich da­für sorgen, angesichts der Tatsache, dass der Werbekuchen in diesen Tagen ja insge­samt nicht größer wird, auch den Privaten eine Chance zu geben, dass sie genügend Luft zum Atmen haben.

Daher geht es uns nicht um Kürzungen bei Werbeeinnahmen, aber wir müssen schau­en, dass die Balance insgesamt stimmt. Uns geht es um ein faires Umfeld, um klare Spielregeln für alle Medien, denn wir dürfen Folgendes nicht vergessen: Die Liberali­sierung hat in Österreich sehr spät eingesetzt. Dadurch sind wir natürlich auch in einer Situation, in der die beiden Seiten dieses Sowohl-als-auch – nämlich hier der öffentlich-rechtliche Teil und dort die Privaten – in den letzten Jahren lernen mussten, miteinan­der umzugehen, und auch die Akzeptanz erst wachsen musste, dass beides für eine vielfältige Medienlandschaft in Österreich notwendig ist.

Als Staatssekretär aus dem Finanzministerium kommend sehe ich mich natürlich auch als Anwalt der Gebührenzahler, was ich einleitend schon mit dem Hinweis auf die Frei­heit der Steuerzahler und der BürgerInnen gemeint habe. Das Finanzministerium ist ja auch mit zuständig und mit verantwortlich bei der Einhebung der Gebühren, daher füh­le ich mich auch mit verantwortlich für das, was mit diesen Mitteln passiert.

Die Gebührenzahler sind per gesetzlicher Verpflichtung in Österreich durchaus in der Situation, dass sie ordentlich zur Kasse gebeten werden, auch im internationalen Ver­gleich gesehen. Es ist unterschiedlich: Hat man das Glück, in Oberösterreich oder Vor­arlberg zu wohnen, dann zahlt man 233 €. Lebt man in Wien, hat man 280 € zu bezah­len. (Abg. Brosz: Wie ist es in Niederösterreich?) Das ist um 57 € mehr, Kollege Brosz!

Daher sage ich: Glücklich der, der in Oberösterreich und Vorarlberg ist, denn der spart sich im Vergleich zum Wiener Gebührenzahler immerhin 57 € im Jahr. Es ist so, liebe Kollegen von der SPÖ, ob Sie es hören wollen oder nicht. (Abg. Vilimsky: Niederöster­reich!) Das ist der Unterschied, wie die einzelnen Länder die Gebührenzahler bewer­ten: die Vorarlberger und Oberösterreicher eindeutig anders als die Wiener.

Knapp 700 Millionen € leisten die Gebührenzahler insgesamt. Der Bund erhält auch et­was davon – jawohl, 75 Millionen € –, nur der Bund behält das Geld nicht für sich, son­dern das Geld kommt dann natürlich auch dem ORF zugute – entweder durch den Fernsehfilmförderungsfonds oder durch den Digitalisierungsfonds, durch die Medien­förderung, die Kunst- und Kulturförderung. Wie schon richtigerweise vorhin von Staats­sekretär Ostermayer angemerkt, haben wir auch bei der Filmförderung in letzter Zeit sogar die Möglichkeit gehabt, zu Erhöhungen zu kommen.

Rund 100 Millionen € fließen in die Kassen der Länder, 527 Millionen € wandern aber in das Budget auf den Küniglberg. Im Schnitt sind das also 264 € pro Jahr, die von den Gebührenzahlern in Österreich geleistet werden. Das sind um 50 € mehr als in Deutschland, das ist das Doppelte von dem, was ein Gebührenzahler im benachbarten Italien zu leisten hat, das ist sogar das Dreifache von dem, was ein Gebührenzahler in unserem Nachbarland Tschechien zu leisten hat.

Wir sind hier schon bei einer Höhe, wo der Gebührenzahler ordentlich zur Kassa gebe­ten wird, und die Steigerungen in den letzten Jahren lassen sich auch sehen.

Meine Damen und Herren! In den letzten 12 Jahren sind die Gebühren, die ausschließ­lich dem ORF zufließen, immerhin um 27 Prozent gestiegen – von 13,08 €, Herr Gene­raldirektor Wrabetz, weil Sie mich ansehen, auf 16,71 €. Das sind 27 Prozent an Stei­gerung. Es ist also nicht so, dass wir Sie hier in den letzten Jahren im Stich gelassen hätten.

Daher möchte ich mit aller Deutlichkeit festhalten: Uns ist die schwierige finanzielle La­ge des ORF bewusst, aber wenn man – gerade die letzten Budgets und Rechnungsab­schlüsse zeigen das sehr deutlich – über seine Verhältnisse gelebt hat, dann kann man nicht sagen: Gebührenzahler, zahle mehr!, sondern dann hat man das selbst in Ord­nung zu bringen.

Uns geht es darum, dass nicht nur von Strukturreformen geredet wird, sondern dass diese auch tatsächlich umgesetzt werden. Der einzige Parameter für uns ist der Grad der Umsetzung und nicht das, was man hier verspricht.

Daher sagen wir ganz klar: Der ORF hat ganz massiven Handlungsbedarf. Das sage nicht ich, sondern das hat der Rechnungshof sehr, sehr deutlich herausgearbeitet. Der Rechnungshof hat ganz deutlich in seinem letzten Bericht festgehalten: Es bedarf star­ker Änderungen bei den Organisationsstrukturen. Es gilt, nicht realisierte Einsparungs­potenziale und vor allem zu hohe Personalkosten in den Griff zu bekommen – eine Aufgabenstellung, die wir auch in anderen Bereichen haben, in denen mit öffentlichen Geldern gearbeitet wird. Auch die Bundesregierung hat diese Herkulesaufgabe vor sich, zuerst Reformen umzusetzen, bevor wir wieder darüber nachdenken, wo wir uns zusätzliches Geld herholen können.

Bei der Organisation hat der Rechnungshof ganz klar festgehalten: 17 Organisations­einheiten, die da operieren, führen natürlich zu Schnittstellenproblemen, zu Doppelglei­sigkeiten. 7 Organisationseinheiten, die mit Personalagenden befasst sind – das ist, um es vornehm zu formulieren, suboptimal.

Oder beim Personal: Die durchschnittlichen Personalkosten der Tochterunternehmun­gen des ORF liegen bei 57 000 € pro Mitarbeiter und sind somit mit 40 Prozent unter dem Durchschnitt innerhalb des ORF, wo man bei 100 000 € liegt. Jeder fünfte ORF-Mitarbeiter hat großzügige Einzelverträge, stellt der Rechnungshof fest. Dazu kommen monatliche Gehaltszulagen von bis zu 2 250 €, bezüglich derer der Rechnungshof fest­hält, dass für ihn nicht nachvollziehbar ist, wofür eigentlich diese Zulagen sind.

Ich könnte noch weitere Beispiele nennen: Einerseits reden wir von Personalreduktion, auf der anderen Seite stellt der Rechnungshof fest, dass zum Beispiel in der Hauptab­teilung Information seit dem Jahr 2004 der Personalstand um 13,2 Prozent erhöht wor­den ist. – Das ist das Gegenteil von Personalreduktion, die aber dringend notwendig ist!

Zum Programm möchte ich gar nicht viel sagen; es ist ohnehin schon angesprochen worden, dass sich die Marktanteile in diesem Bereich in den letzten Jahren natürlich nicht erhöhen konnten. Das ist für mich logisch angesichts der Öffnung – trotzdem fehlt mir schon eine längerfristige Perspektive: Wie schafft man einerseits diesen öffentlich-rechtlichen Programmauftrag und andererseits auch ein klar realisierbares Ziel, wel­chen Marktanteil der ORF hier tatsächlich in der nächsten Zeit haben will?

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die wirklichen Probleme des ORF wird man dann nicht lösen, wenn man glaubt, dass nur zusätzliches Geld dafür notwendig sei. Das ganz sicher nicht, hier geht es eindeutig um andere Fragen. Daher werden wir von unserer Seite her alles tun, dass auf Basis auch der Erkenntnisse dieser heutigen En­quete ein ORF-Gesetz hier im Haus beschlossen wird, das gute Rahmenbedingungen für die Zukunft des ORF schafft, das aber auch die Anregungen des Rechnungshofes aufgreift und die Vorgaben der EU-Kommission erfüllt. Wir erwarten uns aber vorher, dass auch der ORF seine Hausaufgaben erfüllt. (Beifall.)

10.01


Vorsitzende Präsidentin Mag. Barbara Prammer|: Ich schließe damit den ersten The­menblock.

10.02.00Themenblock II: Zukunftschancen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus europäischer Sicht

 


Vorsitzende Präsidentin Mag. Barbara Prammer|: Wir gelangen nun zum Themen­block II: Zukunftschancen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus europäischer Sicht.

Ich darf zunächst Herrn Generaldirektor der Generaldirektion Wettbewerb der Europäi­schen Kommission Philip Lowe um sein Impulsreferat ersuchen und ihm auch gleich­zeitig für sein Kommen sehr herzlich danken. Es ist ein 15-minütiges Impulsreferat vor­gesehen. – Bitte, Herr Lowe.

Impulsreferat

 


10.02.31

Referent Generaldirektor Philip Lowe (Generaldirektion Wettbewerb der EU-Kommission)|: Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete des österreichischen Nationalrates! Hohes Haus! Ich danke Ihnen herzlich für die Ein­ladung zu dieser Enquete. Ich bin Generaldirektor der Generaldirektion Wettbewerb der Europäischen Kommission. Die GD Wettbewerb ist allgemein für die Kontrolle des EU-Wettbewerbsrechts im Interesse eines freien und fairen Wettbewerbs zwischen Un­ternehmen im europäischen Binnenmarkt sowie im Interesse der Verbraucher und der Bürger zuständig.

Wir prüfen, wie Sie wissen, große Unternehmenszusammenschlüsse wie jenen zwi­schen Austrian Airlines und Lufthansa, wie jenen zwischen Adeg und REWE, wir spü­ren verbotene Kartelle wie etwa den „Lombard Club“ auf, und wir sorgen dafür, dass staatliche Beihilfen den Wettbewerb nicht unverhältnismäßig verzerren.

Ich möchte in den nächsten 15 Minuten folgende Themen ansprechen:

Erstens: Warum beschäftigen wir uns in der Kommission eigentlich mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk? Wie sieht die Kompetenzverteilung zwischen den Mitgliedstaa­ten und der Kommission in dieser Hinsicht aus?

Zweitens: Welche Trends prägen die Rundfunklandschaft Europas heute? Was sind die Herausforderungen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk? Welche Lösungsan­sätze entwickeln Europas Mitgliedstaaten?

Drittens einen kurzen Überblick zum Stand des ORF-Verfahrens.

Der Vertrag zur Gründung der Europäischen Union sieht vor, dass die Mitgliedstaaten ihren Unternehmen keine staatlichen Beihilfen gewähren sollen; keine staatlichen Bei­hilfen, die den grenzüberschreitenden Handel und den Wettbewerb beeinträchtigen. Unter dieses Verbot fallen natürlich die Beihilfen an Banken genauso wie jene im Auto­mobilsektor, aber auch die Beihilfen an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Allerdings: kein Verbot ohne Ausnahmen! Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist eine solche Ausnahme in Artikel 86/2 des EG-Vertrages und in einem Sonderprotokoll zum Vertrag von Amsterdam festgehalten.

Die zwei wesentlichen Elemente dieses Protokolls sind erstens: Die Mitgliedstaaten ha­ben die Hauptkompetenz für Medienpolitik. Zweitens: Wenn Rundfunkanstalten Unter­stützung durch Beihilfen erhalten, sollen auf Ebene der Kommission folgende Voraus­setzungen erfüllt werden.

Erstens: Der Mitgliedstaat muss einen klaren öffentlich-rechtlichen Auftrag bindend festlegen und der begünstigten Rundfunkanstalt formell übertragen. Dieser öffentliche Auftrag muss die demokratischen sozialen und kulturellen Bedürfnisse der betreffen­den Gesellschaft befriedigen und den Pluralismus in den Medien fördern.

Zweitens: Die staatliche Finanzierung einer Rundfunkanstalt darf die Handels- und Wettbewerbsbedingungen in der EU nicht so stark beeinträchtigen, dass dies dem ge­meinsamen Interesse der Gemeinschaft zuwiderläuft.

Was bedeutet das? – Vermeiden, dass es einen Subventionswettlauf zwischen Mit­gliedstaaten in einem bestimmten Sektor gibt, vermeiden, dass es aufgrund unverhält­nismäßiger Menge von Subventionen innerhalb eines Mitgliedstaates oder überall in der Union einen Wettlauf zwischen Unternehmen gibt! Das ist die sogenannte Verhält­nismäßigkeitsprüfung. Grob gesagt: Die Mitgliedstaaten sind für die Festlegung des öffentlichen Auftrags zuständig und die EU-Kommission für die Prüfung der Verhältnis­mäßigkeit der Wettbewerbsverzerrung.

Jeder Mitgliedstaat muss zunächst eine klare, eine deutliche Definition des öffentlichen Auftrages finden – das ist sozusagen Ihre Aufgabe (auf die Teilnehmer im Saal wei­send) –, die Prüfung der Kommission beschränkt sich in diesem Punkt nur auf folgen­den Fragen:

1. Ist die Definition des Auftrages insgesamt klar und deutlich?

2. Ist dem nationalen Gesetzgeber ein grober Ermessensfehler bei der Definition un­terlaufen? – Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Es gibt rein kommerzielle Tätigkeiten, zum Beispiel Merchandising und Teleshopping, und im Prinzip dürfte diese Art von Tätigkeit niemals unter einem öffentlichen Auftrag stehen.

3. Ist der Auftrag rechtlich bindend für die betroffene Rundfunkanstalt übertragen wor­den? – Das bedeutet nicht, dass irgendeine Anstalt für die Entwicklung ihrer kommer­ziellen Strategie einen gewissen Ermessensspielraum behalten muss.

4. Hat eine Behörde des Mitgliedstaates die Tätigkeit des Rundfunks auf Übereinstim­mung mit dem Auftrag effektiv überprüft? – Das ist die Frage der Aufsicht – das wird hier in Österreich heftig diskutiert –, der Aufsicht in zwei Richtungen: zum einen Auf­sicht über die finanziellen Modalitäten für die Erfüllung des Auftrages, zum anderen die Aufsicht über die Aufrechterhaltung der Qualität des Angebots der betroffenen Anstalt. Aufgabe der Kommission ist es, all jene Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern, die vermeidlich sind oder unverhältnismäßig erscheinen. Seit dem Jahr 2001 haben wir zu dieser Frage beinahe 25 Entscheidungen angenommen – im Einvernehmen, muss ich ehrlich sagen, mit all den betroffenen Mitgliedstaaten –, um diese Art von Wettbe­werbsproblemen zu beseitigen. Der ORF ist also kein Einzelfall für Europa.

Ich kommen zurück auf die gemeinsamen Trends, die wir in Europa in diesem Sektor haben.

Was die Verhältnismäßigkeitsprüfung konkret bedeutet, können Sie im Einzelnen der Rundfunkmitteilung der Kommission entnehmen. Erstens muss vermieden werden – ich habe es schon erwähnt –, dass kommerzielle Tätigkeiten mit Beihilfen quer subven­tioniert werden. Daher müssen öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten eine Trennungs­rechnung für kommerzielle und öffentlich-rechtliche Dienste führen.

Zweitens darf die Beihilfe nicht die Nettokosten des öffentlich-rechtlichen Auftrags überschreiten. Eine Überkompensierung kann nämlich immer dazu verwendet werden, kommerzielle Dienste zu Dumpingpreisen anzubieten und damit Wettbewerbe zu schä­digen.

Drittens soll sich die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt in ihrem Auftreten auf dem Markt nicht, würde ich sagen, wie ein Elefant im Porzellanladen verhalten. Ein Beispiel: Es ist beihilfenrechtlich durchaus zulässig, dass öffentliche Rundfunkanstalten exklu­sive Übertragungsrechte zum Beispiel für Fußball-EM oder für Schiweltcups erwerben. Wenn die staatliche Finanzierung aber dazu führt, dass ein Markt praktisch leer gekauft wird, dann kann dies wettbewerbsrechtlich problematisch sein.

Ein wichtiger neuer Punkt unserer Prüfung betrifft die Frage, wie weit die staatliche Fi­nan­zierung neuer Mediendienste wettbewerbsrechtlich unbedenklich ist. Damit ist vor al­lem das Internet gemeint, aber auch etwa Mobilfernsehen, Mobilfunk.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk expandiert zunehmend auf neue Plattformen. Wirbt der öffentliche Rundfunk am Internet mit Werbung, so konkurriert er voll mit den Print­medien und mit vielen anderen kommerziellen Anbietern. Gerade die Printmedien kämpfen aber zunehmend ums Überleben. Wir brauchen also einen fairen Ausgleich der berechtigten Interessen aller Medienanbieter im Internet.

Die Lösung der Kommission ist ganz im Sinne eines Subsidiaritätsprinzips. Das heißt, wir wollen, dass unabhängige nationale Behörden in den Mitgliedstaaten prüfen, ob neue Mediendienste des öffentlichen Rundfunks einen öffentlichen Mehrwert schaffen können, der die zu erwartenden Auswirkungen auf den Wettbewerb kompensieren kann. Das ist also eine Abwägung der positiven und negativen Auswirkungen auf natio­naler Ebene. Wir wollten uns auf Ebene der Kommission nicht in dieses Verfahren ein­mischen, es ist ein Verfahren auf nationaler Ebene.

Ergibt die Vorabprüfung, dass ein neuer Mediendienst keinen ausreichenden öffentli­chen Mehrwert schafft, um den zu erwartenden Schaden für kommerzielle Anbieter zu rechtfertigen, so sollte unserer Meinung nach der Dienst entsprechend angepasst oder überhaupt nicht mit Rundfunkgebühren finanziert werden. Wenn diese Vorabprüfung ernst genommen wird, kann sie nichtsdestoweniger die Qualität des öffentlich-rechtli­chen Rundfunks nachhaltig sichern und die Medienvielfalt schützen.

Wichtig ist: Wir erkennen eine nationale Vorabprüfung nur dann als vollwertig im Sinne des Beihilferechts an, wenn die prüfende Stelle von der Anstalt effektiv unabhängig ist. Diese Prüfstelle muss aber über die notwendigen Ressourcen und über Fachkompe­tenz verfügen, um sowohl den öffentlichen Mehrwert als auch die Wettbewerbsaus­wirkungen sachgerecht prüfen zu können. Wir schließen in diesem Zusammenhang eine Zusammenarbeit mit den betroffenen nationalen Wettbewerbsbehörden nicht aus.

Lassen Sie mich zum zweiten Punkt meines Vortrages kommen: die Trends, die die Rundfunklandschaft Europas prägen.

Die zunehmende Digitalisierung des terrestrischen Fernsehens hat dazu geführt, dass die Bürger Europas heute eine fast unbeschränkte Vielfalt an Fernseh- und Radiosen­dungen empfangen können. In Deutschland waren im Jahr 2007 etwa 320 Fernseh­sender zugelassen, in Österreich sind heute bereits 340 Fernsehsender zu empfangen. Ich kann Ihnen sagen: Sogar in meiner kleinen Ferienwohnung in England empfange ich einige Kanäle von ORF gebührenfrei; ich danke dem ORF herzlich dafür. Frank­reichs Bürger können sogar aus 450 Fernsehsendern wählen. Diese privaten Sender sind durchwegs Themenkanäle mit jeweils mikroskopisch kleinen Marktanteilen.

Zu diesem großen digitalen Fernseh- und Radioangebot kommt natürlich außerdem das Internet. Wissensportale wie Wikipedia, Online-Videotheken kommerzieller Fern­sehsender und elektronische Presse schaffen einen unerschöpflichen Pool an Angebo­ten. Viele Leute, nicht nur junge Leute, erwarten zudem, Medienangebote on Demand 24 Stunden am Tag am Fernseher oder am Computer konsumieren zu können. Diese Digitalisierung und die Zersplitterung des Medienangebots sind für alle bestehenden Medienunternehmen zugleich Herausforderung und Chance.

Unsere Schlussfolgerung: Ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk daher überflüssig ge­worden? – Die Antwort der Mitgliedstaaten und der europäischen Institutionen ist ein­deutig: Die Medienlandschaft Europas muss auch in Zukunft auf dem dualen System basieren. Wir brauchen einen gesunden öffentlich-rechtlichen Rundfunk neben kom­merziellem Angebot. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist die Hauptinformationsquelle der Bevölkerung und bereichert die öffentliche Diskussion. Er ist eine Stütze unserer Demokratie und kann auch ein echter Kulturträger der Bevölkerung sein.

Aber natürlich brauchen wir eine bessere Rechtfertigung für die Finanzierung dieser Art von Tätigkeiten, und deswegen reagiert man auf diese neuen Entwicklungen manch­mal unterschiedlich in den verschiedenen Mitgliedstaaten. Es gibt radikale Lösungen zum Beispiel in Frankreich und Spanien mit einer Beschränkung der Werbung auf be­stimmte Kanäle. Es sind auch neue Finanzierungsquellen in verschiedenen Ländern vorgesehen. Meine Damen und Herren! Ein letztes Wort zum ORF-Verfahren. Im Jän­ner 2008 haben wir auf Grund von verschiedenen Beschwerden eine Untersuchung vorgenommen. Ich kann Ihnen versichern, wir sind jetzt in einem guten Zustand im Rahmen unserer Verhandlungen mit den österreichischen Behörden. Und ich muss Ih­nen mein Lob aussprechen sowohl für deren Fachkompetenz als auch für das kons­truktive Verhalten und die schnelle Reaktion auf unsere Anmerkungen.

Wie Herr Staatssekretär Ostermayer soeben gesagt hat, hat er mit der EU-Kommis­sarin für Wettbewerb Neelie Kroes letzte Woche eine Grundsatzvereinbarung erreicht, und wir sind optimistisch, dass wir bis Ende Oktober den neuen Rahmen für den öffent­lich-rechtlichen Rundfunk in Österreich genehmigen können. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall.)

10.21

Panels

 


Vorsitzende Präsidentin Mag. Barbara Prammer|: Wir gelangen nun zu den State­ments des Themenblocks II.

Ich darf zunächst Herrn Stellvertretenden Generaldirektor Eckmann von der SRG SSR um sein Statement ersuchen. Wir haben 10 Minuten Redezeit pro Statement verein­bart. – Bitte.

 


10.22.11

Daniel Eckmann (Stellvertretender Generaldirektor der SRG SSR)|: Sehr geehrte Frau Präsidentin des Nationalrates! Geschätzte Anwesende! Bei der Erlassung von Geset­zen geht es um die Schaffung einer Basis für viele Jahre. Journalisten denken von einem Tag zum anderen Tag, deshalb heißt der Journalismus auch Journalismus, Ge­setzgeber hingegen denken über die Generation hinaus, sie rennen nicht dem Tag nach, sondern sie planen den Handlungsspielraum für die Zukunft.

Heute geht es hier um die Frage, was ein starker öffentlich-rechtlicher Rundfunk für ein Land und für die Menschen in diesem Land bedeutet.

Der Leistungsauftrag des ORF trägt bei zum Funktionieren der demokratischen Gesell­schaft, zur Erhaltung von Werten, zur Reflexion der österreichischen Wirklichkeit. Na­türlich tragen auch die Presse und der Private Rundfunk dazu bei, aber in ganz Europa bilden starke öffentlich-rechtliche Sender das Rückgrat der hier debattierten Grundver­sorgung, die wir in der Schweiz „Service Public“ nennen.

Eine Forderung, die man oft hört, vor der ich aber entschieden warne, ist die Verkleine­rung des öffentlich-rechtlichen Auftrags auf einen Kern, der nur noch aus dem besteht, was der Wettbewerb nicht will, weil es sich nicht rentiert, also aus Politik, Diskurs, Kul­tur, ein bisschen Religion und Randsportarten. Genau solche Modelle haben in den USA zu einer Ghettoisierung des Public Broadcasting Service geführt, zu Veranstaltun­gen nur noch für ein schmales Band von Eliten.

Das Publikum besteht ja nicht nur aus einem einzigen Kunden mit einem einzigen Be­dürfnis, der Service Public richtet sich vielmehr an die ganze Gesellschaft, also an Mehr- und Minderheiten, an speziell und allgemein Interessierte, an Junge und Alte. Al­le zahlen Gebühren, und deshalb dürfen auch alle erwarten, im Gesamtprogramm An­gebote zu finden, die sie interessieren. Unterhaltung, Spiel und Spannung gehören da­zu, natürlich nicht nur, aber auch.

Ein ausschließlich in Problemdiskussionen verlorener Service Public ohne Beachtung verliert seine Legitimation, seine Bedeutung, seine Gebührenakzeptanz. Er bietet dem Publikum weder den großen Sport noch die große Unterhaltung, er schafft keine gro­ßen Momente im Land, und er schafft keine großen gemeinsamen Emotionen und trägt auch nicht dazu bei, dass Identitätsfaktoren erhalten bleiben und gestärkt werden.

Es braucht eine Balance zwischen Anspruch und Erfolg. Es braucht genügend Mittel für teure Eigenproduktionen und für die Vielfalt. Und es braucht den Willen und den Mut, das Spektrum breit zu halten und einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk wirklich zu wollen und allem seinen Platz zu geben, was unsere Zeit abbildet.

Ich schätze, in Österreich ist es nicht anders als in der Schweiz: Trotz der viel kritisier­ten ausländischen Serien, die allerdings billig und enorm beliebt sind, ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk wohl der größte Förderer und Transporteur des Brauchtums, der einheimischen Serien, des einheimischen Sports, des einheimischen Films und der einheimischen Musik.

Alles spricht vom Wandel. Ich bringe dafür einige Beispiele:

Der Kennedy-Mord war ein typisches Radioereignis. Wer damals groß genug war, ver­gisst die Berichte der Korrespondenten nie, also unsere Stimmen im fernen Amerika.

Die Mondlandung war ein Fernsehereignis. Wer damals groß genug war, saß die gan­ze Nacht hindurch vor dem Bildschirm und vergisst das nie.

„9/11“ war multimedial: Man zappte wild herum, man ging aufs Netz und bahnte sich den Weg zu den News.

Die Iran-Unruhen nach den diesjährigen Wahlen waren ein Internetding. Der „Bürger­journalismus“ auf YouTube und auf Twitter nährte die Nachrichtenlage.

Dieser Wandel hat Folgen: Je größer und unüberblickbarer die Angebotsflut wird, je zersplitterter und anonymer die Quellen werden, desto mehr steigt im Publikum der Be­darf an Orientierung, an Verlässlichkeit, an Qualitätsjournalismus. Und je moderner die Mediengesellschaft ist, desto vernetzter müssen die Angebote sein, damit sie den Weg zu allen Nutzern finden.

Ich mache zum Wandel eine zweite Illustration:

Mein Großvater wollte kein Radio in der Stube mit der Begründung, er mag keine Mö­bel, die reden. Meine erwachsenen Söhne wachen hingegen schon mit dem Radio auf. Auf dem Weg in die Uni schauen sie Nachrichten mobil auf dem Handy. Das Quiz vom Vorabend konsumieren sie auf Abruf auf dem PC. Aktualitäten holen sie sich im On­line-Portal. Das Tor des Monats laden sie herunter. Beim Joggen hören sie Podcasts vom AC/DC-Konzert im iPod. Und am Abend genießen sie den Spielfilm in HD-Qualität vor dem Bildschirm.

Das ist nicht typisch für meine Söhne, das ist typisch für eine neue Mediengeneration, die rasant wächst.

Ich glaube zwar auch, dass mittelfristig weiterhin die Generalisten-Programme das Rückgrat des Radio- und Fernsehkonsums bilden werden, aber der moderne Mensch ist halt nun einmal mobil, er bedient sich dort, wo er gerade ist, mit dem, was er gerade will – any time, anything, anyway.

Die Bedeutung des Internets wächst und wächst. Öffentlich-rechtliche Inhalte auszu­schließen, wäre ebenso nachteilig wie der Verzicht auf Abrufsendungen und andere Dienste.

Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Man ist dabei oder man ist nicht dabei. Entweder schaf­fen die öffentlich-rechtlichen Sender den Anschluss an die neue Medienwelt, oder es wechselt das Publikum seine Quelle und öffentlich-rechtliche Angebote finden in den Medien von morgen nicht statt.

Der Umbruch der Medienindustrie ist irreversibel. Das Internet ist eine Realität. Die Di­gitalisierung ist eine Realität. Das Verhalten der Kunden ist eine Realität. Und die Ge­setze, die die Voraussetzungen für oder gegen den Fortschritt schaffen, sind ebenfalls eine Realität. Deshalb entscheidet die Gesetzgebung von heute über die Konkurrenz­fähigkeit von morgen.

Eine weitere Frage ist jene der Spartenprogramme als Teil einer starken Sender- und Markenfamilie. Die zunehmende Segmentierung des Publikums und die individuell un­terschiedlichen Interessen sind evident.

Natürlich kann man auf dem Internet vieles vertiefen und mit Abrufsendungen anrei­chern. Abrufsendungen werden heute millionenfach genutzt und sind etabliert, aber Spartenkanäle werden für die Zukunft immer wichtiger. Strategisch zentral ist deshalb die Gesamtbetrachtung aller Kanäle, auf denen wir unsere Inhalte verbreiten.

Wir verstehen uns primär als Inhaltsanbieter zugunsten des Publikums, das uns auf al­len Verbreitungswegen sucht und uns dort auch vertraut. Deshalb entwerfen wir inte­grierte Multiplattformstrategien und nicht lediglich isolierte Radio- oder Fernsehstrate­gien, und wir entwerfen sie in einer digitalen Logik.

Als letzten Punkt möchte ich noch kurz die ausländischen Werbefenster und die Wer­bung auf Online aufgreifen. Das Radio- und Fernsehgesetz in der Schweiz ist neu, es ist 2006 in Kraft getreten. Es wollte den privaten Anbietern gegenüber der zu etwa zwei Dritteln gebührenfinanzierten SRG bessere kommerzielle Rahmenbedingungen ge­währen und schränkte die Werbemöglichkeiten der SRG ein. Der Effekt war dramatisch kontraproduktiv: Die ausländischen Werbefenster holen heute den fettesten Teil des seither gewachsenen Fernsehwerbekuchens, die SRG konnte an diesem Wachstum nicht partizipieren, und die schweizerischen Privaten fielen deutlich ab.

Ähnlich kontraproduktiv wirkte sich das Verbot für die Online-Werbung bei der SRG aus: Die SRG ging leer aus; das ist bei Verboten logisch. Aber nicht etwa die Verlage und die Privaten in der Schweiz profitierten, sondern die Werbung floss ebenfalls ab ins Ausland, also diametral anders, als es der Gesetzgeber wollte, und deshalb muss der Gesetzgeber in der Schweiz jetzt wieder über die Bücher gehen.

Natürlich muss der Gesetzgeber zwischen den Interessen der Privaten und den Inter­essen der Öffentlich-Rechtlichen abwägen. Er sollte aber an zwei Dinge denken:

Erstens an die Veränderung im Nutzungsverhalten, vor allem der jüngeren Generation, also der Gebührenzahlenden von morgen. Ihr Medienverhalten ist anders als jenes ih­rer Eltern, sie suchen den Austausch, die Interaktivität, sie kommunizieren in Commu­nities und nützen alle technologischen Möglichkeiten ebenso virtuos wie selbstver­ständlich. Diese Generation müssen wir mit unseren Qualitätsansprüchen, aber ihren Bedürfnissen erreichen und bedienen können, denn sonst läuft bezüglich der Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks etwas nachhaltig schief.

Zweitens dürfen wir nicht verkennen, dass die große Konkurrenz gerade auch im On­line-Bereich global tätige Konzerne wie Google, YouTube oder Facebook sind, die so­fort absahnen, wenn die Öffentlich-Rechtlichen draußen bleiben müssen. Man löst des­halb die Probleme der Verleger und der Privaten nicht, indem man die öffentlich-rechtli­chen Sender auf Sparflamme setzt. Mit der Sparflamme senkt man lediglich die Tem­peratur im gesamten eigenen Mediensystem, und damit ist keinem gedient. – Ich dan­ke Ihnen. (Beifall.)

10.32


Vorsitzende Präsidentin Mag. Barbara Prammer|: Ich darf nun dem Generaldirektor der Association of Commercial Television in Europe Ross Biggam das Wort erteilen. Ebenfalls 10 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


10.33.33

Ross Biggam (Generaldirektor der ACT)|: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordne­te! Guten Morgen, und auch von meiner Seite vielen Dank für die Einladung und die Möglichkeit, hier das Wort zu ergreifen.

Der ACT ist der Europäische Dachverband für Privatsender. Unsere Mitglieder sind in­zwischen in 34 Ländern tätig. Ich fühle mich deswegen hier ein bisschen fehl am Platz, weil ich mich gerade zum Thema „Zukunftschancen des öffentlich-rechtlichen Rund­funks“ äußern sollte. Das tue ich gerne, aber natürlich nur aus der Perspektive der Wettbewerber der Öffentlich-Rechtlichen.

Wir, die europäischen Privaten, werten die Zukunftschancen der öffentlichen Sender in fast allen europäischen Ländern als positiv, manchmal sehr positiv. Ein wichtiger Grund für diese Einschätzung ist die Tatsache, dass heutzutage bei den zahlreichen Seminaren der Medienbranche in Europa viel mehr darüber diskutiert wird, ob und wie es dem privaten Sektor gelingen wird, die wirtschaftliche Krise zu überleben, und wel­che neuen kommerziellen Modelle wir für die digitale Zukunft entwickeln müssen. Hauptthema dabei ist die Unsicherheit der Werbemärkte und die Tatsache, dass das Einkommen der europäischen Privatsender in den letzten 12 Monaten um durchschnitt­lich 20 Prozent gesunken ist.

Vor diesem Hintergrund werden Sie verstehen, dass die strategischen Vorteile der ge­sicherten Finanzierung durch öffentliche Mittel immer deutlicher werden und auch im­mer spürbarer, zum Beispiel auf dem Markt für Sportrechte.

Was die Medienpolitik angeht: Viele europäische Mitgliedstaaten haben den Übergang vom analogen zum digitalen Zeitalter dazu genützt, ihr Medienrecht durchgehend zu reformieren, und sie haben jetzt auch in Österreich die Möglichkeit, ein duales System nach europäischem Vorbild aufzubauen und – warum nicht? – auch neue Vorbilder für andere europäische Länder zu schaffen.

Ein wichtiges Merkmal des dualen Systems ist es, dass der öffentlich-rechtliche Sender sehr stark bleibt, aber nicht mehr marktbeherrschend ist. In einem funktionierenden dualen System werden beide Säulen des Systems, sowohl die Privaten als auch die Öffentlichen, erhebliche Beiträge zum Medienpluralismus leisten.

Ich betone: Ich spreche hier nicht von neuen theoretischen Möglichkeiten. Um ein Bei­spiel zu nennen, was Nachrichtenkanäle angeht: In fast allen Medienmärkten, wo der ACT tätig ist – das ist buchstäblich von Island bis zur Türkei –, waren es die Privaten, die das Risiko auf sich genommen haben, Nachrichtenkanäle einzuführen.

Frau Präsidentin, ich will mich heute nicht – und könnte es auch nicht – in die Einzel­heiten der österreichischen Medienpolitik einmischen, sondern ich möchte stattdessen drei europaweite Entwicklungen aus verschiedenen Ländern aufzeigen und Ihnen schließ­lich ein paar Beispiele vorstellen, die vielleicht interessante Impulse für Ihre österreichi­sche Diskussion geben können.

Den ersten Trend in Europa würde ich als die Herausforderung zur Unterscheidbarkeit bezeichnen. Man kann stundenlang darüber diskutieren – und das tun wir oft in unserer Branche –, ob und wie weit die öffentlich-rechtlichen Sender dem kartellrechtlichen Prinzip des Marktversagens folgen sollten. Nach diesem Prinzip – es ist schon ange­sprochen worden – soll der öffentlich-rechtliche Rundfunk seinen Auftrag nur mit denje­nigen Inhalten erfüllen, die für die Privaten nicht refinanzierbar sind.

Eine solche Debatte ist meines Erachtens in Europa heute nur theoretischer Natur. In der Praxis würde ich eher feststellen, dass ein unklar definierter gesetzlicher Auftrag es den öffentlich-rechtlichen Sendern häufig ermöglicht, eine Quote nicht etwa durch un­terscheidbares Programm zu erzielen, sondern dadurch, dass sie mehr Soaps, mehr US-Serien und mehr Fußball ausstrahlen als die Privaten – und das trotz der Tatsache, dass die Öffentlich-Rechtlichen nicht so stark dem alltäglichen Quotendruck unterlie­gen wie wir.

Deswegen finde ich die ständigen Klagen der öffentlich-rechtlichen Sender, das Modell des Marktversagens stelle für sie eine Gefahr dar, etwas übertrieben. Ich bin vielmehr davon überzeugt, dass die öffentlich-rechtlichen Sender den sogenannten Mehrwert ih­res Angebots umso mehr beweisen müssen, je mehr Inhalt und Qualität vom Markt selbst geschaffen wird. In der Zukunft sollte man vielleicht nicht mehr von Marktversa­gen, sondern von Unterscheidbarkeit sprechen.

Ein zweiter Trend ist die wachsende Rolle unabhängiger Regulierungsbehörden in der neuen digitalen Welt. Die gegenwärtige Strategie der öffentlich-rechtlichen Sender, massiv in neue Medien und in digitale Spartenkanäle zu investieren, führt unmittelbar zu ungeklärten Wettbewerbsfragen, die jetzt dringend geregelt werden müssen. Diese Aktivitäten lassen sich nämlich nicht unter den klassischen Versorgungsauftrag subsu­mieren, müssen daher von Beginn an auf ihre Zulässigkeit geprüft werden.

Nach dem europäischen Beihilferecht müssen auch die Marktauswirkungen auf ihre Wettbewerber geprüft werden, und gerade für dieses Verfahren ist eine unabhängige Behörde, ausgestattet mit der entsprechenden Fachkompetenz, unentbehrlich. Unter den neuen europäischen Regeln für das Beihilferecht im Rundfunksektor wäre es nicht mehr möglich, dass es ein Organ des öffentlichen Senders selbst wäre, das diese Prü­fung durchführen würde.

Um ein konkretes Beispiel zu nennen: Sie haben hier in Österreich Sportkanäle sowohl vom privaten als auch vom öffentlichen Sektor, nämlich Sky Österreich und ORF Sport. Eine Wettbewerbsverzerrung würde hier drohen, insbesondere in dem Fall, wenn der öffentliche Kanal nicht mehr einen umfassenden Überblick über alle Sportarten geben würde, sondern sich vielmehr auf Premium-Sportrechte setzen würde. Ich kann nicht beurteilen, ob das inzwischen der Fall gewesen ist, aber das kann der ORF auch nicht. Das muss eine unabhängige Instanz sein.

Der dritte Trend ist die allmähliche Abschaffung der dualen Finanzierung der öffent­lichen Sender. Eine duale Finanzierung – das ist auch schon angesprochen worden – beinhaltet, dass öffentliche Sender nicht nur staatliche Beihilfe bekommen, sondern auch Werbespots verkaufen, so wie zum Beispiel hier in Österreich.

Meines Erachtens führt ein solches System unmittelbar zu einer Zweideutigkeit in der Strategie eines Senders. Private Sender sind Privatunternehmer und müssen daher die Wünsche ihrer Kunden, das heißt der Werbebranche, respektieren. Diejenigen öffent­lichen Sender, die nicht oder nur minimal durch Werbung finanziert sind, würden sa­gen, dass sie nicht die Werbebranche respektieren, sondern allein dem Publikum die­nen. Diese Argumentation ist mit der UNESCO-Definition vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk völlig vereinbar. Laut UNESCO muss der öffentlich-rechtliche Sender – ich zitiere – frei von politischem und wirtschaftlichem Einfluss sein.

Fragwürdig für mich ist die Lage eines Senders, der zu 40 oder 50 Prozent durch Wer­bung finanziert ist. Kann ein solcher Sender eigentlich unabhängig von wirtschaftlichen Interessen sein? Ich finde, das ist sehr, sehr schwierig zu beantworten.

Wir beim ACT bewerten es daher als sehr positiv, dass in den letzten Jahren mehrere Mitgliedstaaten die Entscheidung getroffen haben, die duale Finanzierung abzuschaf­fen – stufenweise und sorgfältig – und künftig die öffentlichen Sender ausschließlich aus öffentlichen Mitteln zu finanzieren. Das Beispiel Frankreich ist Ihnen wahrschein­lich schon bekannt; dieses diente vor Kurzem auch in Spanien als Vorbild für einen Ge­setzentwurf. Aber auch kleinere Mitgliedstaaten – so wie Ihr Nachbar, die Tschechi­sche Republik – haben kürzlich diese klare Trennung eingeführt. Schließlich wird es in vielen europäischen Ländern allein den privaten Sendern erlaubt sein, Produktplatzie­rung zu verkaufen.

Natürlich haben Sie hier in Österreich eine Besonderheit, nämlich dass Sie eine ge­meinsame Sprache mit einem großen Nachbarland teilen. Und das kann durchaus zu Schwierigkeiten auf dem Medienmarkt führen. Aber andere europäische Länder sind in einer ähnlichen Lage und haben diese Problematik schon behandelt.

Ich nenne Ihnen zwei Beispiele: Das erste Beispiel kommt aus meinem Heimatland. Ich komme aus Schottland, und als geborener Schotte habe ich deswegen ein gewisses Verständnis für Länder, die ein problematisches Verhältnis mit ihren Nachbarn haben. (Heiterkeit.) – Entschuldigung Philip (in Richtung von Generaldirektor Philip Lowe), aber das ist auch unsere Geschichte. – Dieses problematische Verhältnis kann man auch im Fernsehprogramm sehen. Im britischen Fernsehen – egal, ob englisch oder schottisch, privat oder öffentlich – sind die Inhalte seit Jahren sehr hauptstadtlastig, al­les wurde in London produziert.

In den letzten Monaten aber hat sich die Strategie des schottischen Privatsenders STV geändert. Obwohl dieser Sender ein Teil des britischen ITV-Netzes ist, haben sich die Verantwortlichen in Schottland dafür entschieden, Programme aus London durch loka­len Inhalt zu ersetzen.

Beispielsweise wurde letzte Woche anstatt des Londoner Krimis „The Bill“ ein Doku­mentarfilm über schottische Freiwillige im Spanischen Bürgerkrieg ausgestrahlt. Ich muss betonen, das war eine rein kommerzielle Entscheidung, das hatte nichts mit Mehrwert oder Auftrag zu tun. Das war rein kommerziell! Aber als Nebenwirkung, wenn Sie so wollen, hat das auch positiv auf den Medienpluralismus, die Vielfalt und die Pro­duktionsbranche gewirkt.

Das zweite Beispiel kommt aus Belgien – also nicht mehr aus meinem Heimatland, sondern aus dem Land, in dem ich jetzt wohne. Vor 20 Jahren wurde das flämische Monopol der öffentlichen Sender abgeschafft. Damals, vor 20 Jahren, schauten unge­fähr 30 Prozent der Bevölkerung Programme aus den benachbarten Niederlanden an – natürlich mit gemeinsamer Sprache. Inzwischen ist diese Quote von 30 auf 3 Prozent gesunken; nicht nur zugunsten der neuen flämischen Privatsender, sondern auch der öffentliche Sender in Flandern hat im Quotenstand zugelegt.

Man kann nie ein Land genau mit einem anderen vergleichen, aber: Kann man hier in Österreich Konsequenzen aus diesen europäischen Beispielen ziehen? – Ich glaube, ja. Erstens können die Herausforderungen eines kleinen Landes neben einem großen Land trotz gemeinsamer Sprache gelöst werden. Zweitens kann auch der Privatsektor einen erheblichen Beitrag zu einer qualitativ hochwertigen und vielfältigen Medienland­schaft beitragen. Aber drittens dürfen wir die wirtschaftliche Realität nicht vergessen; auch das Privatfernsehen muss refinanzierbar werden.

Es wird Sie, Frau Präsidentin, kaum mehr überraschen, wenn ich Ihnen sage, dass we­der in Schottland noch in Flandern der heimische öffentliche Sender irgendeine Wer­bung senden darf. Diese Länder verfügen jeweils über eine Bevölkerung von zwischen 5 und 6 Millionen Menschen, aber der private Rundfunk in Schottland oder Flandern kann mit einem Werbeeinkommen in der Höhe von 200 bis 300 Millionen jährlich rech­nen – also erheblich mehr als hier in Österreich.

Mein Schlusswort lautet: Die Zukunftschancen der öffentlich-rechtlichen Sender sind positiv, müssen aber durch weitere Reformen verbessert werden. Insbesondere muss man die Unterscheidbarkeit privater und öffentlich-rechtlicher Programme stärken, und das mit Hilfe einer unabhängigen Regulierungsbehörde. Die Finanzierung der öffent­lich-rechtlichen Sender sollte derart gestaltet werden, dass ihre Position zwar noch stark bleibt, aber nicht mehr marktbeherrschend ist und vor allem nicht mehr der Ent­wicklung eigener österreichischer Sender entgegensteht.

Es gibt sicherlich keine einfache Lösung, es gibt vor allem keine europäische Lösung. Aber es gibt viele Entwicklungen in anderen Ländern, von denen ich hoffe, dass sie für Ihre weitere Diskussion hier in Wien von Interesse sein können.

Ich möchte Ihnen, Frau Präsidentin, und allen Anwesenden für Ihre Aufmerksamkeit danken. – Danke schön. (Beifall.)

10.44


Vorsitzende Präsidentin Mag. Barbara Prammer|: Ich darf nun Frau Jane Vizard um ihr Statement ersuchen. Frau Vizard hat gestern noch spontan zugesagt. Sie ist Direc­tor of Legal and Public Affairs der EBU. Wir werden nun eine Rede auf Englisch hören; wir haben keine Übersetzung mehr zustande gebracht.

Mrs. Vizard, the floor is yours.

 


10.44.53

Jane Vizard (Direktorin der EBU-Rechtsabteilung)| (die Referentin gibt ihr Statement zum Thema „The Role and Position of Public Service Media in Contemporary Europe“in englischer Sprache ab. – Im Folgenden ist das von Jane Vizard übermittelte Rede­manuskript abgedruckt)

Ladies and gentlemen,

As Legal Director of the European Broadcasting Union (or simply referred to as the EBU), It is an honour for me to speak to you all here today on the role and position of Public Service Media in Europe.

Let me first of all say that I find this parliamentary hearing to be a very good idea. One can always learn from the experience of others and I think that the debate in Austria will be able to profit from other European perspectives. Having formerly worked at the BBC, I can take some pride in the fact, for example, that many of the Members of the EBU have acknowledged the positive influence of the BBC as a reference point for their own organisation.

Notwithstanding the historical legacy of the BBC however, there are many, many va­luable lessons that can be learned from the experiences of other public service media organisations in Europe. This is one of the strengths of the European Broad­casting Union, which as a membership association can draw upon the wealth of experience of 75 Member organisations, including ORF, from 56 countries.

Although the EBU is engaged in numerous activities, it’s raison d’être remains very much today to serve as a forum for Members to share and promote the best practices of the European model of public service media.

Given that the goal of this hearing is to help Austria define the future framework in which the public interests of Austrian civil society can best be served by its media, the EBU and its Members clearly have a vested interest in this hearing.

When we speak of the role of public service media in Europe today, we are first of all speaking of a dynamic transformation process. All of Europe’s leading public service broadcasters, including ORF, are evolving, or well on their way to evolving, into public service media organisations.

Within this evolutionary process, each of the members of the European Broadcasting Union is seeking to adapt its public service remit to the new demands of the information society age. This involves striving to adapt themselves structurally and technically in order to serve their publics.

Many viewers and listeners still continue to access public service content through tra­ditional broadcasting platforms and this experience will soon be enriched with the intro­duction of High Definition Television.

Most EBU Members are substantially promoting and investing in high definition tech­nology so that their publics will be able to enjoy a much higher quality experience, par­ticularly with such events as the World Athletics Championships.

It is also clear today that younger generations are increasingly demanding access to media on a more individualised basis. Not only do they expect to access content at a time and place of their own choosing, but also through other technical means of trans­mission, like the Internet.

It was for this reason that the BBC introduced its ‘iPlayer´ two years ago so that it can better serve the public. The ‘iPlayer’ gives people within the UK the opportunity to watch most of the BBC’s current programming via the Internet at a time and place of their convenience.

Although many of the Members of the EBU have not yet been able to extend their services to the public to the degree that the BBC has, they have already embarked on the path to do so. Most members, like ORF, already offer a very extensive amount of their news and information programming via the Internet. In the future there will be much more current programming content made available online for the public to access at a time and choice of their convenience.

And it is not just about the past and the present: the EBU and public service broad­casters are active in developing new technology such as Hybrid Broadcast broadband, bringing together internet-delivered non-linear pictures and broadcast channels, which can both be viewed on the same screen either at the same or at different times.

Throughout Europe, public service broadcasters are essentially confronted with the same demands brought about by the information society. The main challenge for public service broadcasting in the future is the change in media consumption patterns. This change has implications for commercial broadcasters as well as public service broad­casters – but there are wider implications for society if public service broadcasting be­comes a thing of the past.

Yet in adapting their remit to meet these demands, each public service media organi­sation is subject to their own national rules and regulations that they must follow. Therefore, each country within Europe has its own nuanced version of what constitutes a public service remit and how this remit should be fulfilled and controlled.

There is a special situation in Austria: a relatively small country sharing a language with a much bigger neighbour and therefore foreign broadcast media occupy a large part of the national market in terms of audience and advertising revenue – and that very fact heightens the value of ORF as a national broadcaster with a role and responsibilities for national identity and cultural diversity. ORF is a vital component of the electronic media landscape of the future.

As you have invited me and the other participants for this theme block to speak about the European dimension of public service media, I would like to enrich the political de­bate here by highlighting what the Council of Europe has agreed are the necessary key elements of any true public service remit within Europe today.

To begin with, in order for people to access media at a time and place of their choosing, public service media must continue to be universally accessible to all people by all technical means.

Public service broadcasters have always been obliged to provide the public with a broad variety of quality programming, that can be freely accessed. That mission con­tinues today and it is for this reason that public service media must be accessible to the public through all of the various technical platforms available today.

As I mentioned earlier, this is particularly true in regards to younger generations, who are becoming much more accustomed to having an on-demand access to information and programming.

In ensuring high ethical standards and quality in the programming and information pro­vided to the public, the impartiality and independence of public service media organisa­tions must be guaranteed.

While there may be a tendency by many people to assume that this point is essentially of relevance only to countries where public service media has taken over from the for­mer state-run television, the EBU has learned that such independence cannot be taken for granted. By that I do not mean to imply that every government and all competing political parties try to exert some sort of direct control and/or influence over their cor­responding public service media organisation and its programming.

Far from it. But constant vigilance is needed to safeguard the independence and au­tonomy of public service media organisations. However, that safeguarding is not only a prerequisite in terms of providing the public with high quality programming and impartial information.

It is also a prerequisite for public service media to contribute to the pluralistic public dis­cussion that fosters democracy and involves the general public.

Thomas Jefferson once said, “If I had to choose between government without news­papers, and newspapers without government, I wouldn't hesitate to choose the latter.” Though his quote relies on a sense of exaggeration, it points in the right direction: namely that a strong democracy requires a vital and independent media.

In order to remain credible, public service media must be connected with the citizens by giving them a participative role and an actual degree of control, rather than leaving such control to special interests alone, be they political or commercial in nature. For this reason, many countries have chosen to fill the supervisory bodies for their public service media organisations with a wide range of representatives from various citizens groups. In such bodies, politicians constitute a clear minority of the members. Political representatives are certainly a part of our democratic societies and they should not be completely excluded from such bodies.

That having been said, they should not be entrusted with sole powers of control. Only by keeping political representation to a minimum, can media pluralism be effectively guaranteed.

Another key element of the public service remit that has become more important than ever is the promotion of social cohesion and the integration of various communities.

In contemporary Europe, we live in a space of increasingly open borders in which mi­gration within Europe and immigration from outside of Europe occurs. While these phe­nomena are not new, our awareness of them has grown. Along with our effort to reach out to the socially disadvantaged as well as people with disabilities, it is the obligation of public service media to promote a better understanding of and between communities with different native cultural backgrounds.

For this reason, the EBU and its Members have organised a series of high-level inter­national conferences on the theme of integration. Since the first conference hosted by WDR in Essen in November 2006 there have been two successive conferences or­ganised by France Télévisions in Paris in November 2007 and by outr Dutch Member NOS in Hilversum in November 2008. A fourth conference is currently in the planning stages for next year as well. These conferences have helped to raise awareness of this issue in general and of the important work undertaken by various public service media organisations.

As public service broadcasters evolve into public service media, their obligations as institutions of cultural heritage and motors of audiovisual production and creativity take on a new added digital dimension as well. The archives of the EBU members are the audiovisual treasure chambers of Europe. The EBU and its members are working to preserve these archives and prepare them for a new digital life.

In the future – assuming that the out-of date European copyright framework is finally brought up-to-date with the age of the information society - public service media will be able to offer these treasures of the past alongside with new productions and pro­gramming of high quality that they will and must continue to create and offer.

Through the creation and production of quality audiovisual content, public service media have also established themselves as key forces of cultural integration within Europe. EU Commissioner Jose Manuel Barroso once remarked that “Culture comes before economy.” In doing so, he explicitly recognized the crucial role of culture within each of our countries and as part of our European society.

I should also like to point out here, however, that “culture” and the “economy” are not mutually exclusive of one another.

Quite the contrary. In fact, the creation and production of quality audiovisual content make a very important contribution to the European economy. As Europe strives to attain the EU’s Lisbon goal of establishing the most advanced and diverse knowledge based economy and society in the world, public service media are best positioned
to continue to serve as the pre-eminent creators and purveyors of European cultural goods.

In bringing my speech to a close here today, it is clear that the arrival of the information society has placed new demands on the public service remit. The manner and means by which people access media is changing and it is clear that this process will continue to evolve with future generations as well. However, in an age of globalisation and tech­nological innovation, where information overload has become a concept that applies as much to people as to computers, the role and position of public service media as na­tional points of reference has lost none of its salience.

Indeed, it has become more important than ever.

Thank you very much!

(Beifall.)

10.57


Vorsitzende Präsidentin Mag. Barbara Prammer|: Ich darf nun den Intendanten des ZDF, Herrn Markus Schächter, um sein Statement bitten. 10 Minuten. – Bitte.

 


10.57.16

Markus Schächter (Intendant des ZDF)|: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Als ein Ver­treter des viel beschworenen „großen“ Nachbarn danke ich besonders dafür, dass ich hier die Möglichkeit habe, ein Statement abzugeben. Ich will direkt an das anschließen, was Daniel Eckmann und Jane Vizard dargestellt haben: Die zwei Schlüsselworte in der digitalen Welt heißen: Konvergenz der Systeme und Fragmentarisierung des Publi­kums. Der Nutzer kann in der Zukunft, in der wir schon teilweise angelangt sind, ent­scheiden, wann er will, wo er will, was er will, und er kann in einer Zeitsouveränität über diese Form entscheiden, wie sie vor einigen Jahren noch nicht vorstellbar war.

Im Zuge der Digitalisierung wird das Meta-Medium Internet immer mehr zu einem Be­wegt-Bild-Medium und mit dem Fernsehen verschmolzen. In diesem sich bereits voll­ziehenden Prozess drängen neue Anbieter wie Plattformbetreiber und Verleger auf den Fernsehmarkt und bieten IP-TV und Abruffernsehen an. Das stark diskutierte Zusam­mentreffen von Fernsehsendern und Verlegern im Internet ist daher kein Zufall, es ist vielmehr ein ganz normaler Bestandteil im Prozess der Digitalisierung. Es kann des­halb auch keinem Medienunternehmen zugemutet werden, von dieser Entwicklung ab­gekoppelt zu werden. Wer nicht ins Netz geht, hat keine Zukunft. Und es gilt auch: Wer nicht den Standard, die Grammatik des Netzes bedient, geht ins Museum.

Als Antwort auf die Fragmentierung des Zuschauermarktes müssen die großen Fern­sehsender noch stärker, noch intensiver als bisher auf aufeinander abgestimmte Sen­derfamilien mit komplementären Spartenkanälen, Internetportalen und Abrufangeboten setzen. Der Standard der digitalen Welt ist die Senderfamilie. Wir brauchen ein bis zwei starke Hauptkanäle. Für mich ist es eine interessante Diskussion, zu hören, dass ausgerechnet zu Beginn der digitalen Welt, wo der Standard die Familie wird, jetzt ge­fordert wird, dass der ORF einen wichtigen Teil seiner Familie abgeben sollte.

Das ZDF, das jetzt durch die Digitalisierung aus der babylonischen Gefangenschaft eines Einkanalsenders herauskommt, sieht mit einer gewissen Verwunderung nach Österreich, wo diskutiert wird, dass ein intakter Sender einen Sender für ein Program­mieren einer Senderfamilie abgeben soll.

Die Schlüssel zum Erfolg werden in Zukunft noch mehr als bisher starke, gemeinsame, komplementäre Planungen, profilierte Marken sowie professionell erzeugte, attraktive, auf die Identität der Zuschauer, der Publika ausgerichtete kreative Inhalte sein. Das duale Rundfunksystem, über das wir hier handeln, wird von der beschriebenen Ent­wicklung nicht unberührt bleiben. Allerdings – und das ist meine feste These –: Das öf­fentlich-rechtliche Fernsehen wird in Zukunft, in der digitalen Zukunft, eine größere Be­deutung haben. Der Grund liegt auf der Hand: Die privaten Sender werden künftig mit verschiedenen neuen Geschäftsmodellen experimentieren und experimentieren müs­sen, statt auf publizistische Expansion zu setzen. Sie werden dabei – durch die Rezes­sion intensiv getrieben – noch stärker versuchen, sich jenseits der publizistischen Auf­gaben neue Erlösquellen, neben den traditionellen Werbeeinnahmen, zu erschließen. (Präsident Neugebauer übernimmt den Vorsitz.)

Neben den mir bereits bekannten Erlösquellen aus dem Bereich Diversifikation, wie Home-Shopping oder Transaktionsfernsehen, werden sie verstärkt auf gezielte Wer­bung durch adressierbare Zuschauer und den Weiterverkauf ihrer Sendesignale an Plattformbetreiber setzen. Und: Um mit ihren Sendesignalen Geld zu verdienen, wer­den die privaten Sender tendenziell ihre Programme verschlüsseln. Free TV geht ten­denziell Richtung „Pay-TV light“. Die Pläne der kommerziellen Sender in Deutschland hinsichtlich der Einführung einer Gebühr für den Empfang ihrer Sender in HD – also das, was nächstes Jahr oder bereits in diesem Jahr ansteht – zeigen dies ganz deut­lich. Wir sind da mitten in einer Gegenwart.

Die hohen Renditeerwartungen von bis zu 30 Prozent werden trotz der Rezession nicht groß zurückgeschraubt werden. Dafür benötigen zum Beispiel KKR und Permira, die Owner von Sat.1 und ProSieben, das Geld viel zu sehr selbst. Noch mehr als bisher werden sich darüber hinaus rein renditeorientierte Investoren im Fernsehmarkt enga­gieren. Die hohen Renditeerwartungen und der weiter zunehmende Wettbewerbsdruck werden dazu führen, dass der publizistische Anspruch der privaten Sender abnehmen wird. In dem Ausmaß aber, in dem sich die privaten Sender aus der gesellschaftlichen Aufgabe des publizistischen Leitmediums Fernsehen noch weiter zurückziehen, fällt – das ist meine These – den öffentlich-rechtlichen Sendern eine immer größere Bedeu­tung und Verantwortung für unsere Gesellschaft zu.

Das Ausmaß der gesellschaftlichen Aufgabe Orientierungs-, Informationsfernsehen und Vielfaltsicherung wird in einer immer komplexer werdenden Welt und einer sich im­mer stärker fragmentierenden Gesellschaft weiter wachsen.

Der Funktionsauftrag des öffentlich-rechtlichen Fernsehens wird also in der digitalen Welt relevant und aktuell bleiben. Er muss der Gesellschaft ein Forum für den Interes­sen- und Meinungsaustausch bieten und unserer Demokratie dienen. Er muss die na­tionalen, die regionalen, die kulturellen Formen politischer Identifikationsmöglichkeit stärker anbieten, und er muss dazu beitragen, dass das gestärkt wird, was uns im In­neren zusammenhält. Er muss Viefaltsicherer sein, er muss ein Libero für die Siche­rung der Vielfalt sein. Er muss für die Gebührenzahler frei zugänglich sein und hat für alle Alters- und Gesellschaftsgruppen ein Programm mit Information, Bildung, Kultur und Unterhaltung zu bieten. Er muss täglich den Spagat der Qualität im Populären su­chen.

Vor dem Hintergrund einer immer komplexer werdenden globalisierten Welt muss er ein realistisches Bild der Öffentlichkeit dieser Welt bringen. Er muss zum Beispiel in Auslandsberichterstattung investieren. Dabei hat er Orientierung und Einordnung der Geschehnisse in Unabhängigkeit von Werbewirtschaft und Politik zu geben.

Um diesem Auftrag auch in Zukunft gerecht werden zu können, müssen die öffentlich-rechtlichen Sender weiterhin die ganze Breite der Gesellschaft mit ihren sozialen Grup­pen und Altersklassen zu erreichen versuchen. Um aber für alle Altersklassen, für alle Gesellschaftsgruppen interessant zu sein, um massenattraktiv zu sein, müssen die öf­fentlich-rechtlichen Anbieter auch – und notwendigerweise – Unterhaltung anbieten. Nur so haben sie eine Chance, die große Herausforderung zu meistern, auch junge Zuschauer anzusprechen. Es wird immer mehr die Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks werden, gerade diese demografischen Gesellschaftsgruppen zur Informa­tion zu „verführen“ und sie zu dem hinzubringen, was für meine Generation selbstver­ständlich war.

Um für die digitale Zukunft und für diese Aufgaben vorbereitet zu sein, müssen sich die öffentlich-rechtlichen Sender neu aufstellen. Sie müssen – ich habe es erwähnt – ihre Senderfamilien neu positionieren, Abrufangebote und Internet-Portale konsequent wei­terentwickeln, ihr Unternehmen muss in Planung und Produktion eine 360-Grad-Be­trachtungsweise etablieren. Das heißt, Programm in Zukunft wird nach dem Motto „Create once, publish everywhere!“ – schaffe einmal eine Idee und sende diese Idee auf möglichst vielen Plattformen! – so zu produzieren sein, dass es auch ökonomi­schen Gesetzen entspricht. Sie müssen junge Zuschauer gezielter ansprechen, damit es nicht auf Dauer zu einem Generationsabriss kommt, in Dach- und Programmmar­kenqualität weiter investieren und diese profilieren und stärken, die kreativen Poten­ziale in ihren Häusern fördern – so etwas wie ein „Talenthaus“ sein –, mit ihren Ange­boten auf allen relevanten Plattformen vertreten sein und die zahlreichen Möglichkeiten der digitalen Welt, wie etwa Abruffernsehen oder Podcasting, aktiv nützen. Dabei wird stets darauf zu achten sein: Nur wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk auch massen­attraktiv ist, auch unterhaltsam sein darf, kann er seinen Auftrag in der und für die Ge­sellschaft erfüllen.

Der Fernsehmarkt wird sich im Rahmen der fortschreitenden Digitalisierung grundle­gend wandeln. Die Veränderungen in den letzten fünf Jahren und in den nächsten fünf Jahren sind fundamentaler als die Entwicklungen in den letzten fünfzig Jahren insge­samt. Ich persönlich sehe diese Veränderungen als Chance für das öffentlich-rechtli­che Fernsehen.

Ich bitte Sie, sehr verehrte Abgeordnete, dass Sie diese Chance auch dem ORF er­möglichen. Er ist wichtig für die Gesellschaft. Eine Alternative ist klar: Es ist zu befürch­ten, dass der Rundfunk in Österreich sowie der verbundene Werbemarkt von den kom­merziellen Sendern aus Deutschland bedient werden. Betriebswirtschaftlich ist es näm­lich am lukrativsten, wenn man den österreichischen Markt einfach aus Deutschland mitbedient und den Werbemarkt mit regional zugeschnittenen Werbefenstern schöpft. Helmut Thoma hat heute Nacht im „Club 2“ in unnachahmlicher Chuzpe dieses Aus­beutungsprinzip klar formuliert: „Minimal investieren, maximal profitieren.“

Ich komme zum Schluss. – Meine Damen und Herren! Der ORF ist von Geschichte, Gestalt und kultureller Bedeutung nicht nur eine Fernseh- und Radiostation, der ORF ist in Europa eine einzigartige, eine singuläre Institution. Für jede Institution gibt es Kri­senzeiten. Es wäre aber außerordentlich fatal, wenn in diesen Krisenzeiten der ORF nicht die Chance behielte, weiterhin im Leitmedium Fernsehen als einer der Leuchttür­me in der Flut medialer Angebote zu funken und zu fungieren. – Danke schön. (Beifall.)

11.07


Vorsitzender Präsident Fritz Neugebauer|: Nun gelangt Herr Dr. Schmid, Bereichs­leiter Medienpolitik, RTL, zu Wort. – Bitte.

 


11.08.02

Dr. Tobias Schmid (Bereichsleiter Medienpolitik, RTL)|: Hohes Haus! Meine sehr ver­ehrten Damen, meine Herren! Zunächst danke ich ganz herzlich für die Gelegenheit, hier zu sprechen, obgleich ich ja unter einer doppelten Hypothek zu leiden habe. Ich bin nämlich nicht nur aus Deutschland, sondern spreche auch noch als Vertreter des privaten Rundfunks. Das macht die Sache nicht einfacher.

Vielleicht darf ich Sie damit besänftigen, dass ich Sie darauf hinweise, dass wir den Umstand, dass die Mediengruppe RTL Deutschland inzwischen in Deutschland Markt­führer des kommerziellen Fernsehens ist, vor allem zwei österreichischen Geschäfts­führern zu verdanken haben, dem eben zitierten Herrn Thoma und Herrn Zeiler.

Das Thema ist: Zukunftschancen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Bei den Aus­führungen des Intendanten, Herrn Schächter, hatte ich das in den ersten fünf Minuten aus den Augen verloren, denn da ging es ja doch offenbar überwiegend um die Schreckgespenster des privaten Rundfunks. Ich lasse das einmal außer Acht und ver­suche mich auf das Thema des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu konzentrieren – na­türlich aus Sicht eines privaten Mitbewerbers, in diesem Fall auch aus Sicht eines Mit­bewerbers aus Deutschland.

Wonach bestimmen sich die Zukunftsaussichten des öffentlich-rechtlichen Rund­funks? – Ich denke, es sind wahrscheinlich etwa vier Faktoren, die dafür wesentlich sind:

Es wird – und das ist auch jetzt schon so – davon abhängen, dass ein politischer Kon­sens besteht, dass man ein öffentlich-rechtliches System haben will.

Es setzt voraus – zum Zweiten –, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk ein integraler Bestandteil einer pluralistischen Meinungsbildung ist, diese befördert, aber auch er­möglicht.

Der dritte Faktor, ein nicht zu unterschätzender, der jedenfalls in Teilen der Bundesrepublik Deutschland inzwischen zu spüren ist: Die Zukunftsfähigkeit des öf­fentlich-rechtlichen Rundfunks setzt zwingend die Akzeptanz in der Bevölkerung vo­raus. Das heißt also, der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss am Ende auch das erfül­len, was sich die Bevölkerung von ihm verspricht, andernfalls kommt es zu einer Entso­lidarisierung, was für das Thema Gebührenfinanzierung nicht ganz unwesentlich ist.

Und – das hat Herr Lowe soeben auch ausgeführt – nicht zuletzt muss sich das, was der öffentlich-rechtliche Rundfunk veranstaltet, im Rahmen des europarechtlich Zuläs­sigen bewegen. Wie ist die Ausgangslage in Europa? – Letzten Endes, wie dankens­werterweise soeben bereits dargestellt, besteht die Ausgangslage aus zwei Parame­tern:

Erstens, der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Europa hat einen Sonderstatus. Der wird auch von niemandem in Rede gestellt. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist die Aus­nahme von der Regel. Er ist eine Ausnahme, in der ausnahmsweise staatliche Gel­der – ob wir sie „Beihilfen“ nennen oder nicht, ist dabei eher ein semantisches Pro­blem –, öffentliche Gelder dafür verwendet werden, in einem Markt aktiv zu sein. Die­ser Sonderstatus ist festgeschrieben im Amsterdamer Protokoll, er findet sich wieder in der aktuellen Rundfunkmitteilung der Europäischen Kommission.

Aber: Der Sonderstatus hat Grenzen. Und auch diese Grenzen sind genauso zwingend wie die Möglichkeit, öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu veranstalten. Der ausnahmswei­se zulässige Eingriff in den Markt der Medien, in den Markt von Zeitungen, Fernsehen, Hörfunk, dieser ausnahmsweise zulässige Eingriff ist nur so weit zulässig, insoweit er auch geboten ist.

Damit komme ich zu einem wesentlichen Punkt bei der Diskussion, der nicht wahn­sinnig populär ist, den man aber trotzdem ansprechen sollte: Der entscheidende Punkt für die Frage, in welchen Parametern sich öffentlich-rechtlicher Rundfunk entwickeln kann, richtet sich nicht alleine nach dem Bauchgefühl, ob man das jetzt gut oder schlecht findet, richtet sich nicht allein danach, wie die politische Konstellation gerade ist, sondern es richtet sich maßgeblich danach, was geboten ist. Es ist – auch das hat Europa gesagt – grundsätzlich in der Hoheit der jeweiligen Mitgliedstaaten zu ent­scheiden, was geboten ist, denn das unterscheidet sich sehr nach dem jeweiligen Me­diensystem. Insofern kann man auch das deutsche System naturgemäß nicht auf das österreichische übertragen. Aber es gibt inhaltliche Parameter, die relativ einheitlich sind und an denen es sich zu orientieren gilt.

Geboten ist die Begründung für die Ausnahme. Soll heißen: Die Ausnahme ist ja, der öffentlich-rechtliche Rundfunk darf öffentliche Gelder verwenden. Die Begründung da­für ist, er erzeugt etwas, was gesellschaftspolitisch gewollt ist. Das gesellschaftspoli­tisch Gewollte ist im Falle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks der sogenannte publi­zistische Mehrwert – meinetwegen können wir es auch Public Value nennen, wie auch immer; jedenfalls: das gesellschaftspolitisch Erforderliche. Das ist der Grund, warum es öffentlich-rechtlichen Rundfunk geben kann. Das heißt also, dieser publizistische Mehr­wert ist das eigentliche Gebot, an dem er sich ausrichten muss.

Der zweite Aspekt – auch das ist von der Europäischen Kommission angesprochen worden – ist: Es muss sich in Relation zu den marktlichen Auswirkungen bewegen. Das heißt, der zweite Parameter, an dem sich das orientieren muss, ist: Ein öffentlich-rechtliches Angebot muss in Relation betrachtet werden zu dem, was es am Markt ver­ursacht, ob es negative oder positive Effekte hat. Manchmal befördern öffentlich-recht­liche Angebote auch etwas, oftmals behindern sie, zerstören. Im Falle von Österreich ist es sicherlich so, dass ein sehr präsenter öffentlich-rechtlicher Rundfunk den hiesi­gen privaten Veranstaltern nicht arg viel Raum lässt.

Der dritte Punkt – nur der Vollständigkeit halber – ist der dafür jeweils erforderliche Fi­nanzbedarf.

Was ich Ihnen damit sagen will, ist – und das ist eine Diskussion oder ein Diskussions­punkt, der in der Bundesrepublik Deutschland jedenfalls sehr schwer zu vermitteln war, aber nichtsdestotrotz richtig ist –: Geboten ist nicht, was möglich ist. Vieles von dem, was der Intendant des ZDF erzählt hat, ist faszinierend, das ist großartig – Senderfami­lien sind toll, das ist wunderbar, wir haben auch eine –, das ist aber nicht entscheidend. Entscheidend ist nicht, dass es möglich ist. Entscheidend ist auch nicht, dass es schick ist. Entscheidend ist auch nicht, dass es eh gerade da ist und man ein bisschen Pro­grammvermögen hat und deswegen noch einen Sender machen kann. All das ist nicht entscheidend. Entscheidend für den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist al­lein, was geboten ist. Ich versuche einmal, ein einfaches Beispiel zu wählen: Alleine der Umstand, dass abends die Streifenwagen der Polizei zur Hälfte nicht im Streifen­dienst sind, ist ja noch lange kein Grund, sie als Taxi einzusetzen.

Der wesentliche Punkt für die Stabilität des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, zu dem man nach diesem Schluss kommt, ist: Es muss zu einer Abwägung dieser beiden Ele­mente kommen. Es muss zu einer Abwägung dieser beiden Elemente – publizistischer Mehrwert einerseits und marktliche Auswirkung andererseits – kommen, und zwar für jedes Angebot. Wie das im Konkreten ausgestaltet wird, wie man das verfahrenstech­nisch macht, das wiederum ist Sache der Mitgliedstaaten. Bei der Ausgestaltung die­ses Verfahrens wünsche ich Österreich viel Glück.

Aber die Kategorien, an denen man sich orientieren kann, sind ein bisschen erklärend, und sie orientieren sich wieder an der Frage der Gebotenheit.

Man kann in drei Kategorien im Groben unterteilen. Die erste Kategorie ist die Domi­nanz positiver Effekte, also: Öffentlich-rechtliches Angebot erzeugt einen publizisti­schen Mehrwert. Die marktlichen Auswirkungen, die dadurch verursacht werden, sind nicht existent oder denkbar gering, also: Angebote, die der Markt selbst nicht erzeugen kann. Darauf ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht beschränkt, aber das ist die Kategorie, über die man fraglos sagen kann, das ist das, was auf jeden Fall öffentlich-rechtlich zulässig ist und was eine Gebührenfinanzierung erlaubt.

Die schwierigste Kategorie ist die mittlere. Das sind die sogenannten schwachen nega­tiven Effekte, also: Ich erzeuge durchaus einen Inhalt mit einem publizistischen Mehr­wert – ob dieser groß oder klein ist, ist schwer zu sagen –, aber es hat eine Auswir­kung auf den Markt. Das ist das überwiegende Phänomen bei öffentlich-rechtlichen An­geboten, und Sie werden sehen, dass das im Bereich Online noch sehr viel schwieriger wird als im Bereich Fernsehen. Das heißt also: Hier kommt es zu einer Auswirkung des öffentlich-rechtlichen Angebots auf den Markt. Die Refinanzierung von privatwirtschaft­lichen Angeboten wird erschwert oder möglicherweise verunmöglicht. Und gleichzeitig ist das Angebot, das der Öffentlich-Rechtliche dabei erzeugt, möglicherweise nicht zu 100 Prozent das, was man unter dem Gesichtspunkt „publizistischer Mehrwert“ subsu­mieren kann.

Wenn man diese Konstellation hat, gibt es auch eine Möglichkeit. Das heißt nicht, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk das nicht kann, sondern das, was sich in Europa ab­zeichnet, ist: Er kann, aber er kann dann modifiziert. Das heißt, hier muss man sehen: Was muss man korrigieren, tun, um dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk die Möglich­keit zu öffnen, ohne die private Wirtschaft zu behindern? Nehmen Sie ein einfaches Beispiel: Im Bereich Online, einem extrem schwer im Detail zu refinanzierenden Markt, ist der Eintritt eines vollständig oder eines überwiegend gebührenfinanzierten Teils für alle Marktteilnehmer eine extrem schwierige Situation, sowohl für die Zeitungsverlage als auch für die privaten Anbieter, national oder international. In einem solchen Fall kann man sagen: Gut, der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss sich möglicherweise auch in dieser Mediengattung präsent zeigen, aber dann muss die Konsequenz daraus sein, um dem fraglichen publizistischen Mehrwert – denn es gibt ein relativ breites An­gebot im Internet – eine möglichst geringe marktliche Auswirkung gegenüberzustellen, dass es hier darum gehen muss, dann die Refinanzierungsstrukturen so zu gestalten, dass sie den Markt nicht über Gebühr beeinträchtigen – also dass es beispielsweise nicht zu Werbung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Online-Bereich kommen kann. Das ist dieser Logik geschuldet, dass man die beiden Elemente in Balance zu­einander bringen muss.

Denktheoretisch die dritte Kategorie, die es natürlich auch gibt, ist die Dominanz der negativen Effekte – das ist politisch immer besonders „angenehm“ für die, die es ent­scheiden müssen –, also: Ein öffentlich-rechtliches Angebot hat einen sehr geringen publizistischen Mehrwert, zerstört aber durch seinen Markteintritt ein privatwirtschaft­liches Angebot, also verkommt zum Substitut. In der Bundesrepublik Deutschland gab es dafür ein Beispiel: Der Start des Kinderkanals führte zum Sterben eines privatfinan­zierten Kinderkanals. (Markus Schächter: Vorsicht!) – Ich bin ganz vorsichtig, Herr Schächter. (Heiterkeit.) – Also jedenfalls gab es einen maßgeblichen Einfluss darauf. Wie dem auch sei, ich will Sie auch nicht mit der innerdeutschen Situation langweilen, aber das ist eine Situation, wo man eigentlich nach der Denktheorie zum Ergebnis kommen muss, dass dann ein öffentlich-rechtliches Angebot eben nicht möglich ist oder sehr starke Auflagen erfolgen müssen.

Fazit daraus ist: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk kann sich weiterhin entwickeln, er soll sich weiterhin entwickeln, nein, er muss sich sogar weiterhin entwickeln, denn er erfüllt einen Auftrag. Das ist kein Privatvergnügen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, sondern er muss einen Auftrag erfüllen – aber eben auch nur den. Das heißt also, er muss sich an dem orientieren, was geboten ist.

Wenn es also eine Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks geben soll – an der ich wenig Zweifel habe –, dann müssen meines Erachtens die anfangs genannten Para­meter beachtet werden. Der politische Konsens muss stabil sein. Das bedeutet auch, dass sich eine Gesellschaft im Klaren darüber sein muss, in welchem Umfang sie öf­fentlich-rechtlichen Rundfunk haben will. Deswegen ist eine Auftragsdefinition nicht nur wegen der europäischen Vorgaben, sondern auch aus guten politischen Gründen so konkret wie irgend möglich zu fassen, denn das stabilisiert die innenpolitische Betrach­tung des Gegenstandes.

Er muss integraler Bestandteil einer pluralistischen Mediengesellschaft sein. Das be­deutet aber auch, er muss eine pluralistische Gesellschaft ermöglichen. Vielfalt besteht aus Anbieter und Angebotsvielfalt. Das wunderschöne Beispiel von Herrn Schächter liebe ich sehr: Einmal erzeugt, hundertmal ausgestrahlt. Meine Damen, meine Herren, das ist toll, aber das ist keine Vielfalt. Also: Der Umstand, dass ich am Ende dasselbe Bild auch noch auf der Online-Seite einer Zeitung sehe, ist technisch ganz faszinie­rend, hat aber mit Meinungspluralismus gar nichts zu tun.

Das heißt also, es geht darum, dass ein stabiler öffentlich-rechtlicher Rundfunk auch den anderen Teil einer Medienlandschaft, also Presse und private Medien in Funk und Fernsehen, ermöglichen muss. Das ist der wesentliche Punkt dieser Abwägung zwi­schen ökonomischem Effekt und publizistischem Mehrwert.

Das zielt auch darauf – und das ist in Österreich wohl noch nicht der Fall, in Deutsch­land gibt es inzwischen einige Regionen, wo das schon der Fall ist –, all das sozusa­gen ist auch notwendig, um die Akzeptanz der Bevölkerung für dieses System stabil zu halten, an dem sogar wir als private Rundfunkveranstalter durchaus ein Interesse ha­ben.

Aber – und das muss auch gesagt werden – auch bei der Expansion in andere Medien muss der öffentlich-rechtliche Rundfunk sich auf seine eigentlichen Aufgaben konzen­trieren. Nur weil man die Mediengattung wechselt, wird man nicht erfolgreicher – oder, wie ein Direktor einer Landesmedienanstalt in Deutschland sagte: Das, was man im Fernsehen verloren hat, gewinnt man nicht im Internet.

Schließlich muss man sich an die europarechtlichen Rahmenbedingungen halten. Das macht ja traditionell bei der nationalen Umsetzung recht viel Freude!

Ich danke Ihnen ganz herzlich für die Aufmerksamkeit und darf Ihnen noch einmal in Erinnerung rufen, dass meines Erachtens der wesentliche Punkt die Balance zwischen diesen beiden Elementen ist, die sich nicht ausschließen müssen. Dafür, eine kluge Lösung zu finden, wünsche ich Ihnen viel Glück. Aber aus deutscher Sicht kann ich sa­gen: Meistens gelingt es ja Österreich, am Ende die bessere Lösung zu finden, als wir sie haben. – Herzlichen Dank. (Beifall.)

11.20


Diskussion

 


Vorsitzender Präsident Fritz Neugebauer|: Nun kommen wir zur Diskussion zum Themenblock II. Es ist für alle Rednerinnen und Redner eine Redezeit von je 3 Minuten vorgesehen.

Zunächst gelangt Frau Kollegin Mag. Muttonen zu Wort. – Bitte.

 


11.20.56

Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ)|: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Vielen Dank an die Experten und Expertinnen für die Statements und die Information! Ich fühle mich durchaus bestätigt: Es ist wichtig, dass es einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt, denn er leistet etwas, was andere Sender nicht leisten kön­nen, sowohl im Bereich der Unterhaltung und der Information als auch der Bildung und der Kultur.

Was einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk ausmacht, ist seine Besonderheit, seine identitätsstiftende Verantwortung für ein Land. Das ist auch in den Diskussionen immer wieder angeklungen. Dazu gehören Unterhaltungssendungen genauso wie Kindersen­dungen, wie Sendungen, die sich an das Publikum nichtdeutscher Muttersprache rich­ten, wie Nachrichten, Sport- oder Kultursendungen.

Zu diesem Kulturauftrag des ORF möchte ich eine Anmerkung machen, zur Wichtigkeit des Kulturauftrags eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Auch das ist immer wieder betont worden; ich glaube, Frau Vizard hat das im Besonderen getan. Ich möchte vor allem auf zwei Punkte eingehen, nämlich auf die österreichischen Fernsehfilme und auf das Radio-Symphonieorchester.

Nehmen Sie das Beispiel Dänemark. Ich hatte vor Kurzem die Gelegenheit, den däni­schen Rundfunk im Zuge einer Europaratssitzung zu besuchen. Dänemark ist ein klei­nes Land, durchaus vergleichbar mit Österreich. Der dänische Rundfunk beschäftigt an die 250 MusikerInnen in vier Orchestern, das größte ist das dänische Radio-Sympho­nieorchester, und sie spielen in einer wunderbaren, neu errichteten Halle von Jean Nouvel. Jedes Konzert wird beworben, aufgezeichnet und gesendet, denn – und hier zitiere ich die Dänen, das haben sie gesagt – alles, was hier komponiert und gespielt wird, gehört der dänischen Bevölkerung, es ist ihr Orchester ihres Rundfunks. Und die Rechnung scheint aufzugehen.

Nun zu Österreich: Wir haben mit dem Radio-Symphonieorchester eines der vielsei­tigsten Orchester Österreichs. Es hat sich nicht nur um die Pflege zeitgenössischer Musik, sondern auch um die Pflege des Nachwuchses verdient gemacht. Eigentlich sind das alles Gründe, es als unser Orchester anzusehen und es auch als wichtige In­vestition in die Zukunft zu betrachten.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Menschen in Österreich wollen einen starken öf­fentlichen Rundfunk, das beweist eine vor Kurzem veröffentlichte Studie. Darin muss die Kultur, wie eben auch der österreichische Film, einen starken Platz haben, denn österreichische Filme, Serien und Dokumentationen sind nicht nur beliebter, sondern sie schaffen auch qualifizierte Arbeitsplätze in der Kreativwirtschaft und letztendlich auch im ORF. Das stärkt den ORF und die Filmbranche insgesamt. Die damit verbun­dene Umwegrentabilität brauche ich gar nicht zu erwähnen, Sie wissen darüber Be­scheid.

In diesem Sinne appelliere ich an den Finanzminister, dringend nach einer kreativen Lösung zu suchen, um erstens das Radio-Symphonieorchester abzusichern (Präsident Neugebauer gibt das Glockenzeichen), zweitens kontinuierliche Auftragsmöglichkeiten für den österreichischen Film zu schaffen und vor allem den ORF in die finanzielle La­ge zu versetzen, das auch zu tun. Ich denke da im Besonderen an die Refundierung der Gebührenbefreiung. – Danke schön. (Beifall.)

11.24


Vorsitzender Präsident Fritz Neugebauer|: Nächster Redner ist Herr Mag. Molterer. – Bitte.

 


11.24.48

Abgeordneter Mag. Wilhelm Molterer (ÖVP)|: Meine Damen und Herren! Diese bis­herige Diskussion hat zwei Dinge sehr klargestellt. Der ORF hat gravierende struktu­relle Probleme, und zwar gravierende! Es hat überhaupt keinen Sinn, das zu beschöni­gen. Wer für den Bestand des ORF eintritt, muss Klartext sprechen: Der ORF ist in einer strukturellen Krise. – Zweitens wird der Wettbewerb nicht weniger, der Wettbe­werb wird mehr. Wir haben ein völlig anderes Medienverhalten. Die Dynamik nimmt zu, die jungen Menschen orientieren sich überhaupt gänzlich anders als meine Genera­tion. Wenn wir diese Wahrheiten nicht aussprechen, tun wir dem ORF keinen guten Dienst.

Wie ist in dieser Situation zu reagieren? – Wenn wir akzeptieren, dass es mehr Wett­bewerb gibt und der ORF in einer strukturellen Krise ist, dann ist es die entscheidende Frage, die richtige Perspektive zu wählen. Diese ist meiner Meinung nach ausschließ­lich in der Stärkung des öffentlich-rechtlichen Auftrags zu sehen! Wenn der ORF nicht akzeptiert, dass seine Chance, seine Zukunftschance im dualen Markt, in der Stärkung des öffentlich-rechtlichen Auftrages zu sehen ist, sondern den öffentlich-rechtlichen Auftrag als Rucksack sieht, dann werkt er an seinem eigenen Untergang. Das ist mei­ne feste Überzeugung.

Daher haben wir als Gesetzgeber erstens den Auftrag, zu prüfen: Ist das ORF-Ge-
setz in der Definition des öffentlich-rechtlichen Auftrages klar genug? – Hier hat das Gesetz 2001, nachträglich ja auch von Josef Cap jetzt durchaus positiv gesehen, Klar­stellungen gebracht. Aber sind sie noch klar genug angesichts der Marktentwicklung? Und zweitens: Sind die Begrenzungen dessen, was der ORF tun muss und was der ORF nicht tun darf, angesichts der Marktentwicklungen präzise genug? – Das ist die Aufgabe des Gesetzgebers.

Aber es gibt selbstverständlich die Aufgabe der Geschäftsführung, meine Damen und Herren! Denn der öffentlich-rechtliche Auftrag steht ja nicht im Gesetz, sondern er muss gelebt, sprich gesendet werden. Hier sage ich auch ganz offen: Die Programm­gestaltung, die der ORF vorgenommen hat – die Programmreform –, war ein Flop, und sie war eine Entwicklung in die falsche Richtung! Sie hat den öffentlich-rechtlichen Auftrag nicht gestärkt. Zweitens: Der Anteil der Eigenproduktion geht in die falsche Richtung und stärkt auch nicht die Rolle des Öffentlich-Rechtlichen. Drittens: Der Anteil der Information sinkt; das ist ebenfalls eine falsche Richtung. Wer den öffentlich-rechtli­chen Auftrag stärken will, muss die Information stärken.

Ich bedauere es beispielsweise, dass beim Golden Handshake jetzt alle, nein, Ent­schuldigung, viele relevante Persönlichkeiten aus dem Informationsbereich weggehen. Das wird eine Schwächung des öffentlich-rechtlichen Auftrags sein.

Zum Kulturauftrag, meine Damen und Herren: Das Radio-Symphonieorchester ist an­gesprochen worden. Da teile ich Ihre Einschätzung, was den Bestand betrifft. Ich den­ke, es ist auch eine Aufgabe des ORF, dass der Kulturauftrag gelebt wird.

Drittens geht es aber auch um die Frage der Kontrolle. Meine Damen und Herren, so­wohl für die Kontrolle des öffentlich-rechtlichen Auftrages als auch für die Höhe der Ge­bührenfestsetzung braucht es die unabhängige Behörde! Das ist essenziell für den Be­stand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

Der ORF erwartet von uns zu Recht, dass die gemischte Finanzierung in einem vorge­gebenen Rahmen nicht in Frage steht. Er erwartet zu Recht, dass es über eine Privati­sierung keine Diskussion gibt; ich halte sie für falsch. Aber dann erwarten wir als Ge­setzgeber auch vom ORF, dass er das, was der Gesetzgeber will, in der Praxis lebt! Dann ist nämlich die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und des ORF nicht gefährdet. Wenn das Gegenteil geschieht, dann wird der Wettbewerb, dann wird der Markt die Antwort geben. (Beifall.)

11.28


Vorsitzender Präsident Fritz Neugebauer|: Nächste Rednerin ist Frau Mag. Blim­linger. – Bitte.

 


11.28.49

Mag. Eva Blimlinger (Universität für Angewandte Kunst Wien)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben viel vom dualen System ge­hört: öffentlich/privat finanzierter, öffentlich-rechtlicher/privater Sender. Mir ist ein ande­rer Begriff des Dualen, nämlich das Duale von Frauen und Männern im Sinn, das im öf­fentlich-rechtlichen Auftrag in keinster Weise umgesetzt ist. Da ist es der Gesetzgeber, der auf jeden Fall Vorsorge zu treffen hat, um diesen öffentlich-rechtlichen Auftrag in einer Gleichbehandlung – und es geht nicht nur um die Wettbewerbsrichtlinien der EU, sondern auch um die Gleichbehandlungsrichtlinien der EU – im Sinne der demokrati­schen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse umzusetzen.

Ein zweiter Bereich, der dringend umzusetzen ist, ist die ganze Frage der Barrierefrei­heit, die nach wie vor nicht gegeben ist. Es gibt viel zu wenige Programme für Gehör­lose, Hörbehinderte, Sehbehinderte, Blinde. Hier ist auch vom Gesetzgeber her ein­deutig zu definieren, dass das im öffentlich-rechtlichen Auftrag ist, dass es erforderlich ist, dass Prozentsätze definiert werden, sodass erst dann, wenn diese Prozentsätze er­reicht sind, der öffentlich-rechtliche Auftrag erfüllt ist.

Ein zweiter Bereich – und diese Veränderungen wurden heute schon angesprochen –, ein zweites, ganz dringendes Anliegen mit der Notwendigkeit, das auch zu regeln, ist, dass das kulturelle Erbe, nämlich Film, Radio, Fernsehen, Dokumentationen, alles, was in dem Bereich produziert wurde, tatsächlich der Öffentlichkeit zugänglich wird, im Sinne eines ORF-Archivs, das es bis dato öffentlich zugänglich nicht gibt und das da­her kein Archiv, sondern nur eine Registratur ist. Es geht darum, dass dies tatsächlich im neuen ORF-Gesetz mit Verweis auf das Bundesarchivgesetz verankert wird, weil es sonst zukünftigen Generationen nicht mehr möglich sein wird, die Kennedy-Ermordung über Radio zu hören oder die Mondlandung zu sehen, was, glaube ich, nicht im Sinne der demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse ist.

Lassen Sie mich zum Schluss einen Satz sagen. Immer wieder wurde heute in dem einen oder anderen Referat auch die Quote angesprochen, die ja ein ganz zentraler Begriff im Fernsehen ist: Je höher die Quoten, desto besser; da besteht ein gewisser Quotenfetischismus. Ich würde mir diesen Fetischismus auch bei Männern und Frauen wünschen. – Danke. (Beifall.)

11.31


Vorsitzender Präsident Fritz Neugebauer|: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


11.31.37

Bundesrat Stefan Schennach (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien)|: Sehr geehrte Da­men und Herren! Medienpolitik bedeutet in erster Linie, eine Medienvielfalt herzu­stellen. Wir haben sie nicht, oder wir haben sie sehr eingeschränkt, im Printmedienbe­reich. Medienvielfalt heißt, den drei Säulen, die wir in Österreich haben, im elektroni­schen Bereich auch eine entsprechende Überlebenschance zu geben. Das heißt öf­fentlich-rechtlich, das heißt privat, aber das heißt auch freier und nicht-kommerzieller Bereich, der in der jetzigen Debatte eigentlich noch gar nicht vorgekommen ist.

Was bedeutet Medienvielfalt? – Das bedeutet für die Konsumenten und Konsumentin­nen die Wahlmöglichkeit, das bedeutet Medienarbeitsplätze, das bedeutet unterschied­liche Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen, und – deshalb kämpfen wir ja, deshalb muss die Politik um diese Medienvielfalt kämpfen und in den Markt auch eingreifen – das be­deutet letztlich die Stärkung der Demokratie. Denn was wir nicht wollen – daran denke ich, wenn ich höre, dass wir das öffentlich-rechtliche Fernsehen verkaufen sollen –, ist eine „Berlusconisierung“. Wer hätte denn in Österreich die Möglichkeit, Fernsehen zu kaufen oder Radiosender zu kaufen?! Da hätten wir eine weitere Einengung, die wir ohnedies schon bekritteln.

Aber wenn ich höre, was Kollege Molterer darüber gesagt hat, was Stand der Debatte ist, finde ich, dass das nicht das genaue Abbild ist. Der Stand der Debatte ist, dass wir jetzt, ganz offensichtlich unter dem Druck der Kommission, in eine Situation kommen, dass es wieder eine kleine Reparatur gibt. Warum nicht eine große Reparatur? Warum nicht im Sinne einer Diskussion, die im Sommer aufgekommen ist, dem ORF zum Bei­spiel die Möglichkeit geben, vom Quotendruck wegzukommen, ihn zur wirklichen Erfül­lung des öffentlich-rechtlichen Auftrags rein gebührenfinanziert machen und ihm diesen Kampf um Werbung ersparen?

Immer, wenn es heißt, er muss gemischt finanziert werden – wie die Staatssekretäre sagen –, dann gibt es den Quotendruck, denn die Werbewirtschaft wird auf die Quote blicken. Was ist, wenn wir ein anderes Modell vorsehen? Oder wenn wir sagen – und ich verstehe diese Ablehnung nicht –, die Gebührenbefreiung ist dem ORF zu finanzie­ren? – Würde die Regierung beschließen, dass allen finanziell schwachen Haushalten von der OMV soundso viele Liter Dieselkraftstoff zur Verfügung gestellt werden, dann würde die OMV sagen: Machen wir, aber das kostet etwas! Der ORF erbringt diese Leistung, und das kostet etwas.

Aber das kann man, wenn die Politik dazu bereit ist, mit ein bisschen Fantasie auch an andere Bedingungen knüpfen, zum Beispiel: Verdoppelung der Filmförderung – Film­geschäft –, Absicherung des RSO und zuletzt, an Kollegin Blimlinger anschließend: Öffnet die Archive! Der ORF hat die interessantesten Archive. Das ist öffentlich-recht­lich: der freie Zugriff der Österreicher und Österreicherinnen, die das über Jahre finan­ziert haben, auf diese Archive! Das kann man damit verknüpfen, und dann sieht das ganz anders aus, wenn man sagt: Wir geben die Gebührenbefreiung zurück.

In diesem Sinne: einen großen Wurf! Ein Ja zur weisungsfreien, unabhängigen Me­dienbehörde – für die habe ich immer gekämpft – und zur Einführung einer Medienför­derung, die nicht-kommerzielle Freie genauso vorsieht wie Private. (Beifall.)

11.35


Vorsitzender Präsident Fritz Neugebauer|: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Kali­na. – Bitte.

 


11.35.26

Bundesrat Josef Kalina (SPÖ, Wien)|: Meine sehr geehrten Damen und Herren, vor allem Sie zu Hause! Es handelt sich hier, obwohl es oft technisch klingt und rechtlich kompliziert ist, um eines der, glaube ich, wesentlichsten Themen eines Landes und einer Demokratie. Es handelt sich nämlich bei dem Thema, das hier von vielen Exper­ten aus Österreich und dem Ausland diskutiert wird, um nichts weniger als um die Fra­ge: Wer hat den Zugang zur Information? Von wem wird Information dargebracht?

Es handelt sich auch um eine entscheidende Frage der österreichischen Identität. Man muss, glaube ich, eines schon klar sagen: Wer ein österreichisches Fernsehen will und wer ein österreichisches Radio will, der muss dafür sorgen, dass der ORF nicht zerschlagen wird, und der muss dafür sorgen, dass der ORF auf einer klaren gesetzli­chen Basis als öffentlich-rechtlicher Sender finanziell abgesichert wird. Alles andere führt zu einem Zustand, der von denjenigen, die in Österreich an diesen zentralen Fra­gen der Demokratie Interesse haben, nicht gewünscht wird.

Ich möchte hier an einen kleinen Einwurf in der heutigen Rede von Kollegen Schmid aus Deutschland erinnern. Wenn es zum Beispiel um das Stichwort Kinderkanal geht, dann muss ich als Vater von Kindern sagen: Ich würde mir oft wünschen, dass ich das abschalten könnte, was da aus privaten Quellen, inklusive der Werbung, in die Kinder­zimmer hineinströmt. Genau das, würde ich sagen, ist eine ganz wichtige Aufgabe für einen öffentlich-rechtlichen Sender, da es um Qualität für die Kinder geht, für Zu­schauer, die nicht mündig genug sind, um zu beurteilen, was man da auf sie einpras­seln lässt.

Ich möchte aber kein Missverständnis aufkommen lassen: Es ist gut, und es tut auch dem ORF gut, dass es private Konkurrenz gibt. Ich kann mich an die letzten National­ratswahlen erinnern, da haben die österreichischen privaten Sender dem ORF durch­aus gezeigt, dass man mit deutlich geringerem Aufwand auch spannende politische Konfrontationen zustande bringt. Da kann der ORF wieder einmal etwas lernen. Des­wegen geht es, glaube ich, um eine Landschaft, um Rahmenbedingungen, die wir in der Politik schaffen müssen, damit es ein buntes Nebeneinander geben kann.

Eines möchte ich schon noch ansprechen: Wenn es um die Zerschlagung geht – und es wurde ja gestern von Herrn Thoma klar gesagt, dass das das Ziel einiger Gruppen ist –, dann muss man sich fragen: Wer würde denn im Falle einer Zerschlagung des ORF die Teile kaufen? Wer würde ein Programm übernehmen? – In Österreich kom­men da für mich eigentlich nur Lösungen in Frage, die problematisch oder für die De­mokratie bedenklich sind. Entweder sind es große deutsche Senderketten – das ist der Weg in die deutsche Medienkolonie –, oder es sind Gruppen, die heute in Österreich schon im Magazinsektor, im Zeitungssektor, im Radiosektor sehr stark medial tätig sind, und das führt unweigerlich in die Richtung einer Art von „Berlusconisierung“, die wir auch nicht wollen können.

Ich möchte sagen, dass der ORF auch für die Opposition und für die Demokratie insge­samt wichtig ist. Man braucht nur zu schauen, wie jetzt die Diskussion in Deutschland und in Italien verläuft. Wo würde der Opposition ein derartiger Raum eingeräumt wer­den: Sommergespräche, die gleich lang sind für Herrn Strache oder für die Zwei-Pro­zent-Partei BZÖ wie für den Kanzler, den Vizekanzler, den Finanzminister? – Das sind wichtige Dinge, die man nicht wegdiskutieren muss.

Man muss dabei aber ganz besonders aufpassen – das wurde heute unter verschiede­nen Themen schon oft vorgebracht –, dem ORF im Programm keine Fesseln anzule­gen, die ihn vom Publikumserfolg abschneiden, und – ich bin in diesem Bereich tätig – ihm auch keine Fesseln im Bereich der Werbung anzulegen. Als jemand, der in diesem Bereich tätig ist, würde ich nicht wollen, dass man im meistgesehenen Programm in Österreich nicht werben dürfte. Das wäre meiner Meinung nach völliger Unsinn.

Klar ist, dass der ORF Beschränkungen braucht: keine Unterbrecherwerbung – ich fin­de das übrigens fürs Publikum ganz gut –, keine Abzocke durch irgendwelche Telefon­spielchen, keine versteckte Werbung, wie es Private machen! Auf diese Qualität sollen sich die Zuschauer verlassen können. Aber den ORF von der Werbung abzuschnei­den, heißt (Präsident Neugebauer gibt das Glockenzeichen), ihn letztendlich vom Pub­likum abzuschneiden. – Danke. (Beifall.)

11.39


Vorsitzender Präsident Fritz Neugebauer|: Nächster Redner ist Herr Dr. Brugger. – Bitte.

 


11.39.46

Dr. Sepp Brugger (Die Grünen Tirol)|: Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte nach den Ausführungen des Staatssekretärs Lopatka vor allem noch einmal auf die Fi­nanzierungsstruktur eingehen. Der Abgeordnete Dieter Brosz hat schon dargelegt, dass neben dem Programmentgelt – und nur das Programmentgelt erhält der ORF – auch Rundfunkgebühren eingehoben werden. Ich möchte hier nicht auf die Landesab­gaben und den Kunstförderungsbeitrag eingehen. Es sind immerhin zirka 55 Millio­nen €, die die Österreicherinnen und Österreicher jährlich an Rundfunkgebühren zah­len, und wie der Staatssekretär ausgeführt hat, werden nur 21 Millionen € davon, also nicht einmal die Hälfte, für Rundfunkangelegenheiten verwendet.

Meine Damen und Herren! Das ist für mich Betrug an den GebührenzahlerInnen, denn auch diese 30 Millionen € zahlen die RundfunkteilnehmerInnen für Rundfunkangele­genheiten. Die GebührenzahlerInnen haben einen Anspruch darauf, dass diese Gelder auch für Rundfunkangelegenheiten verwendet werden und nicht zur Deckung irgend­welcher Budgetlöcher. Und hier, denke ich, wäre ein erster Ansatz, wie man in Zeiten einer Finanzkrise auf einfachem Wege, zum Beispiel durch Verdoppelung der Filmför­derung, durch Verdoppelung der Medienförderung für einen erheblichen publizistischen Mehrwert sorgen könnte.

Ein weiterer wichtiger Punkt, der mir als Osttiroler am Herzen liegt, sind die Länder­studios. Ich bin gegen ein Kaputtsparen, aber ich bin für mehr Effizienz, denn mir wird irgendjemand erklären müssen, warum man mit eigentlich doch sehr umfänglichen Länderstudios, mit einem großen Apparat, mit guter Infrastruktur nur ein halbstündiges Fernsehprogramm zustande bringt und nur ein Radioprogramm täglich produzieren kann.

Nur zum Vergleich möchte ich darauf hinweisen, dass zum Beispiel in Osttirol ein klei­nes Lokalradio bei den meisten Hörergruppen sogar höhere Einschaltquoten erreicht. Dies als kleines Lokalradio!

Da werden Sie mir recht geben: Hier fehlt die Effizienz! Ich erwarte mir von gesteigerter Effizienz nicht ein Einsparen, sondern die Schaffung eines größeren publizistischen Mehrwertes auch auf Länderebene. – Danke. (Beifall.)

11.42


Vorsitzender Präsident Fritz Neugebauer|: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Lueger. – Bitte.

 


11.42.48

Abgeordnete Angela Lueger (SPÖ)|: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herrn auf der Regierungsbank! Liebe Experten! Werte Kolleginnen und Kollegen!

Menschen zu Informationen verführen – das war für mich ein schönes Stichwort. Da­her, und das kann ich aus unserer Sicht sagen, stehen wir zu einem dualen Rundfunk­system. Öffentlich-rechtliches Fernsehen braucht ökonomische Unabhängigkeit, also eine Zusammensetzung, eine Mischform der Finanzierung aus Gebühren und Werbe­einnahmen.

Ich möchte jedoch noch zwei zusätzliche Aspekte einbringen, die mir sehr wichtig sind: Die Sicherung, die finanzielle Absicherung von „147 – Rat auf Draht“. „Rat auf Draht“ ist eine internationale, für uns nationale Kinder- und Jugend-Notrufnummer, die für Kin­der und Jugendliche in ganz Österreich gebührenfrei zur Verfügung steht. Innerhalb der Zielgruppe der 14- bis 19-Jährigen hat „Rat auf Draht“ einen Bekanntheitswert von 92 Prozent. Und die Zahlen – 120 000 Beratungen pro Jahr plus 4 000 Online-Beratun­gen – zeigen, wie wichtig dieses „Rat auf Draht“ für Kinder und Jugendliche ist. Kinder und Jugendliche sind Teil der Gesellschaft, und es ist ja auch Auftrag des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, für alle Fernsehen zu machen.

Ein zweiter mir wichtiger Aspekt ist die Erhöhung des Anteils von Musik aus Österreich. Gemäß § 4 ORF-Gesetz hat der ORF die Aufgabe der ausgewogenen Vermittlung, Förderung und Berücksichtigung der Gegenwartskunst, Kultur und Wissenschaft aus Österreich und dabei insbesondere auch alle Stilrichtungen zu berücksichtigen. Wenn ich mir aber die Zahlen von 2008 anschaue: Es waren nur 14 Prozent der Kompositio­nen und 21 Prozent der Interpreten aus Österreich!

Damit ist Österreich diesbezüglich leider Schlusslicht in Europa und liegt an drittletzter Stelle der Welt. Das bedeutet: Es gibt ganz einfach viel zu tun. 50 Prozent mehr Ein­sätze – und das ist auch der Anteil, der in den achtziger Jahren schon einmal erreicht wurde – würden 1,1 Milliarden € mehr jährliche Wertschöpfung für die Musikwirtschaft bedeuten.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat den Auftrag, ein differenziertes Gesamtpro­gramm aus Information, Kultur, Unterhaltung und Sport für alle Menschen zu machen, aber der ORF hat auch noch durch qualifizierte Arbeitsplätze eine Vorbildfunktion für heimische Künstler und Kunstschaffende. Einer Trennung von Kultur, Kunst und Unter­haltung ist daher striktest entgegenzuwirken. Daher haben wir auch den Auftrag, die Rahmenbedingungen für ein zukunftsorientiertes, zeitgemäßes öffentlich-rechtliches Fernsehen als, wie Herr Schächter sehr schön gesagt hat, ein Forum des Interessens- und Meinungsaustausches zu schaffen. – Danke schön. (Beifall.)

11.46


Vorsitzender Präsident Fritz Neugebauer|: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Karl. – Bitte.

 


11.46.18

Abgeordnete Mag. Dr. Beatrix Karl (ÖVP)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­te Damen und Herren! Herr Generaldirektor Lowe hat darauf hingewiesen, dass die Kompetenz zur Ausgestaltung des Rundfunks bei den Mitgliedstaaten liegt. Das be­deutet natürlich nicht, dass die Mitgliedstaaten dabei völlig am Europarecht vorbei­agieren dürfen, sondern sie müssen sehr wohl das Europarecht und hier insbesondere auch das Europäische Wettbewerbsrecht mit seinem Kartellverbot, Missbrauchsverbot und Beihilfenverbot berücksichtigen. Das ist ganz wichtig. Nur auf diese Art und Weise kann ein europaweiter fairer Wettbewerb, der heute mehrfach angesprochen wurde, auch tatsächlich sichergestellt werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als Generalsekretärin des ÖAAB und Vertre­terin der Arbeitnehmerinteressen sind mir aber nicht nur der faire Wettbewerb, sondern vor allem auch die Beschäftigten und ihre Arbeitsbedingungen besonders wichtig. In der gesamten Diskussion um die Weiterentwicklung und die Zukunft des Rundfunks ist mir aufgefallen, dass die Situation der Beschäftigten eigentlich kaum vorkommt, über ihre Situation wird nur wenig gesprochen. Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass gera­de die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Medienbranche ganz wichtige de­mokratiepolitische Humanressourcen sind. Sie sind es ja, die die Öffentlichkeit infor­mieren und politische und gesellschaftliche Informationen transportieren. Insbesondere journalistisch tätige Personen haben hier natürlich eine ganz, ganz wichtige Funktion zu erfüllen.

Der ORF als einer der größten Arbeitgeber in der Medienbranche verdient daher mei­nes Erachtens unsere besondere Aufmerksamkeit. Es wurde ja vor allem in letzter Zeit auch immer wieder von mehreren Experten angesprochen, dass der ORF zu viel Per­sonal beschäftigt und dass es eines Restrukturierungsprogramms bedarf, das auch mit Personalabbau verbunden ist. Meines Erachtens steht die Tatsache, dass es solcher Maßnahmen bedarf, außer Zweifel. Das heißt, das Ob ist gewiss, aber es geht auch um das Wie. Es geht natürlich auch um die Frage, wie ein solcher Personalabbau aus­sehen soll, und das müssen wir auch kritisch hinterfragen. Ich bin daher sehr froh darü­ber, dass heute nicht nur der Generaldirektor des ORF, sondern auch der Zentralbe­triebsratsvorsitzende des ORF hier noch zu uns sprechen kann.

Lassen Sie mich abschließend noch kurz auf das sogenannte „Golden-Handshake-Programm“ des ORF eingehen. Aus meiner langjährigen Praxis als Arbeitsrechtlerin kann ich Ihnen nur sagen, dass ich im Zusammenhang mit solchen „Golden-Hand­shake-Programmen“ sehr gemischte Erfahrungen gemacht habe. Man darf dabei näm­lich nicht vergessen, dass es in der Regel die aktiven Leistungsträger sind, die sehr rasch von solchen „Golden-Handshake-Programmen“ Gebrauch machen und dann ihre damit gewonnene Freizeit sehr häufig dafür verwenden, als selbständige Einzelunter­nehmen im gleichen Umfeld tätig zu werden wie der ehemalige Arbeitgeber.

Auch Generaldirektor Wrabetz hat ja in einem APA-Interview vergangenen Dienstag angesprochen, dass sich unter den Abgängen zahlreiche Leistungsträger befänden und damit eine Strukturstraffung möglich sei. Nun ja, dass das aber nicht unbedingt die beste Entwicklung für den ORF sein kann, liegt meines Erachtens auf der Hand. Es hat ja auch Kollege Willi Molterer darauf hingewiesen, dass sehr viele Personen aus dem Informationsbereich von diesem „Golden-Handshake-Modell“ Gebrauch gemacht ha­ben. (Präsident Neugebauer gibt das Glockenzeichen.) Er hat das sehr bedauert, und ich kann mich diesem Bedauern nur anschließen.

Ich möchte abschließend darauf hinweisen, dass ich es für sehr wichtig halte, dass sol­che Maßnahmen des Personalabbaus viel gezielter gesteuert werden müssen. Tut man das nicht, tut man meines Erachtens dem ORF nichts Gutes. – Danke. (Beifall.)

11.49


Vorsitzender Präsident Fritz Neugebauer|: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Zinggl. – Bitte.

 


11.50.23

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (Grüne)|: Meine Damen und Herren! Mir hat überhaupt noch niemand erklären können, wieso die Rundfunkgebühr nicht 1 : 1 dem ORF gegeben wird. Das hat mir bis jetzt noch niemand erklären können! Ich beobachte das seit 20 Jahren. Einen Teil bekommt der Finanzminister, einen Teil bekommen die Länder. Was sie damit machen, wissen wir zwar, es hat aber jedenfalls nichts mit Me­dien zu tun. Das sind nichts anderes als Steuern. Das sind nichts anderes als Son­dersteuern, die noch dazu keiner Progression unterliegen. Das heißt, es zahlen alle gleich viel – ganz egal, ob es der Generaldirektor der Raiffeisenbank ist oder eine Al­leinerziehende mit geringem Einkommen.

Berechnen wir einmal ganz trocken: Wie würde es ausschauen, wenn alle Haushalte direkt an den ORF zahlen würden? – 3 Millionen Haushalte würden in etwa 800 Mil­lionen € für den ORF bringen. Dazu kommen 100 Millionen € aus der Geschäftstätig­keit noch ohne irgendwelche Werbeeinnahmen; das macht 900 Millionen €. Damit wä­ren die Ausgaben des ORF schon gedeckt. Das, würde ich sagen, wäre wirtschaftliche Unabhängigkeit, die letztlich dazu führen würde, dass der ORF auch weniger nach Quoten schielen müsste und daher auch weniger Boulevard und Verdummungskla­mauk produzieren beziehungsweise senden müsste.

Genau das sicherzustellen, wäre ja die Aufgabe einer Regierung, und auch sicher­zustellen, dass die Kernaufgaben wirtschaftlich erfüllt werden können, natürlich auch die kulturellen Kernaufgaben. Dazu gehört auch, dass die Filmwirtschaft nicht jedes Jahr betteln und vor der Tür stehen muss, damit ja irgendwie das Geld wieder bei­sammen ist, das die österreichische Filmwirtschaft braucht, die wiederum auch der ORF braucht, um heimische Produktionen auszustrahlen. Es ist auch unwürdig, dass das Thema RSO ständig am Tapet ist und nicht gelöst wird.

Diese Unabhängigkeit ist zu garantieren, und es ist auch Aufgabe der Regierung, das sicherzustellen. Ich frage mich: Warum wird das nicht mit den Rundfunkgebühren ge­macht, die die Leute zahlen?

Ich kann mir nur eines vorstellen, dass nämlich ein wirtschaftlich schwacher ORF na­türlich auch immer politisch anfällig ist. Das heißt, immer dann, wenn wirtschaftliche Abhängigkeit gegeben ist, kann man jederzeit sagen: Na ja, so geht’s nicht weiter, jetzt müssen Leute ausgetauscht werden, und es müssen neue Strukturen, neue Modelle her! Also mit einem Wort: Es gibt da immer so eine Gängelung, die genau genommen zu verhindern wäre.

Vor 15 Jahren – ich habe gestern in den Archiven nachgesehen – behandelten wir das gleiche Thema. Auch damals wurde gefordert: politische Unabhängigkeit, qualitatives Programm, wirtschaftliche Probleme müssen beseitigt und sofort Sparmaßnahmen durchgeführt werden, denn sonst geht der ORF pleite und zugrunde.

Der ORF ist nicht pleite gegangen, aber die Probleme sind sehr ähnlich. Damals schon wurden Sparmaßnahmen gefordert und überlegt wie zum Beispiel: Brauchen wir wirk­lich neun Landesstudios? Genügen nicht vier? Oder wenn wir schon die neun Landes­studios haben: Kann man nicht zumindest die Verwaltung, die technische Verwaltung zusammenführen? Das alles sind Dinge, die nach wie vor überlegt werden müssen und an die eigentlich niemand rührt. Wir haben in Eisenstadt ein Landesstudio, aber wir ha­ben kein „Landesstudio“ in Brüssel. Da stimmen die Verhältnisse ja überhaupt nicht! Braucht man wirklich Landesdirektionen, Programmverantwortliche und Chefredaktio­nen in jedem Landesstudio?

Ich glaube, wenn alle miteinander sparen und wenn die Regierung die wirtschaftliche Unabhängigkeit absichert, dann steigt die Qualität und gibt es auch keine politische Ab­hängigkeit mehr. Das ist der Weg, den ich bevorzugen würde. – Danke. (Beifall.)

11.53


Vorsitzender Präsident Fritz Neugebauer|: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Fuhrmann. – Bitte.

 


11.53.54

Abgeordnete Mag. Silvia Fuhrmann (ÖVP)|: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Da­men und Herren! Frau Kollegin Lueger von der SPÖ hat vorhin den Programmauftrag des ORF zitiert und gemeint, der ORF sollte – und ich sage auch ganz bewusst: soll­te – ein differenziertes Gesamtprogramm aus Information, Kultur und Unterhaltung an­bieten. Faktum ist allerdings, dass das intellektuelle Niveau zu verschwinden scheint und wir im Endeffekt bei Event- und Massenkultur angelangt sind. Und das, meine Da­men und Herren, ist meines Erachtens ein wesentliches Problem.

Besonders ärgerlich dabei ist, dass sich die Quotenjagd im Endeffekt auch als Flop he­rausgestellt hat, und fraglich scheint mir auch die neueste Kundmachung, in der es heißt, Casinos Austria und der ORF suchen das neue „Pokerface“, der ORF startet eine neue Pokersendung. – Ob das, meine sehr geehrte Damen und Herren, dem Pro­grammauftrag entspricht, kann uns vielleicht dann im Anschluss der Herr Generaldirek­tor erklären.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, was ich auch erwähnen möchte, weil es heu­te schon gesagt wurde, ist: Der ORF vernachlässigt auch die österreichischen Musik­schaffenden sträflich. Ich denke, dass wir auch da entgegenhalten müssten.

Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem die Glaubwürdigkeit des öffentlich-rechtli­chen Rundfunks in Frage gestellt wird. Und wenn diese Glaubwürdigkeit zur Gänze verloren ist, dann stellt sich die Frage der Gebührenrefundierung gar nicht, sondern dann wird die Frage nach der Legitimierung von Gebühren überhaupt gestellt werden.

Eines dürfen wir nicht vergessen: Die Gebühreneinhebung ist ein Privileg. In Anbe­tracht des Kulturauftrages ist es nicht nur völlig absurd, sondern meiner Meinung nach auch verantwortungslos, finanzielle Mittel für den österreichischen Film, aber auch für das Radio-Symphonieorchester zu streichen. Und, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich würde sogar meinen, dass es heuchlerisch ist, auf der einen Seite die brillanten und international anerkannten Leistungen unserer Musiker zu rühmen und sich mit Oscar-Preisträgern fotografieren zu lassen, aber dann, wenn es um deren Existenz geht, jede Verantwortung von sich zu weisen.

Herr Generaldirektor, Sie haben das Angebot gemacht, die Gebührenrefundierung dem österreichischen Film und dem RSO zu widmen. Das mag für einige sehr verlockend klingen. Positive Stimmen haben wir seitens der Politik ja schon gehört, möglicherwei­se auch als Versuch, Sie dabei zu unterstützen. Ich möchte aber davor warnen. Es sind auch einige Zeitzeugen hier unter uns, die nicht vergessen haben, dass wir schon einmal vor der Situation gestanden sind, dass die österreichische Filmwirtschaft vom ORF eingespannt wurde, ja ich würde sogar meinen, als treibende Kraft benutzt wur­de – und im Endeffekt hat sich dann herausgestellt, dass alles ein großer Pflanz war.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir brauchen eine nachhaltige Sicherung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und kein Stückwerk und auch keine Beruhigungspil­len. Unsere Aufgabe ist es, jetzt Maßnahmen zu ergreifen, um die Stabilität des ORF langfristig zu sichern. (Präsident Neugebauer gibt das Glockenzeichen.)

Möglicherweise ist es unsere letzte Chance, und deshalb müssen wir die Aufgabe jetzt auch anpacken. (Beifall.)

11.57


Vorsitzender Präsident Fritz Neugebauer|: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bun­desrat Mag. Klug. – Bitte.

 


11.57.24

Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Die von Herrn Staatssekretär Lopatka strapazierte Gebührendebatte ist zweifelsohne für uns alle eine äußerst sensible Angelegenheit, der wir uns sehr, sehr vorsichtig nähern. Meines Er­achtens, sehr geehrte Damen und Herren, ist es allerdings fahrlässig, in diesem Zu­sammenhang die österreichischen Gebühren mit den italienischen Gebühren zu ver­gleichen. Ich würde Herrn Lopatka gerne einladen, einmal bei jenen landesweiten italienischen Sendern zu unterschiedlichen Zeiten kurz hineinzuschauen, das setzt zweifelsohne zumindest rudimentäre Italienischkenntnisse voraus. Wenn man sich die­ser Mühe unterzieht, kommt man sehr, sehr rasch zum Ergebnis, dass wir alle keine „Berlusconisierung“ haben wollen und daher auch diesen Vergleich eher rasch zurück­ziehen sollten.

Sehr geehrte Damen und Herren, nun zum wahren Grund für meine Wortmeldung: Es ist geübte gute Praxis, Enqueten mit Kolleginnen und Kollegen aus dem Nationalrat, aber auch aus dem Bundesrat zu beschicken; ich sehe auch, dass einige Kollegen aus dem Bundesrat anwesend sind. Daher wird es an dieser Stelle wahrscheinlich nicht überraschend sein, dass ein Vertreter aus dem Bundesrat in dieser strukturellen De­batte auch die Bundesländer anspricht.

Ich möchte eine Lanze dafür brechen, sehr geehrte Damen und Herren, dass dort, wo in Zukunft im ORF Bundesland draufsteht, auch Bundesland drinnen sein muss. Es muss Platz geben für landestypische Spezifika, die gesellschaftspolitisch von besonde­rem Interesse und von besonderer Bedeutung sind.

Ich sage daher noch einmal: Eine „Berlusconisierung“ wollen wir nicht. – Danke schön. (Beifall.)

11.59


Vorsitzender Präsident Fritz Neugebauer|: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Amon. – Bitte.

 


11.59.26

Abgeordneter Werner Amon, MBA (ÖVP)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Da­men und Herren! Niemand hier will, glaube ich, eine „Berlusconisierung“ der österrei­chischen Medienlandschaft. Das derart darzustellen, ist nicht in Ordnung, es ist ja nicht Bestandteil unserer Debatte.

Wenn es aber – und das ist meiner Meinung nach schon wichtig – ein klares Bekennt­nis zu einer Dualität, wie wir sie im Bereich des Fernsehens ausdrücklich haben wol­len, gibt – und dazu gibt es ein klares Bekenntnis –, dann bedarf es aber auch, wenn es eine Gebührenverpflichtung für die Zuseherinnen und Zuseher gibt, einer entspre­chenden Akzeptanz in der Bevölkerung. Natürlich ist die Quote auch Ausdruck dieser Akzeptanz, und daher gilt selbstverständlich für einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk auch der Anspruch, in der Quote nicht permanent abzusacken.

Es heißt so schön, die größte Gefahr für den Politiker ist das Archiv. Ich habe mir das daher ein wenig angeschaut, wie Herr Klubobmann Cap im Frühjahr des Jahres 2006 die damalige Generaldirektorin des ORF böse gescholten hat, weil die Quoten ach so schlecht wären, und er gefragt hat, was sie denn vorhabe, um einen Quotenanstieg zu bewerkstelligen. Damals sprachen wir allerdings von Quoten, die deutlich über 40 Pro­zent lagen. Dieser Abstieg wurde bisher nicht gestoppt, und es ist auch keine Stabili­sierung eingetreten.

Ich sage das deshalb, weil – und da bin ich auch sehr bei Herrn Tobias Schmid, der gemeint hat, man muss, wenn man sich im dualen System bewegt, darauf achten, dass sozusagen der politische Konsens stabil bleibt – der politische Konsens nur dann stabil bleibt, wenn sich der ORF an dem orientiert, was sein gesetzlicher Auftrag ist. Möglicherweise müssen wir – das hat Mag. Molterer sehr richtig angesprochen – den öffentlich-rechtlichen Auftrag auch nachschärfen, möglicherweise muss es hier um mehr Klarheit gehen, möglicherweise liegen gröbere Missverständnisse vor.

Es geht darum, Information sicherzustellen, es geht darum, den Kulturauftrag des ORF sicherzustellen, natürlich auch Unterhaltung anzubieten – das ist letztlich auch für die Quoten nicht unwesentlich –, und es geht vor allem auch um den Bildungsauftrag des ORF.

Quoten schaffen Akzeptanz, und diese Akzeptanz wollen wir gemeinsam erreichen. Es reicht nicht, zu sagen, es bleibet alles, wie es ist. Ich möchte da eher dem Sprichwort anhängen: Es muss sich alles ändern, damit es so bleiben kann, wie es ist. – Danke. (Beifall.)

12.02


Vorsitzender Präsident Fritz Neugebauer|: Nächster Redner: Herr Mag. Grünber­ger. – Bitte.

 


12.02.48

Mag. Gerald Grünberger (Verband Österreichischer Zeitungen)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Staatssekretäre! Sehr geehrte Damen und Herren Ab­geordnete! Hohes Haus! Ich habe lange den Politikern zugehört, gestatten Sie mir da­her einen Zwischenruf vom Markt. Insbesondere habe ich aufgehorcht, als Herr Klub­obmann Cap davon gesprochen hat, dass Private und der ORF kooperieren sollen. Ich glaube, das kann man getreu dem österreichischen Motto sehen: Herr Rat, wir werden keinen Richter brauchen! – Genau um das geht es eigentlich nicht. Es geht um den fai­ren Wettbewerb am Rundfunkmarkt, am Medienmarkt, am Rezipientenmarkt und am Werbemarkt.

Übrigens der Werbemarkt: Da erleben wir es leider immer wieder – auch vorgestern ist wieder so ein Fall verurteilt worden –, dass der ORF Schleichwerbung betreibt. Ich sage es nochmals: Schleichwerbung, nicht eine Werbeübertretung, sondern wirklich Schleichwerbung. Und die Frage ist: Wollen wir es dem Zuseher zumuten, dass vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk sehr bewusst am Werbemarkt auch Schindluder betrie­ben wird?

Ich glaube, für diesen fairen Wettbewerb muss ein Grundsatz erfüllt sein: Wo der ORF unter seiner Marke auftritt, muss der öffentlich-rechtliche Kernauftrag klar erkennbar sein. Oder anders gesagt: Der ORF ist eine starke Marke, und zweifelsohne darf er sie nicht dazu verwenden, den Wettbewerb zu verzerren. Da ist in vielen Bereichen Skep-sis und auch Zweifel angebracht, und der Verband Österreichischer Zeitungen hat ja in diesem Zusammenhang 2004 eine Wettbewerbsklage bei der Europäischen Kommis­sion eingebracht. Diese wird, wie Sie heute auch von Herrn Lowe gehört haben, Ende Oktober entschieden werden.

Der ORF soll als Stiftung öffentlichen Rechts auf seine eigentliche Aufgabe fokussiert werden und der zu präzisierende und überprüfbare Programmauftrag soll als generelle Messlatte für alle Aktivitäten des ORF dienen. Das schließt kommerzielle Aktivitäten über privatwirtschaftliche Hilfskonstruktionen, die nicht zur unmittelbaren Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags dienen, jedenfalls aus. Dies gilt insbesondere für den In­ternet- und Onlineauftritt. Es geht nicht um das Versperren der digitalen Zukunft für den ORF, sondern es geht schlichtweg um Fairness.

Der Zuseher wird sich nun fragen, was mit seinem Gebühren-Euro passiert. Nun, da wäre eine unabhängige Kontrolle über den Programmauftrag, die Erfüllung des Pro­grammauftrages und die Verwendung des Programmentgelts dringend geboten. Hier jedoch eine Antwort, die der Markt oder auch die Marktrealität bedingt: Trotz aller Be­teuerungen des ORF, die oft noch jungen österreichischen TV- und Radio-Veranstalter nicht in ihrer Gestion zu behindern, wird gnadenlos die dominante Marktstellung ausge­nutzt und werden die Räume eng gemacht. Oppressives Marktverhalten und großzügi­ge Marketing- und Werbekampagnen in Zeiten der Wirtschafts- und Finanzkrise sind nur ein wesentliches und trauriges Merkmal im Medienalltag.

Ein Beispiel in diesem Zusammenhang habe ich Ihnen mitgebracht, nämlich eines der vielen unnötigen Werbegeschenke des ORF. Anstatt in Kunst, Kultur oder österrei­chische Filme zu investieren, hat der ORF einen Operngucker (der Redner hält einen solchen in die Höhe) produziert und verteilt den sehr großzügig. Ich darf diesen als Ge­schenk an den Herrn Staatssekretär Ostermayer übergeben, damit er den klaren Blick auf den ORF für die Reform nicht verliert. – Danke. (Beifall. – Mag. Grünberger möch­te den Operngucker Herrn Staatssekretär Dr. Ostermayer übergeben. – Staatssekretär Dr. Ostermayer: Danke, ich hab’ schon einen!)

12.06


Vorsitzender Präsident Fritz Neugebauer|: Nächster Redner: Herr Dr. Huainigg. – Bitte.

 


12.07.25

Dr. Franz-Josef Huainigg (Medienpädagoge; ÖVP-Behindertensprecher)|: Sehr geehr­ter Herr Präsident! Hohes Haus! Die Spannung steigt immer, wenn ich auftrete, eine Spannung, die auch im ORF öfter vorkommen sollte. Leider können Sie behinderte Menschen teilweise nicht sehen, ja größtenteils sogar nicht sehen, da der öffentliche Auftrag nicht erfüllt wird im Sinne behinderter Menschen.

Das Programm ist für viele behinderte Menschen nicht verfolgbar. Es ist keine Almo­senpolitik, wenn man Fernsehen und Internet zugänglich macht für behinderte Men­schen, sondern behinderte Menschen zahlen Rundfunkgebühren, und für 100 Prozent Gebühren könnte man auch verlangen, dass man 100 Prozent Barrierefreiheit und Zu­gänglichkeit bekommt.

Ein Beispiel für Barrierefreiheit ist die Gebärdensprache für gehörlose Menschen. Es hat im normalen Fernsehen wöchentlich eine Nachrichtensendung gegeben, die Wo­chenschau in Gebärdensprache, die wurde jetzt aus dem Programm gekippt – trotz steigender Zahl an ZuseherInnen. Man wartet noch gespannt, was für ein Nachfolge­programm, welcher Ersatz hier geboten wird. Da ist der ORF noch eine Antwort schul­dig.

Gehörlose Menschen und schwerhörige Menschen sind auch auf Untertitel angewie­sen. Ein Vergleich dazu: Im Jahre 2007 – das ist die letzte EBU-Umfrage – wurden in Großbritannien und Irland 100 Prozent des Programms untertitelt, in Frankreich 60 Prozent, in Belgien und Schweden 65 Prozent. Natürlich hat der ORF ein paar Pro­zent aufgeholt in den letzten Jahren, aber auch die anderen Länder haben aufgeholt, und hier müsste im neuen ORF-Gesetz eine Volluntertitelung verankert werden. Frei­willig ist das nicht geschehen, deshalb sollte man das unbedingt schriftlich festlegen.

Blinde Menschen sind viel unterwegs, auch im Internet, sie surfen und sie schauen auch fern. Wenn sie fernsehen, sind sie angewiesen auf Audiodeskriptionshilfen, auf Erklärungshilfen, auf Zweikanalton; im ORF gibt es da jedoch im Wesentlichen nur eine Sendung pro Woche, nämlich „Ein Fall für Zwei“. Viele Menschen sind inzwischen ein­gefleischte Fans von Matula. Vielleicht könnte man dieses Angebot etwas erweitern.

ORF.at ist noch immer nicht barrierefrei zugänglich, es entspricht nicht einmal dem un­tersten Zugänglichkeitslevel.

Was ich noch anführen möchte, ist das Bild behinderter Menschen im Fernsehen, in den Medien. Gerade zur Weihnachtszeit ärgern sich viele behinderte Menschen und neigen dazu, den Fernsehapparat zumindest abzuschalten, wenn nicht aus dem Fens­ter zu werfen, weil einfach ihre Lebenssituation, ihre Lebensrealität nicht dem kli­scheehaften Bild jener Menschen entspricht, wie es im Fernsehen vermittelt wird. Hier braucht es ein realistisches Bild behinderter Menschen in den Medien und auch die Einbindung behinderter Menschen in die Diskussion und nicht die Negierung der Kritik.

Mein Resümee ist daher, dass behinderte Menschen nicht länger Kunden zweiter Klas­se bleiben sollten und dass das Motto des ORF „Bewusst gesund“ umgewandelt wer­den sollte in „Bewusst nicht behindernd“. – Danke. (Beifall.)

12.12


Vorsitzender Präsident Fritz Neugebauer|: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Dr. Weißmann. – Bitte.

 


12.12.40

Hon.-Prof. Dr. Georg Weißmann (ORF-Publikumsrat)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Nach diesem berührenden Beitrag des Herrn Dr. Huainigg darf ich Ihnen die Anliegen des Publikums, des eigentlichen Konsumen­ten des ORF, darlegen und kurz umreißen.

Zu Beginn erlauben Sie mir, ein Bekenntnis zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk abzu­legen, zu einem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, den wir schätzen und den wir ungeteilt erhalten wollen, kurz zu einem ORF, der unverzichtbarer Teil des Lebens und der Le­bensqualität vieler, ja sehr vieler unserer Mitbürger, der Kinder, der Eltern, der Großel­tern und in zunehmendem Maße auch der Urgroßeltern geworden ist. Dennoch wissen wir, wir müssen vieles ändern, um das Wichtige, das uns am Herzen liegt, zu erhalten.

In diesem Sinne unser Anliegen: Bitte stärken Sie die Struktur der Publikumsvertreter! Wir haben derzeit den Publikumsrat, der mit Empfehlungen arbeitet. Empfehlungen sind gut, aber sie sind zu wenig, denn sie haben keine Sanktion. Sie wissen, wir finan­zieren mit unseren Gebühren zwei Drittel des ORF – vor wenigen Jahren waren es 50 Prozent –, Tendenz steigend.

Daher gilt mit Fug und Recht: Wer zahlt, will auch mitreden, und zwar in zunehmendem Maße mitreden. Da sind Sie gefordert.

Bitte stärken Sie aber in gleicher Weise auch die Unabhängigkeit des ORF. Das Recht zur Unabhängigkeit muss auch mehr denn je verbunden werden mit einer Pflicht aus der Unabhängigkeit, und diese Verpflichtung, die aus der Unabhängigkeit resul­tiert, muss, sonst ist sie wirkungslos, auch von einer unabhängigen Behörde evaluiert und überwacht werden.

Eines lassen Sie mich auch hier an dieser Stelle sagen: Wir bekennen uns zur födera­len Struktur, zu den Bundesländer-Studios, die die wahre Brücke zu den Menschen in allen Ländern sind. Ich bitte, hier besonders darauf zu achten, dass dies erhalten bleibt.

Der öffentlich-rechtliche Auftrag ist klar. Das wird eine mühsame Arbeit werden, aber ich würde mir in Zukunft Diskussionen wie um das RSO gerne ersparen.

Finanzielle Situation : Bitte geben Sie dem ORF, was ihm zusteht, was unter dem Titel ORF-Gebühr eingehoben wird, ungeteilt, und erstatten Sie in einer entsprechenden neuen Struktur des ORF auch die Gebührenrefundierung!

Gespart werden muss, das wissen wir, aber wo nicht gespart werden darf, schon gar nicht gespart werden darf, ist das Programm. Es soll ein Programm sein, das zum bestmöglichen Preis in bestmöglicher Qualität geleistet und gesendet werden wird.

Denken Sie bitte bei der ORF-Reform vor allem an die, auf die ankommt – und das ist das Publikum! – Danke. (Beifall.)

12.17


Vorsitzender Präsident Fritz Neugebauer|: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ing. Westenthaler. – Bitte.

 


12.17.16

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (BZÖ)|: Meine sehr geehrten Damen und Her­ren! Ich möchte nicht aus der Sicht des Politikers, sondern des Zusehers, des Konsu­menten in der Werbesprache, sprechen.

Stellen Sie sich vor, Sie kommen eines Abends nach Hause, drehen auf und zappen, was wir alle ja wahnsinnig gerne machen. Wir zappen alle sehr gerne durch die Sen­der. Und da zappe ich durch, ich zappe vom ARD zum ZDF, dann zum RTL und dann zu SAT1 – und plötzlich gibt es in alle vier Sendern genau dieselbe Sendung. Gesen­dete Bankrotterklärung der Medienvielfalt? Oder 100-prozentige Umsetzung des dua­len Systems auf falsche Art und Weise? Nein! Ein Stück realer TV-Geschichte des ver­gangenen Sonntags zwischen 20.30 Uhr und 22 Uhr. Ich war wirklich überrascht und es hat mir imponiert, wie da Private und Öffentlich-Rechtliche zusammengefunden ha­ben und dieses Duell miteinander nicht nur vorbereitet und inszeniert haben, sondern dann auch durchgeführt haben. Natürlich, davor und danach hat jeder seine eigene Be­richterstattung gehabt, aber es war dies eine gelebte Kooperation, eine Zusammen­arbeit zwischen Öffentlich-Rechtlichen und Privaten, wie sie eigentlich wünschenswert sein sollte, sein muss und in Zukunft auch in Österreich durchaus sein könnte.

Ich würde mir das bei der nächsten Wahl wünschen. Nicht jetzt so ein schläfriges Duell wie zwischen Merkel und Steinmeier, denn das war eher zum Einschlafen, aber das Davor und Danach war interessant. Warum kann nicht beim nächsten Mal Frau Sarin­ger von ATV gemeinsam mit Ingrid Thurnher und mit Frau Raidl von Puls4, geballte Frauenpower, die Spitzenkandidaten befragen. Das läuft dann auch parallel, und davor und danach gibt es unterschiedliche Diskussionen. Gemeinsame Koexistenz.

Ich glaube, dass das interessant und richtig wäre, denn das, was gestern war, war ge­nau das Gegenteil: ein sogenannter Info-Jam, nicht Traffic Jam, sondern Info-Jam. Um 22 Uhr hat sich keiner mehr ausgekannt, eine Überforderung des Publikums. Im ORF 1 Champions League, im ORF 2 ZiB 2, im Puls4 gerade noch die „Arena“ – tolles neues Format, gratuliere dazu – und im ATV auch eine neue Diskussionssendung, nämlich „Am Punkt“. Ich frage mich, wer schaut sich das alles an. Sie wissen es schon, gewon­nen hat die Champions League mit 441 000 Zusehern. Ob wir das wollen, ist eine an­dere Frage.

Das heißt, wofür ich plädiere, ist eine wirklich gemeinsame Koexistenz, eine Koopera­tion im Sinne der Zuseher – und nicht eine Überforderung der Zuseher.

Im Übrigen: Josef Cap, ich bedanke mich herzlich für das acht Jahre zu spät kommen­de, aber nun doch geäußerte Lob für unser ORF-Gesetz des Jahres 2001 – eigentlich Mediengesetz, es war nicht nur ein ORF-Gesetz, sondern Mediengesetz –, das An­dreas Khol und ich damals in der Regierung erarbeitet haben. Es war dies auch – und das sollte man nicht unerwähnt lassen – der Grundstein, in Österreich Privatfernsehen überhaupt möglich zu machen. Übrigens als letztes Land nach Albanien damals. Das war schon eine beachtliche Sache, und deswegen plädiere ich auch für eine faire Be­handlung der Privaten.

Es kann nicht sein, dass wir jetzt wieder beginnen, Werbezeitenausdehnungen zu dis­kutieren. Es ist nun einmal so: Wenn wir gesunde und zukunftsorientierte Privatsender haben wollen, dann brauchen wir ein strenges Werbekonzept und Werbekorsett für den ORF, selbstverständlich. Das heißt, keine Aufweichung der Werbezeiten; ich war­ne davor, das zu tun! Ganz im Gegenteil: Teilprivatisierung ist angesagt. Da wäre die Teilprivatisierung eines Senders – okay, das ist eine Debatte, kann man machen – oder auch von Sendezeiten. Warum sollen nicht nur Sendefenster auch privatisiert werden, wie das ja In Deutschland zum Teil der Fall ist?! Warum sollen Sendefenster nicht auch an Printmedien gehen? (Präsident Neugebauer gibt das Glockenzeichen.) Focus TV und Süddeutsche Zeitung TV sind interessante Formate.

Ich denke daher, wir brauchen viel Phantasie. Was wir allerdings nicht brauchen, sind in Zukunft Zwangsgebühren, die die Menschen zahlen müssen. Ich halte vom derzeiti­gen System des ORF, dem Zwangsgebührensystem, überhaupt nichts mehr, denn: Wissen Sie, was? Es soll in diesem Land auch Menschen geben, die Empfangsgeräte haben, die fernsehen, aber nicht ORF schauen. Diese Leute müssen trotzdem Zwangsgebühren zahlen. – Falsch! Da brauchen wir mehr Phantasie und ein völlig neues System – auch in der Gebührenfinanzierung, auch was Private und Öffentlich-rechtliche anlangt. (Beifall.)

12.21


Vorsitzender Präsident Fritz Neugebauer|: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Fichtenbauer. – Bitte.

 


12.21.14

Abgeordneter Dr. Peter Fichtenbauer (FPÖ)|: Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr ge­ehrte Gäste des Hauses! Erstens: Ich bedaure, dass Kollege Huainigg nicht mehr Mit­glied des Nationalratsklubs der ÖVP ist, er hatte immer Wichtiges zu sagen und hat das auch heute gezeigt. Ich bedaure auch, dass die ÖVP – um es „in der Indianerspra­che“ auszudrücken – mit gespaltener Zunge spricht, nämlich betreffend RSO.

Dazu gab es seitens der Oppositionsparteien im Kulturausschuss einen Vorschlag be­treffend einen Antrag, dass die Bundesregierung alles tun möge, um das RSO zu er­halten. Das wurde jedoch abgelehnt. Heute aber hingegen haben wir von ÖVP-Kollegin Fuhrmann gehört, dass das RSO ein wichtiger Bestandteil ist, welcher erhalten wer­den muss. Ich unterstreiche das! Seitens der Freiheitlichen Partei gibt es die klare For­derung, dass das RSO – überdies nur 0,8 Prozent des ORF-Budgets verzehrend – nicht abgeschafft wird!

Wichtig ist auch die Erinnerung. Was sind die Gebühren, die heute wieder einmal de­battiert werden? Die Gebühren stammen aus der Zeit des ORF-Monopols. Das öster­reichische Steuerrecht kennt Steuern und Gebühren, und gemeinsam sprechen wir von Abgaben. Das war natürlich immer eine steuerartige Abgabe. Nun ist überdies der schon mehrmals beklagte Sachverhalt, dass ein Drittel dieser Gebühren, die bezahlt werden, ohnedies gar nicht dem ORF zugutekommen.

Daraus folgt weiters, dass wir unter Bedachtnahme auf das Spannungsverhältnis zwi­schen Privaten und dem ORF tatsächlich ein Systemänderungskonzept entwickeln sollten: völlige Beseitigung des Werbeelements im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, da­für 100-prozentige Finanzierung aus Budgetmitteln. Das geht auch quotenmäßig si­cher, nämlich die Qualität zu verteidigen, wenn man an große ausländische Beispiele denkt; sodass dieses grundsätzliche Spannungsverhältnis, dieser Kampf um den Anteil an der Werbung und gleichzeitig die Verteidigung des öffentlich-rechtlichen Anspru­ches gegen die Privaten enden sollte.

Stattdessen sollte man eine neue Disposition treffen, eine Disposition, die den heutigen Gegebenheiten, die nicht mehr unter dem Primat der absoluten Besitzherrschaft des ORF gesehen werden können, entspricht: hier privat-, hier öffentlich-rechtlicher Rund­funk.

Die Freiheitliche Partei ist zu 100 Prozent an der Seite derjenigen, die die Stärkung des ORF und die öffentlich-rechtliche Qualitätsmarke auf der ersten Ebene der europäi­schen Spitze befürwortet. In diese Richtung sollten alle künftigen Überlegungen ge­hen. – Danke schön. (Beifall.)

12.24


Vorsitzender Präsident Fritz Neugebauer|: Ich danke herzlich für die Diskussionsbei­träge zu diesem Themenblock.

Ich frage nun die Dame und die Herren vor mir, die die Expertisen geboten haben, ob sie zu einem der Debattenbeiträge Stellung nehmen möchten? – Das ist nicht der Fall.

Dann darf ich mich sehr herzlich für diese Expertisen bedanken, und wir dürfen gleich weitergehen.

12.25.20Themenblock III: Rahmenbedingungen für Medienvielfalt in Österreich

 


Vorsitzender Präsident Fritz Neugebauer|: Wir kommen zum Themenblock III.

Impulsreferate

 


Vorsitzender Präsident Fritz Neugebauer|: Zu Wort gelangt Herr Generaldirektor Dr. Wrabetz. – Bitte.

 


12.25.25

Referent Dr. Alexander Wrabetz (Generaldirektor des ORF)|: Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrte Damen und Herren Mitglieder des Hohen Hauses! Liebe Zuschau­er vor den Fernsehgeräten, die Sie diese Debatte auf ORF 2 mitverfolgen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bedanke mich für die Einladung zu dieser Veranstal­tung, weil sie zeigt, dass der ORF nach wie vor einen sehr hohen Stellenwert in diesem Lande hat, sodass sich das Hohe Haus in diesem Plenarsaal einen ganzen Tag Zeit nimmt, um die Zukunftsfragen zu diskutieren.

Es ist auch ein ideal gewählter Zeitpunkt, weil es Herrn Staatssekretär Ostermayer ge­lungen ist, letzte Woche mit Kommissarin Kroes eine Grundsatzvereinbarung über die Beendigung des gegen den ORF laufenden Verfahrens zu erreichen. Ich hoffe, dass, wenn diese Vereinbarung in den nächsten Wochen finalisiert werden kann, dann der europäische Rahmen für die nächsten Jahre gesetzt ist, sodass der nationale Gesetz­geber, der ja da die Priorität hat, dann die Möglichkeit hat, innerhalb eines klar definier­ten europäischen Rahmens die weiteren Schritte zu setzen.

Ich möchte mich bei dieser Gelegenheit für die Zusammenarbeit bedanken. Es waren harte zwei Jahre der Diskussionen, auch mit den Damen und Herren der Europäischen Kommission, in denen wir viele Fragen zu beantworten hatten, aber wir werden letztlich zu einer Beendigung des Verfahrens kommen, die Rechtssicherheit bieten wird. Die nächsten Schritte sind dann von der österreichischen Regierung und hier im Parlament zu setzen, und diese Enquete ist ein guter Auftakt dazu.

Bevor ich auf ein paar Punkte eingehe, möchte ich mich herzlich bei Herrn Abgeordne­tem Vilimsky bedanken, der Ihnen zu Beginn der Veranstaltung einen Teil unseres heutigen Programms vorgelesen hat. Ich möchte Sie aber auch darauf hinweisen, was wir heute wirklich Tolles im Programm haben, etwas, das uns ein besonderes Anlie­gen ist, nämlich eine neue „Universum“-Dokumentation zum Thema Herbst, gefolgt vom vierten Teil der „Menschen & Mächte“-Dokumentationsreihe zu Österreichern im Zweiten Weltkrieg. Das ist eine Dokumentationsreihe, bei der uns allgemein BBC-Ni­veau attestiert wird. – Das ist öffentlich-rechtlicher Rundfunk in Reinkultur; auch das findet heute statt.

Bei den nächsten Schritten der Gestaltung des Rechtsrahmens würde ich Sie ersu­chen, auch zu berücksichtigen, was Ihnen in eindrucksvoller Weise die Experten aus dem öffentlich-rechtlichen Bereich Jane Vizard, Daniel Eckmann und Markus Schäch­ter dargelegt haben. Dem ist auch aus Sicht des ORF nichts hinzuzufügen, weswegen ich mich auf die spezifisch österreichische Situation konzentrieren kann.

Da würde ich Sie bitten, bei all Ihren Überlegungen innerhalb des nun festgelegten europäischen Rechtsrahmens von einem auszugehen, nämlich vom Interesse des Pu­blikums. Uns liegt eine Umfrage vor, die das market-Institut durchgeführt hat, wonach 92 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher es für wichtig halten, dass es eige­ne österreichische Fernsehsender gibt, und für 86 Prozent der Bevölkerung ist es wich­tig, dass der ORF als Öffentlich-Rechtlicher sicherstellt, dass es genügend regionale und nationale Information gibt. 70 Prozent der Bevölkerung finden es richtig, dass der ORF der Allgemeinheit gehört, also allen Österreicherinnen und Österreichern und nicht privaten Investoren. 92 Prozent finden es wichtig, dass der ORF regionale Infor­mationen aus ihren Bundesländern bringt. 79 Prozent betonen die politische Unabhän­gigkeit, und 89 Prozent – weil das heute oft zur Sprache gekommen ist – fordern vom ORF gute Unterhaltungsprogramme, wollen sogar noch mehr davon.

Das heißt, wenn Sie die Wünsche der Bevölkerung berücksichtigen, dann habe ich um den Inhalt des Gesetzes und der Regelungen keine Sorge. Worum geht es den Öster­reicherinnen und Österreichern? Das wissen Sie alle: um eine starke Stimme Öster­reichs in dieser fragmentierten digitalen Welt. Natürlich spielen hier in einem dualen System Private eine Rolle. Wir haben viele Schritte auch von uns aus gesetzt, um den kleinen österreichischen Privaten sozusagen die ersten Schritte in den Markt zu er­möglichen. Unsere Konkurrenz ist nicht ATV, nicht Puls 4, unsere Konkurrenz sind die großen europäisch agierenden Medienkonzerne, sei es SevenOne Media, die RTL-Gruppe oder andere. Das sind unsere Konkurrenten, gegen die wir aus einem kleinen regionalen Markt heraus anzutreten haben. Auch das bitte ich Sie, zu berücksichti­gen.

Ein Punkt, der immer wieder angesprochen wird – wobei ich diese Debatte eigentlich für abgeschlossen hielt –, ist die Frage, ob der ORF zwei Vollprogramme brauche. – Natürlich braucht er zur Erfüllung eines Auftrages mindestens zwei Vollprogramme! Wir wollen nicht mehr, aber mit zwei Programmen kann man auf die unterschiedlichen Interessen der Bevölkerung reagieren: auf die Jüngeren, auf die Älteren, auf die Sport­begeisterten, auf die Kulturbegeisterten. Nur so kann man auch das junge Publikum für die Marke ORF gewinnen – mit möglichst viel Eigenproduktion, von „Wir sind Kaiser“ bis „Schnell ermittelt“, vom eigenen österreichischen Kinderprogramm „okidoki“ bis zur koproduzierten „SOKO Kitzbühel“ oder „SOKO Donau“.

Das ist es, was wir mit dem ORF 1 täglich auch öffentlich-rechtlich leisten, mit den von den Österreichern geschätzten Sportübertragungen und mit der neuen – das hat es vor der Reform nicht gegeben – Informationsschiene auf ORF 1. 800 000 Österreicherin­nen und Österreicher nutzen im Durchschnitt täglich eine der fünf ORF 1-Informations­sendungen. Also im elektronischen Bereich ist nach ORF 2 und Ö3 ORF 1 der dritt­meistgenutzte Informationssender dieses Landes. Das sollte man bei allen Überlegun­gen nicht vergessen!

Ich bin froh, dass sich der Stiftungsrat in dem angesprochenen wichtigen Beschluss vom 2. April dazu bekannt hat – und zwar in dieser Frage einstimmig! –, dass der ORF mit seiner Angebotsvielfalt, Leistungsbreite und insbesondere auch mit den Angeboten der Landesstudios erhalten bleiben muss. Das heißt, jede Filetierung, jedes Auseinan­derteilen des ORF würde uns schwächen und in eine Spirale nach unten führen.

Der zweite Punkt, der sehr wichtig ist: Ich glaube, dass ein ORF nur dual finanziert werden kann, und zwar auch mit Werbung – mit Werbung, die beschränkt ist, das ist klar, wir fordern keine Ausweitung der Werbezeiten oder Lockerung der Werberegeln, wir glauben, wir sind gut und hart beschränkt, aber dieses Minimum, das wir hier ha­ben, das im europäischen Vergleich in etwa in der Mitte liegt, ist zur Finanzierung un­seres umfassenden Angebotes unabdingbar.

Wir wollen die Gebühren nicht erhöhen. Ich halte es für nicht realistisch, dass wir das Drittel, das an Bund und Länder geht, kurzfristig bekommen. Wir kämpfen um das, was uns durch die Refundierung entgeht. Das ist möglicherweise realistisch, aber dass man darüber hinausgehend noch Mittel bekommt und umschichtet, das wird nicht gehen. Außerdem sind wir ein wichtiger Träger für die österreichische Werbewirtschaft. Ich glaube, dass diese duale Finanzierung, die nun auch unter bestimmten Einschränkun­gen europarechtlich anerkannt ist, in Zukunft fortgeführt werden sollte.

Es wurde vielfach die Frage angesprochen, was der ORF in dieser Restrukturierungs­situation tut, die ja nicht überraschend gekommen ist. Der Zentralbetriebsrat hat es neulich bei einer unserer harten Verhandlungen gesagt: Die Zahlen, die wir zur Zukunft des Werbemarktes in Österreich präsentiert haben, sind ja nicht neu; seit 2000, 2001 weisen wir auf diese Szenarien hin. Jetzt ist die Wirklichkeit da. Sie hat uns auch inso­fern verschärft eingeholt, als zur normalen Restrukturierung auch die Wirtschaftskrise dazugekommen ist.

Wir als ORF müssen darauf reagieren, und wir tun das auch. Ich kann Ihnen versi­chern, wir machen unsere Hausaufgaben! Wir sparen in einem Ausmaß ein, wie es in der Geschichte des Unternehmens noch nicht der Fall gewesen ist, obwohl es auch früher Sparprogramme gegeben hat. Wir haben heute schon gehört, dass wir da und dort sicherlich an die Grenze der Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter gehen, dass wir Leistungen, die wir gerne und über den Auftrag hinaus zusätzlich erbringen, nicht in vollem Umfang erhalten können, dass wir Leistungsträger verlieren und sie durch Jün­gere, durch die nächste Generation ersetzen müssen.

Das ist nichts Schlimmes, sondern etwas Natürliches. Wir sagen, wir haben genügend talentierte Mitarbeiter, die eben durch Nutzung der neuen Produktionsbedingungen, die die neuen Technologien bringen, diese Lücken – weil wir in kurzer Zeit um 440 Mitar­beitern weniger sein werden, als wir jetzt sind – schließen müssen.

Das heißt, der ORF bringt seine Eigenleistungen. Wir verhandeln über die Redimen­sionierung nicht mehr zeitgemäßer kollektivvertraglicher Systeme. Wir straffen unsere Strukturen und nützen diese Zeit, um zum Beispiel auch die Zahl der Führungskräfte um 25 Prozent zu reduzieren. Das sind Maßnahmen, die hart sind und die wir auch so durchführen wollen, dass das Publikum möglichst wenig davon betroffen ist. Das muss intern gelöst werden.

Wir glauben auch, dass wir diese Einsparungsmaßnahmen transparent machen wer­den. Wir werden sie so transparent machen, dass auch für die Öffentlichkeit nachvoll­ziehbar ist, dass, wenn sich das Hohe Haus und die Bundesregierung entschließen, uns die Refundierungsmittel zu geben, diese nicht zum Stopfen von Löchern im ORF verwendet werden, nicht in ORF-Strukturen gehen, sondern in von der Allgemeinheit gewünschte Leistungen, zusätzliche Leistungen für die Film- und Produktionswirt­schaft – das ist ja angesprochen worden –, in den Erhalt und die Absicherung wichtiger Anliegen, von „Rat auf Draht“ bis hin zum Rundfunkorchester, bis zum RSO.

Wenn wir erreichen, dass wir sagen können, Sie bekennen sich zur Einheit des Unter­nehmens, Sie stärken die Unabhängigkeit des Unternehmens, Sie schaffen stabile Rahmenbedingungen, und wir erbringen unsere Eigenleistungen, dann wird es uns in dieser Zeit gelingen, den ORF wirklich langfristig als das Flaggschiff, als die Zentral­anstalt der österreichischen elektronischen Identität abzusichern. – Danke. (Beifall.)

12.37


Vorsitzender Präsident Fritz Neugebauer|: Zu Wort gelangt nun Herr Dr. Pirker. – Bitte.

 


12.37.42

Referent DDr. Horst Pirker (Präsident des Verbandes Österreichischer Zeitungen)|: Verehrte Österreicherinnen und Österreicher, die Sie Gebühren zahlen! Herr Präsident! Verehrte Abgeordnete! Meine Damen und Herren! Ich möchte zwei Vorbemerkungen machen. Meine erste Vorbemerkung: Ich will mich dem Thema sehr grundsätzlich nä­hern. Das verlangt von Ihnen innerhalb meiner 15-minütigen Redezeit etwas Geduld. Zweite Vorbemerkung: Bitte verstehen Sie mich nicht zu schnell!

Der Staat gilt im Allgemeinen als schlechter Unternehmer. Ob dieses Vorurteil berech­tigt ist oder nicht, weiß ich nicht. Sicher ist, dass es zumindest in Österreich eher mehr Hinweise dafür gibt, dass dieses Vorurteil stimmt.

Wenn nun dieser Staat, was ohnedies selten vorkommt, selbst als Unternehmer auftritt, bedeutet das in aller Regel, also im Normalfall, dass eben ein Unternehmen oder eine Unternehmensgruppe ganz, mehrheitlich oder zumindest minderheitlich dem Staat ge­hört. Die Mitbewerber dieses Unternehmens oder dieser Unternehmensgruppe haben es also dann mit einem ganz normalen Unternehmen zu tun, dessen einzige Besonder­heit darin besteht, dass es den Staat als Allein-, Mehrheits- oder Minderheitseigentü­mer hat. Das ist ja zunächst einmal ohne besondere Vor- und Nachteile.

Im Mediensektor ist das entschieden anders – nicht weil der Mediensektor an sich et­was anderes oder gar besonderes wäre – das ist er vielleicht auch –, nein, es geht um etwas anderes, nämlich darum, dass der Staat im Mediensektor nicht nur als Unterneh­mer auftritt, sondern seinem Unternehmen jährlich 500 Millionen € zuweist und es da­mit im Wettbewerb massiv privilegiert. Das tut der Staat, wenn er etwa die „Wiener Zei­tung“ herausgibt, indem er alle Unternehmen des Landes dazu zwingt, dort zu bezah­lende, also entgeltliche Veröffentlichungen vorzunehmen, obwohl das gerade in der „Wiener Zeitung“ vergleichsweise schon immer besonders wenig hilfreich war und heu­te im Zeitalter des Internet endgültig jeden Sinns entkleidet ist.

Der Staat betreibt ein Medium, und weil er sich das offenbar zu marktwirtschaftlichen Bedingungen nicht zutraut, zwingt er Dritte – im jetzt beschriebenen Fall die österrei­chischen Unternehmen –, die Rechnung zu bezahlen.

Die anderen Marktteilnehmer, die privatwirtschaftlich betriebenen Zeitungen, solcherart benachteiligt, werden mit einer staatlichen Presseförderung getröstet – alles zusam­mengerechnet etwa mit dem Betrag, den der Staat den österreichischen Unternehmen für die „Wiener Zeitung“ abverlangt. Ganz im Sinne der Weisheit des Frank Stronach, wonach der Staat den Menschen nichts geben kann, was er ihnen nicht vorher weg­nimmt.

Ich selbst – das ist aber nur ein kleiner Exkurs – teile den Optimismus des Frank Stro­nach nicht. Ich bin fest davon überzeugt, dass der Staat längst dazu übergegangen ist, den Menschen zu geben, was er ihnen oder ihren Nachkommen erst später wegneh­men wird.

Zurück zu den staatlichen Medien: Als ob der Staat aus seiner 300-jährigen Geschichte mit der „Wiener Zeitung“ gelernt hätte, legt er es bei den elektronischen Medien noch klüger an. Er entschied sich diesmal, nicht nur die Unternehmen des Landes, sondern gleich alle Bürger zwangsweise zur Finanzierung heranzuziehen. Und: Damit die priva­ten Marktteilnehmer nicht trotz Zwangsgebühren erfolgreicher würden als das staatli­che Unternehmen, wurde zusätzlich eine gesetzliche Monopolisierung unterlegt. – Gut gemacht!

Der staatliche Rundfunk in Österreich, bestehend aus Hörfunk und Fernsehen, bald Österreichischer Rundfunk, also ORF, genannt, wurde überlegener Marktführer. Markt­anteil: 100 Prozent.

Damit begann eine wunderbare Symbiose, jedenfalls in der Binnensicht: Der Staat, vertreten durch die jeweils Regierenden, konnte zumindest mittelbar bestimmen, was er seinen Bürgern an Information und Unterhaltung in Ton und Bewegtbild vermitteln wollte. Und der Österreichische Rundfunk konnte aus dem Vollen schöpfen – Gebüh­ren und Werbung fast ohne Ende.

Für die anderen Marktteilnehmer, im Wesentlichen die Printmedien damals, überwogen freilich nicht die Aspekte der Symbiose, sondern deren Gegenteil – das Gegenteil der Symbiose wollen wir aber im Hohen Haus lieber nicht beim Namen nennen.

Das symbiotische Idyll wurde freilich nicht von den Printmedien gestört, sondern von der in dieser Hinsicht vollkommen unsensiblen technologischen Entwicklung. Im ersten Schritt speisten Kabelbetreiber ausländische – vorwiegend natürlich deutsche – Pro­gramme in ihre Systeme ein. Dann kam auch noch die Verbreitung über Satellit dazu, und dann das fremdeste aller in Österreich überdies insgesamt ungeliebten Fremdwör­ter, nämlich die Liberalisierung, wobei sich Österreich einmal mehr als äußerst wider­standsfähig erwies: Als letztes europäisches Land, die sogenannten Reformstaaten im Norden, Osten und Süden mit eingeschlossen, erlag Österreich den Versuchungen der Liberalisierung von Hörfunk und Fernsehen – zumindest andeutungsweise.

Es kam für den ORF, wie es kommen musste: Statt 100 Prozent Marktanteil in Hörfunk und Fernsehen immerhin noch 78 Prozent Marktanteil im Hörfunk, aber nur mehr 36,4 Prozent Marktanteil im in vielerlei Hinsicht bedeutenderen Fernsehen und – für die an Rechnungswesen Interessierten – schwere Verluste in zumindest zweistelliger, viel­leicht dreistelliger Millionenhöhe.

Trotzdem oder vielleicht gerade deshalb beschwören wir alle die Unverzichtbarkeit öf­fentlich-rechtlichen Hörfunks und Fernsehens und damit die Unverzichtbarkeit des Ös­terreichischen Rundfunks, des ORF. Und ich muss dem, zumindest vorläufig, zustim­men. Zurzeit – das wird sich über die Jahre noch ändern – braucht es öffentlich-rechtli­chen Rundfunk in Österreich, braucht es den ORF.

Blenden wir zurück: Der Staat, die Republik Österreich, ist im Mediensektor Unterneh­mer. Damit nicht genug, privilegiert der Staat sein Unternehmen mit einer staatlichen Beihilfe – in Österreich schamhaft „Gebühren“ genannt – von mehr als 500 Millionen € jährlich gegenüber allen anderen Marktteilnehmern.

Was rechtfertigt einen an sich so ungeheuerlichen Eingriff des Staates – einen Eingriff, der so in keinem anderen Sektor vorkommt? – Der öffentliche Auftrag, sagt man. Und der lautet in Österreich – sehr diagonal zitiert –: Der ORF hat gemäß dem Versor­gungsauftrag alle zum Betrieb eines Rundfunkgerätes berechtigten Bewohner des Bundesgebietes gleichmäßig und ständig mit Programmen des Hörfunks und Fernse­hens zu versorgen. Er hat demgemäß den Programmauftrag, ein differenziertes Ge­samtprogramm von Information, Kultur, Unterhaltung und Sport anzubieten.

Die Unabhängigkeit von Staats- und Parteieneinfluss, von politischen und wirtschaftli­chen Lobbys wird den journalistischen und programmgestaltenden Mitarbeitern des ORF als Pflicht auferlegt.

Sie werden mir vielleicht und zumindest innerlich zustimmen können, dass dieser Auf­trag, so wie er im Gesetz formuliert ist, eine so substanzielle Intervention des Staates nicht annähernd legitimiert. Trotzdem bleibe ich dabei, dass diese Intervention ceteris paribus prinzipiell in Ordnung ist. Meine Rechtfertigung dafür fällt allerdings anders aus.

Der Staat muss in einer Marktwirtschaft – sei es eine liberale oder eine soziale – ein­greifen. Er muss dort eingreifen, wo diese Marktwirtschaft versagt. Dass sie da und dort substanziell versagt, hat gerade die gegenwärtige Finanz- und Wirtschaftskrise eindrücklich vor Augen geführt. Sie hat meiner Meinung nach übrigens nicht deshalb versagt, weil die Marktwirtschaft an sich als Konzept überholt wäre, sondern weil sie eben der staatlichen Intervention bedarf. Unkontrollierte und interventionsfreie Markt­wirtschaft verselbständigt sich wie – um das in ein Bild zu übersetzen – die Kernspal­tung ohne die Steuerstäbe.

Der Eingriff des Staates in die Marktwirtschaft ist also prinzipiell nicht nur legitim, son­dern sogar notwendig – auch im Mediensektor notwendig. Ein Marktversagen im Me­diensektor liegt etwa dann vor, wenn die privaten Marktteilnehmer einen nicht nur indi­viduellen Bedarf an Information und Unterhaltung gar nicht oder nicht ausreichend be­friedigen.

Der staatliche Eingriff, öffentlich-rechtlicher Rundfunk und öffentlich-rechtliches Fernse­hen ist dann legitim, wenn sie relevante Bedürfnisse nach Information und Unterhal­tung befriedigen, die von den übrigen Marktteilnehmern mit ihren Angeboten nicht oder zumindest nicht ausreichend berücksichtigt werden.

Daraus leitet sich ab, dass öffentlich-rechtlicher Rundfunk, dass der ORF komplemen­tär zu den bestehenden Angeboten sein muss, dass seine Aufgabe und gleichzeitig seine Chance – das ist eine Chance wie eine Aufgabe – in der Differenzierung liegt und nicht in der Nachahmung etwa der großen deutschen privaten Anbieter, gegen die auch 500 Millionen € staatlicher, österreichischer Beihilfen beziehungsweise Gebühren nicht helfen, weil der deutsche Markt zehnmal so groß ist wie der österreichische.

Der Versuch, in diese Art von Wettbewerb einzusteigen, führt eben zu jenem in den letzten Jahren geführten Rückzugsgefecht, Prozentpunkt um Prozentpunkt, an dessen Ende dann der totale Absturz stehen wird. Staatliche Gebühren, staatliche Beihilfen legitimieren sich ausschließlich daraus, dass ein möglichst bedeutender zusätzlicher, unverwechselbarer und unaustauschbarer Nutzen für die Bürger entsteht. Es ist ein klarer Missbrauch staatlicher Macht, sie wettbewerbsverzerrend, ja entstellend für ein „more of the same“ einzusetzen.

In diesem Sinne ist etwa ORF 1, das beliebig Privat-TV kopiert, alles andere als öffent­lich-rechtlich. Dasselbe gilt sinngemäß für Ö3. Ö1 hingegen ist eine öffentlich-rechtli­che Lichtgestalt – mit nachhaltig hervorragenden, immer noch steigenden Quoten übri­gens.

Ein komplementäres, ein wirklich öffentlich-rechtliches Angebot kann freilich zuerst ein­mal Quoten und damit auch Werbeeinnahmen kosten. Die Quoten und folgerichtig auch die Werbeeinnahmen werden aber zumindest nachhaltig und hinterlegt mit der nötigen Kompetenz auch ausbaufähig sein. Nur ein wirklich öffentlich-rechtlicher ORF ist mittel- und langfristig verteidigungsfähig. Nur ein wirklich öffentlich-rechtlicher ORF stiftet Sinn, und nur ein wirklich öffentlich-rechtlicher ORF legitimiert den so massiven staatlichen Eingriff.

So wie das Vertrauen in die Marktwirtschaft notwendig und systemimmanent Grenzen hat und haben muss, so ist die Politik gut beraten, sich selbst nicht zu sehr zu vertrau­en, was ihre Rolle als Hüterin eines wirklich öffentlich-rechtlichen ORF betrifft. So hat sich in Österreich berechtigt der Befund entwickelt und durchgesetzt, dass es für die Kontrolle und Begleitung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einer wirklich auch strukturell unabhängigen Behörde bedarf.

Wenn die Politik die Weitsicht aufbringt, den ORF klar und ohne Augenzwinkern öffent­lich-rechtlich zu positionieren, und wenn diese Politik diese Position durch eine unab­hängige Aufsicht sichert, dann – und nur dann! – hat der ORF Zukunft.

12.52

Panels

 


Vorsitzender Präsident Fritz Neugebauer|: Als letztem Redner des heutigen Vormit­tages erteile ich nun Herrn Mag. Stögmüller das Wort. – Bitte.

 


12.52.56

Mag. Christian Stögmüller (Präsident des Verbandes Österreichischer Privatsender)|: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Verband Österreichi­scher Privatsender begrüßt diese Enquete sehr, in der Hoffnung, dass die Festlegun­gen des Gesetzes noch nicht getroffen sind und die heutigen Ergebnisse darin auch Einzug finden.

Wir haben gehört, dass Österreich einen starken ORF will. Ich glaube aber auch, dass Österreich Probleme mit Marktbeherrschung hat und daher der Blickwinkel auf den ORF ein bisschen differenziert werden muss.

Einen öffentlich-rechtlichen Programmauftrag zu erfüllen heißt vor allem, ein Bukett an­zubieten, das dem öffentlich-rechtlichen Mehrwert und dem publizistischen Mehrwert verpflichtet ist und sich nicht am Wegkaufen von Serien und nicht an der Konkurrenz­programmierung orientiert. Mit einem Schlagwort formuliert: „Hollywood raus, Öster­reich rein!“, sollte die Devise sein.

Die Privaten haben nichts gegen einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Woge­gen wir aber etwas haben, ist, wenn ein derartiger pseudo-öffentlich-rechtlicher Rund­funk sich im privaten Markt breitmacht, dort einen Abwehrkampf führt und den Markt verstopft. Es geht nicht um Marktbeherrschung, oder, wie Schmid heute schon gesagt hat: Nicht alles, was möglich ist, muss auch automatisch vom Öffentlich-Rechtlichen erfüllt werden. – Der ORF tut es, und trotzdem geht es ihm schlecht – oder vielleicht deswegen.

Wir haben einen überfinanzierten Marktbeherrscher, der es sehr gut versteht, Proble­me darzustellen, sich gleichzeitig aber herausnimmt, alles zu haben, alles zu tun, alles zu kontrollieren. Wir haben von Schächter gehört, dass der ORF europaweit als einzig­artig dargestellt wird, und das ist leider wirklich eine Realität, mit der wir leben müssen.

Das ist so ein Supertanker, der schon sehr voll ist und versucht, weiter aufzuladen, und er wird wohl irgendwann einmal sinken.

Wir haben bei der Programmpräsentation 2010 des ORF hören dürfen, dass der ORF von allem das Beste hat – jetzt hat er auch noch „Pokerface“; tolle Sache!, vielleicht hören wir heute auch noch, wo das den öffentlich-rechtlichen Auftrag manifestiert – und gleichzeitig dem privaten Sektor alles streitig macht: Senderechte, Top-Moderatoren, bis hin zu einem teilweise ruinösen Wettbewerb, dem wir als Schaffende, als Privat­rundfunk-Schaffende täglich ausgesetzt sind.

Hier beginnt die Frage der Grenzziehungen, und diese Frage wird wohl sehr, sehr wichtig sein im Dialog rund um das neue Gesetz.

Der Weg ist aus unserer Sicht momentan falsch. Ein nachhaltig abgesicherter ORF muss den öffentlich-rechtlichen Auftrag erfüllen – der muss ihm aber auch auferlegt werden, klarer auferlegt werden –, und er muss primär werbefrei sein. Es geht um Pro­gramme, die dem öffentlich-rechtlichen Mehrwert entsprechen, und nicht um Serien. Es geht um die Legitimation der Gebühren, und da kann ich nur einstimmen: Wenn wir da nicht einen Quantensprung schaffen, wird die Legitimation wegbrechen.

Es geht – so steht es im Gesetz – um ein ausgewogenes Programm auf jedem Kanal des ORF, quantitativ gleichwertig im Ausmaß, über Sport, Bildung, Kultur, Information und Unterhaltung. Das haben wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht.

Und noch einmal das Schlagwort: Es geht eben um „Hollywood raus, Österreich rein!“.

Dieses Land braucht ganz wesentlich den dualen Rundfunk und damit eben eine zwei­te starke private Säule und nicht nur die Marktbeherrschung durch den ORF. Dazu be­darf es eines Public Value Tests. Der wird europaweit wohl Normalität werden. Der muss auch für bestehende Programme angewandt werden. Wir dürfen nicht in die Fal­le gehen, diesen Test nur für neue Programme heranzuziehen. Damit würden wir all das, was heute besteht, als quasi öffentlich-rechtlich festschreiben, und das darf nicht passieren.

Und es geht – mehrfach angesprochen – um die Frage: Wer wird ihn überprüfen? Wir brauchen eine unabhängige Organisation, ein unabhängiges Aufsichtsorgan, das auch darüber nachdenkt, wie Programme, die heute nicht öffentlich-rechtlich sind, rückge­führt werden können und der Markt zu einer Normalität findet.

Die Definition des Auftrags und die Definition der Grenzen wird wohl auch dazu führen, dass die 48 Stunden Programm, die wir haben, dann auch irgendwann einmal vernünf­tig gefüllt werden. Das haben wir ja heute nicht. Wir haben Landesstudios, die einen wesentlichen Beitrag leisten könnten. Und um da einen Irrtum auszuräumen: Die leis­ten nicht 30 Minuten pro Tag pro Landesstudio, sondern gerade mal 18. Der Rest hat ja nichts mit öffentlich-rechtlichen Inhalten, sondern oftmals mit Werbung zu tun. – Hol­lywood raus, Österreich rein!

Erlauben Sie mir, in den letzten 2 Minuten noch kurz die Finanzierung zu beleuchten. Wir haben derzeit die Geiselhaft der Quote, in der sich der ORF befindet, eine Grätsche, wo er versucht, der Privateste aller Privaten zu sein – Ö3 gilt anerkannt europaweit als bestes deutschsprachiges Privatradio –, und auf der anderen Seite ver­sucht, öffentlich-rechtlich zu sein. Diese Grätsche führt dazu, dass man irgendwann auf dem Boden liegt. Wir sehen es: Die Quoten sinken durch Digitalisierung, aber auch durch die momentane Programmausrichtung.

Die Entwicklungen am Werbemarkt schneiden dabei diese kommerzielle Schiene immer mehr weg, und es wird zu einer massiven Destabilisierung kommen. Wenn wir über eine ökonomische Unabhängigkeit sprechen, dann sollten wir einmal von einer Unabhängigkeit gegenüber dem Quotendruck sprechen und darüber nachdenken und somit überhaupt erst den Raum schaffen, dass echtes, publizistisch Wertvolles, dem Mehrwert entsprechendes Programm entsteht.

Quote ja, aber nicht zwingend. Es ist nicht der Auftrag des ORF, primär Quote zu ge­nerieren, sondern den Auftrag zu erfüllen. Ein Weg dorthin kann über eine werbefreie Prime Time führen. Das ist auf Sicht europäische Normalität – die überwiegende Fi­nanzierung aus den Gebühren. Ob mittelfristig eine komplette Werbefreistellung kommt oder nicht, wird man sehen. Momentan haben wir eine den Wettbewerb verzerrende Mischfinanzierung, wo Gebühren dazu verwendet werden, um die Privaten zu bekämp­fen, und wo die Werbegelder dazu verwendet werden, um Serien einzukaufen.

Eventuelle Gebührenerhöhungen gilt es im Vorhinein zu prüfen – und nicht, sie einzu­führen und im Nachhinein zu schauen, was denn dann damit entstanden ist. Damit ha­ben wir schlechte Erfahrungen. Sollten Refundierungen, sollten Erhöhungen diskutiert werden, dann nur, wenn parallel Werbung reduziert, wenn parallel auch eine höhere Förderung für die Privaten in einem gleichen Ausmaß stattfinden kann.

Der ORF kostet uns momentan pro Stunde 100 000 €. Also während dieser Enquete sind schon 500 000 € in den ORF investiert worden. Im Sinne der Budgets, die zur Ver­fügung stehen: Wir denken, das ist viel, und wir denken, dass es auch mit weniger gin­ge. Ihre Aufgabe wird es sein, darüber nachzudenken, ob man alles beim Alten lässt und die umfangreichen Budgetlöcher weiter stopft, oder ob man beginnt, den ORF end­lich neu zu denken, inhaltlich neu zu denken und nicht nur strukturell. Wir hören bei Reorganisation, bei Sparen immer nur strukturelle Parameter. Das wird nicht reichen!

Es gilt, dieses Unternehmen inhaltlich auf neue Beine zu stellen. Sparpotenzial be­steht genug; der Rechnungshofbericht wurde schon zitiert. Wenn der ORF es versteht und wenn auch die Politik es letztendlich versteht, das Selbstbild in ein europagerech­tes, modernes Denkmodell überzuführen, mit allen technischen und auch inhaltlichen neuen Ausrichtungen, dann wird es wohl auch eine Zukunft für den ORF geben.

„Hollywood raus, Österreich rein!“, und das mit einem Schritt in eine werbefreie Prime Time! – Vielen Dank. (Beifall.)

13.00


Vorsitzender Präsident Fritz Neugebauer|: Ich danke Ihnen und allen Damen und Herren, die heute ebenfalls Diskussionsbeiträge geliefert haben.

Ich darf darauf hinweisen, dass der zweite Teil unserer Enquete pünktlich um 14 Uhr startet. Bis dahin ist die Sitzung unterbrochen.

*****

(Die Sitzung wird um 13.01 Uhr unterbrochen und um 14 Uhr wieder aufge­nommen.)

*****

 


Vorsitzender Präsident Mag. Dr. Martin Graf| (den Vorsitz übernehmend): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Wir kommen zu den weiteren Statements zum Themenblock III, für die jeweils eine Dauer von 10 Minuten vereinbart wurde.

Ich bitte nun Herrn Dr. Ludwig Bauer um seinen Beitrag.

 


14.00.48

Dr. Ludwig Bauer (CEO ATV)|: Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Vielen Dank, dass ich hier und heute sprechen darf. Als Geschäftsführer von ATV, dem ersten und größten privaten Fernsehsender in diesem Lande, bin ich stellvertretend für den Eigentümer Dr. Herbert Kloiber, der im Laufe der Jahre 200 Millionen € in den Aufbau von ATV investiert hat, stellvertretend auch für alle unsere Mitarbeiter, Dienstleister, Produzenten und vor allem stellvertretend für unsere Zuseher von allen Ihren bisheri­gen und künftigen Überlegungen zur Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks un­mittelbar betroffen.

Medienvielfalt in Österreich braucht ein gut funktionierendes duales System, einen Fernsehmarkt, in dem sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk und die privaten Anbieter bestmöglich in produktiver Koexistenz ergänzen – nicht zuletzt im Interesse der öster­reichischen Seher.

Es müssen Rahmenbedingungen herrschen, in denen die Pluralität der Meinungen, die Vielfalt der Angebote den österreichischen Bürgern und den Gebührenzahlern ein brei­tes Spektrum medialer Entscheidungsfreiheiten und programmlicher Angebote ermögli­chen. So müsste es eigentlich sein. Aber davon sind wir hier in Österreich auch nach über zehn Jahren nach der Einführung des dualen Systems noch Lichtjahre entfernt.

Die Koexistenz von ORF und den privaten Anbietern, die mehr und mehr an Relevanz gewinnen, ist immer noch – und zwar immer noch nachhaltig – gestört. In diesem Zu­sammenhang erscheint es schon als ein fast bösartiger Zynismus, wenn der Generaldi­rektor des ORF, Alexander Wrabetz, sagt, man habe den Privaten von Anfang an ge­holfen, in den Markt eintreten zu können. Das Gegenteil war und ist bis heute der Fall.

Warum ist das so? – Weil sich der ORF auch heute noch nach all den Jahren seit der Einführung des dualen Systems immer noch als Monopolist begreift, der am liebsten keine anderen Anbieter neben sich duldet, ganz nach seinem eigenen Werbeslogan: Am liebsten ORF.

Und die Politik in diesem Lande schaut seit Jahren zu. Der Status quo ist deshalb ein übermächtiger, aufgeblähter Apparat, dessen Kosten von Jahr zu Jahr explodieren und der sich selbst nicht mehr in den Griff kriegt. Auch die Politik kriegt ihn nicht mehr in den Griff.

Dabei ist doch die Ausgangsposition des ORF alles andere als schlecht. Über drei Jahrzehnte war er der einzige Anbieter von Fernsehprogrammen mit einer Finanzaus­stattung, die man freundlicherweise als „barock“ bezeichnen könnte, und einer Infra­struktur und einer Personalausstattung, die geradezu „rokoko“ ist. Eine Infrastruktur, die ihn, so sagen manche, zu groß für Österreich macht. Das ist aber falsch. Die Wahr­heit ist: Österreich ist einfach zu klein für diesen ORF. Da ist dann in dieser ganz eige­nen Logik schon gar kein Platz mehr für die zweite Säule des dualen Systems – Sie er­innern sich –, die politisch gewünscht war, private und kommerzielle Anbieter wie ATV oder PULS 4. So stellt man sich das vor, und trotzdem geht die Rechnung nicht auf.

Der ORF verliert seit Jahren Zuseher, er bewegt sich mit Riesenschritten auf einen Marktanteil von 30 Prozent zu. Seine Finanzierung gerät zu einem Fass ohne Boden. Es werden immer neue Finanzmittel erforderlich, die Werbeeinnahmen sinken drama­tisch. Und der immer neue Finanzierungsbedarf hält mit den Sparmaßnahmen, die in der Öffentlichkeit diskutiert, aber nur zögerlich eingeleitet werden, nicht mehr Schritt.

Warum ist das alles so? Was ist los mit dem Leitmedium ORF, das sich über Jahrzehn­te im Alleingang und in Konkurrenz nur mit sich selbst doch so hervorragend behauptet hatte? – Sicher, die vermeintlichen Gründe kennen wir alle, wurden sie doch nicht erst jetzt in den letzten Tagen tausendfach von der ORF-Führung wie ein Mantra beschwo­ren: eine fehlgeschlagene Programmreform, die das Kind mit dem Bade ausgeschüttet hat, eine überhastete Digitalisierung, die den Wettbewerbern aus Deutschland angeb­lich mehr Zuseher zugetrieben hat, als der ORF tatsächlich verloren hat, die Einbrüche im Werbemarkt, verursacht durch eine globale Wirtschaftskrise und was sonst noch dergleichen ins Feld geführt wurde und immer noch wird. Aber ist das wirklich das wah­re Problem? – Ich denke nein.

Das grundsätzliche Dilemma ist, der ORF hat seine eigentliche Bestimmung als öffent­lich-rechtlicher Sender mit einem unverwechselbaren Programmauftrag aus den Augen verloren. Der öffentlich-rechtliche Auftrag ist aus dem Blickwinkel gerutscht.

Wir haben viel gehört von ORF 1. Schauen Sie es sich selbst an: Da ist mehr kommer­zielles Fernsehen im Programm als in jedem anderen öffentlich-rechtlichen Sender in Europa; mehr RTL, ProSieben und SAT1 als in diesen deutschen Sendern selbst. Die aktuelle RTR-Studie hat es gezeigt: 63 Prozent Kaufserien und internationale Kauffilme auf ORF 1. Im Vergleich dazu 45 Prozent bei ATV, 46 Prozent bei PULS 4, mehr priva­tes Angebot als bei den Privaten.

Die Wertschöpfung von ATV in Österreich ist mittlerweile mindestens gleichauf mit ORF 1, wenn man von den hohen Personalausgaben bei ORF 1 einmal absieht. Weit über 100 Programmplätze mit US-Kaufproduktionen – lassen Sie sich das einmal auf der Zunge zergehen! – im Serien- und Spielfilmbereich pro Woche bei ORF 1. Alle Se­rien, die in Deutschland die großen Privatsender unter sich aufteilen, auf einem einzi­gen Sender! Ist das nicht eine traumhafte Ausgangsposition im Wettbewerb? Noch da­zu alles finanziert aus Gebühren und – soweit es nicht reichen sollte – zusätzlich quer­finanziert aus der Werbung.

Für private Marktanteilbesitzer wie ATV ist das auf alle Fälle keine traumhafte Situa­tion, wildert doch der öffentlich-rechtliche Platzhirsch in allen Domänen des privaten Fernsehens, sodass längst jegliche Differenzierung verloren gegangen ist. Und das al­les bis an die Zähne budgetär aufmunitioniert mit Gebühren und Werbeeinnahmen! Ein Sender, der den Markt leerkauft, Sportrechte, Filmrechte, Talente und seine Marktposi­tion gegenüber den Wettbewerbern schamlos ausnutzt.

Das ist alles in allem eine Wettbewerbsverzerrung im dualen System, die europaweit ihresgleichen sucht.

Trotzdem steht der ORF Monat für Monat schlechter da und profitiert nicht einmal von seinem krassen und gnadenlos eingesetzten Wettbewerbsvorteil. Auf Sicht verliert er mehr Anteile im Werbemarkt, und auch bei den österreichischen Sehern schreibt er Monat für Monat Minusrekorde.

Doch um den überdimensionierten Moloch ORF zu erhalten, werden alle Stücke ge­spielt. Die ORF-Führung fordert immer mehr Geld: nach der Gebührenerhöhung im vergangenen Jahr die Refundierung der Gebührenbefreiung, den kompletten Anteil an den Gebühren inklusive des Bundesanteils, keine Einschränkung bei den Werbemög­lichkeiten, und so weiter und so fort. Ansonsten sei der Fortbestand des ORF nicht ge­sichert, müssten drastische Sparmaßnahmen schwerwiegend ins Programm eingrei­fen, was die dramatische Spirale nach unten nur beschleunigen würde.

All das ist nicht nur Jammern auf allerhöchstem Niveau, es ist gezieltes, strategisch-taktisches Jammern. Und – und das ist weit schlimmer – es zeigt Wirkung. Denn nie­mand will es doch politisch ernsthaft verantworten wollen, wenn sich das öffentlich-rechtliche Leitmedium ORF aus reinem Sparzwang von wichtigen, manchmal im Laufe der Jahre auch lieb gewonnenen Dingen trennen müsste – großen Events im Sport, dem Spartenprogramm für Randsportarten, SPORT PLUS, dem Film/Fernseh-Abkom­men, dem Rundfunk-Symphonieorchester, den Film- und Fernsehproduktionen für die österreichische Filmwirtschaft. Sogar die Gebärdendolmetscher müssen über die Klin­ge springen, und der „Rat auf Draht“ verglüht.

Also muss zusätzliches Geld her, um das zu verhindern. Die entsprechenden Lobbys sind schon in Stellung gebracht, mehr und mehr Geld für die eigentliche Leistung.

Sonst läuft aber alles weiter wie bisher. Es soll außer Streit stehen – so Generaldirek­tor Wrabetz –, dass der ORF zwei Fernsehkanäle braucht, um seinen Auftrag zu erfül­len. Der ORF als Leitmedium brauche eine kritische Größe. Die Größe ist derzeit aller­dings wirklich kritisch.

Der Status quo wird zum Zukunftsprinzip. Der Finanzbedarf scheint unerschöpflich, trotz aller geplanten und eingeleiteten Sparmaßnahmen. Fällt Ihnen da etwas auf? – Vom Sparzwang betroffen sind zuerst immer nur Dinge, die klar in die Domäne eines öffentlich-rechtlichen Senders fallen, Kernbestandteile seines öffentlichen Auftrages, Angebote, die nur von einem öffentlich-rechtlichen Sender geleistet werden können.

Genau dafür erhält er ja seine Gebühren, darin liegt seine Legitimation, sein öffentlich-rechtlicher Mehrwert und nicht zuletzt sein gesetzlich festgelegter Auftrag.

Hier liegt die eigentliche Krux und die zentrale Forderung an ein zukünftiges ORF-Ge­setz. Der ORF ist in Zukunft wieder klar und eindeutig zu seinem öffentlich-rechtlichen Auftrag zu verpflichten. Dieser muss präzise definiert und normiert werden und von einer unabhängigen Kontrollinstanz kontrolliert werden.

Hier ist die Politik, hier sind in erster Linie Sie gefordert. Die Politik muss die Rahmen­bedingungen schaffen, die den ORF als öffentlich-rechtlichen Programmanbieter zur Erfüllung seines gesetzlich vorgegebenen Auftrages zwingen. Das heißt, Information, Bildung, Kultur, Sport und Unterhaltung und das in einem gleichwertigen Ausmaß auf beiden Kanälen, ORF 2 und ORF 1.

Der ORF muss wieder zum Leitmedium für österreichische Inhalte in Information, Kul­tur, Unterhaltung und für Produktionen der österreichischen Film- und Kreativwirtschaft werden.

Einzig und allein das ist die Legitimation für Pflichtgebühren in der Höhe von einer hal­ben Milliarde €. Nur so erlangt der ORF aber auch wieder eine unverwechselbare Stel­lung gegenüber allen anderen Wettbewerbern, und er bekommt eine klare, differenzier­te Unterscheidbarkeit auch gegenüber privaten Fernsehangeboten, ganz gleich, ob sie österreichischer Prägung sind oder ob sie aus Deutschland mit Werbefenstern ein­strahlen.

Ich hoffe, Sie gestatten mir zum Schluss den Appell an Sie als die politischen Entschei­dungsträger: Führen Sie vor jeglicher Diskussion um Finanzierung, Strukturen oder Personal zunächst als erste grundlegende Maßnahme die Diskussion um die eigent­liche Zielbestimmung des öffentlich-rechtlichen ORF im österreichischen Fernsehmarkt der Gegenwart und vor allem der Zukunft. Befreien Sie ihn aus der überdominanten Quotenfixierung und aus der Abhängigkeit vom Werbemarkt! Machen Sie den ORF der Zukunft werbefrei!

Der erste Schritt dazu muss heißen: Keine Werbung nach 20 Uhr. Das ist der Standard bei allen anderen öffentlich-rechtlichen Sendern in Europa. Warum gilt das für den ORF nicht?

Es ist eine lebenswichtige Diskussion, nicht nur für die Zukunft des ORF, sondern im gleichen Maße auch für privates Fernsehen. Denken Sie auch an uns private Anbieter und retten Sie den ORF vor sich selbst! – Vielen Dank. (Beifall.)

14.14


Vorsitzender Präsident Mag. Dr. Martin Graf|: Ich bitte nun Herrn Daniel Krausz um seine Ausführungen und erinnere nochmals an die 10 Minuten. – Bitte.

 


14.14.09

Daniel Krausz (WKÖ-Obmann – Fachverband FAVF)|: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Als Vertreter der heimischen Filmwirtschaft und Musikindustrie vertrete ich 4 300 Unternehmen und bekenne ich mich zu einer Medienvielfalt in Öster­reich, oder es muss richtiger heißen, anerkenne ich die Medienvielfalt in Österreich.

Weithin wird die Debatte so geführt, als hätten wir eine Wahl und könnten uns auf ge­mächliche Weise aufraffen, nötige Lenkungsmaßnahmen in gesellschaftlicher, kulturel­ler und wirtschaftlicher Hinsicht auf eine solche Vielfalt vorzubereiten.

Dass Medienvielfalt nichts, aber auch gar nichts mit Programmvielfalt zu tun hat, davon können Sie sich selbst jederzeit, wenn Sie Programme durchzappen, überzeugen. Wenn es um Bewegtbild geht, hat der Konsument längst die Qual der Wahl, die Jünge­ren durch die Nutzung von neuen Vermittlungsformen noch mehr als die Älteren. Es gibt etwa 90 quasi klassische Sender und eine Vielzahl an unterschiedlichen netzun­terstützten Plattformen. Die Rechtsform eines Veranstalters tritt aber dabei mehr und mehr in den Hintergrund.

Österreich ist anders. Hierzulande muss erst einmal die Stellung und Ausrichtung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ORF geklärt werden. Eine große Krise darf man nicht verschwenden, sagt der Historiker Philipp Blom, Ö1-Hörern auch als Moderator der Sendung „Von Tag zu Tag“ bekannt. Er meint damit die Finanz- und Wirtschaftskrise, und ich möchte diese Aussage gerne auf die ORF-Krise ausdehnen.

Die Debatten der letzten Monate, Wochen und Tage vor Augen haltend, muss man aber leider zu dem Schluss kommen, dass der ORF und die Bundesregierung gemein­sam gerade dabei sind, die Chance sehr wohl zu verschwenden, welche die Krise für einen Kurswechsel bietet. Der ORF steuert auf ein Debakel zu. Das Debakel besteht nicht in erster Linie in dem heuer zu erwartenden Bilanzverlust, sondern in der Art und Weise, wie Budgetsanierung ausgaben- und einnahmenseitig in Angriff genommen wird.

Der ORF reagiert auf die Krise und den entsprechenden politischen Druck im wesentli­chen Maße mit Einsparungen bei der Programmproduktion und setzt damit selbst die Abwärtsspirale in Gang. Je weniger eigenständig produzierte und unverwechselbare Programme auf den Sendern des ORF laufen, desto verwechselbarer wird seine Per­formance, und immer geringer wird die Legitimation für die Gebührenfinanzierung, nicht zuletzt vor den Österreicherinnen und Österreichern.

Die Politik übt sich dabei seit vielen Jahren in der plastischen Chirurgie, um runzlig ge­wordene Gepflogenheiten unerkannt aufrechtzuerhalten und setzt die Geschäftsfüh­rung mit einem Sparauftrag unter Weglassung eines inhaltlichen Auftrages unter Druck und bewirkt die nachhaltige Beschädigung des österreichischen Leitmediums, das es nach einer aktuellen Market-Umfrage nach wie vor ist.

Länger lässt sich dieses Gesicht aber nicht mehr glattstraffen – nicht in der Öffentlich­keit und nicht auf dem TV-Schirm. Zu glauben, dass die Einnahmenverluste aus der Werbung ausschließlich durch Einsparungen kompensiert werden können, ist naiv, zu glauben, dass sich für den ORF der Werbemarkt wieder elementar verbessern kann, auch.

2009 wird der ORF durch die Rezession einerseits und durch die nicht wegzudenkende vielfältiger werdende Konkurrenz erstmals weniger Werbeeinnahmen lukrieren als die privaten Anbieter. Dieses Volumen wird lediglich bei knapp über 10 Prozent des ge­samten Werbeaufkommens in Österreich liegen. Weiters zu glauben, dass die Gebüh­renrefundierung zur Sanierung ausreicht, ist ein Wunschdenken der Politik und Irrglau­be des ORF. Sie können jetzt schon in acht Monaten die nächste Enquete zur Lösung des Problems ansetzen.

Im Übrigen hat die im letzten Jahr stattgefundene Musik-Enquete auch nicht das ge­bracht, was in ihr versprochen wurde. Es wurde eher noch schlechter für die Musik.

Aber am Programm zu sparen, quasi Eventualverpflichtung, ist vor allem ignorant den Wünschen der Gebührenzahler gegenüber. Diese wollen nämlich, wenn sie ORF auf­drehen, österreichisches Programm sehen, österreichische Informationssendungen, Dokumentationen, österreichische Filme und Serien. Das sagen die ORF-Zuseher nicht nur in Meinungsumfragen, das geben sie auch tagtäglich mit der Fernbedienung zu verstehen. Österreichische Filme, Serien und Dokumentationen zählen nämlich zu den beliebtesten Programmen im ORF und erreichen durchschnittlich fast 50 Prozent mehr Zuseher als Kaufprogramme meist amerikanischer Provenienz.

Angesichts der Sparpläne im ORF und dem Gedanken, die Programmproduktion wei­ter einzuschränken, wird aus dem ohnehin schon niedrigen Niveau des ORF in der Programmproduktion ein Krater. Denn jetzt schon ist der ORF im europäischen Ver­gleich das Schlusslicht bei den nationalen Anteilen am fiktionalen Programm. Lediglich 5,8 Prozent aller im ORF gesendeten Spielfilme stammen aus der heimischen Produk­tion, 43,2 Prozent – diese Daten sind aus dem Jahr 2007 aus Straßburg – dagegen aus den USA. Fastfood also statt Qualität, billiger, aber auch ungesünder.

Anders in der Schweiz: Dort ist die heimische Programmproduktion im fiktionalen Be­reich doppelt so groß und der Anteil der US-Ware um 30 Prozent geringer als bei uns. Es geht also, wenn man will oder gar muss. Nimmt man TV-Serien unter die Lupe, ist das Ergebnis für Österreich noch ernüchternder. Nur 1,3 Prozent aller in beiden ORF-Programmen gesendeten Serien sind österreichischer Herkunft, 54,6 Prozent dagegen stammen aus den USA. Im Ersten Schweizer Fernsehen hingegen halten sich die na­tional produzierten mit denen der USA die Waage. Bei dieser Ausgangslage auf die Rahmenbedingungen für eine Medienvielfalt in Österreich zurückzukommen, ist daher sichtlich schwierig, aber gut, ich versuche es.

Österreichs bekanntester Privatsender ATV konnte im Vergleichsjahr bei den beiden Genres Spielfilm und TV-Serien mit einer doppelten Null glänzen: null österreichische Spielfilme, null österreichische TV-Serien. Gut, ATV ist ein kleiner und noch junger Sender, vor allem zur Gewinnmaximierung als Abspielkanal eines deutschen Medien­multis erfunden. Bei gleichzeitiger negativer Unternehmensbilanzierung, zumindest er­heblich in den ersten fünf Jahren, hofft man dort jetzt auf die vom Staat Österreich kon­ditionslos zur Verfügung gestellte Medienförderung – ein im europäischen Vergleich singulärer Vorgang, und selbst dann ist eine substanzielle fiktionale Programmproduk­tion als spürbarer Beitrag zur Stärkung der heimischen Filmwirtschaft nicht erwartbar. Der gegebene Markt lässt dies einfach nicht zu; andere Programme – ja, die aber film­wirtschaftlich gesehen die Filmwirtschaft in Österreich nicht beleben und schon gar nicht erhalten werden.

Nach wie vor sind europaweit die öffentlich-rechtlichen Sender die wichtigsten Auftrag­geber der unabhängigen Filmindustrie – 35,7 Prozent gegenüber 14,8 Prozent der Pri­vaten. Aus der Sicht der Filmindustrie, der österreichischen Film- und Musikschaffen­den und des ORF-Publikums stellt sich die Frage der Medienvielfalt daher ein wenig anders. Mehr private TV-Anstalten und weitere finanzielle Beschränkungen für die öf­fentlich-rechtlichen Sender führen in Bezug auf qualitative fiktionale Programme, auf Fernsehfilme, -serien und -reihen nicht zu mehr, sondern zu weniger Programmviel­falt.

Die österreichische Filmwirtschaft und die österreichischen Filmschaffenden bekennen sich daher zu einem starken ORF als österreichischem Leitmedium. Sie fordern darü­ber hinaus von der österreichischen Bundesregierung, die Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Zuge der Novelle des Gesetzes zu präzisieren und zu quanti­fizieren.

Mehr österreichische Filme, wie dies kürzlich der Herr Bundeskanzler feststellte, ist aus demokratiepolitischer Überlegung die richtige Antwort auf die Krise des ORF. So wich­tig die informationspolitische Funktion eines öffentlich-rechtlichen Senders auch ist, die Informations- und Kontrollfunktion ist nur ein Teil der öffentlichen Kommunikation. Dazu kommt die Problem- und Selbstwahrnehmungsfunktion, die sich zu einem großen Teil über fiktionale Programme, über Geschichten und Filmerzählungen erzielen lässt. Un­terhaltung ist demnach nicht nur Wirklichkeitsflucht, sondern auch Spiegel der Gesell­schaft, Kommentar zu sozialen und politischen Entwicklungen.

Die Bedingungen für die qualitative fiktionale heimische Unterhaltungsproduktion, die vorwiegend von Österreich und eigentlich ausschließlich von österreichischen Produ­zenten gemacht werden kann, werden durch die Sparmaßnahmen deutlich verschlech­tert und treffen damit nicht nur eine kreative, innovative Branche, die hoch qualifizierte Arbeitsplätze erhält und vor allem für junge Menschen schafft, sondern auch die vielfäl­tige, unmittelbare Wertschöpfung sowie die mit Bildern Österreichs im Ausland massi­ve Bewerbung der Tourismusmarke Österreich.

Gelder des ORF werden in der Produktion allein durch Hereinnahme von Koproduk­tionsgeldern nahezu verdoppelt – von anderen Sendeanstalten, ausländischen Sende­anstalten – und durch Verkauf der Produkte in weitere Länder veredelt.

Bei der staatlichen und regionalen Filmförderung hat es zuletzt einige sehr erfreuliche Entwicklungen gegeben, die ihren Ursprung in der Anerkennung der internationalen Er­folge der österreichischen Filme haben. Der ORF darf jetzt nicht aus seiner Pflicht ent­lassen werden. Zu oft haben wir diese Debatte schon miterlebt. Daher fordert die hei­mische Filmwirtschaft, dass 25 Prozent des Programmentgelts aus den Gebühren des ORF für die Herstellung heimischer Filme, TV-Serien und Dokus verwendet werden. Dies ist eine gesetzliche Auflage oder hat eine solche zu werden. Alles andere hat nicht Bestand, und die Halbwertszeit haben wir bei der letzten Valorisierung erlebt.

Das Film/Fernseh-Abkommen hier in Frage zu stellen, ist bei den Erfolgen, die österrei­chische Filme international erringen, nahezu zynisch. Wir wollen auch dies im Gesetz verankert wissen, mit einem valorisierbaren Budget von 10 Millionen €. Eine vertiefen­de Verankerung des Programmauftrags unter Einschluss der heimischen Musik in § 4 wäre daher eine logische Konsequenz.

Nächste Woche wird hier in diesem Haus die Uraufführung des jüngsten, international höchst dekorierten Haneke-Films erfolgen. Sein Titel: „Das weiße Band“. Sorgen Sie dafür, dass wir diesen Event nicht mit einer Trauerschleife begehen müssen! Danke schön. (Beifall.)

14.25


Vorsitzender Präsident Mag. Dr. Martin Graf|: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Univ.-Prof. Dr. Holoubek. Die Uhr ist auf 10 Minuten eingestellt. – Bitte sehr.

 


14.25.39

Univ.-Prof. Dr. Michael Holoubek (Wirtschaftsuniversität Wien)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielen herzlichen Dank für die Ein­ladung. Sie haben einen Juristen und Rechtswissenschafter eingeladen, und ich ent­schuldige mich daher dafür, dass Sie jetzt eine juristische Antwort bekommen.

Ich möchte drei Aspekte verfassungsrechtlicher und gemeinschaftsrechtlicher Natur ansprechen zum Thema: Meinungsvielfalt – verfassungs- und gemeinschaftsrechtliche Rahmenbedingungen.

Erster Punkt: Wie Sie alle wissen, Meinungsvielfalt ist in Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention garantiert. Was bedeutet Meinungsvielfalt für das duale System, über das heute hier gesprochen wird? Das heißt einmal für den Privaten, wie im Übrigen auch für einen, wenn es ihn gäbe, nichtkommerziellen Sektor: Dort ist das Konzept des Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention das des Außen­pluralismus. Da können – können, müssen nicht! – insbesondere Eigentümerinteres­sen direkt auf die Inhalte durchschlagen.

Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist das bekanntlich verfassungsrechtlich an­ders konzipiert. Da kommt das Bundesverfassungsgesetz über die Sicherung der Un­abhängigkeit des Rundfunks hinzu. Dort herrscht als Schlagwort, das Meinungsvielfalt charakterisiert, Binnenpluralismus. Es geht dort insbesondere um die Unabhängigkeit des Journalisten/der Journalistin, des verantwortlichen Redakteurs/der verantwortli­chen Redakteurin. Das ist in diesem System besonders wichtig.

Es gibt eben, lassen Sie es mich so plakativ formulieren, Institutionen – der öffentlich-rechtliche Rundfunk gehört dazu, und, Sie gestatten mir die Seitenbemerkung, die Uni­versitäten wären weitere vergleichbare Institutionen –, wo der Grundsatz: Wer zahlt, schafft an!, nicht oder – sagen wir es vorsichtiger – nur sehr begrenzt gilt.

Zweiter Gesichtspunkt grundrechtlicher Meinungsvielfalt: Der Artikel 10 EMRK sichert Freiheit und gebietet damit Vorsicht bei staatlichen Interventionen in Inhalte. Die Jour­nalistin/der Journalist, die Redakteurin/der Redakteur, sie sind Träger der Meinungs­freiheit, und das hat wenigstens zwei Komponenten: Es geht um die klassische Mei­nungsfreiheit – was gesagt werden darf –, es geht aber auch – das ist ständige Recht­sprechung, vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte über den österreichi­schen Verfassungsgerichtshof bis zur eigentlichen Rundfunkaufsichtsbehörde, dem Bundeskommunikationssenat – um journalistische Gestaltungsfreiheit – wie etwas gesagt, wie etwas präsentiert wird. Das erfordert Zurückhaltung bei der staatlichen Be­urteilung journalistischer Gestaltungen.

Lassen Sie mich wieder ein Beispiel bringen: Die Abgrenzung von solchen inhaltlichen Kategorien wie reiner Unterhaltung und Kultur ist, wie die Erfahrung lehrt – denken Sie etwa an die Beurteilung von, ich könnte jetzt viele Beispiele bringen, in der Zeitachse gesehen „Wünsch dir was“ über „Taxi Orange“ bis zu „Dancing Stars“ –, etwas, das aus grundrechtlicher Sicht primär die Sendungsverantwortlichen zu entscheiden ha­ben.

Dritter Punkt: ökonomisches und publizistisches Vielfaltskonzept. Während wir hier re­den und diskutieren, findet eine Veranstaltung der Rundfunkrechtler in diesem Land statt, das Fünfte Österreichische Rundfunkforum. Dort denken die Rundfunkrechtler und Rundfunkrechtlerinnen darüber nach, wie man denn den Public Value und den Public Value Test, der ja jetzt wohl in irgendeiner Form kommen wird, in die österrei­chische Rundfunkrechtsordnung umsetzen kann, denn – wir haben das gehört – es ist sehr erfreulich, dass es ein Grundsatzübereinkommen mit der Europäischen Kommis­sion gibt, was dann jedoch insbesondere auf die Legistinnen und Legisten in den Mi­nisterien zukommt, ist die sehr mühsame Arbeit, das in die österreichische Rundfunk­rechtsordnung umzusetzen.

Lassen Sie mich dazu ein paar Gedanken äußern: Die Meinungsvielfalt des Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention beruht auf einem publizistischen, auf einem, wenn Sie so wollen, demokratie- und kulturpolitischen Vielfaltskonzept. Im euro­päischen Wettbewerbsrecht, im Beihilfenrecht geht es jedoch – naheliegend – um die Sicherung fairen und gleichen Wettbewerbs und damit um ein ökonomisches Viel­faltskonzept.

In diesem Public Value Test, so wie ihn die Kommission auch in ihren Mitteilungen, in ihrer bisherigen Entscheidungspraxis konzipiert hat, treffen sich diese beiden Vielfalts­konzepte. Warum? Wie schaut dieser Public Value Test aus der Sicht der Kommission in den Grundstrukturen aus? Es geht zunächst in einem ersten Schritt – manche wür­den sagen, in einer ersten Stufe – um die Beurteilung – und mir geht es jetzt um diesen zukunftsorientierten Aspekt – neuer Dienste, neuer Aktivitäten, neuer Geschäftsfel­der.

Es geht im ersten Schritt um die Frage eines sogenannten Market Impact Assess­ments: Führt die Einführung eines neuen Dienstes zu spürbaren Wettbewerbsverzer­rungen? – So würde das die Kommission wohl formulieren. Das ist eine genuin ökono­mische Beurteilung. Wenn das der Fall ist, dann stellt sich die Frage nach dem Added Value, nach dem Mehrwert dieser Dienste – in sozialer, demokratischer und kultureller Hinsicht. Das ist eine publizistische Vielfaltsfrage, die man – das ist jetzt meine Auf­fassung – nicht den Ökonomen überlassen sollte und die man aus gemeinschaftsrecht­licher Sicht auch nicht den Ökonomen überlassen muss.

Es kann daher Sinn machen, diese beiden Fragen zu trennen und damit auch differen­ziert zu überlegen, wer in welchem Verfahren diese beiden Fragen zu entscheiden hat, denn letztlich geht es um eine klassische Abwägungsentscheidung. Je gravierender die Wettbewerbsverzerrung, desto gewichtiger muss der Added Value sein.

Diese Entscheidung muss – und auch das ergibt sich aus den gemeinschaftsrechtli­chen Rahmenbedingungen – durch ein Verfahren, in dem alle Betroffenen angehört werden, legitimiert werden, und sie muss von einer unabhängigen Einrichtung darauf­hin geprüft werden, ob sie – wie das die Kommission wieder formulieren würde – nicht auf einem offensichtlichen Fehler beruht.

Bei dieser Kontrollentscheidung sind dann wohl jedenfalls wieder die Juristinnen und Juristen gefragt. Ganz offensichtlich ist: Je klarer die ökonomische – dieses Market Im­pact Assessment – und je klarer die publizistische – die Added Value Entscheidung – Beurteilung und Wertung dort ausfällt, desto kleiner ist der Spielraum, der der juristi­schen Kontrolle bei dieser Werteentscheidung bleibt. Und ich würde – in einer hoffent­lich realistischen Selbsteinschätzung – diese wichtige medienpolitische Frage nicht al­leine den Juristinnen und Juristen überlassen.

Wenn ich schon zu spät gekommen, wofür ich mich entschuldige, dann höre ich we­nigstens pünktlich auf. Vielen Dank. (Beifall.)

14.32


Vorsitzender Präsident Mag. Dr. Martin Graf|: Als nächster Redner gelangt Herr Dr. Drössler zu Wort. – Bitte.

 


14.32.51

Dr. Peter Drössler (WKÖ-Obmann der Bundesweiten Fachgruppe Werbung)|: Hohes Haus! Sehr geehrte Herren! Und ganz besonders begrüßen möchte ich auch die weni­gen im Saal befindlichen Damen! Wenn man den Tag heute verfolgt, bekommt man den Eindruck, das öffentlich-rechtliche Fernsehen in Österreich ist reine Männersache. Das kann der Weisheit letzter Schluss nicht sein, und ich hoffe sehr, dass das in der weiteren Diskussion noch korrigiert wird.

Als Vorsteher des Fachverbandes Werbung vertrete ich die Werbebranche mit Werbe­umsätzen in Österreich von ungefähr 3 Milliarden €, 25 000 Mitgliedsbetrieben und 40 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in unseren Betrieben.

Wir tragen etwa ein Drittel zum ORF-Budget bei, und ich bin der Einzige, der für dieses Drittel der Finanzierung des ORF heute sprechen kann. Immerhin geht es uns noch besser als den Damen: Da ist es, obwohl mindestens 50 Prozent der Beiträge von Frauen kommen, auch nur eine Dame, die heute reden durfte.

Es ist schon sehr viel gesagt worden. Ich möchte mich deswegen relativ kurz fassen. Es geht mir darum, drei wichtige Prinzipien darzulegen, die für die Werbewirtschaft es­sentiell sind, was den ORF, das öffentlich-rechtliche Fernsehen und den Medienmarkt betrifft.

Dass es erstens ein starker und auch ein reichweitenstarker Sender ist, der gebühren­finanziert beziehungsweise dualfinanziert ist, ist für die österreichische Werbebranche essentiell und ein zentrales Anliegen.

Zweitens sind für uns faire Wettbewerbsbedingungen genauso wichtig; Medienpluralis­mus und ein funktionierender Wettbewerb am Medienmarkt sind für uns ebenso essen­tiell.

Drittens sollten wir uns, wenn wir über eine ORF-Reform oder eine Reform des Me­dienmarktes in Österreich reden, bitte an zukunftsorientierten Strukturen orientieren, ganz in dem Sinne, wie es heute Früh Daniel Eckmann gesagt hat.

Das heißt, crossmediale Möglichkeiten und vor allem auch die crossmediale Realität sollen dabei bitte berücksichtigt werden, und auch ein starker, in Österreich sehr wichti­ger regionaler Bezug sollte dabei mitbedacht werden. Ich nenne da die Stichwörter Identität und Glaubwürdigkeit.

Zum Ersten: Österreich ist ein kleiner Markt, und deswegen ist das Umlegen von jetzt zuletzt diskutierten Modellen wie in Frankreich oder Spanien – das heißt, alle Werbung raus aus dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen – auf Österreich sicherlich nicht gang­bar.

Öffentlich-rechtliches Fernsehen: Der ORF hat eine wesentliche, heute schon oft ge­nannte Funktion als Leitmedium. Es ist für die Werbebranche ganz besonders wichtig, dieses Leitmedium nutzen zu können. Trotz der Rückgänge, die wir im Werbemarkt hatten – der ORF ist ja von den insgesamt 10 Prozent Rückgängen, die wir im ersten Halbjahr hatten, überproportional betroffen –, ist es nach wie vor so, dass reichweiten­starke Kampagnen, Kampagnen, die sich wirklich an die Gesamtbevölkerung richten, ohne ORF derzeit nicht durchführbar sind.

Es gibt aber noch einen zweiten Punkt, der hier ganz, ganz wichtig ist – und da möchte ich an Danny Krausz anschließen –: Auch die Kreativbranche – und die Werbebranche ist ein zentrales Standbein der Kreativbranche in Österreich; sehr, sehr viele Leute, die in der Werbebranche arbeiten, sind auch in anderen Bereichen wie Film, Design et ce­tera tätig – braucht dieses Leitmedium. Wir brauchen den ORF auch, um diesen Stand­ort für die Kreativbranche, für die Werbebranche in Österreich erhalten zu können.

Ich habe unter den 25 billing-stärksten Agenturen für den heutigen Tag noch eine Um­frage gemacht, und es ist eine einheitliche Befürchtung der Branche, dass, wenn es Einschränkungen, massive Einschränkungen der Werbemöglichkeiten im ORF gibt, dann einfach Etats, Kreation von Kampagnen aus Österreich abwandern. Und mit je­dem einzelnen Etat in diesem kleinen Markt, der weggeht von Österreich und mit dem meistens dann in Deutschland statt in Österreich kreiert wird, wird es schwieriger, in diesem starken Wettbewerbsmarkt die guten Schlüsselleute in Österreich zu halten, und das wäre ein Schaden für die gesamte Branche.

Anders gesagt, wir befürchten, dass die Beschränkung von Werbung im ORF die Agenturlandschaft in Österreich empfindlich treffen würde, und diesen Gesichtspunkt bitte ich Sie, bei Ihren weiteren Diskussionen ganz besonders zu beachten.

Es ist, glaube ich, das Wichtigste und deswegen der Angelpunkt – und auch da wieder­hole ich jetzt schon Gesagtes –, beim öffentlich-rechtlichen Auftrag anzusetzen. Das heißt, der Gesetzgeber muss endlich einmal ganz genau definieren, was dieser öffent­lich-rechtliche Auftrag ist, der da erfüllt werden soll.

Drum herum kann man sich dann überlegen, welche Rolle auch die Werbung in die­sem Markt spielen wird. Aber ein Zurückdrängen des ORF auf jene Nischen, die für Privatsender nicht lukrativ und nicht interessant sind, wie es vielfach diskutiert wird, wird sicher nicht die Lösung für den ORF sein, denn, wie gesagt, wir brauchen einen reichweitenstarken ORF, um die Ziele für die österreichische Wirtschaft erfüllen zu kön­nen.

Zum zweiten Punkt, Wettbewerb: Die Branche denkt mit Schrecken an Monopolzeiten zurück, an die Preise, die damals eine Werbesekunde im ORF gekostet hat, und die mühevollen Prozesse, um überhaupt Sendezeiten zu bekommen, die man bis zu einem Jahr im Voraus buchen musste. Da hat der Wettbewerb doch einiges bewirkt für die Branche, und zwar nicht nur preislich, sondern auch die Kultur zwischen den Me­dien und den Agenturen hat sich entscheidend verändert.

Der Wettbewerb ist positiv für den Preis, für Innovationen in der Branche, aber auch für den Pluralismus in der Gesellschaft, der durch eine vielfältige, im Wettbewerb sich ständig weiterentwickelnde Medienlandschaft wesentlich besser abgebildet und für uns als Werbebranche damit auch erreicht werden kann.

Deswegen ist Wettbewerb das zweite Thema, das für uns absolut wichtig ist. Be­schränkungen im Wettbewerb sind partiell sicherlich zu diskutieren. Es geht darum, einfach Rahmenbedingungen zu schaffen, die einen starken ORF als Leitmedium si­chern, aber auch den Privaten gute Marktbedingungen geben.

Das kann man durchaus auch differenziert diskutieren. Dass der ORF keine Unterbrecherwerbung hat – eines der prominentesten Beispiele –, hat auch wieder po­sitive Effekte. Wir wissen aus Impact-Messungen, dass Spots im Fernsehen, wenn sie im ORF gezeigt werden, höhere Akzeptanz haben, impact-stärker sind.

Das mag sich dann auch auf die Preise auswirken. Also wir sind da durchaus bereit, eine differenzierte Diskussion zu führen, aber es ist sicherlich keine Lösung, den ORF so zu beschneiden, dass man sagt, es müsse werbefreie Kanäle geben, oder dass man Werbung – was heute auch schon gefallen ist – überhaupt generell aus dem ORF verbannt.

Das wäre ein empfindlicher Schaden für die österreichische Wirtschaft – jetzt aus Sicht der Werbewirtschaft. Die Spielregeln sind einfach so zu definieren, dass es für uns wei­terhin möglich ist, auch über den ORF nationale, starke, impact-starke und reichweiten­starke Kampagnen zu führen, und dass wir auch alle Kanäle dafür nutzen können, die bis jetzt offenstehen.

Ö1 ist heute als Beispiel dafür genannt worden, wie öffentlich-rechtliches Fernsehen sein soll. Österreich 1 ist ein wunderbares Radioprogramm, hat sicherlich weit über Quotenmessbarkeit hinausreichende Bedeutung für das kulturelle Leben, für die Identi­tät in Österreich, soll hoffentlich auch so bestehen und sich weiterentwickeln können, dient aber nicht als Modell für den ORF generell, denn wir wissen genau, wie weit wir mit Österreich 1 kommen. Wir brauchen auch nationale Events, nationale emotionale Momente et cetera. Solche Dinge müssen über den ORF auch weiterhin möglich sein.

Dritter Punkt – ich mache es wirklich kurz –: moderne, crossmediale Strukturen. Wir müssen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk in jenen Strukturen denken, die sich in den letzten Jahren entwickelt haben und die sich mit zunehmender Geschwindigkeit in Zu­kunft auch noch entwickeln werden. Vor diesem Hintergrund ist der ORF als Sender im Sinn von eine Quelle, aus der Information kommt, der man vertraut und mit der man sich identifizieren kann, stärker wahrzunehmen als als technisches Medium, indem man sagt: Da ist Radio, da ist Fernsehen, und so weiter. Es geht darum: ORF ist die nationale Instanz als Absender von Informationen – über alle Kanäle.

Ich selbst konsumiere ORF vor allem über mein iPhone, weil das einfach immer dabei ist und ich den ORF online stärker verfolge als zu Hause vor dem Fernsehgerät, wo ich ohnehin nicht dazu komme. Diese Möglichkeiten darf und soll man dem ORF nicht nehmen und soll man natürlich auch der Werbewirtschaft nicht nehmen. Wir müssen schauen, dass wir wirklich bei den Konsumenten bleiben können. Wenn Einschränkun­gen, dann bitte anders, wenn Marktbedingungen, dann bitte anders regeln, als einfach den ORF quasi zu zerlegen nach einer Logik von medialem Denken, die aus dem 20. Jahrhundert stammt und dort auch gut aufgehoben war. Wir sind im 21. Jahr­hundert! Bitte, denken Sie medienmodern und denken Sie entsprechend den Kommu­nikationsstrukturen, die sich die Konsumenten längst angewöhnt haben und die wir brauchen, um für die österreichische Wirtschaft kommunizieren zu können!

Die Lösung wird also darin liegen, über den öffentlich-rechtlichen Auftrag Spielregeln zu definieren – das ist Aufgabe der Politik, das kann sonst niemand machen –, also ganz klare, demokratische, wettbewerbsfördernde und EU-kompatible Regeln aufzu­stellen, in deren Rahmen dann alle ihre Ziele verfolgen können, aber: Werbung braucht den ORF und der ORF braucht die Werbung – diese Paarung wird auch in Zukunft wichtig sein. Wir brauchen den ORF als starkes Leitmedium für die Wahrung einer ös­terreichischen Identität.

Einen Wunsch haben wir natürlich auch noch, weil wir heute schon sehr viel „Wünsch dir was“ gespielt haben: Eine der ganz, ganz großen Stärken des ORF ist eben Glaub­würdigkeit, ist Identität und ist die regionale Stärke. Es wäre, glaube ich, durchaus im Interesse der Gesamtwirtschaft, wenn es mehr Möglichkeiten gäbe, auch auf regiona­ler Ebene zu werben. Es wäre eine Einstiegsmöglichkeit in den Kanal Fernsehen für sehr viele Unternehmen, die sich das im Moment nicht leisten können. Ich sehe Herrn Stögmüller den Kopf schütteln. – Das muss in einem Gesamtpaket entwickelt werden, also nicht zum Nachteil der privaten Medien, aber es ist nun einmal so, dass nur der ORF diese neun Landesstudios hat, die im Moment suboptimal genützt sind, würde ich sagen, und da könnte man mehr daraus machen. Die Werbewirtschaft wäre hier gerne ein Partner. (Präsident Dr. Graf gibt das Glockenzeichen.)

Damit bin ich auch schon am Ende. Ich hoffe, ich habe nicht allzu sehr überzogen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall.)

14.42


Vorsitzender Präsident Mag. Dr. Martin Graf|: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Univ.-Prof. DDr. Karmasin. – Bitte.

 


14.43.04

Univ.-Prof. DDr. Matthias Karmasin (Universität Klagenfurt)|: Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte in den nächsten 10 Minuten als Statement zum Panel-Thema „Rahmenbedingungen für Medienvielfalt in Österreich“ drei Ausgangsbe­dingungen und vier Schlussfolgerungen darstellen.

Erste Ausgangsbedingung: die offensichtlich sich abzeichnende Einigung mit der EU-Kommission. – Das hat Kollege Holoubek, glaube ich, ausführlich dargestellt; wir wis­sen alle, worum es da geht.

Zweitens: Der Strukturwandel der Medienwirtschaft – das wurde heute Vormittag, aber auch jetzt von meinem Vorredner angesprochen – ist durch die Begriffe „Digitalisie­rung“, „Konvergenz“ und „Crossmedialität“ beschrieben und bedeutet offensichtlich, dass sich alle Anbieter von Mediencontents in konvergenten, digitalisierten Medienum­gebungen mit den bekannten und geschilderten Folgen bewegen.

Drittens – auch das wurde schon mehrfach erwähnt –: Österreich ist ein kleiner Me­dienmarkt mit einer hohen Ausstrahlung aus dem gleichsprachigen Ausland, mit einer hohen Konzentration auf dem Printmarkt, vor allem im Bereich der Tageszeitungen, im Verhältnis zur Einwohnerzahl und den ebenfalls heute schon ausführlich geschilderten Konsequenzen daraus.

Was heißt das jetzt? – Hier mein Versuch, daraus vier Schlussfolgerungen abzuleiten:

Erstens bin ich der Meinung, dass es einer umfassenden Restrukturierung der Vielfalt­sicherung und Medienregulierung bedarf. Ich meine, man sollte dies zum Anlass neh­men, um über mehr nachzudenken als über eine sehr anlassbezogene ORF-Debatte, nämlich um über eine Restrukturierung der Presseförderung, eine Restrukturierung der Medienkontrolle, vor allem die Förderung der Medienselbstkontrolle und eine Restruk­turierung der Vielfaltsförderung insgesamt nachzudenken.

Zweitens meine ich, dass eine Redefinition des öffentlich-rechtlichen Auftrages und die Frage der Refinanzierung der Erfüllung dieses Auftrages angesichts der geschilderten Ausgangslage unumgänglich sind.

Ich meine aber auch, dass die Definition dieses öffentlich-rechtlichen Auftrages – wie immer, wenn es um Macht und ihre gesellschaftliche Kontrolle geht – umstritten sein wird. Das liegt in der Natur der Sache, das ist ein interessengetriebenes Thema und damit ein Feld, in dem sich Interessen und Partikulärinteressen gruppieren. Deswegen meine Schlussfolgerung Nummer 3: Es bedarf zur Festlegung dieser öffentlich-rechtli­chen Kernkompetenz der regulierten Selbstregulierung – die ich nicht nur für den ORF, aber auch für den ORF vertrete – und der Kontrolle in einer unabhängigen Behörde.

Was heißt „regulierte Selbstregulierung“? – Hiefür gibt die Politik Rahmenbedingungen vor, zum Beispiel eine angemessene Versorgung mit Information. Aber was angemes­sen ist, das muss das Unternehmen selbst festlegen können im Rahmen der strukturel­len Vorgaben, der finanziellen und personellen Möglichkeiten.

Ein Beispiel dazu – so wie das die ZDF-Selbstverpflichtungserklärung vorsieht –: „An­gemessene“ Information bedeutet 50 Prozent Information im Hauptabend oder 40 Pro­zent Politikanteil in den Informationssendungen. Das kann objektiviert werden, das kann gemessen werden und das kann von einer unabhängigen Medienbehörde eva­luiert, kontrolliert und gebenchmarkt werden. Ich halte es für wenig sinnvoll und zielfüh­rend und auch für demokratiepolitisch bedenklich, wenn die Politik taxative oder inhalt­liche Vorgaben für die Konkretisierung dieses Programmauftrages macht.

Wesentlich scheint für mich zu sein – und das halte ich für den demokratiepolitischen Kern des Public-Value-Konzeptes –, dass sich der Kern- und Leistungsauftrag des öf­fentlich-rechtlichen Anbieters aus einem öffentlichen Konsultationsverfahren ergibt. Das halte ich für den wesentlichen Kern aller modernen und international benchmarkfä­higen Public-Value-Konzepte. Das bedeutet für das hier zur Diskussion stehende Pro­blem, dass man darauf achten muss, dass diese unabhängige Behörde übergreifend agiert, das heißt, ökonomisch, juristisch und kommunikationswissenschaftlich fundiert agieren kann, und – auch das haben wir schon gehört – dass es wesentlich zu sein scheint, dass diese Konsultationsverfahren sowohl eine demokratiepolitische Prüfung der Angebote als auch eine medienökonomische Prüfung umfassen, das heißt, die Auswirkungen auf die gesamte Medienwirtschaft, auf die Kreativwirtschaft, die Filmwirt­schaft, die Werbewirtschaft, aber auch Print- und andere Medienbereiche untersuchen.

Vierter Punkt – und damit komme ich zum Ende –: Ich meine, dass die Festlegung die­ser Rahmenordnung am Beginn der Debatte über eine Neustrukturierung des ORF ste­hen sollte. Verzeihen Sie mir diesen medienökonomischen Einwand: Ich meine, es wä­re wichtig, zuerst die Ziellinie festzulegen, dann über Organisationsstrukturen zu reden, dann über Standorte zu reden, dann über Refinanzierungsmodelle und -möglichkeiten zu reden und dann vielleicht ganz zum Schluss darüber zu reden, welche Personen in der Lage sind, die dafür notwendige Managementkompetenz zu erfüllen oder eben nicht. Ich hielte dies für einen sinnvollen Weg.

Ich kann nur hoffen, dass sich die Diskussion um die Zielsetzung der Medienvielfaltsi­cherung in Österreich im Allgemeinen, aber in diesem Fall für den ORF im Speziellen daran orientiert, wie ein Höchstmaß an publizistischer, demokratischer und ökonomi­scher Leistungsfähigkeit erreicht werden kann – für den ORF, aber auch für alle ande­ren Medien in Österreich. – Danke schön. (Beifall.)

14.49


Vorsitzender Präsident Mag. Dr. Martin Graf|: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Univ.-Prof. Dr. Fritz Hausjell. – Bitte.

 


14.49

Ao. Univ.-Prof. Dr. Fritz Hausjell (Universität Wien)|: Hohes Haus! Sehr geehrte Da­men und Herren! 10 Minuten reichen natürlich nicht für einen sehr differenzierten Vor­trag, daher erlaube ich mir, möglichst wenig davon zu wiederholen, was bereits ausge­führt worden ist, und zugleich zuzuspitzen, um doch noch möglichst viele von den mir wichtig erscheinenden Aspekten unterzubringen.

Zunächst zu den grundsätzlichen Ausführungen von Dr. Pirker – der zwar jetzt nicht mehr im Saal ist –, weil sie Gelegenheit bieten, das Grundsätzliche der Notwendigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für eine moderne, demokratische Gesellschaft klar zu lösen und zu klären.

Der Staat – also wir alle – muss nicht nur dort eingreifen, wo die Marktwirtschaft mit ih­ren privaten Interessen versagt. Herr Pirker irrt im Übrigen auch dann, wenn er meint, in keinem anderen Bereich würde der Staat so stark als Unternehmer eingreifen wie im Bereich Medien. Er vergisst dabei andere gesellschaftlich wesentliche Bereiche wie die Kultur, die Bildung, also Schulen, Hochschulen oder etwa schlicht die Wasserversor­gung. (Abg. Dr. Cap: Die Landwirtschaft!) – Die Landwirtschaft, danke, die Forstwirt­schaft, es gibt noch viele Bereiche, die zusätzlich zu nennen sind.

Der Staat ist im Medienbereich grundlegend gefordert, denn von wirtschaftlichen Kon­junkturen und Krisen weitgehend unabhängig funktionierende, erstklassige, kommuni­kative Infrastrukturen der Gesellschaft – das sind nämlich die öffentlich-rechtlichen Me­dien in der Regel – brauchen einen geeigneten Rahmen. Diese kommunikativen Infra­strukturen gemeinwohlorientierter Medien sind für das demokratische System letztlich die Luft zum Leben und die Luft für die Weiterentwicklung, wenn man es ein bisschen prosaischer formuliert.

Überzeugender hätte ich die Ausführungen des Verlegerverbandspräsidenten zu den Verlusten des ORF vielleicht dann gefunden, wenn er beide Ursachen genannt hätte, wobei die eine auch seine eigene Branche ganz hart trifft. Die Wirtschaftskrise hat ganz viele private Medienunternehmen tief in die roten Zahlen schlittern lassen. Vor al­lem der zweite Grund blieb weitgehend ungenannt, und den möchte ich hier schon nachtragen, nämlich: Die Werbemöglichkeiten des ORF wurden mit dem ORF-Ge­setz 2001 eingeschränkt und die im Jahr 1999 hier im Parlament von einer ähnlichen Regierungskonstellation, wie wir sie jetzt haben, bereits beschlossene Refundierung der Gebührenbefreiung von der ÖVP/FPÖ-Regierung gestrichen. (Abg. Kopf: Ist er Politiker?) – Im Parlament darf man auch politisch argumentieren, denke ich, Herr Kopf.

Jene, die an der Entwicklung des noch gültigen ORF-Gesetzes beteiligt waren, hätten sich doch unter anderem auf das Weisenratsmitglied Gerd Bacher stützen können – sie haben sich zum Teil darauf gestützt –, hätten ihm vielleicht besser zuhören oder es einfach nachlesen sollen. Wenn Sie sich heute – und Sie tun das in der politischen Auseinandersetzung ständig, wechselseitig – gegenseitig vorhalten, unter welchen Rahmenbedingungen die Marktanteile oder Quoten des öffentlich-rechtlichen Rund­funks besonders schlecht geworden sind oder noch besser waren, dann lesen Sie die Abschiedsrede vom ORF von Gerd Bacher aus dem Jahr 1994 nach:

Der ORF hat heute – ich zitiere wörtlich, also 1994 – einen europaweit einsamen Marktanteil von stark über 40 Prozent, er hat aber in den siebziger Jahren an die 90 Prozent gehabt. Es kann sein, dass er im Verlauf der nächsten zehn Jahre – also bis zum Jahr 2004, das heißt, wir sind schon fünf Jahre drüber – auf 20 oder 25 Pro­zent geht. Verglichen mit Dutzenden 1-Prozent-Anbietern – also Spartenkanälen – wird er immer noch Goliath unter Davids sein, aber er wird weniger massig als heute sein. – Zitatende.

Ich wiederhole jetzt nicht die aktuellen Zahlen – Sie wissen, sie liegen erheblich über der Prognose von Gerd Bacher –, aber wir rechnen sie dem öffentlichen Rundfunk als einen Misserfolg an. Ich glaube, das relativiert einiges, wenn wir mit Gerd Bacher einen der zentralen Köpfe für die Formulierung auch der Theorie des öffentlichen Rundfunks und die Weiterentwicklung des öffentlichen Rundfunks vor uns haben. Dennoch bin ich der Meinung, dass der öffentliche Rundfunk weiterhin möglichst große Teile der öster­reichischen Bevölkerung erreichen soll, denn nur so kann er den Integrationsauftrag, wie er jetzt schon im ORF-Gesetz steht, erfüllen. Dazu braucht er sicher zwei Vollpro­gramme im Fernsehen und auch weitere Spartenkanäle.

Herr Abgeordneter Petzner ist im Moment auch nicht anwesend, ich gebe ihm trotzdem einen Hinweis – vielleicht kann er im Protokoll nachlesen –, wenn er sich überlegt, was denn aus ORF 1 werden könnte. Er könnte beispielsweise nach Frankreich schauen: Dort ist im Jahr 1987 der erste Kanal privatisiert worden, und was daraus geworden ist, bilanziert die „Neue Zürcher Zeitung“ vom 22. Mai 2009; es gibt auch zahlreiche Bü­cher dazu, aber dort ist es im Wesentlichen zusammengefasst. Ich lese das jetzt nicht alles vor, sondern nur einen finalen Punkt. Der langjährige Senderchef dort sagt wört­lich:

Der Beruf von TF1 – gestern übrigens im „Club 2“ von Thoma heftig gelobt; folgendes Zitat hat er uns vorenthalten – besteht darin, zum Beispiel Coca Cola zu helfen, sein Produkt zu verkaufen. Damit eine Werbebotschaft wahrgenommen wird, muss das Hirn des Zuschauers disponibel sein. Unsere Sendungen haben zum Ziel, es disponibel zu machen, das heißt es zu unterhalten, es zu entspannen, um es zwischen zwei Werbe­botschaften aufnahmebereit zu machen. Was wir an Coca Cola verkaufen, ist dispo­nible Menschenhirnzeit. – Zitatende.

Ich denke, wir müssen auch überlegen, wenn wir über die Frage gleiche Rahmenbe­dingungen für beide nachdenken: Welche Leistungen bringen die beiden Systeme her­vor? – Da, würde ich meinen, ist das, was wir in einem öffentlichen Rundfunk haben, das gesellschaftlich nicht nur Verträglichere, sondern auch das gesellschaftlich Not­wendige.

Zurück zum ORF und seiner Zukunft. – Die bisher im Programmauftrag, in § 4, formu­lierten Aufgaben – es sind 18 Punkte, wie Sie alle hier im Haus wissen – sind alle nach wie vor aktuell, aber um zumindest einen Bereich zu erweitern, der im Jahr 2001 bei der Formulierung sträflich ignoriert worden ist.

Herr Abgeordneter Kopf, Sie haben heute gesagt, wo Österreich draufsteht, sollte auch überwiegend Österreich drin sein. – Darin stimme ich mit Ihnen überein, ich hoffe nur, dass Sie mit „Österreich“ auch das gesamte Österreich gemeint haben, nämlich nicht nur Österreich in seiner regionalen Ausformung, sondern auch in seiner ethnischen Vielfalt. (Abg. Kopf nickt zustimmend.) – Danke, dass Sie nicken, das stimmt mich et­was positiv, denn derzeit sind 17 Prozent der österreichischen Bevölkerung, die einen Migrationshintergrund haben, in den meisten Programmen sicher nicht ausreichend re­präsentiert. Sie sind es auch in den Privatprogrammen nicht. Gestern zum Beispiel bei Puls 4 war unter dem eingespielten interessierten Publikum kein Einziger mit Migra­tionshintergrund, zumindest nicht mit erkennbarem.

Wir sind gleichzeitig jene, die oft von der Parallelgesellschaft reden. Die Medien tragen einen Teil dazu bei, wenn sie die gesamte Gesellschaft nicht als ihr Publikum begrei­fen, sondern in der Ausrichtung immer sehr relevante Teile vergessen oder nicht aus­reichend oder nur dann ansprechen, wenn es um Probleme geht, wenn es um Schwie­rigkeiten geht oder wenn die Politik glaubt, dass das nun ein wichtiges Thema ist.

Die Medienforschung hat nicht nur im Bereich der Printmedien – wo das auch nicht ge­leistet wird –, sondern auch im Bereich des Rundfunks meines Erachtens auch Migran­tInnen zu berücksichtigen. Das sind sie zum Teil derzeit nicht, weil nur österreichische Haushaltsvorstände beim Tele-Test berücksichtigt werden. Das wird sich ändern – und das ist erstmals auch ausgewiesen –, aber dazu ist noch ein wesentlicher Schritt zu leisten. Das alles sind Forderungen, die Geld kosten. Die Frage ist, inwieweit die Me­dienpolitik dazu bereit ist, in diesen Bereich einer integrativen Medienpolitik zu investie­ren.

Viele andere Forderungen an den ORF, die wir heute zum künftigen Programmangebot schon gehört haben und die ich auch weitgehend unterschreiben würde, vor allem jene von Dr. Franz-Joseph Huainigg, bedeuten aber – davor dürfen wir die Augen nicht ver­schließen – mehr Mittel für den öffentlichen Rundfunk und nicht ein sogenanntes Ge­sundschrumpfen. Ich denke, dass der ORF im Kern gesund ist, dass er Entwicklungs­perspektiven braucht und wir uns in vielen Bereichen großen gesellschaftlichen He­rausforderungen zu stellen haben. Nicht nur die Migrationsfrage, auch der europäische Integrationsprozess zeigt uns, dass gerade der öffentliche Rundfunk – das zeigen die Studien – dort eine Form der Öffentlichkeit schafft, die private Medien – Ausnahme Qualitätsprintmedien – sonst nicht leisten oder fast nicht leisten.

Daher schlage ich vor, die derzeitige gemischte Finanzierung beizubehalten, die Ge­bühren allerdings in den Verfassungsrang zu erheben und mit einer Valorisierungsklau­sel zu versehen, und die Refundierung, die im Wesentlichen, wie ich annehme, unter den Koalitionspartnern schon als Beschlussmaterie fungiert, dem ORF zuzuerkennen, denn sie steht ihm auch zu.

Letzter Punkt: die Personalkosten. – Diese wurden zweimal angesprochen. Staatsse­kretär Lopatka meinte, sie seien zu hoch. Herr Abgeordneter Molterer meinte, es täte ihm leid um die vielen Mitarbeiter aus dem Informationsbereich. Ich glaube, man muss sich entscheiden, was man will.

Ich denke, dass ein qualitativ hochstehender ORF nicht nur ausreichendes Personal braucht, sondern auch ausreichend gut bezahltes Personal. Wir wissen, im Journalis­mus gibt es nichts Schlimmeres als schlecht bezahlte MitarbeiterInnen, die dann er­pressbar werden von Wirtschaftsinteressen, von politischen Interessen oder anderen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall.)

15.01


Vorsitzender Präsident Mag. Dr. Martin Graf|: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Fritz Wendl. 10 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


15.01.37

Fritz Wendl (Vorsitzender des ORF-Redakteursrats)|: Hohes Haus! Verehrtes Publi­kum! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dem ORF geht es wie dem Fußball: Auch noch so Ahnungslose halten sich für Experten. – Das signalisiert immer ein Interesse, hat aber den Nachteil, dass Diskussionen und Handlungen häufig jegliche Sachlichkeit und Vernunft vermissen lassen. Das trifft auf unsinnigste Privatisierungsforderungen eben­so zu wie zum Beispiel darauf, dass überall in der zivilisierten Welt die Erhaltung eines Symphonieorchesters weitgehend aus Kulturförderungsmitteln gesichert ist, was für das RSO aber nicht gilt. Die Kosten für Gebührenbefreiungen würden nach Vernunftkri­terien wohl zweifellos das Sozialbudget des Bundes und nicht das ORF-Budget belas­ten müssen.

Die mehr oder weniger gezielt benutzten Begriffsverwirrungen prägen aber auch diese Enquete ziemlich stark. So heißt etwa der jetzige Themenblock „Rahmenbedingungen für Medienvielfalt in Österreich“. Welche Vielfalt ist aber gemeint? Eine Vielfalt jener Medien, die etwas mit gesellschaftlicher Verantwortung, mit demokratiepolitischen Not­wendigkeiten zu tun haben, oder eine Vielfalt jener, für die auch die Verbreitung von möglichst viel Einfalt bereits Vielfalt darstellt?

Um demokratiepolitisch verantwortungsvolle Medienrahmenbedingungen zu fixieren, ist es vor allem notwendig, klarzustellen, wie die aktuelle Medienlandschaft Österreichs aussieht. Diese ist von weit überdurchschnittlichen Monopol- und Kartellkriterien ge­prägt und nicht zuletzt von jenen führenden Repräsentanten des VÖZ, des Verbands österreichischer Zeitungsverleger, die von Brüssel bis in diese Enquete angebliche Marktgefährdungen durch den ORF beklagen und den freien Markt beschwören, aber, denn das ist noch nicht genug, gerade am größten Medienzusammenschluss basteln, den es hierzulande je gab, was sogar der Kartellbehörde zu viel ist. Diese winkt ja be­kanntlich erst dieser Tage den Deal nicht durch, sondern bringt ihn vor das Kartellge­richt, und zwar mit bemerkenswerten Begründungen: Durch die geplante Styria-Moser Holding würde Medienvielfalt in Österreich stark beschränkt, Meinungsvielfalt und un­abhängiger Journalismus würden in Mitleidenschaft gezogen. Die Behörde befürchtet gleichgeschaltete Meinungsverbreitung und eine weitere Einschränkung der Arbeits­möglichkeiten für Journalisten.

Jene, die den monopolisierten Zeitungsmarkt beherrschen, sind auch Kommerzradio­betreiber, Besitzer von Online-Firmen und so weiter. Den in diesen Medien arbeitenden Journalistinnen und Journalisten wird eine Anstellung nach einem der Tätigkeit adä­quaten Kollektivvertrag aber verweigert. Einige dieser Medienbetreiber wollen nun gleich noch ihre Zeitungsjournalisten durch dubiose Auslagerungen in den Gewerbe­kollektivvertrag zwingen. Presseförderung wollen sie aber auch als Gewerbetreibende der gewöhnlichsten Art weiterkassieren.

Ein weiteres unerfreuliches Spezifikum der Medienlandschaft Österreichs ist, dass die überwältigende Mehrzahl der empfangbaren Fernsehprogramme aus dem Ausland kommt und zwei große Anbietergruppen inzwischen den heimischen Werbemarkt spür­bar abschöpfen, wobei eine Großgruppe der anderen übrigens das Agieren mit Dum­pingpreisen vorwirft.

Bei einer sinnhaften Fixierung von Medienrahmenbedingungen geht es also nicht um Wettbewerbsregeln, sondern da geht es um eine, den spezifischen Bedingungen eines kleinen Landes entsprechende gesellschaftspolitische Richtungsentscheidung zwi­schen Public Value und Shareholder Value, den beiden Polen der globalisierten Me­dienwelt.

Welcher Mehrwert da mehr wert ist, ist eine Frage des Wertekanons. Wer sich zu dem Medienbegriff bekennt, der die spezifische gesellschaftliche Verantwortung der Medien in den Mittelpunkt stellt, für den kann der öffentlich-rechtliche Rundfunk gar nicht stark und sicher genug sein als unabhängiges nationales Leitmedium.

Das entspricht auch voll und ganz den Erwartungen der Bevölkerung. Eine erst dieser Woche veröffentlichte und in dieser Enquete schon erwähnte Market-Umfrage bestätigt das eindrucksvoll, da eine überwältigende Mehrheit die Wichtigkeit der Information, nicht zuletzt der regionalen, durch öffentlich-rechtlichen Rundfunk betont und möchte, dass der ORF sein Angebot weiter ausbaut. Wer dem ein Modell der ORF-Schwä­chung gegenüberstellt, will nicht Medienvielfalt, sondern bloß Marktvorteile für mediale Verantwortungslosigkeit.

Es ist also die Anpassung mehrerer Gesetze überfällig. Das Journalistengesetz ist um den Online-Bereich zu ergänzen. Im Mediengesetz ist ein Mindeststandard von Re­daktionsstatuten zu fixieren, denn was hat, außer dem Eigentümer, jemand von einem Redaktionsstatut nach dem Motto „Eigentümer und Journalisten haben einander gern“, wo auch noch hinzukommt, dass im Privatradiogesetz zwar ein Redaktionsstatut zwin­gend vorgesehen ist – Zitat –, sofern im Betrieb des Hörfunkveranstalters dauernd min­destens fünf redaktionelle Mitarbeiter beschäftigt sind, aber a) die meisten Kommerz­radios keine fünf Journalisten haben und b) die Nichterfüllung der Bestimmungen kei­nerlei Konsequenzen nach sich zieht?

Darüber hinaus ist, dem Regierungsübereinkommen entsprechend, das Presseförde­rungsgesetz zu einem Medienförderungsgesetz auszuweiten und inhaltlich zu präzisie­ren sowie die Mittelvergabe konsequent an die Erfüllung der besonderen demokratie­politischen Aufgaben von Medien zu knüpfen.

Schließlich kommt es bei einer Medienbehörde noch darauf an, nach welchen Kriterien die Beschickung erfolgt, also wirkliche Unabhängigkeit dieser Behörde garantiert wird –oder, wie Professor Karmasin sagte, regulierte Selbstregulierung.

Aus diesen Forderungen folgt eine weitere zentrale, nämlich, dass die Vergabe von Medienförderungsmitteln ebenso wie die Erteilung von Privatrundfunklizenzen an die Existenz von tauglichen Redaktionsstatuten und an die Einhaltung von journalistischer Tätigkeit adäquaten arbeitsrechtlichen Mindeststandards zu koppeln ist.

Somit fehlt jetzt nur noch das ORF-Gesetz. Das hat vor allem die wirtschaftliche Grundlage des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ebenso nachhaltig zu gewährleisten wie dessen Unabhängigkeit. Eine der Grundvoraussetzungen eines wirklich unabhän­gigen ORF ist, wie die ORF-Journalistinnen und -Journalisten seit Jahren immer wieder fordern, eine völlig neue Konstruktion von dessen Aufsichtsgremien. Der Stiftungsrat – oder wie immer dieses Gremium künftig heißen wird – ist analog zu Aufsichtsräten an­derer Großunternehmen zusammenzustellen, also deutlich zu verkleinern – ein Drittel der Mitglieder Belegschaftsvertreter, die allerdings bei der Wahl der Geschäftsführung nur in der im Aktiengesetz vorgesehenen Form mitwirken.

Die Entsendung hat durch die Konzernvertretung und durch die Redakteursvertretung zu erfolgen, damit auch sichergestellt ist, dass sowohl die ORF-Tochterfirmen als auch die ORF-Journalistinnen und -Journalisten, die das Kerngeschäft des öffentlich-rechtli­chen Rundfunks besorgen, im Aufsichtsgremium repräsentiert sind.

Beim Auswahlmodus der Eigentümervertreter sind Voraussetzungen zu schaffen, die sicherstellen, dass nur derjenige bestellt wird, der über fachliche Qualifikation verfügt, nicht bloß Fraktionsvorgaben erfüllt und nicht in Geschäftsbeziehungen mit dem ORF steht. Das ist im Gesetz zu definieren, da sich seit Jahren zeigt, dass Stiftungsräte, Ku­ratoren nicht in der Lage oder nicht willens sind zu einer Selbstkontrolle von Unverein­barkeiten.

In dem künftigen Rundfunkrat – nach dem derzeitigen Stiftungsrat und Publikumsrat –müsste außer für Vertreter der Bundesländer, der Parteien und so weiter auch Platz sein für nach fachlichen Kriterien ausgewählte Vertreter von Kunst, Wissenschaft, NGOs und so weiter – und selbstverständlich für Fraueninteressen, die in den derzeiti­gen Gremien im Unterschied etwa zur Vertretung von Touristik oder Kraftfahrern nicht vorgesehen sind.

In der Debatte um einen ORF-neu wird eifrig mit falschen Behauptungen und falschen Zahlen operiert. So wurde beispielsweise erst dieser Tage kolportiert, Gerhard Zeiler sei angeblich der Meinung, ein neu gebauter ORF käme mit 1 500 Mitarbeitern aus. Solchen Unsinn hat der ORF-Generalintendant und führende europäische Medienma­nager natürlich nie gesagt, sondern da hat offenbar jemand einen „Standard“-Kommen­tar vom 7. Dezember 2007 völlig missverstanden, in dem Folgendes stand: ORF-Lang­zeitgeneral Gerd Bacher hinterließ Gerhard Zeiler 1994 ein radikales Gutachten, wo­nach der ORF mit rund 1 500 Mitarbeitern auskäme. – Zitatende.

Zu diesem Zitat ist anzumerken, dass bei Bachers Abgang der ORF rund 2 500 Ange­stellte hatte, zu denen nicht wesentlich weniger sogenannte Freie hinzukamen, deren arbeitsrechtlich unhaltbare Situation zu sanieren Gerd Bacher immer verabsäumt hat­te – was allerdings inzwischen, wenn auch nicht gerade optimal, geschehen ist. Und vor allem liefert der ORF heute auch weit mehr Programm als vor 15 Jahren.

In den letzten Monaten haben Medienpolitik, ORF-Stiftungsrat und ORF-Geschäftsfüh­rung einen gefährlichen sogenannten Sparkurs eingeschlagen, der nicht, was längst überfällig wäre, unzeitgemäße aufgeblähte Strukturen beseitigt, sondern nach Rasen­mähermethode ausschließlich an Zahlen und nicht an Inhalten orientiert ist. Das hat dazu geführt, dass zur Information wichtige Kernbereiche wie ZiB, Radiojournale und Nachrichten oder Landesstudios die gewohnte Qualität und Quantität demnächst nicht mehr werden bieten können. Käme es tatsächlich so weit, hätte das weitreichende Fol­gen, denn ein ORF, der nicht mehr imstande wäre, öffentlich-rechtliche Kernaufgaben zu erfüllen, hätte seine Legitimation verloren.

Welche Möglichkeiten und Aufgaben den Medien, ganz besonders öffentlich-rechtlich, in der Gesellschaft eingeräumt werden, zeigt, wie eine Gesellschaft mit Grundrechten umgeht.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Hören Sie bitte auf, Klientelpolitik und parteipolitische Personalpolitik für Medienpolitik zu halten! Machen Sie endlich Medien­politik, die diesen Namen verdient! (Beifall.)

15.12


Vorsitzender Präsident Mag. Dr. Martin Graf|: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Dr. Wolfgang Burtscher. – Bitte.

 


15.12.20

Dr. Wolfgang Burtscher (Sprecher der ORF-Landesstudios, Landesdirektor Landes­studio Vorarlberg)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich danke zunächst für die Einladung, bei dieser Enquete auch den Standpunkt der Landesstudios zu berücksichtigen. Ich darf zu meiner Funktion erläutern: Ich bin Sprecher der ORF-Landesstudios und der Landesdirektoren, und wir sprechen in aller Regel mit einer Stimme, derzeit eben mit der meinen.

Wir werten Ihre Einladung als Zeichen, dass vom Parlament der Föderalismus und da­mit auch die Landesstudios ernst genommen werden. Andererseits ist aber festzuhal­ten, dass der ORF laut Gesetz verpflichtet ist, die Interessen der Länder durch regel­mäßige regionale Sendungen sowie durch angemessene Anteile an den österreichwei­ten Programmen zu berücksichtigen. Der ORF hat den gesetzlichen Auftrag, neun Lan­desstudios zu betreiben, und er hat einen angemessenen Anteil seiner Mittel für die Landesstudios zur Verfügung zu stellen.

Wenn da und dort jetzt gelegentlich die Existenzberechtigung der Landesstudios ange­zweifelt wird, dann ist das genauso unsinnig, als ob man die Existenzberechtigung der neun Bundesländer anzweifeln würde, wiewohl auch das in letzter Zeit gelegentlich ge­schieht.

Landesstudios also ja, aber in welcher Form? – Gestatten Sie, dass ich da zunächst mit einigen Vorurteilen aufräume.

Vorurteil Nummer eins – wir haben das heute bereits gehört –: Die Landesstudios pro­duzieren, übrigens mit etwa gut 100 Mitarbeitern, 20 Minuten Lokalfernsehen pro Tag und vielleicht ein Radioprogramm – und sonst nichts.

Einmal abgesehen davon, dass die neun Ausgaben von „Bundesland heute“ die meist genutzten Sendungen des Hauses überhaupt sind, haben sie im ersten Halbjahr einen durchschnittlichen Marktanteil von 59 Prozent und eine durchschnittliche Reichweite von einer Million Zuschauern erreicht. Ich betone das deshalb, weil Herr Dr. Schmid von RTL am Vormittag gefordert hat, öffentlich-rechtliche Programme müssten auch beim Publikum Akzeptanz erringen. – Ich sage nur: 59 Prozent Marktanteil!

Die Regionalradios des ORF sind trotz hoher regionaler Konkurrenz mit 2,5 Millionen täglichen Hörern und einem Marktanteil von 37 Prozent klare regionale Marktführer. Unsere lokalen Online-Angebote erreichen immerhin 23 Prozent der Internetnutzer –Tendenz steigend. Und mit unseren Radioprogrammen haben wir in unserer eigentli­chen Zielgruppe „35 plus“ im ersten Halbjahr mit 46 Prozent einen Marktanteil erreicht, der fast drei Mal so hoch war wie jener aller 81 inländischen Privatradiostationen zu­sammen.

Einer am Montag veröffentlichten Market-Untersuchung ist zu entnehmen, dass bei der Erwartungshaltung an einen öffentlich-rechtlichen Sender 92 Prozent der Bevölkerung Nachrichten und Infos aus dem eigenen Bundesland für sehr wichtig oder für wichtig halten. Und genau das, nämlich Information und Orientierung, gehört zu unseren Kern­aufgaben. Deshalb überrascht uns diese Einschätzung unseres Publikums überhaupt nicht. Wir machen offensichtlich vieles richtig.

Die Region und die engere Heimat liegen auch international voll im Trend. Nicht um­sonst bauen viele öffentlich-rechtliche Sender, von der BBC über den Norddeutschen Rundfunk bis zum ZDF, die Berichterstattung aus den Regionen weiter aus, weil sie er­kennen, dass diese Berichterstattung eine Stärke der Öffentlich-Rechtlichen ist und im Fernsehen sogar ein Alleinstellungsmerkmal.

Wir Landesstudios haben auf Grund unserer Marktposition die Chance, in der elektro­nischen Überflussgesellschaft vom Publikum als vertrauter und vertrauenswürdiger Be­gleiter wahrgenommen zu werden, und wir nutzen diese Chance.

Vorteil Nummer zwei: Man könnte doch vieles von der Zentrale aus erledigen und die Landesstudios, wie es Gerd Bacher einmal ironisch formuliert hat, auf die Größe einer Telefonzelle zusammenschrumpfen lassen.

Die Antwort darauf ist leicht: Unser Leistungsspektrum umfasst außerdem tägliche Zu­lieferungen für die nationalen Fernsehprogramme, von den „ZiBs“ über „Heute in Ös­terreich“ bis zu Sport und Kultur. Wenn irgendetwas in Österreich passiert, sind wir in aller Regel schneller und kostengünstiger am Schauplatz als die Mitbewerber. Wir pro­duzieren hunderte Stunden Breitensportübertragungen für TW1/ORF Sport plus. Und insgesamt leisten die Landesstudios einen bedeutenden Beitrag zum Gesamterfolg des Hauses und sind eine wesentliche Säule der Differenzierung im Wettbewerb. In Zahlen ausgedrückt: 1 557 Programmstunden im Fernsehen allein durch die Lan­desstudios! Im Radio sind es übrigens 75 500 Programmstunden pro Jahr. Das alles geschieht mit einem nachgewiesenen Kostenvorteil, der durchaus noch stärker für nationale Sendeflächen und Zulieferungen an das Gesamtprogramm genutzt werden könnte.

Herr Klubobmann Kopf! Bei allem, was die Landesstudios produzieren, steht nachge­wiesenermaßen Österreich drauf und ist auch zu 100 Prozent Österreich drin!

Wir sorgen mit unseren nationalen Programmangeboten für die österreichweite Ver­mittlung bedeutender Ereignisse und bieten damit auch den Kulturschaffenden der Länder eine österreichweite Bühne.

Ich möchte auch nicht unerwähnt lassen, Herr Hausjell, dass die Landesstudios auch den Volksgruppenauftrag im Sinne des § 5 ORF-Gesetz erfüllen, und zwar durch Sen­dungen in den Muttersprachen der Volksgruppen in Radio und Fernsehen. Diese Volksgruppensendungen sind wichtig für die Identität der autochthonen Volksgruppen und sind unverzichtbar für die Bewahrung ihrer Sprache und ihrer kulturellen Vielfalt.

Vorurteil Nummer drei: Die Landesstudios seien personell aufgebläht, hätten kompli­zierte Strukturen mit zahlreichen Leitungsebenen.

Die Wahrheit ist: Seit acht Jahren – und damit lange bevor von der Politik im Zusam­menhang mit dem ORF der Ruf nach Strukturreformen laut geworden ist – haben wir in zwei großen Reformschritten mit den Projekten „Best Practice“ und „2010“ beispielhaf­te und auch budgetwirksame Maßnahmen gesetzt. Flache Hierarchien, hohe Produkti­vität, neue Produktionsstandards wie die hauptsächliche Verwendung von Ein-Mann-Einheiten im Fernsehen, digitaler Workflow in der TV-Produktion: Das ist bereits jetzt Standard in den Landesstudios.

Und wir denken bereits seit einiger Zeit über eine weitere nachhaltig wirkende und überprüfbare Reduktion der Betriebs- und Herstellungskosten nach, um uns weiteren Handlungsspielraum zu bewahren. Das reicht von einer zusätzlichen Optimierung des digitalen Workflow, der Einführung von Video-Journalismus, so man uns lässt, bis zu einem noch stärker ausgeprägten Kostenbewusstsein auf allen Ebenen. Und die auch international in letzter Zeit sehr stark forcierte Trimedialität der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, nämlich, dass ein Mitarbeiter Radio kann, Fernsehen kann, Online kann, ist bei uns längst selbstverständlich.

Und wir sind stolz darauf, dass wir im Gesamtunternehmen seit langem die Rolle eines Motors der Erneuerung ausüben, wie dies der Generaldirektor gelegentlich bezeichnet.

Und wenn jetzt seitens der Politik vom ORF verlangt wird, er möge vor der Refundie­rung der Gebührenbefreiung seine „Hausaufgaben“ machen, so ist für die Landesstu­dios Folgendes festzuhalten: Wir machen diese Hausaufgaben seit Langem. Und wir werden ohne jede Einschränkung der Programmleistung bis zum Jahr 2011 unseren Personalstand um weitere 12 Prozent reduziert haben.

Zwei weitere Vorteile der Landesstudios sollen Ihnen nicht vorenthalten werden. Ers­tens: Wir repräsentieren den ORF nicht nur in den Programmen, sondern auch im un­mittelbaren Kontakt mit dem Publikum. Der ORF wird durch uns ein Medium zum An­fassen. Wir sind das Aushängeschild des Hauses bis hinein in kleinste Täler. Zweitens: Die Landesstudios sind ein wichtiger Träger der Kultur in den Regionen und schaffen in der Berichterstattung die notwendige öffentliche Aufmerksamkeit.

Im Kulturbetrieb kommt den Landesstudios als Veranstalter und als Partner von öffent­lichen Einrichtungen eine wichtige Funktion zu. Und genau diese wichtige öffentlich-rechtliche Funktion gerät zusehends in Gefahr.

Wir haben aufgrund der aktuellen Gesetzeslage und der daraus resultierenden Spruch­praxis unsere Probleme. Die rechtlichen Rahmenbedingungen führen zu einer zuneh­menden Einschränkung der Möglichkeiten der Landesstudios. Viele kleine Kulturver­anstalter sind auf unsere Hinweise und Kooperationen geradezu angewiesen. Es geht ihnen viel weniger um die Berichterstattung – diese ist durch den Programmauftrag oh­nehin garantiert –, sondern diese Kulturveranstalter wollen in erster Linie Promotion. Dasselbe gilt für andere Kooperationen im öffentlichen Interesse, vom Breitensport bis hin zu Gesundheitsaktionen.

Wir sind bereits wegen solcher Hinweise auf Landesausstellungen (Präsident Dr. Graf gibt das Glockenzeichen) – ich komme gleich zum Schluss –, auf Landestheater oder andere Ausstellungen verurteilt worden. Unsere Gestaltungsspielräume für Veranstal­tungshinweise sind sehr gering geworden. Ich glaube nicht, dass dies bei der Schaf­fung des geltenden Rundfunkgesetzes so beabsichtigt war. Aus unserer Sicht ist des­halb eine Klarstellung hinsichtlich der öffentlich-rechtlichen Kooperationen wünschens­wert.

Ich gehe jetzt gar nicht so weit, Ihren tollen Vorschlag für regionale Fernsehwerbung, Herr Karmasin, aufzugreifen. Ich fordere das nicht, aber wenn der Gesetzgeber die an­gemessene mediale Präsenz künstlerischer, kultureller und gesundheitsfördernder Ak­tivitäten in den Bundesländern weiterhin gewährleisten will, dann sind Klarstellungen bezüglich der öffentlich-rechtlichen Kooperationen notwendig.

Ich komme zum Schluss und wende mich vor allem an die Damen und Herren Abge­ordneten. Sie sind nicht nur von den Wählerinnen und Wählern entsandte Abgeordne­te, sondern Sie sind – ich unterstelle das einmal – auch Konsumenten der Programme der Landesstudios. Stellen Sie sich vor, es gäbe die Landesstudios nicht mehr oder nur in abgespeckter Form! Nicht nur Ihren Wählerinnen und Wählern, ich glaube, auch Ih­nen selbst würde etwas fehlen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall.)

15.23


Vorsitzender Präsident Mag. Dr. Martin Graf|: Als Nächster kommt Herr Armin Thurn­her zu Wort. Ich erteile es ihm.

 


15.23.25

Armin Thurnher (Plattform „Rettet den ORF“)|: Sehr geehrte Damen und Herren! Ho­hes Haus! Gestatten Sie mir zuerst ein Wort zur Aufklärung! Ich bin hier eingeladen, um für die Plattform „Rettet den ORF“ zu sprechen, aber ich bin nicht der Sprecher dieser Plattform. Ich bin allerdings ein Mitglied der Gruppe der Chefredakteure, die die­se Plattform unterstützt. Wir sind zusammengeschlossen in einer nicht zu unterschät­zenden Plattform namens „PRO ORF“, die auch wesentliche Organisationen der Zivil­gesellschaft wie „Attac“, „Greenpeace“, „SOS Mitmensch“, „GLOBAL 2000“ et cetera beinhaltet. Auch Interessenvertreter der Filmwirtschaft und des ORF-Radio-Sympho­nieorchesters sind dabei.

Der Sprecher der Plattform „Rettet den ORF“ ist Professor Wolfgang Langenbucher, der hier nicht reden wird, sondern oben auf der Besuchergalerie sitzt. Ich möchte also klarstellen, dass ich es bedauerlich finde, dass er hier nicht als Redner eingeladen wur­de. Ich halte nochmals fest, dass ich nicht der Sprecher von „Rettet den ORF“ bin – das ist Professor Langenbucher.

Ich stelle gleichzeitig fest, dass diese Plattform „PRO ORF“ durchaus nicht irrelevant und auch kampfeslustig ist. Und ich stelle weiters fest, dass damals Professor Langen­bucher, der Chefredakteur der „Presse“, mein alter Kampfgenosse Michael Fleisch­hacker und ich bei der Frau Präsidentin des Nationalrates waren, um sie zu bitten, die­se Enquete zu veranstalten. Ich möchte ihr ausdrücklich dafür danken, dass ihre Initia­tive zu dieser Enquete geführt hat.

Gestatten Sie mir, bevor ich die Forderungen der Plattform erläutere, vier Punkte zur Aufklärung anzubringen – vielleicht auch zur Nachschärfung des öffentlich-rechtlichen Auftrags.

Der erste Punkt lautet: Medien mögen aussehen wie Medien, aber sie sind dennoch nicht alle gleich. – Es gibt nämlich kommerziell ausgerichtete, und es gibt öffentlich ausgerichtete Medien. Die einen wollen Profit machen, die anderen wollen Dienst an der Öffentlichkeit leisten. Und interessanterweise sind beide Formen oft in einem Me­dium vorhanden, denn öffentlich ausgerichtete Medien können durchaus im Privat­eigentum stehen. Es handelt sich dann um sogenannte Qualitätsmedien. Beide agieren auf den gleichen Märkten, aber sie spielen jeweils ein ganz anderes Spiel.

Die publizistisch ausgerichteten haben gesellschaftliche Ziele und beschränken sich freiwillig selbst, legen sich Regeln auf. Die anderen kümmern sich nur um die goldene Regel, nämlich ihren Profit zu maximieren. Und eine Medienpolitik, die suggeriert, dass beide das gleiche Spiel spielen, weiß nicht, wovon sie redet. Das geht bis zur EU-Kom­missarin für Medien und Informationsgesellschaft – oder vielleicht beginnt es sogar dort. Ich habe Frau Viviane Reding vorgestern im ORF betreffend das Spiel Öffentlich-Rechtliche gegen Private den schönen Satz sagen hören: Möge der Bessere gewin­nen!

Daraus kommt eine grundsätzliche Unkenntnis der Sachlage hervor. Auch Michael Ho­loubek hat ja vorhin die ökonomischen und die publizistischen Zwecke dargestellt und erklärt, wie sie von einer guten Medienpolitik entwirrt werden müssen, um überhaupt zu wissen, wovon wir reden.

Und gerade beim öffentlich-rechtlichen Auftrag ist es besonders wichtig, das zu entwir­ren. Wenn das nicht geschieht, kann Medienpolitik überhaupt nicht bestimmen, was das ist. Vor allem bleibt das Wort „Vielfalt“, das sozusagen als Motto über dieser Nach­mittagsveranstaltung steht, vollends Schimäre, wenn man das nicht tut.

Herr Kopf, Sie haben heute Vormittag gesagt, die Privaten seien im Sinne der Vielfalt zu stärken. – So ist das falsch, so kann man das nicht sagen. Man muss sagen, nur je­ne Privaten sind politisch zu stärken, die Qualität bieten. Die anderen sind nicht zu stärken, das sind Wirtschaftsbetriebe. Da hat die Politik dafür zu sorgen, dass der Markt ordentlich geordnet ist – mehr nicht. (Abg. Kopf: Das ist auch eine Stärkung!)

Der zweite Punkt, den ich anführen möchte, ist: Die Krise der Qualitätsmedien ist eine Krise der Gesellschaft. – Es ist ja bekannt, dass Medienkrise herrscht. Diese ist durch Deregulierung, Digitalisierung, Finanzkrise et cetera entstanden. Und diese Krise stellt immer stärker die Frage in den Raum: Wozu überhaupt öffentlich-rechtlicher Rund­funk?

Die Frage ist leicht zu beantworten: Deswegen, weil sich eine Gesellschaft die Gründe ihres Handelns öffentlich beantworten können muss, und zwar vernünftig beantworten können muss, sonst ist sie nicht mehr legitimiert. Ob Fernsehen dafür das ideale Me­dium ist, darf nebenbei bemerkt bezweifelt werden. Also es wäre auf der einen Seite umso mehr interessant für die Medienpolitik, sich dann zu überlegen, wie sie Medien stärkt, die diese Legitimationsgrundlage einer demokratischen Gesellschaft schaffen, aber auf der anderen Seite ist Fernsehen so stark, wie es nun einmal ist. Und öffent­lich-rechtliches Fernsehen ist zumal ein wesentlicher Teil dieser Öffentlichkeit.

Der ORF wird von der Politik im Ungewissen gehalten und er hält sich gewissermaßen auch selbst im Ungewissen. Welche Spiele spielt man? Das der Selbstprivatisierung oder das der Öffentlichkeit? Und das muss ja am Beginn einer Debatte stehen.

Der dritte Punkt ist: Der ORF steckt nicht nur in einer Medienkrise, sondern auch in einer Legitimationskrise, denn ich denke, dass sein Personal nicht ausreichend kapiert hat, dass diese Unterscheidung – nämlich jene zwischen Quote und Qualität, wie man es gemeinhin ausdrückt – seine Existenzberechtigung darstellt.

Wenn sich der ORF nun über Kategorien des Marktes oder über die Quote definieren kann und wenn auch die Politik ihn dazu drängt, dann hat er sich selbst schon aufge­geben. Im Gegensatz dazu – auch das ist schon mehrfach gesagt worden – muss man Öffentlichkeit als eine öffentliche Dienstleistung sehen, so wie die Versorgung der Ge­sellschaft mit Elektrizität. Landwirtschaft wurde genannt; ich würde es vorziehen, von Gesundheit oder auch von der Wasserversorgung zu sprechen. Es geht um eine Grundversorgung, es geht um eine publizistisch-demokratische Grundversorgung versus Unternehmen, die sozusagen ihre Medien nur betreiben, um Profit zu machen – was ja nicht illegitim ist.

Aber: Der ORF muss sich selbst legitimieren können, und er tut es nicht. Das konnte man schon daran erkennen, dass zum Beispiel gestern ein Privatsender – ich mache keine Werbung – eine große Debatte über den ORF veranstaltet hat, während sich der ORF auf einen eher lauen „Club 2“ beschränkt hat, um das zu tun.

Das zeigt auch, dass der ORF – viertens – in einer intellektuellen und kreativen Krise steckt. Er versteht es nicht, seine Personalreserven, die durchaus vorhanden sind, zu aktivieren und zu motivieren, und zwar nach innen und nach außen nicht. Er schafft es eben nicht einmal, die ihn selbst betreffenden Themen richtig zu diskutieren. Das bringt mich jetzt zu den Forderungen unserer Plattform, die damit ja unmittelbar zusammen­hängen. Ich glaube nämlich, dass der ORF das nicht aus Unfähigkeit seines Personals oder nicht einmal aus Unwilligkeit tut, sondern deswegen, weil er von der Politik in der Schwebe gehalten wird und weil er keine klaren Vorgaben hat, dass er seine öffentlich-rechtliche Rolle zu erfüllen hat. Das bedarf also eines klaren Auftrags.

Das ist auch unsere erste Forderung: Er muss politisch unabhängig sein, und es darf keinen politischen Missbrauch geben. Das bedeutet vor allem, dass es für die Beset­zung von ORF-Führungspositionen und auch von ORF-Gremien natürlich objektive Be­fähigungsnachweise geben muss, wie es zum Beispiel bei der BBC der Fall ist, wo Be­werber einen sogenannten Record vorzuweisen haben. Ich weiß, dass dies in einem kleinen Land wie Österreich schwierig ist, aber man muss trotzdem darauf bestehen.

Die zweite Forderung lautet: wirtschaftliche Unabhängigkeit, volle Erstattung der ORF-Gebühren. Damit ist gemeint, der ORF hat als öffentlich-rechtlicher Rundfunk nicht 50 Prozent, sondern 100 Prozent der Gebühren zu bekommen und er hat auch im öf­fentlichen Eigentum zu bleiben. Den Anfängen ist ja schon nicht gewehrt worden, denn Teile der Sendetochtergesellschaft sind bereits privatisiert. Diese Entwicklung darf kei­nesfalls fortgesetzt werden.

Es sollten auch die Gebühren automatisch an die Preisentwicklung angepasst werden. Voraussetzung für diese ausreichende Finanzierung, die den ORF dann nicht zum Bitt­steller, sondern zum ordentlichen Akteur einer demokratischen Gesellschaft machen würde, wäre allerdings, dass der ORF tatsächlich eine tief greifende und vernünftige Strukturreform vorlegt. Nein, das heißt nicht gesundschrumpfen, sondern das heißt eine Reform, die tatsächlich bei Verwaltung und Technik ansetzt und nicht dort, wo es am allerwenigsten sinnvoll ist, nämlich beim kreativen Personal.

Die dritte Forderung lautet: hohe öffentlich-rechtliche Programmqualität. Keine Unter­brecherwerbung ist eine Selbstverständlichkeit. Eine Quote für österreichische Filmpro­duktionen ist Teil der Forderung – das hat Danny Krausz ja ausführlich erläutert – und auch die Rolle des ORF, die er als Kinofilmproduzent zu spielen hat.

Das Radio-Symphonieorchester ist zu erhalten. Dazu wurde noch nicht sehr viel ge­sagt. Ich könnte ein Beispiel für meine Kritik an der kreativen Kompetenz des ORF in diesem Zusammenhang anführen. Leonard Bernstein hat in den fünfziger Jahren mit dem New York Philharmonic Orchestra für CBS eine legendäre Sendereihe gemacht. Sie hieß „Young People’s Concerts“. Diese hat Generationen von Amerikanern zur klassischen Musik geführt. Beim ORF kommt offensichtlich niemand auch nur auf die Idee, das Personal des Radio-Symphonieorchesters für etwas Ähnliches zu nutzen. (Präsident Dr. Graf gibt das Glockenzeichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir zum Schluss noch ein Wort zur österreichischen Identität, die gerne strapaziert wird. Ich denke, dies sollte eine ver­pflichtende Festlegung auf Nicht-Provinzialität und auf eine europäische Perspektive beinhalten. „Wir sind Kaiser“ ist ja fein. Das ist auch ironisch genug, aber wir waren auch einmal diejenigen, in deren Reich die Sonne nicht unterging. Wir waren auch ein­mal diejenigen, die ein übernationaler Verband von Nationen waren. Wir waren sozu­sagen eine Vorform der EU. Und all das kommt in der momentanen, eher provinziellen Rolle des ORF überhaupt nicht zum Ausdruck.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte noch einen Satz sagen. Es wird oft – und es wurde auch heute wieder – vom Kerngeschäft des ORF geredet. Was ist nun dieses Kerngeschäft des ORF? – Um einen berühmten Satz zu paraphrasieren, würde ich sagen: Das Kerngeschäft des ORF ist es, kein Geschäft zu sein. Das aber muss er geschäftsmäßig und professionell betreiben dürfen. – Danke schön. (Beifall.)

15.34


Vorsitzender Präsident Mag. Dr. Martin Graf|: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Dr. Gerhard Moser. Ich erteile ihm das Wort.

 


15.34.07

Dr. Gerhard Moser (ORF-Zentralbetriebsrat)|: Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich danke zuerst für die Einladung in dieses Haus, denn dadurch kann ich aus der Sicht der Belegschaft jenes Unternehmens spre­chen, um das es heute geht – vor allem geht –, nämlich um den ORF.

Die Enquete neigt sich dem Ende zu, deshalb werde ich mir auch erlauben, kurz auf vorangegangene Redebeiträge Bezug zu nehmen. Zum direkten Vorredner Armin Thurnher ist zu sagen: Sosehr ich den „Falter“ schätze, so sehr irritiert mich der Um­stand, dass Sie wie etliche andere auch von der Plattform „Rettet den ORF“ neben durchaus löblichen Anregungen – jetzt gerade die Geschichte mit dem Radio-Sympho­nieorchester – von außen zu wissen meinen, wie der ORF zu führen und zu strukturie­ren sei.

Ich nehme gar nicht das Manifest dieser Plattform, in dem völlig unverklausuliert von einem Abbau von 1 400 ORF-MitarbeiterInnen zu lesen war. Ich nehme ein Interview, das vor eineinhalb Monaten im „Falter“ erschienen ist, geführt von Ihnen. Dieses haben Sie mit Bundeskanzler Faymann geführt. Da sagen Sie zum Thema ORF: Also wenn Sie den ORF neu aufstellen wollen, dann müssen Sie aber 1 000 Mitarbeiter entlassen.

Das ist – bei aller Wertschätzung – zynisch und präpotent in einem. Das muss ich hier leider sagen.

Herr Stögmüller vom Verband Österreichischer Privatsender wiederum, ebenfalls von außen, weiß ganz genau – das hat er gerade gesagt –, dass im ORF Sparpotential vor­handen ist und wo es vorhanden ist.

Wäre der Vergleich mit dem Fußball nicht schon gefallen, er würde genau passen. Wir haben hier eine ganze Expertencrew von außen, die genau weiß, wie dieses Unterneh­men zu führen ist und wie es zu strukturieren ist. Das ist ein Riesenproblem für das Un­ternehmen und natürlich auch für die Belegschaft.

Aber nun zum Wesentlichen. Ich bin, um alle Unklarheiten von vornherein zu bereini­gen, ein glühender Verfechter des Dualismus – des Dualismus in der heimischen Me­dienlandschaft, des Dualismus von Öffentlich-rechtlich und Privat im audiovisuellen Be­reich. Ebenso bin ich aber ein Verfechter der dualen Finanzierung des öffentlich-rechtli­chen Rundfunks, also durch Gebühren und Werbeeinnahmen. Ich verstehe den Zei­tungsverband, ich verstehe den Verband der Privatsender, wenn ihnen aus ureigenem kommerziellem Interesse diese sogenannte Mischfinanzierung ein Dorn im Auge ist. Aber auch ihnen sollte inzwischen klar geworden sein, dass man mit der Devise: Die Privaten holen sich die Rosinen, und der Staat, sprich die Gebührenzahler knabbern am trockenen Kuchen herum, den sie auch noch selbst zu backen, sprich zu zahlen haben!, vielleicht am Stammtisch, aber nicht in einer seriösen Diskussion punkten kann.

Ich habe nicht vor, hier über den öffentlichen Auftrag und den sogenannten Pub­lic Value zu sinnieren. Das ist schon geschehen, und dazu gibt es auch berufenere und vor allem selbstberufene Zeitgenossen. Ich möchte Ihnen stattdessen ein paar Innen­ansichten aus dem Unternehmen liefern, dem ich seit Ende der 1980er Jahre angehöre und dessen Zentralbetriebsratsvorsitzender ich seit eineinhalb Jahren bin.

Ich habe in der Literatur- und Feature-Redaktion von Ö1 begonnen. Ich kann mich seit­dem, also seit dem Ende der achtziger Jahre, an kein Jahr erinnern, in dem nicht ein ORF-Sparpaket ausgerufen wurde und zu bewältigen war. Wie „motivationsfördernd“ dieser tägliche oder alljährliche Gruß des Murmeltiers beziehungsweise des Spar­schweins ist, das können Sie sich unschwer vorstellen.

15 Jahre lang war ich ein sogenannter ständiger freier Mitarbeiter des ORF. Dann kam ein neuer Kollektivvertrag und mit ihm die Anstellung von exakt 1 257 Kolleginnen und Kollegen, wie auch mir. Ich erzähle Ihnen das deshalb, weil dieser KV 2003 – so heißt er amtlich – in der Öffentlichkeit abwechselnd als „Todsünde“ oder „unternehmenspoli­tischer Wahnsinn“ bezeichnet wird.

Was aber ist wirklich geschehen? – Im ORF wurde das österreichische und das euro­päische, sprich das EU-Arbeitsrecht, durchgesetzt. Knapp die Hälfte der Kollegen­schaft, sprich dieser 1 257, wurde in Teilzeitverhältnissen angestellt, nicht in Vollzeit­verhältnissen – in einem weit schlankeren Dienstrecht als dem bisherigen. Und darüber hinaus wurde auch noch ein sogenannter Arbeitszeitkollektivvertrag vereinbart, der da­zu geführt hat, dass im ORF inzwischen realiter die 45-Stunden-Woche gilt. Das muss man auch dazusagen, wenn man von „Todsünde“ und „Wahnsinn“ redet, wie das die Außenstehenden und auch die Konkurrenz der heimischen Medienhäuser tun.

Das ist aber auch kein Wunder, wenn man sich nämlich die grassierende Kollektivver­tragsflucht und das Überhandnehmen prekärer bis illegaler Beschäftigungsverhältnisse im österreichischen Journalismus und da zurzeit vor allem im Printsektor ansieht.

Für mich aber und für viele ORF-Mitarbeiter ist dieser Kollektivvertrag 2003 ein öffentli­cher Wert – ein Public Value, wenn Sie so wollen. Dieser hat nämlich nicht nur mit dem Programm, sondern auch mit arbeits- und sozialrechtlichen Mindeststandards, also mit den Arbeitsbedingungen in den Medien selbst zu tun.

Wo steht der ORF heute und wie ergeht es seiner Belegschaft? – Die Zahlen, Daten und Fakten sind hier bekanntgemacht worden. Ich kann Ihnen vielleicht mehr von der Stimmung im Hause und von den Auswirkungen dieser Zahlenarithmetik berichten. Seit dem Jahre 2008 wird im Rahmen eines sogenannten 250er-Programms ein rigider Personalabbau durch Nichtnachbesetzungen von Pensionierungen betrieben. Dieses Projekt wurde heuer durch ein sogenanntes Handshake-Programm intensiviert, was realiter zum Abbau von mindestens 10 Prozent des bisherigen Beschäftigtenstandes führt – also von 440 Dienstnehmerinnen und Dienstnehmern im nächsten Jahr.

Wir, die Belegschaftsvertretung des ORF, haben im Frühjahr dieses Jahres IFES damit beauftragt, Arbeitsklima, Arbeitszufriedenheit und Arbeitsbelastungen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu untersuchen. Die Ergebnisse dieser wirklich durchaus reprä­sentativen Studie sind niederschmetternd ausgefallen.

Grob zusammengefasst sieht es so aus: Arbeitsbelastungen, die sich auch in Erkran­kungen niederschlagen, sind ebenso über dem Schnitt von anderen heimischen Groß­betrieben – da wurden Vergleichsgrößen herangezogen – wie – und das ist noch mar­kanter ausgefallen – Burn-out-Erkrankungen und manifeste Burn-out-Risiken. Dazu kommen außerordentlich negative Einschätzungen, was Führungsverhalten, Image und Zukunft des Unternehmens anbelangt.

Die Ergebnisse dieser Studie sind also niederschmetternd, aber bei genauerer Be­trachtung war das nicht wirklich überraschend. Was Image und Zukunft des Unterneh­mens beziehungsweise das Vertrauen in die Führung und ihre Strategien anbelangt, so hat sich hier auch, aber nicht nur, der empirische Niederschlag dessen gefunden, was seit einem Jahr gegen den ORF und seine Belegschaft aufgefahren wird: ein politisch inszeniertes, massenmedial aufbereitetes Trommelfeuer, mit dem das Unternehmen zum Sanierungsfall gestempelt und die Belegschaft grosso modo als Privilegienritter diffamiert wird.

Was die Frage der Arbeitsbelastungen anbelangt, so ist dies das Resultat eines forcier­ten Personalabbaus, über den ich schon gesprochen habe, bei gleichzeitiger Aufrecht­erhaltung und sogar einem Ausbau der bestehenden Programmleistungen.

Was das Image und die Zukunft betrifft, ist es nicht nur das massenmediale Trommel­feuer – das sage ich hier auch in aller Offenheit –, da gibt es mit Sicherheit auch Ver­säumnisse in der Führung des Unternehmens. Wir erwarten seit Langem – und wir ha­ben das erst jetzt wieder eingefordert von dieser Geschäftsführung – ein wirklich detail­liertes Konzept, eine wirklich detaillierte Strategie, und zwar programmlich, finanziell und strukturell, und damit sind auch Personalentwicklungspläne gemeint. Die gibt es in diesem Riesenunternehmen bis heute nicht.

Seit dieser IFES-Studie hat sich die Situation im und um den ORF weiter verschärft. Der ORF-Stiftungsrat hat – das haben wir heute schon ein paar Mal gehört – im April mit Ausnahme der Stimmen der Belegschaftsvertreter – der Herr Generaldirektor hat ja gesagt, das war ein einstimmiger Stiftungsratsbeschluss; Entschuldigung, da säßen wir aber wirklich am falschen Posten –, logischerweise mit Ausnahme der Stimmen der Belegschaftsvertreter, eine sogenannte schwarze Budget-Null für das kommende Jahr, für das Jahr 2010, angeordnet.

Diese Null kann meinetwegen auch eine rote, eine grüne, eine orange oder eine blaue sein, je nach Belieben, aber das Problem ist, wir werden es nicht schaffen. Der Perso­nalabbau hat sich weiter verstärkt in dieser Situation. Es geht nicht mehr nur um die Nichtnachbesetzung von Posten – das klingt ja noch irgendwie halbwegs human, ist aber, nebenbei gesagt, auch beleidigend, weil man sich denkt, die, die jetzt gehen, ha­ben davor vielleicht nichts gearbeitet –, es wird inzwischen gekündigt – das ist noch nicht so öffentlich –, und als Erstes trifft es die Schwächsten der Schwachen, das sind Leasing-Kräfte, aus den Bereichen der Technik vor allem.

Ich versuche es jetzt ein bisschen zu raffen. Ich sehe, es leuchtet schon ein wenig rot.

Weiter geht es damit, dass wir jetzt nach der sogenannten größten Programmreform aller Zeiten Verhandlungen über die tatsächlich größte Kostenreduktion aller Zeiten zu führen haben. Man darf sich nicht vorstellen, dass diese Kostenreduktionen und dieser Personalabbau keine Auswirkungen auf das Programm haben werden. Das Programm wird vom Personal gemacht, und man muss sich im Klaren sein – das geht vor allem an die Parteipolitik und an die Stiftungsräte –: Wenn wir diese Ziele umsetzen wollen, diese sogenannte Null 2010, verschärfter Personalabbau, dann wird man das sehen, hören und lesen können. Das heißt, wir werden das Programm reduzieren müssen.

Trotzdem verhandeln wir, weil wir, wie gesagt, keine Betonschädel sind, wir sind aber auch keine Lämmer, die sich hier freiwillig zur Schlachtbank führen lassen werden.

Ich bitte Sie darum, zeigen Sie Geduld und Respekt der Belegschaft gegenüber. Ich er­suche Sie, gehen Sie weg von dieser ominösen Budget-Null 2010. Ich ersuche Sie – und das wird Sie nicht verwundern –, refundieren Sie uns die Gebührenbefreiung und geben Sie uns bitte auch gleich die Bund- und Länderanteile dazu.

Ich möchte am Ende noch etwas zum Thema Radio-Symphonieorchester sagen, wenn ich das ausnahmsweise darf, weil das in der Tat ein wenig untergegangen ist. Was mit diesem national wie international renommierten Ensemble seit Monaten getrieben wird – das muss man in der Tat so sagen –, spottet jeder Beschreibung. Im ORF chan­giert man zwischen Ausgliederung und Auflösung, was die Motivation der Musikerinnen und Musiker natürlich immens „fördert“. Das kann man sich vorstellen.

Wenn Sie sich die ORF-Unterlagen, die es für diese Enquete gab, angesehen haben, werden Sie sehen, dass der ORF das RSO im Leistungsportfolio wieder einmal gestri­chen gehabt hat. Das mag ja ein Zufall sein, aber das gibt zu denken.

Zu denken gibt mir aber auch die Rolle der Politik, die zwar mit Lippenbekenntnissen zum Erhalt des Orchesters rasch zur Stelle ist, beim Thema Finanzierung aber in abso­lutes und tiefstes Stillschweigen verfällt. Ich meine, dass hier zumindest zwei Parteien am Zug sind. In der anstehenden Novellierung des ORF-Gesetzes sollte das Orchester unmissverständlich im Gesetz verankert werden, der Bund sollte seinen finanziellen Obolus für das Orchester beisteuern, und der ORF gibt dem Orchester auf dieser Grundlage eine Bestandsgarantie. Dann kann auch da wieder unbeschwert musiziert werden.

Schwarze oder anders gefärbte Nullen kann man nicht hören, und senden werden wir diese Nullen leider auch nicht können. – Danke für die Geduld und Aufmerksamkeit. (Beifall.)

15.44


Vorsitzender Präsident Mag. Dr. Martin Graf|: Als letzter Redner im Zusammenhang mit den Impulsreferaten ist Herr Mag. Breitenecker zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


15.45.11

Mag. Markus Breitenecker (Geschäftsführer, Puls 4)|: Sehr geehrte Damen und Her­ren! Vielen Dank, dass auch der jüngste und neueste Sender, Puls4, am Schluss kurz Stellung nehmen darf, vor allem danke an die Klubobleute, dass ich da noch im letzten Moment hineininterveniert wurde.

Wenn ich jetzt gerade meinen Vorredner gehört habe, dann muss ich mein gesamtes Konzept umstoßen, das eigentlich ja ORF-kritisch war, und muss mich eigentlich mit Alexander Wrabetz solidarisieren. Wenn wir privaten Sender nur eine Bitte an die Poli­tik haben, dann: Bitte, erfüllen Sie die Wünsche der Belegschaftsvertretung des ORF! Das wäre schon eine genügend starke private Medienförderung. Mehr kann man sich eigentlich nicht wünschen. Das ist etwas polemisch formuliert, aber ich muss das schon so sagen. Wenn die Mitarbeiter eines Unternehmens so über die Führung spre­chen, dann frage ich mich, wie das eigentlich möglich sein kann. – Das nur als eine kurze Nebenbemerkung.

Solidarisieren mit Alexander Wrabetz ist natürlich nicht ganz so leicht, ich möchte aber trotzdem am Ende des Tages versuchen, vielleicht einen Kompromiss zwischen den unterschiedlichen Standpunkten, die heute den ganzen Tag vorgetragen worden sind, aufzuzeichnen, einen Kompromiss, den es zwischen Öffentlich-rechtlich und Privat in Österreich gibt.

Es ist oft beschrieben worden, dass wir im kleinen Österreich Nachbarn eines gleich­sprachigen Deutschlands sind, und in Deutschland gibt es ein funktionierendes duales System. In Deutschland haben wir sehr starke, hochqualitative öffentlich-rechtliche Fernsehsender, und zwar nicht nur ARD und ZDF, sondern auch noch, glaube ich, über zehn dritte Programme, die sehr gut funktionieren. Diese öffentlich-rechtlichen Programme sind das, was in der Diskussion über die Öffentlich-Rechtlichen in Öster­reich eigentlich gewünscht wird, nämlich ein anspruchsvolles, hochwertiges, qualitati­ves Programm, ab 20 Uhr werbefrei. Und dann haben wir auf der anderen Seite in Deutschland die kommerziellen Sender, die wirtschaftlich sehr erfolgreich sind und auch bei den Zuschauern sehr erfolgreich sind.

Dieses duale System aus Deutschland strahlt nach Österreich ein. Der ORF muss, meiner Meinung nach, daran scheitern, wenn er gegen das gesamte duale System aus Deutschland antreten will und sowohl besser sein will als die Öffentlich-Rechtlichen in Deutschland als auch gleichzeitig jetzt den deutschen Privatsendern Paroli bieten will. Dieser Spagat muss ihn zerreißen, das kann nicht funktionieren, und daher wäre die sinnvollste Lösung, dass man sagt, in Österreich brauchen wir nicht nur einen starken ORF, sondern ein starkes duales System. Das heißt, der ORF muss so konstruiert wer­den und so finanziell ausgestattet werden, dass er gegen die deutschen öffentlich-rechtlichen Sender bestehen kann, mit anspruchsvollen Programmen auf beiden Sen­dern, ORF 1 und ORF 2, werbefrei ab 20 Uhr, damit er möglichst österreichisch, mit österreichischer Identität gegen ARD und ZDF und die dritten Programme bestehen kann. Auf der anderen Seite brauchen wir viel stärker als jetzt viel stärkere österreichi­sche Privatsender, die gegen die deutschen Privatsender in Österreich positioniert wer­den.

Das sind einmal mindestens Werbefenster, damit das Geld nicht in Deutschland bleibt, sondern wenigstens die Werbekunden noch einmal für Österreich bezahlen müssen. Das ist aber noch nicht das Gelbe vom Ei, weil da keine Programmwertschöpfung da ist. Besser ist es natürlich, wenn die Privaten auch österreichisches Programm auf den deutschen Sendern machen, also Programmfenster, wie wir es mit Pro7 Austria oder mit SAT.1 Austria machen. Natürlich ist es noch besser, wenn es eigene österreichi­sche Sender sind – wie Puls4 oder ATV oder Salzburg TV, die jetzt neu starten.

Jetzt ist die Frage: Wie finanziert man so ein starkes duales System? – Ich glaube, ein Kompromissvorschlag, den wir gerne noch einmal einbringen wollen, ist: Es ist mög­lich, wenn der ORF auf ORF 1 nicht ausschließlich kommerziell programmiert ist, das heißt, wenn nicht fast zwei Drittel des gesamten ORF-1-Programms Hollywood-Spiel­filme und -Serien sind. Der ORF zahlt nämlich viel mehr Geld nach Deutschland als zum Beispiel die Werbefenster, oder nach Hollywood, indem er dort das gesamte Pro­gramm einkauft, das sowieso schon in Österreich sehbar ist und das sowieso schon die österreichischen Privaten senden. Würde der ORF nicht die Hollywood-Lizenzpro­gramme einkaufen, die die Zuschauer in Österreich sowieso schon gratis sehen kön­nen, würde er sich weit über 30 Millionen € ersparen.

Das wäre ein Vorteil für alle. Es wäre für die Politik ein Vorteil, weil das Budget nicht belastet werden muss mit der Refundierung der Gebühren. Es wäre für den ORF ein Vorteil, weil er sich hier Geld spart und nicht Mitarbeiter kündigen muss, sondern diese Mitarbeiter für österreichische Programme einsetzen könnte. Es wäre für die Privaten ein Vorteil, weil wir diese Hollywood-Filme einkaufen könnten und wir sie senden könnten. Wir würden sie nicht gegen die deutschen Privaten senden, sondern zu ande­ren Uhrzeiten, sodass die Leute sich aussuchen können, ob sie „Da Vinci Code“ am Sonntag um 22.15 Uhr sehen wollen oder am Montag um 20.15 Uhr. Das heißt, die Zu­schauer hätten als wichtigste Gruppe auch noch den Vorteil, nicht auf zwei Sendern das Gleiche sehen zu müssen.

Wir hätten damit die budgetäre Problematik gelöst, wir hätten die Zuschauer befriedigt, das Budget müsste nicht angegriffen werden, und der ORF müsste nicht die Leute kün­digen, sondern könnte sie einsetzen, um österreichisches Programm herzustellen.

Ich glaube, das wäre eine Kompromissvariante, die sinnvoll ist und die auch realpoli­tisch möglich ist. Denn die Radikalvariante, die Helmut Thoma zum Beispiel gestern vorgeschlagen hat, ORF oder Öffentlich-Rechtliches ganz abzuschaffen, oder auch die relativ radikale Variante des Präsidenten des VÖZ, zu sagen, der ORF soll nur ma­chen, was der Markt nicht anbietet, das ist, glaube ich, realpolitisch unrealistisch. Der ORF soll auch Unterhaltung machen, aber es soll österreichische Unterhaltung sein und es soll nicht nur Hollywood-Ware mit Spielfilmen und Serien sein. – Das war der Vorschlag.

Noch ein paar Bemerkungen zu den Vorrednern. Zunächst zum Generaldirektor Lowe der Europäischen Kommission, der gesagt hat, staatliche Beihilfen, also die Gebühren, sind an sich verboten, sie können nur in ganz speziellen Ausnahmefällen erlaubt wer­den.

Erstens: wenn der öffentlich-rechtliche Auftrag klar definiert ist. Meiner Meinung nach ist der öffentlich-rechtliche Auftrag zurzeit nicht klar definiert. Das wäre also ein Wunsch. Was bedeutet klar definiert? – Es gibt zwei Möglichkeiten, entweder eine qua­litative oder eine quantitative Definition. Qualitativ ist schwierig, denn das grenzt dann immer so ein bisschen an die Zensurproblematik. Daher wäre es am besten, es quanti­tativ zu definieren, indem man sagt, der ORF muss seinen öffentlich-rechtlichen Auf­trag in allen Bereichen, also Unterhaltung, Information, Bildung, Kultur, Sport in glei­cher Quantität, im gleichen Umfang – also zum Beispiel überall ungefähr 20 Prozent – auf beiden Sendern, also sowohl auf ORF 1 als auch auf ORF 2, erfüllen. Das wäre eine klare Definition, die auch quantitativ überprüfbar ist.

Wichtig war auch seine Aussage zur Verhältnismäßigkeit der Wettbewerbsverzerrung. Also es muss immer verhältnismäßig sein. Was derzeit passiert, ist, dass der ORF Werbung haben kann, und zwar mit einer der geringsten Beschränkungen aller öffent­lich-rechtlichen Sender in Europa, und gleichzeitig das Gebührmonopol hat und damit ORF 1 so programmieren kann, dass es nicht nur privater programmiert ist als alle öf­fentlich-rechtlichen Sender in Europa, sondern auch privater als die Privaten. Der Infor­mationsanteil, der Nachrichtenanteil auf den Privaten, zum Beispiel Pro7 oder auch Puls4, ist höher als auf ORF 1.

Der nächste Punkt war Aufsicht über die Gebühren und Finanzen und auch Aufsicht über den Programmauftrag. Auch das ist, glaube ich, eine Forderung, die heute gut diskutiert worden ist und die ich daher noch einmal unterstreichen will.

Und – das hat auch der Generaldirektor gesagt – es kann nicht sein, dass der ORF alle Lizenzen, alle Exklusivlizenzen, die es gibt, sowohl im Sportbereich als auch im Unter­haltungsbereich hat. Das Beste von allem zu haben, das würde nicht zusammenpas­sen mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Wettbewerbsverzerrung.

Dann noch ein paar Punkte zur heimischen Filmwirtschaft. Sie von der Filmwirtschaft haben gesagt, die Medienförderung wird ohne irgendwelche Konditionen an die priva­ten Sender vergeben. Das ist nicht der Fall. Die privaten Sender müssen für diese Me­dienförderung sehr wohl auch nachweisen, dass sie gewisse inhaltliche, qualitative Kri­terien erfüllen. Das ist relativ genau definiert in den Richtlinien, die zwar noch nicht ab­gesegnet sind, aber wo wir gut unterwegs sind, sie abzusegnen. Also das stimmt so nicht. Es ist ähnlich wie im Filmförderungsfonds, dass auch im Medienförderungstopf Kriterien erfüllt werden müssen.

Die Idee von Holoubek, zu sagen, Public-Value mit einer Doppelvielfaltsprüfung, ist gut. Zum Public-Value-Test vielleicht noch eine Anmerkung: Wichtig für uns Private wäre, dass der Public-Value-Test nicht nur für zukünftige Angebote des ORF etabliert wird, sondern natürlich auch für bestehende Angebote des ORF. (Präsident Dr. Graf gibt das Glockenzeichen.) Denn würde es nur für zukünftige Angebote angewendet werden, würde das bedeuten, dass natürlich alles, was der ORF bisher macht, also auch der gesamte Sender ORF 1, bereits als öffentlich-rechtlich abgesegnet ist und er nur noch zukünftige kommerzielle Aktivitäten prüfen lassen müsste. Also ein ganz wichtiger Punkt ist, dass auch bestehende Angebote des ORF dem Public-Value-Test unterzogen werden müssen. (Präsident Dr. Graf gibt neuerlich das Glockenzeichen.)

Der nächste Punkt war zu dem, was Herr Karmasin gesagt hat. – Das kann ich nicht mehr lesen, was da steht, und ich glaube, das ist irgendwie ein Zeichen. Es ist jetzt auch schon so spät, und ich möchte als Letztes vielleicht nur noch sagen, warum ich jetzt aufhöre: Es beginnt alsbald das Rapid-Match gegen HSV, das erstmals in der Europa League in der Gruppenphase exklusiv auf SAT 1 Österreich stattfindet und nicht beim ORF. Nur eine kleine Seitenbemerkung: Das ist nicht, weil der ORF hier Einsparungsmaßnahmen gemacht hat – die Europa League kostet fast nichts –, son­dern es ist einfach ein Glück gewesen, dass wir hier aufs richtige Pferd gesetzt haben und die österreichischen Mannschaften hier hineingekommen sind. An sich ist die Europa League in der Vergangenheit kein besonderes Quotenzugpferd gewesen, dies­mal ist es aber so, weil die österreichischen Mannschaften hineingekommen sind. Also bitte heute ab 18.30 Uhr, SAT 1 Österreich: Rapid gegen HSV. (Beifall.)

15.56

Diskussion

 


Vorsitzender Präsident Mag. Dr. Martin Graf|: Ich bedanke mich sehr herzlich für die Ausführungen und eröffne hiermit die Diskussion zu den Themenblöcken.

Als Erster zu Wort gelangt Herr Dr. Christl. Die Redezeit beträgt 3 Minuten. – Bitte.

 


15.56.47

Dr. Reinhard Christl (FH Wien, Journalismus & Medienmanagement)|: Meine sehr ge­ehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Ich stehe hier als Leiter des Instituts für Journalismus und Medienmanagement der FH Wien. Ich leite in dieser Funktion ein großes Forschungsprojekt zum Thema „Zukunft des öffentlich-rechtlichen Fernsehens“, das größte Forschungsprojekt zu dem Thema, das es in diesem Lande derzeit gibt.

Ich bedanke mich zuerst einmal dafür, dass es so etwas wie diese Enquete hier gibt. Das halte ich für eine großartige Veranstaltung. Ich habe allerdings zwei Kritikpunkte nach diesen fünf Stunden, die wir jetzt hier gesessen haben.

Erstens: Es geht mir ein wenig zu viel um die Vergangenheit und um die Gegenwart und ein bisschen wenig um die Zukunft des Fernsehens, der Medien und der Medien­politik.

Zweitens: Es geht mir ein bisschen sehr viel um Fernsehen und Rundfunk im Sinne der althergebrachten Trennung und ein bisschen zu wenig um Multimedialität, Konvergenz, Internet und darum, was sich in diesen Dingen in Zukunft tun wird.

Deswegen ganz kurz vier Thesen. Keine Angst, ich erzähle Ihnen nicht das ganze For­schungsprojekt, sondern möchte Ihnen nur kurz vier Thesen präsentieren, die vorzu­stellen mir in diesem Hohen Haus auch angebracht scheint angesichts der Location, in der wir uns hier befinden.

These 1: Eine funktionierende Demokratie braucht Qualitätsjournalismus, und wir ha­ben in Österreich zu wenig Qualitätsjournalismus. Das ist nicht nur ein gefühltes Defi­zit, wenn man am Kiosk steht und die etwas bescheidene Zeitungsauswahl betrachtet, sondern das ist auch durch internationale Untersuchungen belegbar. Und wir werden künftig noch viel weniger Qualitätsjournalismus haben, wenn wir uns die Entwicklung anschauen – Stichwort Medienkrise, Stichwort Finanzkrise, Stichwort Abwanderung der Werbeerlöse ins Internet.

These 2, nämlich die Folgerung daraus: Was muss passieren? – Ich glaube, wir brau­chen völlig neue Finanzierungsformen für diesen Qualitätsjournalismus, egal ob im Fernsehen, im Print, im Radio, im Internet oder in der Kombination daraus. Wir brau­chen völlig neue Wege, wie wir diesen Qualitätsjournalismus künftig bezahlen können, sonst werden wir ihn uns nicht mehr leisten können.

Das heißt für den ORF: Wir müssen über die Abschaffung der Gebührenbefreiung re­den, die kommen wird – nicht die Abschaffung, sondern die Refundierung dieser Ge­bührenbefreiung –, wir müssen über die Bundes- und Länderanteile reden, die dem ORF bisher entgehen, wir müssen möglicherweise auch über Steuerfinanzierung re­den. Und für die Privaten müssen wir über neue Finanzierungsformen wie Stiftungen, wie Subventionen und eine intelligentere Presseförderung reden.

These 3: Die Medienlandschaft ist in einem Umbruch, und zwar in einem Tempo, wie wir es in den letzten Jahrzehnten nie erlebt haben. Deswegen brauchen wir in der Me­dienpolitik Rahmenbedingungen, die auf 2020, 2030 schauen. Doch angesichts der Diskussion hier habe ich ein wenig das Gefühl, es geht ein bisschen zu sehr um die Gegenwart und teilweise auch um die Vergangenheit und zu wenig um diese Zukunft.

Eine letzte These, die das einmal ganz praktisch und journalistisch zugespitzt auf den Punkt bringt: Ich glaube, wenn es hier immer um die Gebühren und um die Werbefi­nanzierung des ORF geht, dass das irgendwann vielleicht eine philosophische Frage sein wird, denn wir hatten einmal ein Verhältnis Gebühren zu Werbeerlösen 1 : 1, jetzt sind wir bei 1 : 2, bald bei 1 : 3, und irgendwann wird sich das vielleicht auf eine philo­sophische Frage reduzieren.

Fazit des Ganzen: Wir brauchen mit Sicherheit in Österreich den großen und leistungs­fähigen ORF, weil er derzeit das einzige Medienunternehmen ist, das sich Qualitäts­journalismus wirklich uneingeschränkt leisten kann – Printmedien können das teilweise nicht mehr –, wir brauchen aber darüber hinaus auch eine Diskussion über die Medien­politik der Zukunft, die viel breiter sein muss als das, was heute teilweise zum Thema Gegenwart und Vergangenheit geboten wurde. – Danke schön. (Beifall.)

16.01


Vorsitzender Präsident Mag. Dr. Martin Graf|: Nächster Redner ist Herr Dr. Medwe­nitsch. Eingestellte Redezeit: ebenfalls 3 Minuten. – Bitte.

 


16.01.35

Dr. Franz Medwenitsch (Mitglied des ORF-Stiftungsrates)|: Sehr geehrte Damen und Herren! Danke für die Einladung zu dieser Enquete! Danke, dass auch Stiftungsräte eingeladen sind, hier ein Statement zur derzeitigen Situation des ORF abzugeben. Ich habe nur 3 Minuten Zeit, ich werde Ihnen jetzt nicht alle Erfahrungen aus vier Jahren Publikumsrat und Stiftungsrat mitteilen können. (Präsidentin Mag. Prammer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Zweite Vorbemerkung: Als Stiftungsrat muss ich mich nicht um das duale System küm­mern – das ist sicher ein Vorteil in der Diskussion –, als Stiftungsrat hafte ich allerdings mit meinem Privatvermögen für Entscheidungen im ORF – das ist wahrscheinlich weni­ger ein Vorteil.

Wie stellt sich denn die Situation im ORF derzeit dar? – Es ist schon aus den vielen Statements zuvor hervorgegangen: Der ORF befindet sich tatsächlich in einer Krise. Das soll jetzt nicht demotivierend wirken, sondern Krisen bringen ja immer auch die Chance auf Heilung. Er steckt in einer wirtschaftlichen Krise, er steckt in einer struktu­rellen Krise, und er steckt auch in einer programmlich-kreativen Krise.

Wirtschaftliche Krise, was bedeutet das? – Ganz einfach auf den Punkt gebracht gibt der ORF Jahr für Jahr deutlich mehr Geld aus, als er einnimmt. Es ist eine Milchmäd­chenrechnung, dass das irgendwann einmal zu einer schwierigen wirtschaftlichen Si­tuation führt.

Bei der Werbung ist es so, dass er im Jahr 2007 noch 300 Millionen € Werbeeinnah­men hatte, 2009 wird er voraussichtlich rund 250 Millionen € oder darunter haben. Er verliert Werbeeinnahmen, und er verliert auch Einnahmen aus den Finanzerträgen, und das führt dazu, dass er jährlich im Vergleich zu vergangenen Jahren 60 Millionen € weniger hat. 60 Millionen € macht ungefähr die Gebührenbefreiung aus; auch daraus kann man jetzt Schlüsse ziehen.

Aber die Refundierung der Gebührenbefreiung löst das Problem des ORF überhaupt nicht, darauf möchte ich in aller Deutlichkeit auch als einer der Urheber dieses Be­schlusses vom 2. April 2009 hinweisen. Die Strukturen des ORF sind eindeutig zu groß. Alle Experten wissen das. Alle, die drinnen sitzen, wissen das. Es wird nur nicht sehr oft und sehr gern öffentlich gesagt. Sie sind nicht zeitgemäß für den Wettbewerb, dem der ORF in verschärftem Ausmaß ausgesetzt ist, und daher muss er seine Kos­tenstruktur verkleinern, er muss schlanker werden. Es gilt nicht mehr der Satz des Gerd Bacher – es hat übrigens 5 Stunden gedauert, bis der Name Gerd Bacher ge­nannt wurde –: Think big!, sondern es gilt der Satz: Think lean! – passe dich den geän­derten Wettbewerbsbedingungen an, gewinne dadurch aber Flexibilität und Spielraum auf einem kompetitiven Medienmarkt.

Ich bin nicht gegen die Mischfinanzierung – ich sage das ganz offen –, ich glaube, dass diese auch zur Tradition des Rundfunks in Österreich gehört. Duale Rundfunkordnung wird ja von allen unterstützt, meine ich, sie ist nur länderspezifisch zu sehen. Die öster­reichische duale Rundfunkordnung ist anders zu sehen als die duale Rundfunkordnung in Deutschland. In Deutschland hat Privatrundfunk Mitte der achtziger Jahre begonnen, in Österreich beim Privatradio de facto 1995, beziehungsweise 1998 nach Ende aller Verfahren, und im Fernsehen erst nach 2000. Das heißt, wir haben hier einen großen Zeitverlust gehabt, und ich glaube, zur Gänze wird man diesen Zeitverlust niemals auf­holen können.

Die 3 Minuten sind leider schon vorbei. Ich wollte nur noch kurz sagen: Der öffentliche Auftrag ist ausreichend im Rundfunkgesetz – das ja jetzt wieder gelobt wird – formu­liert. Es bedarf der Kontrolle. Und wenn man mir noch ein paar Sekunden gibt, dann möchte ich für eine wirklich unabhängig gestellte Medienbehörde eine Lanze brechen. Das ist auch sozusagen fast ein Appell aus dem Stiftungsrat an die Opposition hier im Hause. Ich glaube, so etwas braucht es in einer modernen europäischen Rundfunkord­nung, und die sollte sich Österreich zum Ziel setzen. Der ORF dürfte sich eigentlich vor einer Kontrolle nicht scheuen, weil eine gute Kontrolle auch der Auseinandersetzung etwa um eine Gebührenerhöhung sehr, sehr viel an Schärfe nimmt. – Vielen Dank. (Beifall.)

16.06


Vorsitzende Präsidentin Mag. Barbara Prammer|: Als Nächster gelangt Herr Mag. Teichmann zu Wort.

Ich mache noch einmal auf die Redezeit von 3 Minuten aufmerksam. Ich weiß, 3 Minu­ten sind kurz, aber es ist notwendig, dass diese 3 Minuten auch eingehalten werden. – Bitte.

 


16.06.29

Mag. Roland Teichmann (Österreichisches Filminstitut)|: Ich werde mich bemühen. – Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Bitte schenken Sie mir noch kurz Ihre Aufmerksamkeit, trotz vorgeschrittener Stunde und trotz Fußball. Mir geht es um den Kinofilm. Der Kinofilm ist bis jetzt noch nicht ausreichend zur Sprache gekommen. Der Kinofilm ist aber ganz wichtig, weil auch der ORF ein ganz wesentlicher Partner der Filmförderung und des österreichischen Kinofilms und auch der Erfolgsgeschichte des österreichischen Kinos ist.

Diese gemeinsame Aufbauarbeit, die es über Jahre, Jahrzehnte gegeben hat, ist jetzt gefährdet, so scheint es zumindest. Der ORF braucht aus meiner Sicht ein klares stra­tegisches Interesse, weiter in diesen Erfolg des österreichischen Kinofilms zu investie­ren – und ich spreche ganz bewusst in diesem Zusammenhang von Investition und nicht von Förderung –, aber gerade jetzt scheint aus Einsparungsgründen diese Ko­operation mit der Filmförderung zur Disposition zu stehen. Das ist der falsche Schritt. Und sie wird damit offensichtlich auch zum Spielball einer Gebührenrefundierung ge­macht, was ich für unwürdig halte. Das hat der österreichische Film nicht verdient. Hier gibt es aus meiner Sicht auch keinen Ermessensspielraum, der einfach zum Streichen legitimiert, hier gilt es schlicht, einen öffentlich-rechtlichen Auftrag zu erfüllen.

Der ORF ist ein unverzichtbarer Partner bei der Investition in die Vielfalt und in den an­haltenden Erfolg des österreichischen Filmschaffens, und als öffentlich-rechtlicher Sen­der muss er sich dieser Verantwortung stellen und ihr gerecht werden. Er profitiert ja auch davon: Er bekommt erfolgreiche Ware, im Kino bewährte Produkte mit öster­reichischer Identität, aber auch mit Qualität, und keine austauschbare amerikanische oder sonst irgendwelche Einkaufsware, die keine echte Wertschöpfung in Österreich erzeugt.

Um hier ein für alle Mal Klarheit und Sicherheit zu schaffen, muss das bestehende Film/Fernseh-Abkommen, also der Vertrag zwischen dem ORF und dem Filminstitut, der ja eingespart werden soll, auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werden. Das heißt, der Satz: „Der ORF hat zur Mitfinanzierung des österreichischen Kinofilms ange­messen beizutragen“, muss im ORF-Gesetz stehen. Und, der ganz wesentliche Punkt: Die angemessene Dotierung der Mitfinanzierung von Kinofilmen muss vom ORF auch in Eigenverantwortung und in Eigennutzen erfüllt werden. Der ORF braucht zweifels­ohne strukturelle Reformen, aber eben auch ganz klare inhaltliche Ziele, und eines die­ser klaren inhaltlichen, strategischen Ziele muss es sein, die Mitfinanzierung an den Ki­nofilmen und damit auch an mehr österreichischem Programm als fraglosen Teil des öffentlich-rechtlichen Auftrags zu gewährleisten und damit auch die Bedingungen für das Gebührenprivileg zu erfüllen, das sich ja vorwiegend durch den Content definiert, denn sonst wird der ORF vom viel zitierten Leitmedium zum „Leidmedium“.

Und was ist so schwer daran, sich jetzt am Erfolg zu beteiligen? Gerade jetzt, wo der Kinofilm einen Erfolg nach dem anderen feiert, jetzt soll der Stecker rausgezogen wer­den und die Zusammenarbeit mit der Filmförderung eingestellt werden? Wir reden nicht von Unsummen, die die gesamtwirtschaftliche Situation des ORF gefährden oder über Gebühr belasten würden, wir reden von Mitteln in einem Promille-Bereich der Ein­nahmen des ORF.

Der österreichische Film boomt, der österreichische Film präsentiert, reflektiert und transportiert österreichische Kultur und eigene filmische Identität, die national und auch international sehr stark wahrgenommen wird. Film ist zweifelsohne ein kulturelles Pro­dukt, aber auch ein Produkt mit breiter ökonomischer Wertschöpfung, an dem auch sehr viele Arbeitsplätze hängen.

Ich appelliere daher an alle politischen Entscheidungsträger: Unterstützen Sie uns bit-
te dabei, den ORF wieder zu dem zu machen, was er einmal war – ein verlässlicher strategischer Partner der österreichischen Filmwirtschaft, ohne Wenn und Aber und: Wann, wenn nicht jetzt? – Danke.
(Beifall.)

16.09


Vorsitzende Präsidentin Mag. Barbara Prammer|: Nun gelangt Herr Abgeordneter Mayer zu Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


16.10.22

Abgeordneter Peter Mayer (ÖVP)|: Frau Präsidentin! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Sportbewerbe, die nicht so leicht einer breiten Öffentlichkeit präsentiert werden können, sogenannte Randsportarten wie Handball, Ironman-Bewerbe oder ge­nauso der Behindertensport haben eine Heimat bei SPORT PLUS gefunden, und das ist auch gut so. Sportveranstaltungen abseits von Fußball, Skifahren und Formel I ha­ben somit eine notwendige Plattform, um sich zu präsentieren.

Mit großer Sorge habe ich aber vernommen, wie Herr Informationsdirektor Oberhauser gesagt hat, man kann sich den Luxus dieser Randsportarten nicht mehr leisten. Gera­de diese Aussage macht eine Spekulation über die Beendigung dieses Programms ir­gendwie realistisch.

Dies ist für mich nicht nachvollziehbar, da das sicher ein Teil des öffentlich-rechtlichen Auftrages ist. Österreichische Randsportarten, deren Sportlerinnen und Sportler brau­chen diese Plattform, um sich zu präsentieren, um auch für ihre Sponsoren interessant zu sein. Ohne Sponsoren gibt es keine Bewerbe, und ohne Bewerbe gibt es keine sportlichen Höchstleistungen.

Ich möchte aber noch einen zweiten Punkt anführen, und zwar die Berücksichtigung der Jugend im Programm des ORF, denn außer amerikanischen Soaps wird da nicht sehr viel geboten. Man kann jetzt sicherlich darüber diskutieren, ob die klassischen Medien wie Rundfunk und Fernsehen noch für unsere Jugend geeignet sind und im Zeitalter des Internet und dergleichen auch genutzt werden. Trotzdem sollte an neuen Formaten und Sendungen für die Jugend gearbeitet werden, um die Jugend zu bilden und um der Jugend gesellschaftliche Werte zu vermitteln.

Ersparen wir uns die Diskussion über gefloppte Beispiele aus der jüngsten Vergangen­heit wie zum Beispiel „Mitten im Achten“. Ein regelmäßiges Magazin, das Jugendthe­men aufarbeitet, ist gefragt und wird seit Langem von der österreichischen Bundes-Ju­gendvertretung gefordert. Ich unterstütze diese Forderung und fordere gleichzeitig die ORF-Geschäftsführung auf, da zu handeln. – Danke. (Beifall.)

16.12


Vorsitzende Präsidentin Mag. Barbara Prammer|: Nun gelangt Frau Mag. Blimlinger zu Wort. – Bitte.

 


16.12.48

Mag. Eva Blimlinger (Universität für Angewandte Kunst Wien)|: Sehr geehrte Damen und Herren! Lassen Sie mich noch einmal auf die Quote zu sprechen kommen. Herr Abgeordneter Amon hat seine Bedenken geäußert und gemeint, wenn die Quote sinkt, sinkt die Qualität. Ich würde Sie dringend ersuchen, beim nächsten Mal, wenn die Frauenquote sinkt, wenn sie schon ganz niedrig ist, ähnliche Qualitätsbedenken zu äußern, das heißt: Wenn die Frauenquote niedrig ist, ist die Qualität schlecht, weil die Männerquote zu hoch ist.

Ähnlich ist es mit der Frage der Quote im Zusammenhang mit dem Film/Fernseh-Ab­kommen; wir haben es ja im vorvorigen Beitrag gehört. Der ORF hat sich sehr gefreut und hat „Wir sind Oscar“ gerufen, als der Film „Die Fälscher“ von Ruzowitzky den Oscar bekommen hat. „Das weiße Band“, das zwar hier uraufgeführt wird, kann von Österreich nicht für den Auslands-Oscar nominiert werden, sondern wird für Deutsch­land nominiert, weil der überwiegende Beitrag aus Deutschland stammt.

Zu Wolfgang Burtscher ist Folgendes zu sagen: Er hat darauf verwiesen, dass ohnehin Volksgruppensendungen in den Landesstudios im Rahmen der Regionalsendungen produziert werden. – Da liegt ein grundsätzliches Missverständnis vor, wenn wir Volks­gruppen und Migranten und Migrantinnen in einem Atemzug nennen, und ich glaube, Hausjell hat das auch nicht in dem Sinn gemeint. Die sogenannten autochthonen Volksgruppen haben lange genug darum gekämpft, ihre Sendungen zu bekommen. Auch da gibt es ja immer wieder Schwierigkeiten, Verweise auf andere Studios.

Darum geht es aber nicht, sondern es geht um die Migranten und Migrantinnen, die in Österreich leben. Und da hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk eine besondere Aufga­be, die er in keinster Weise wahrnimmt. Es gibt in keinem Programm irgendeine Sen­dung, die spezifisch Migranten/Migrantinnen adressiert. Man weiß aus Untersuchun­gen, dass speziell Türken und Türkinnen den ORF nicht konsumieren. Eine Chance, die hier vertan wird, sei es auch durch Angebote im Bildungsbereich, zum Beispiel durch Sprachprogramme, integrativ zu wirken. Integration wird immer im Mund geführt, aber hier in keinster Weise wahrgenommen.

Ein Wort noch zu den Arbeitsverhältnissen: Golden Handshake, Personalabbau, all das – alle wissen, dass es im Wesentlichen nicht um diese Personen geht, sondern grundsätzlich immer um die „last come, first go“. Es gibt im ganzen Medienbereich – und das ist nicht nur der öffentlich-rechtliche – höchst prekäre Arbeitsverhältnisse. Da ginge es darum, das ganz generell zu lösen, wahrscheinlich nicht nur für den ORF al­lein, sondern insgesamt die Frage zu stellen, wie mit prekarisierten Arbeitsverhältnis­sen – das heißt, Scheinselbständigkeiten et cetera, ich brauche das nicht auszufüh­ren – umzugehen ist. Und das wären auch immer die Ersten – es ist angesprochen worden, Leasingarbeitskräfte –, die daran glauben müssen, wenn es an Kündigungen geht, und nicht die weißen, roten, schwarzen Elefanten.

Lassen Sie mich zum Schluss noch einen Punkt anführen, im Hinblick auf die Novellie­rung: Wenn im Gesetz etwas normiert wird wie zum Beispiel der Publikumsrat – keine Ahnung, wie das in Hinkunft ausschauen wird – und dort eine Wahl des Publikumsra­tes oder einzelner Publikumsräte normiert wird, so bitte ich Sie, daran zu denken, dass diese Wahl äußerst kostenaufwendig ist, das heißt, dass Kosten entstehen. Ich glaube, mich zu erinnern, dass die letzte Wahl 1,3 Millionen € gekostet hat, und ich möchte den Appell aussprechen, dafür Vorsorge zu treffen, dass das nicht wieder aufgrund einer gesetzlichen Normierung dem ORF gewissermaßen zufällt. – Danke. (Beifall.)

16.16


Vorsitzende Präsidentin Mag. Barbara Prammer|: Ich darf nun Herrn Dr. Sepp Brug­ger ans Rednerpult bitten. 3 Minuten. – Bitte.

 


16.16.39

Dr. Sepp Brugger (Die Grünen Tirol)|: Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf im Zuge der Debatte über die Vielfalt doch noch etwas Grundsätzliches sagen: Wir haben heute unter 20 Referenten eine Frau gehört. Von einer demokratischen öffentlichen Einrichtung wie dem Parlament dürfen wir uns eigentlich schon erwarten, dass unter den Referenten zumindest auch 50 Prozent Frauen vertreten sind. (Abg. Kopf: ... ha­ben wir mit den Stimmen von ihnen beschlossen!) Bei aller Wertschätzung für die Re­ferenten hinter mir: Ich kann es nicht glauben, dass es in Österreich nicht auch Frauen gibt, die diese Positionen vertreten können.

Zur Medienvielfalt. – Nach 10 Jahren erfolgreichen freien nichtkommerziellen Radios stört es mich, wenn hier grundsätzlich nur von einem dualen System gesprochen wird; das greift zu kurz. Wir haben ein Drei-Säulen-Modell, und wir sollten dieses endlich auch im Gesetz verankern. Und wir sollten uns insbesondere auch dessen bewusst sein, dass gerade die freien nichtkommerziellen Medien – und seit einiger Zeit haben wir nicht nur Radios, sondern auch offene Kanäle – ein wichtiger Bestandteil unserer doch ganz geringen oder eigentlich schwach ausgebildeten Medienvielfalt sind.

Ich möchte im Rahmen der Debatte über die Vielfalt auch noch einmal auf das Thema Landesstudios eingehen. Mir ist bewusst, dass diese ein wichtiger Bestandteil unserer Medienlandschaft sind. Mich würde auch sehr interessieren, ob es unterschiedliche Quoten gibt, je nachdem, wie kritisch die Berichterstattung in den Landesstudios ist. Viele von euch können mir bestätigen, dass es leider in vielen Ländern doch einen sehr nahen Landesfunk gibt. Wir sind Gott sei Dank in Tirol durchaus positiv mit einer kritischen Berichterstattung ausgestattet. Und ich kann mir vorstellen, dass man an­hand des Beispiels der Landesstudios und der kritischen Berichterstattung ebendiese Quote – die höhere Quote – ganz gut beweisen beziehungsweise belegen kann.

Aber die Frage, Herr Burtscher, die ich am Vormittag schon gestellt habe, darf ich doch noch einmal stellen: Warum ist es nicht möglich, dass so erfolgreiche Sendungen aus­geweitet werden? Ich würde mir wünschen, dass nicht nur eine halbe Stunde, sondern mindestens eine Stunde Landesberichterstattung täglich erfolgt und wir uns nicht mit einer halben Stunde zufriedengeben müssen. Ich denke, das muss auch möglich sein.

Im Zusammenhang mit der Medienvielfalt ist aber sicher auch noch einmal auf den wichtigen Grundsatz der publizistischen demokratischen Grundversorgungsverpflich­tung des ORF hinzuweisen. Ich denke, wenn man in Wien ist, hat man diese Probleme weniger, die Vielfalt ist gegeben, aber Ihnen sollte bewusst sein, dass es in Österreich immer noch Gegenden gibt, in denen nur die ORF-Programme zu empfangen sind, in denen es keine private Versorgung gibt, und gerade aus diesem Grunde ist auch der Grundversorgungsauftrag wichtig. Auch die Digitalisierung wird diese Situation zwar verbessern, aber sicherlich nicht beseitigen.

Abschließend möchte ich angesichts der zunehmenden Monopoltendenzen bezie­hungsweise Konzentrationstendenzen im Printmedienbereich doch noch einmal klar festhalten: Eine Gefährdung der Medienvielfalt in Österreich erfolgt nicht durch den ORF. – Danke. (Beifall.)

16.20


Vorsitzende Präsidentin Mag. Barbara Prammer|: Nun gelangt Herr Dr. Unterberger zu Wort. – Bitte.

 


16.20.37

Dr. Klaus Unterberger (ORF – Public Value Kompetenzzentrum)|: Meine Damen und Herren! Wir haben heute schon viel gehört, und unter anderem war immer wieder die Rede von den sogenannten Zwangsgebühren und dem Geld, das der ORF angeblich den Menschen aus der Tasche zieht. Das ist ein grausames Bild, da könnte man sich einiges vorstellen, wenn man Krimis sieht.

Die Wahrheit ist natürlich ganz anders: Es sind pro Tag und Gebührenzah­ler/Gebührenzahlerin 48 Cent, die der ORF aus den Mitteln der ORF-Gebühren be­kommt! Im Vergleich dazu: Eine durchschnittliche österreichische Tageszeitung kostet 1,20 €. Also 48 Cent pro Tag, das sind die „Zwangsgebühren“, von denen hier die Re­de ist.

Was bekommen Sie eigentlich dafür? – Sie bekommen zwei nationale Fernsehkanäle mit 3 700 Stunden österreichischer Information. Sie bekommen dafür 1 000 Stunden österreichische Kultur. Sie bekommen 1 600 Stunden Service und Lebenshilfe. Sie be­kommen zwölf Radiostationen, darunter Österreich 1, das ist, wie Sie wissen, der er­folgreichste europäische Kulturkanal und Kultursender überhaupt. Sie bekommen Ös­terreich 3, Sie bekommen FM4, Sie bekommen neun Regionalradios. Sie bekommen „ORF.at“, das ist überhaupt einer der erfolgreichsten Online-Dienste in ganz Europa. Sie bekommen neun Landesstudios mit 77 000 Programmstunden im Fernsehen und im Radio. Sie bekommen internationale Kooperationen in Form von 3sat, BR-alpha und ARTE, also hochwertigste Fernsehkultur.

Sie bekommen darüber hinaus noch eine Vielzahl von Initiativen, österreichische ORF-Initiativen wie „Licht ins Dunkel“, „Nachbar in Not“ oder „Team Österreich“, vorbildhaft von Österreich 3 realisiert – also alles Maßnahmen, die den Menschen unmittelbar hel­fen und mit denen der ORF ganz offensichtlich auch soziale Verantwortung über-
nimmt. Das alles bekommen Sie und die Gebührenzahlerinnen und Gebührenzahler
für 48 Cent!

Meine Damen und Herren! Ich habe überhaupt keine Ahnung, welcher Gebührenzahler irgendein Interesse daran haben sollte, künftig weniger davon zu bekommen – ich weiß es nicht: weniger Information, weniger Kultur, weniger Bundesländer, auch weniger Un­terhaltung –, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemand ein Interesse daran hat, eine Unterhaltungssendung mit Unterbrecherwerbung anstatt ohne Werbeunter­brechung zu sehen. Ich denke, dass einige von Ihnen hier deutlich mit zwar berechtig­ten Geschäftsinteressen argumentieren, aber nicht mit der Stimme der Bevölkerung.

Mir ist letzten Endes auch nicht ganz verständlich, welche österreichischen Interessen es eigentlich sein sollen, wenn 250 Millionen € ans Ausland und an große Medienkon­zerne gehen. Um nur ein letztes Beispiel zu nennen: Der Eigentümer von puls 4 ist Pro7/Sat1. Nun, wem gehört eigentlich Pro7/Sat1? – Das sind zwei milliardenschwere Finanzinvestoren, sie gehören zu den sogenannten Private-Equity-Firmen, Investitions­häusern, die Unternehmen aufkaufen, um sie später ganz oder in Teilen mit hohem Gewinn weiterzuverkaufen.

Aus dem Frühsommer eine Meldung: Heuschrecken im Mediengeschäft, drei US-Hedgefonds haben den Kampf um die Münchner Fernsehkette Pro7/Sat1 eröffnet. – Die können viele Interessen haben, meine Damen und Herren, aber ich bezweifle, dass originäre österreichische Interessen dabei sind!

Beim ORF können Sie sicher sein, dass Sie Österreich pur bekommen. Ich hoffe auch, dass Herr Abgeordneter Molterer bei dem Leistungsspektrum insofern beruhigt sein kann, als man ja sehen und wahrnehmen kann, dass wir Österreich nicht nur im Ruck­sack tragen, sondern sozusagen auf der Haut, und zwar erkennbar und sichtbar. Des­halb brauchen wir einen leistungsstarken ORF! – Danke schön. (Beifall.)

16.23


Vorsitzende Präsidentin Mag. Barbara Prammer|: Ich erteile nun Herrn Mag. Peissl das Wort. – Bitte.

 


16.23.48

Mag. Helmut Peissl (Verband freier Radios Österreich)|: Sehr geehrte Damen und Herren! Vielen Dank für die Einladung, dass wir hier heute im Namen des Verbandes der freien Radios teilnehmen dürfen! Wir wären gerne auch am Podium gesessen, aber offensichtlich ist der dritte Sektor im Rahmen des österreichischen Rundfunksys­tems noch nicht genügend anerkannt. Im Weiteren rede ich gewissermaßen auch im Namen von Okto. Wir haben also mittlerweile nicht nur freies Radio in Österreich, son­dern eben auch wirklich einen nicht-kommerziellen Rundfunkbereich.

Lassen Sie mich eher allgemein einige Bemerkungen machen. Wir wollen dem ORF keine Ratschläge geben. Wir haben heute schon öfters festgehalten, dass die Medien­landschaft im Umbruch ist. Das hat die verschiedensten Gründe; es geht um die Digita­lisierung, es geht um die Konvergenz. Damit haben alle zu rechnen. Aber nicht nur die Medien, sondern auch die Gesellschaft ist im Umbruch. Das hat demographische Gründe, es hat vor allem die Gründe Migration und wachsende kulturelle und sprachli­che Diversität in unserer Gesellschaft.

Wenn wir jetzt genauer hinschauen, was der ORF machen kann, was er tut und was er kann, dann wird relativ klar, dass er heutzutage nicht mehr dem Anspruch gerecht wer­den kann, wirklich öffentlich-rechtlicher Rundfunk für alle Bevölkerungsschichten zu sein, und dass er immer nur Teilaspekte dieses Auftrags erfüllen kann. Das heißt, ich glaube, dass man hier auch quasi einen Auftrag diskutiert, der wahrscheinlich inner­halb eines Mediums gar nicht machbar ist.

Vielleicht kurz ein Vergleich: Ich meine, auch das Burgtheater oder selbst alle Bundes­theater gemeinsam können nicht die kulturellen Interessen der gesamten Bevölkerung befriedigen. Ich glaube, ähnlich spielt es sich wahrscheinlich auch im ORF ab.

Deswegen kurz einige Zahlen zu den freien Radios: In Österreich gibt es heute 13 freie Radios. Es werden pro Jahr ungefähr 40 000 Programmstunden in 25 Sprachen produ­ziert, 3 000 engagierte BürgerInnen sind daran beteiligt, und die Hälfte des Bundesge­bietes kann damit versorgt werden. Hier ist also sozusagen ein großes Interesse da, und das, glaube ich, gilt es einmal ganz stark wahrzunehmen, auch in der Politik.

Aus diesem Grund erheben auch die freien Radios oder der gesamte nicht-kommer­zielle Rundfunksektor Anspruch auf explizite Anerkennung im Rahmen der Medienge­setzgebung als eigener Sektor, auch wenn es um die Verwendung von Gebühren geht, von Steuern, von Mitteln, die von den Bürgern bezahlt werden, um eine vielfältige Me­dienlandschaft in Österreich zu haben, dass es genügend Mittel gibt, um zu zumutba­ren Bedingungen auch zugangsoffene, freie, nicht-kommerzielle Medien in Österreich zu betreiben, und zwar in einem Ausmaß, dass wirklich 100 Prozent der Bevölkerung Zugang haben. Das heißt, es gibt in Österreich große Gebiete, gerade auch in ländli­chen Bereichen, die derzeit noch nicht versorgt sind.

Ich glaube, das, was wir dem ORF vielleicht anbieten können, ist, dass er sich innovati­ve Leistungen sicher anschauen kann (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glocken­zeichen), in den Radios, in Okto. Wir haben das bereits in Berichten des Rechnungs­hofs gefunden; dort wurde auf sehr vorbildliche Organisationsformen und Strukturen hingewiesen. Wir haben einen wiederholten Abfluss von Mitarbeitern hin zum Öffent­lich-Rechtlichen.

Ich glaube, das ist sozusagen der Beitrag, der von unserer Seite kommt. Aber es ist wirklich wichtig, den Bereich auch klar gesetzlich und im Rahmen der Förderungen an­zuerkennen. – Danke sehr. (Beifall.)

16.28


Vorsitzende Präsidentin Mag. Barbara Prammer|: Nun erteile ich das Wort Frau Ab­geordneter Mag. Jarmer. – Bitte.

 


16.28.35

Abgeordnete Mag. Helene Jarmer (Grüne)| (in Übersetzung durch die Gebärdendol­metscherin): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Sehr verehrtes Publikum! Es gibt eine Umfrage, die europaweit durchgeführt wurde, wie die Situation in Bezug auf Untertitelung der Sendungen aussieht. Auch die Ostländer wurden mit einbezogen. Was glauben Sie, an welcher Stelle Österreich liegt? – Bitte, zeigen Sie es mit Ihren Händen; Sie können schätzen, ich möchte Sie dazu aufrufen. Weiter unten; andere Meldungen, bitte, kommen Sie, machen Sie mit! – Ja, weiter unten, wir sind an vorletz­ter Stelle, und zwar vor Albanien! (Zwischenrufe.)

Leider ist es so, wir können uns in Europa umschauen. Die BBC hat zu hundert Pro­zent Untertitelungen in ihrem Programm, Privatsender haben durchschnittlich zu 80 Prozent Untertitelungen der Sendungen; in Österreich sind es leider nur 30 Prozent. Durchschnittlich, kann man sagen, gibt es zu 50 bis 70 Prozent Untertitelungen in euro­päischen Ländern. Die Gebührenabschaffung betrifft ungefähr 500 000 hörgeschädigte Menschen, die jetzt aber wieder dazu verpflichtet worden sind, Gebühren zu entrichten. Das Angebot, das sie bekommen, beläuft sich aber nur auf 30 Prozent. Das heißt, ich möchte Sie jetzt fragen, ob Sie bereit wären, eine Karte zu kaufen, zum Beispiel eine VIP-Karte für ein Fußballspiel, und wo ist Ihr Platz? – Sie sind hinter einer Säule und würden nichts sehen. Wären Sie bereit, das zu bezahlen? – Das möchte ich hier ein­mal fragen.

Eine andere Überlegung wäre: Im Fernsehen wird in ungefähr 30 Prozent der Sendun­gen gesprochen, im Rest nicht. Würden Sie sich das ansehen? Und würden Sie dafür 100 Prozent der Gebühren bezahlen? Wer wäre dazu bereit? Bitte zeigen Sie jetzt auf. – Niemand! Aber für behinderte Personen ist das leider ein Ist-Zustand, und das müssen wir berücksichtigen.

Ich fordere hier, dass bei der neuen ORF-Novelle – die letzte war 2001 –, wenn wirt­schaftliche Verfügbarkeit besteht, Untertitelungen angeboten werden können.

Ich habe hier eine Zeitung aus Taiwan mitgebracht, aus Taipeh. Ich bin nämlich heute erst am Flughafen gelandet, ich bin aus Taipeh zurückgekommen. Darin gibt es sechs Seiten Berichterstattung über die Deaf Olympics in Taipeh täglich; im ORF und in der österreichischen Presse wurde darüber nicht einmal berichtet. Ich bin erstaunt gewe­sen über die Presse in Asien. Busweise kamen die Medien, es gab tägliche Berichter­stattungen, Live-Sendungen, es war ein riesiges Medienaufkommen. Die Gesellschaft, die Taiwanesen waren interessiert, sie haben mitgejubelt. Wir sind auf den Straßen spaziert, und die Leute haben stundenlang dem Medienspektakel, dem Deaf-Olympics-Spektakel zugesehen.

Das heißt, wir können uns daran ein Vorbild nehmen, und wir sehen, dass in anderen Ländern auch wirtschaftliche Erfolge durch Behindertensportarten gegeben sind. Des­wegen möchte ich hier noch einmal an die Möglichkeit, an die Bewusstwerdung in der Gesellschaft erinnern, dass wir davon auch einen Nutzen haben. – Danke für die Auf­merksamkeit. (Beifall.)

16.32


Vorsitzende Präsidentin Mag. Barbara Prammer|: Ich darf jetzt in eigener Sache ganz kurz einen Zwischenstopp machen.

Gemeinsam mit dem ORF versucht das Parlament derzeit, die Live-Übertragungen der Plenarsitzungen zu untertiteln. (Abg. Mag. Jarmer: Es ist versteckt! Es ist nicht öffent­lich, es ist versteckt! Es wird versteckt gezeigt!) – Nein, dieses Projekt läuft erst an. Es ist eine große Herausforderung, eine Live-Debatte des Parlamentes zu untertiteln. Wir stellen uns dieser Herausforderung, und ich bin schon sehr neugierig, ob es uns gelin­gen wird und gelingen kann, dieses Projekt wirklich zu realisieren, weil ich glaube, dass wir damit einen großen Schritt nach vorne gemacht hätten. Halten Sie uns die Dau­men, dass es gelingt, wollte ich an dieser Stelle nur sagen.

Nun gelangt Herr Bauer zu Wort. – Bitte.

 


16.33.49

Mag. Franz C. Bauer (Vorsitzender der Journalistengewerkschaft in der GPA/DJP)|: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren! Ich habe mir ein paar Dinge mitgeschrieben – ich kann sie Gott sei Dank lesen –, die ich nur zitieren möchte.

Herr Klubobmann Kopf hat gemeint: Es geht natürlich um den ORF, aber die Bedin­gungen dort determinieren in einem gewissen Ausmaß die Rahmenbedingungen für die Medienlandschaft insgesamt.

Wir haben gehört: Sparflamme senkt die Temperatur der eigenen Medienszene.

Wir haben dankenswerterweise Jefferson zitiert bekommen, der sich die Frage gestellt hat: Medien und Regierung, oder Medien mit oder ohne Regierung? – Da könnte sich jetzt die Frage stellen: Medien demnächst ohne Journalistinnen und Journalisten?

Wir hören gerne, dass der ORF ein Platz ist, an dem Qualitätsjournalismus stattfindet. Was erleben wir derzeit für eine Realität in der Medienszene? – Wir erleben eine bei­spiellose Erosion der inhaltlichen und der materiellen Existenzgrundlage der Journalis­tinnen und Journalisten. Wir erleben das interessanterweise ausgehend von einem großen Verlag, dessen Verantwortlicher hier sehr gute Ratschläge für den ORF gege­ben hat, und wir haben auch gehört, dass der Verantwortliche des Verlags ganz gern FS1 und Ö3 kaufen würde.

Da würde ich ganz gern fragen: Wie schauen denn die Arbeitsbedingungen in Ihrem Verlag aus? Werden die Kolleginnen und Kollegen dort alle nach ordentlichen Arbeits­bedingungen entlohnt/angestellt? Oder gibt es das, dass man ihnen Gewerbe-Kollek­tivverträge hinlegt und dann einmal abwartet, wer die Nerven verliert? – Wenn Sie den ORF filetieren wollen, dann wollen wir die Filetierer fragen: Unter welchen Bedingun­gen werden die Kolleginnen und Kollegen dort arbeiten?

Mir ist schon klar, dass es für Politiker nicht immer angenehm ist, unangenehme Fra­gen von Kolleginnen und Kollegen von mir gestellt zu bekommen. Aber fragt ihr einmal, wenn ihr interviewt werdet: Unter welchen Bedingungen arbeitest du oder arbeiten Sie denn eigentlich? Seid ihr anständig angestellt? Werdet ihr dafür ordentlich entlohnt?

Man kann sich jetzt auf den Standpunkt stellen: Löst das unter euch, macht es euch aus! – Das ist ein liberaler Standpunkt, der seine Berechtigung haben mag, aber nicht mein Standpunkt ist.

Demokratie und Kapitalismus sind dabei, ihre Kontrollinstanz abzuschaffen, und die Politik ist gefordert, hier gegenzusteuern. Der von mir bereits mehrfach zitierte Herr Dr. Pirker hat etwas gesagt, was ich nur unterstreichen kann: Der Staat muss eingrei­fen, wenn die Marktwirtschaft versagt.

Ich sage euch und sage Ihnen, geschätzte Politiker: Die Marktwirtschaft versagt hier, wenn es um die Arbeitsbedingungen der Journalistinnen und Journalisten geht. Und: Rettet den freien Journalismus in diesem Land, denn er ist bedroht wie nie zuvor! (Beifall.)

16.36


Vorsitzende Präsidentin Mag. Barbara Prammer|: Nun gelangt Herr Weller zu Wort. – Bitte.

 


16.37.07

Peter Weller (Gewerkschaft Kunst, Medien, Sport, freie Berufe)|: Sehr geehrte Damen und Herren! Ich vertrete hier die Interessen der Gewerkschaft Kunst, Medien, Sport, freie Berufe.

Herr Abgeordneter Kopf! Ich möchte auf Ihren Ausspruch zurückkommen; er hat, glau­be ich, folgendermaßen gelautet: Wo ORF drauf ist, muss Österreich drin sein (Abg. Kopf: Viel Österreich!), muss viel Österreich drin sein.

Ich möchte diesen Ausspruch ein bisschen abwandeln: Wo ORF draufsteht, sind Tau­sende österreichische Arbeitsplätze drin! 4 000 qualifizierte Arbeitsplätze im ORF und Tausende Jobs für heimische Kunstschaffende wie Musiker, Autoren, Schauspieler und die nicht zu Unrecht hoch gelobte Filmwirtschaft sind in Gefahr, sind in ihrer Existenz bedroht. Daher muss der ORF weiterhin seine Rolle als Auftraggeber und Ar­beitgeber wahrnehmen können. Dass dies möglich ist, muss die Politik die rechtlichen Rahmenbedingungen für einen starken und unabhängigen ORF schaffen. Der Schlüs­sel dazu ist eine sofortige Novellierung des ORF-Gesetzes.

Im Rahmen dieser Novellierung stellen wir folgende Forderungen auf: Refundierung je­ner Einnahmen, welche durch die staatliche Sozialleistung einer Gebührenbefreiung dem ORF verloren gehen; Zuführung jener Anteile der Rundfunkgebühr an den ORF, die Bund und Länder einbehalten; Erweiterung und Finanzierung des gesetzlich festge­schriebenen öffentlichen Auftrages des ORF, um die unverzichtbaren kulturellen und sozialen Leistungen des ORF – das sind zum Beispiel das RSO, „Rat auf Draht“, die Südtirol-Versorgung und ORF 2 Europa – zu sichern; Verkleinerung des Aufsichtsrates zu einem kleinen, effizienten Aufsichtsrat, also der Aufsichtsgremien; die Drittelparität der Belegschaftsvertreter in den Aufsichtsgremien entsprechend den gesetzlichen Be­stimmungen; und wir glauben auch, dass die Verkleinerung des Direktoriums gescheit ist. – Danke schön. (Beifall.)

16.39


Vorsitzende Präsidentin Mag. Barbara Prammer|: Als Nächste ist Frau Kulovits-Rupp zu Wort gemeldet. Das wäre für mich die letzte Wortmeldung in der Diskussion; ich hoffe, wir haben niemanden übersehen. Ich werde im Anschluss an diese Wortmel­dung die Herren Referenten fragen, wer auf das Gesagte replizieren will. So ist die Vorgangsweise grundsätzlich vereinbart. Geben Sie es uns also bitte bekannt, wenn es aus dem Kreis der Teilnehmerinnen und Teilnehmer noch eine Wortmeldung geben sollte.

Frau Kulovits-Rupp, bitte.

 


16.39.46

Brigitte Kulovits-Rupp (ORF-Stiftungsrat, Vertreterin des Burgenlandes)|: Das Gre­mium des Stiftungsrats ist heute einige Male angeschnitten worden, und auch einer der Vorredner hat darauf Bezug genommen. Ich möchte dem Stiftungsrat Medwenitsch Recht geben: Als mit unserem Privatvermögen haftenden Mitgliedern obliegt uns eine besondere Sorgfaltspflicht. Ein Appell, der sowohl für das Aufsichtsratsgremium als auch für das Hohe Haus gilt, ist: Wir werden nur dann zu vernünftigen Lösungen kom­men, wenn wir auf parteipolitisch motivierte Justamentstandpunkte verzichten. Also er­sparen wir uns derartige Pflichtübungen sowohl hier bei der Neufindung der gesetzli­chen Grundlagen als auch bei der Ausübung unserer Tätigkeit im Aufsichtsrat.

Kurz zum Stiftungsrat, zur Größe des Gremiums: Meiner Meinung nach ist es nicht die Größe des Gremiums, die die Handlungsfähigkeit erschwert. Wenn das politische Ziel einiger Protagonisten lautet, das Unternehmen um jeden Preis zum Scheitern zu brin­gen und das Tun auch danach ausgerichtet wird, dann wird das zu keinem guten Ende führen. Das soll heißen: Wenn die Parole Blockade lautet, dann wird nie etwas zustan­de kommen, egal, ob das Gremium aus 35, 20 oder 7 Mitgliedern besteht. Es geht um die Absicht, die dahintersteckt, und nicht um die Form. Sobald ein gemeinsamer Wille vorhanden ist, wird es funktionieren. Ansonsten werden wir die Diskussion um das Be­stehen des Unternehmens noch sehr lange weiterführen. – Danke. (Beifall.)

16.41


Vorsitzende Präsidentin Mag. Barbara Prammer|: Damit haben wir die Diskussion zum Themenblock III abgeschlossen, und wir kommen nun zu den Reaktionen auf die­se Diskussion.

Ich weiß bereits von zwei Referenten, dass sie sich zu Wort gemeldet haben. Ich be­ginne mit Herrn Stögmüller. – Bitte.

 


16.41.57

Mag. Christian Stögmüller (Präsident des Verbandes Österreichischer Privatsender)|: Eine kurze Replik auf die Ausführungen, die wir von den Herren Wendl, Burtscher und Moser gehört haben. Ich denke, Sie sollten eigentlich im engsten Schulterschluss mit uns agieren, denn die Forderungen, die wir erheben – Fokus auf die österreichische Identität, Hollywood raus, Österreich rein, weg vom Mainstream hin zur wirklichen Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags –, sind etwas, was Ihren Anliegen eigent­lich sehr entgegenkommen sollte.

Zur Anzahl der Journalisten in den Privatsendern, die genannt wurden, und zur Frage, ob es da rechtliche Folgen gibt oder nicht, wenn man die Auflagen im Bescheid – Mar­ke Redaktionsstatut – nicht einhalten sollte, sage ich: Da fehlt ein bisschen die Berück­sichtigung der journalistischen Sorgfaltspflicht in der Vorbereitung. Das ist nicht ganz so.

Zum Thema der Situation der Mitarbeiter, wie es denn jetzt den Mitarbeitern im ORF geht, wie es den Mitarbeitern in anderen Bereichen geht, haben wir immer dieses Bild des Durchschnittsgehalts von knapp 100 000 € vor uns. Fernab davon der private Sek­tor, der aber seine Arbeit mit Leidenschaft macht. Im Printbereich liegt das irgendwo so bei 70 000 € samt Zulagen und anderen Dingen. Ich möchte da gar nicht so sehr hin­schauen müssen. Ich denke, dass es für mich auch ganz spannend ist, herauszuhören, dass der KV selbst von Ihnen als Public Value bezeichnet wurde. Da verselbständigt sich etwas, denke ich mir. Also wir haben den Begriff Public Value nicht auf den KV fo­kussiert gehabt, sondern auf den wirklichen Inhalt.

Ein letztes Bild noch zum Thema der Landesstudios. Da geht es, denke ich, rein von der Effizienzfrage her gar nicht um die Unterstellung, dass die Leute, die dort sind, kei­ne gute Arbeit machen, sondern dass dort einfach wohl noch sehr viel mehr an Effizi­enz drinnen wäre, wenn man es an europäischen Maßstäben misst.

Wir haben – und das sei mir abschließend noch erlaubt zu sagen – noch ein Problem mit den Landesstudios, und das hat indirekt mit der Frage zu tun, dass der öffentlich-rechtliche Sektor seinen öffentlich-rechtlichen Auftrag teilweise bewusst gar nicht wahr­nimmt. Praxis ist, dass wir in den Bundesländern bei Veranstaltungen mit Partnern im Dialog stehen und erfahren, dass die nicht mit uns Privaten kooperieren dürfen, sonst bekommen sie beim ORF keine Sendezeit. Und das hören wir zehnmal im Monat, zwölf Monate im Jahr und seit zwölf Jahren. Wir wissen von einer Fülle derartiger Fälle. Und das ist so ein Punkt, wo ich sage, da wird man auch hinschauen müssen, wie man diese aus unserer Sicht nicht ganz saubere Entwicklung in den Griff bekommen kann. (Dr. Moser: Dass Arbeitsbedingungen und KV-Bestimmungen für Sie nicht zum Pub­lic Value zählen, wundert mich nicht!)

16.44


Vorsitzende Präsidentin Mag. Barbara Prammer|: Wir werden dann zwischen den Referenten noch so diskutieren, dass es alle mithören können.

Ich darf nun Herrn Generaldirektor Wrabetz das Wort geben. Grundsätzlich wäre im Auge zu behalten, 5 Minuten jedenfalls nicht zu überschreiten. Das war so auch zwi­schen den Fraktionen vereinbart. Wenn es kürzer wird, sind wir auch nicht böse, sage ich dazu – es ist 16.45 Uhr –, aber ich will natürlich niemandem das Wort abschnei­den. – Bitte.

 


16.45.11

Referent Dr. Alexander Wrabetz (Generaldirektor des ORF)|: Ich werde versuchen, mich sehr kurz zu halten.

Erstens freue ich mich darüber, dass die überwiegende Mehrheit der Redner sich zu einem starken ORF bekannt hat. Allein die Wege, die dorthin führen sollen, die sind un­terschiedlich. Wer einen starken ORF will, befindet sich, das habe ich schon gesagt und wurde gesagt, in Übereinstimmung mit der überwiegenden Mehrheit der Bevölke­rung.

Man will sogar – und das kam ja auch deutlich zur Sprache – noch mehr vom ORF: mehr Filme, mehr österreichische Filme, mehr Kinofilmförderung, mehr Untertitelung, mehr barrierefreier Zugang, mehr Programme für die Migranten, Sicherung des Or­chesters, mehr „Rat auf Draht“, mehr Sendungen aus den Landesstudios, mehr journa­listische Leistungen, um nur die wichtigen Anliegen zu nennen. Das Ganze dann nach Möglichkeit – so die Vertreter der Privaten – mit weniger Geld. Das wird nicht gehen! Das muss denjenigen, die ich nicht darum beneide, jetzt ein Gesetz formulieren zu müssen, klar sein. Das Einsparungsvolumen, das wir erbracht haben, das führt bereits jetzt zu den Reaktionen, die der Obmann des Zentralbetriebsrats angeführt hat: Wir ge­hen hier wirklich an die Grenzen, und es ist wirklich eine tolle Leistung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, das jetzige Leistungsportfolio unter den geänderten Bedingungen aufrechtzuerhalten.

Abschließend möchte ich mit zwei Mythen aufräumen. Der erste: Die Einsparungen sollte man in der Verwaltung vornehmen. Wir sind – wir haben das auch international verglichen durch Berater – schlanker aufgestellt in dem, was klassische Verwaltung ist, als vergleichbare öffentlich-rechtliche, aber auch private deutsche oder andere euro­päische Sendergruppen. Ab nächstem Jahr sind wir auch auf den Standards, die uns der Rechnungshof als Maximum in der Verwaltung vorgegeben hat und McKinsey, be­kanntlich ein harter Cost-Cutter, für den ORF definiert hat. Das heißt, zu glauben, man könne in der Verwaltung all die Gelder holen, um diese Anliegen zu finanzieren, wird ebenso wenig aufgehen wie der Vorschlag, einfach keine internationalen Filme und Se­rien mehr einzukaufen.

Das günstigste Programm vom Minutenpreis her gesehen, das der ORF sendet, ist im­mer noch das internationale Kaufprogramm. Wenn wir ein internationales Kaufpro­gramm bringen wollen – und ich halte das ja auch für legitim und öffentlich-rechtlich, es den Österreicherinnen und Österreichern unterbrecherwerbungsfrei zu bringen –, dann ist das die relativ günstigste Position innerhalb des Programms. Sie nach Mög­lichkeit durch Eigenproduktionen zu ersetzen, ist das Ziel. Das kostet dann aber im Re­gelfall auch mehr Geld.

Und eines, lieber Markus Breitenecker, wäre schön: Wenn wir nur so wenig an die Werbefenster, an den deutschen Markt verlieren würden, wie wir für die Rechte einzah­len. Das ist ein Verhältnis, das 10:1 ist, denn mittlerweile sahnen die Werbefenster 250 Millionen € ab, und wir zahlen wirklich nur einen Bruchteil davon für internationale Lizenzen.

Wenn man sich zum dualen System bekennt – abschließend etwas, das durchaus auch schmerzlich ist –, dann heißt das, und das ist gesagt worden: Der ORF wird nicht mehr alles bringen können, das heißt zum Beispiel bei Sportrechten nicht mehr alle Li­zenzen erwerben können. Schon aus EU-rechtlichen Gründen ist es bedauerlicherwei­se eben so, dass wir eine der Euro-Ligen nicht erworben haben, sondern sie einem in­ternationalen Konzern überlassen mussten. – Danke schön. (Beifall.)

16.49


Vorsitzende Präsidentin Mag. Barbara Prammer|: Herr Breitenecker. – Bitte. (Abg. Dr. Cap – in Richtung des aufgerufenen Redners auf der Regierungsbank –: Jetzt spricht der internationale Konzern!)

 


16.49.14

Mag. Markus Breitenecker (Geschäftsführer Puls 4)|: Der internationale Konzern Puls 4. – Ich weiß, Alexander, dass auch du weißt, dass die 250 Millionen € natürlich doppelt nicht stimmen. Erstens einmal sind das sogenannte Bruttobeträge, und die Nettobeträge sind natürlich wesentlich geringer. Und zweitens: Ich weiß auch, dass du genau weißt – das hast du mir auch schon persönlich gesagt –, dass das Geld, das in die Werbefenster fließt, genauso in die Werbefenster fließt wie Geld in die „Kronen-Zei­tung“ fließt, die einem deutschen Unternehmen gehört oder in den „News“-Verlag, der einem deutschen Unternehmen gehört. Wir schaffen hier in österreichischen Agenturen Arbeitsplätze – das sind insgesamt in Österreich 250 Arbeitsplätze – und zahlen Steu­ern. Natürlich wäre es besser, wenn wir auch noch österreichische Programmschöp­fung machten, was wir ja machen mit Puls 4 und auch mit dem Programmfenstern auf Pro7 und SAT.1. Natürlich ist das besser als das, was RTL macht. Parteifreund Ger­hard Zeiler macht ja nur Werbefenster und sozusagen keine Programmwertschöpfung, aber wir machen ja tatsächlich eher Programmwertschöpfung. Und wenn es keine Werbefenster gäbe – und das weißt du –, dann würde das Geld in Deutschland blei­ben. Das, was wir als Gewinn, nachdem wir hier die Mitarbeiter bezahlt haben, die Werbeagentur bezahlt haben, die Steuern bezahlt haben und so weiter, dann an die Eigentümer abliefern, das ist geringer, als das, was der ORF an Hollywood oder an Deutschland für Lizenzware bezahlt.

Daher wäre natürlich ein Einsparungspotential für den ORF gegeben, wenn der ORF nur das nicht kauft – er kann weiterhin Lizenzware kaufen, er kann auch weiterhin Unterhaltung machen, das kann auch ganz massenattraktiv sein –, was ohnehin schon auf den privaten Sendern läuft. Wenn er es aber trotzdem kauft, weil er so viel Geld hat und nicht mehr sparen muss, wenn er es trotzdem kauft, dann sollte er es wenigstens nicht zur gleichen Zeit programmieren, sodass die Zuschauer zur gleichen Zeit den gleichen Film auf zwei Sendern sehen können, sondern wenigstens zu einer anderen Zeit. Wir hätten damit mehr Werbeeinnahmen, du hättest eingespart, es wäre allen ge­holfen und das Budget müsste nicht mit einer Refundierung der Gebührenbefreiung be­lastet werden.

Daher, liebe Politik, eine letzte Bitte von uns: Hoffentlich kommt die Refundierung der Gebührenbefreiung nicht, aber wenn die aus irgendwelchen Gründen durchgesetzt werden kann – wir sind beim Lobbying schwächer als der ORF –, dann, bitte, wenigs­tens gleichzeitig – wenn schon Geld im Budget dafür da ist – auch den Medienförde­rungstopf im gleichen Ausmaß aufstocken und dotieren. Also: Wenn Geld da ist, dann, bitte, sowohl refundieren als auch die Medienförderung erhöhen. Die Medienförderung kommt keinem Fenster zugute, sondern nur österreichischer Programmwertschöp­fung. – Danke schön. (Beifall.)

16.52


Vorsitzende Präsidentin Mag. Barbara Prammer|: Herr Wendl, bitte.

 


16.52.32

Fritz Wendl (Vorsitzender des ORF-Redakteursrats)|: Zwei kurze Bemerkungen. In die­ser Veranstaltung ist viel über die EU geredet worden, aber Entscheidendes kam zu kurz. Wenn man über die Zukunftschancen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus europäischer Sicht spricht, muss man die sehr unterschiedlichen Bedingungen in den einzelnen EU-Staaten berücksichtigen. In einem kleinen Land mit 8 Millionen Einwoh­nern in einem Sprachraum von fast 100 Millionen müssen nationale Möglichkeiten selbstverständlich ganz anders abgesichert werden, als in einem Land mit 80 Millionen Einwohnern, sonst droht, was gleich zu Beginn dieser Enquete Josef Cap in seinem Einleitungsreferat gesagt hat, die Kolonialisierung durch Deutschland.

Es besteht also selbstverständlich EU-Regulierungsbedarf, aber keiner im Interesse multinationaler Medienkonzerne, sondern im Interesse der Meinungsfreiheit. Leider gibt es aber nur ganz leise, ganz wenige Anzeichen, dass die EU-Wettbewerbsbehörden nicht mehr ausschließlich auf Zuruf der Medienmultis agieren. So ist es einer der zen­tralen Schwächen der EU, dass sie alles Mögliche reguliert, wie zum Beispiel 21 Jahre lang, bis zum 30. Juni dieses Jahres, die Krümmung der Salatgurke, aber die Verkrüm­mungen in den Hirnen der Menschen, die Berlusconi und Co verursachen, werden durch keinerlei EU-Regelungen begradigt. Kaum etwas ist wirksamer gegen eine wei­tere Berlusconisierung der europäischen Medienlandschaft als ein starker öffentlich-rechtlicher Rundfunk.

Jetzt noch ein Zitat aus einer von der APA vor rund zwei Stunden verbreiteten Zitaten­sammlung. Da wird der Ex-RTL-Chef Helmut Thoma zu den Österreich-Werbefenstern der deutschen Privaten mit dem Satz zitiert: „Wir haben keine Kosten fürs Programm und kassieren nur die Werbung ein. Das ist sozusagen die Idealform. Ganz ehrlich. Wunderbar.“

Und auf die Frage, ob er sich dafür schon einmal bei österreichischen Politikern be­dankt habe, meinte Thoma: “Da braucht man sich nicht bedanken, die haben das bis heute nicht verstanden.“

Ich hoffe, diese Enquete hat einiges zu umfassender Verständnisverbesserung beige­tragen. (Beifall.)

16.55


Vorsitzende Präsidentin Mag. Barbara Prammer|: Herr Professor Hausjell. – Bitte.

 


16.55.03

Ao. Univ.-Prof. Dr. Fritz Hausjell (Universität Wien)|: Ich glaube, die Wortmeldungen haben gezeigt, und ich möchte das noch einmal kurz betonen, dass die Herausforde­rungen an die moderne Gesellschaft, die vielfältigen Formen der Diversität, eine ganz wesentliche Herausforderung des öffentlichen Rundfunks sind. Das muss uns etwas wert sein, wenn wir nicht das Auseinanderfallen der Gesellschaft riskieren wollen. Das gilt auch für den Europäisierungsprozess. Wir wissen, dass es relativ viel Geld kostet, wenn man in Brüssel eine ordentliche Anzahl von Journalisten tätig hat, um diesen Prozess so zu vermitteln, dass er nicht immer nur aus der Sicht von Wien erscheint, sondern er im Interesse Österreichs in Brüssel auch entsprechend begleitet wird.

Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben hier bisher einiges sehr Beachtens­wertes geleistet. Es muss ihnen nicht nur weiterhin möglich sein, das zu tun, sondern sie sollten es eigentlich intensivieren können, denn diese Prozesse werden in Zukunft eher komplexer werden, die Verteilungsprozesse ebenso.

Daher plädiere ich noch einmal an die zuständigen Politikerinnen und Politiker, sich in der Finanzierungsfrage entsprechend zu verhalten und eine Finanzierung sicherzustel­len. Man sollte sich auch nicht ausreden auf die derzeit primär entsprechend ökonomi­schen Rücksichten gesteuerte europäische Rundfunkpolitik. Hoffentlich kommt das auch dort irgendwann einmal an sein Ende, dass ausschließlich Ökonomen das Sagen haben, spätestens dann, wenn die EU-Politik merkt, dass es überall dort, wo sie den öffentlich-rechtlichen Rundfunk so sehr beschneidet, dass er die Öffentlichkeit auch für diesen Europäisierungsprozess nicht mehr ausreichend schaffen kann, dann auch um die eigene Geschäftsgrundlage europäischer Politik geht.

Wir haben von Seiten der Medien-Plattform FreiRaum und dem Institut für Publizistik und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien vor etlichen Monaten eine Charta „Öffentlicher Rundfunk für Europa“ öffentlich vorgestellt. Wenn sie wer hier nicht kennt, ich möchte sie dann anschließend gerne noch verteilen lassen. – Danke, für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall.)

16.57


Vorsitzende Präsidentin Mag. Barbara Prammer|: Herr Professor Karmasin. – Bitte.

 


16.57.36

Univ.-Prof. DDr. Matthias Karmasin (Universität Klagenfurt)|: Sozusagen nur zwei Fußnoten zur Debatte: Erstens scheint es so zu sein, dass sich alle darüber einig sind, dass der öffentlich-rechtliche Auftrag erfüllt werden muss. Ich wollte nur darauf hinwei­sen, dass es eine unglaubliche Definitionsbreite dessen gibt, was der öffentlich-rechtli­che Auftrag ist. Wenn ich nur ganz kurz zusammenfasse, was heute zur Sprache kam, dann deckt sich das mit dem, was auch international diskutiert wird. Das reicht von der Kompensation von Marktversagen über den fairen Zugang zur Öffentlichkeit für jene Gruppen, die unter Marktbedingungen kein Angebot vorfinden würden, vom Höchst­maß an redaktioneller Autonomie, über Kritikfähigkeit im Sinne einer unabhängigen vierten Gewalt, Ausgewogenheit, Pluralismus, Bildung, angemessene Unterhaltung, die Förderung kultureller Identität und Integration, regionale Berichterstattung, bis hin zu lokaler Wertschöpfung, et cetera, et cetera, et cetera.

Das Problem scheint zu sein, und darauf erlaube ich mir hinzuweisen, es gibt Trade-Offs. Alle diese Ziele können unter der gleichzeitigen Bedingung der Budgetrestriktion nicht erreicht werden. Und jetzt kommt das, was ich in meinem Statement deutlich zu machen versucht habe: Es ist das Vorrecht der Politik, hier zu entscheiden und in einer formalen Vorgabe zu sagen, was unter den skizzierten Rahmenbedingungen jenes Zielportfolio ist, das wir uns unter diesen Rahmenbedingungen wünschen. Es hat über­haupt keinen Sinn unter den gegebenen ökonomischen Rahmenbedingungen, den ORF zur Projektionsfläche von Wünschen zu machen.

Jeder kann sich alles wünschen, das ist schon klar. Ja, alle diese Ziele werden unter der Bedingung von Budgetrestriktionen nicht erreichbar sein, und man wird irgendwann eine Pluralisierung vornehmen müssen, so unangenehm und so schwierig das auch sein mag.

Zweitens, und auch das möchte ich aus medienökonomischer Perspektive deponieren: Ich halte die Qualität von Öffentlichkeit für ein öffentliches Gut. Öffentlichkeit per se ist in vielen Kontexten herstellbar. Die Qualität von Öffentlichkeit ist de facto ein öffentli­ches Gut, das ich für das Funktionieren der Gesellschaft für ebenso wichtig und rele­vant halte, wie die Qualität von Luft, von Telekommunikationsinfrastruktur und die Qua­lität anderer Infrastrukturen, die unsere Gesellschaft benützt. Die Qualität von Öffent­lichkeit als öffentliches Gut zu verstehen heißt, dass man sich überlegen könnte, wie diese Qualität von Öffentlichkeit in TV, Radio, Print und Internet sicherbar und herstell­bar ist und welche Möglichkeiten der Finanzierung dieser Qualität es gibt.

Ich denke, diese Zugangsweise, das als öffentliches Gut zu sehen und zu definieren, würde unter Umständen sozusagen ein bisschen Licht in das Dunkel der Debatte um duale oder triale Systeme bringen. – Danke.

17.00


Vorsitzende Präsidentin Mag. Barbara Prammer|: Zu Wort gelangt Herr Dr. Bauer. – Bitte.

 


17.00.40

Dr. Ludwig Bauer (CEO ATV)|: Vielleicht eine letzte, abschließende Fußnote betref­fend das österreichische Privatfernsehen. Wir haben ja viel darüber gehört, wie das duale System zu stabilisieren sei oder auch nicht. Eines fällt mir immer wieder auf: Ich glaube, in Österreich wird von der Politik die Relevanz des Privatfernsehens allgemein noch immer etwas unterschätzt. Man spricht immer von ganz kleinen Pflänzchen, die sich kaum entwickelt haben, die sogar vom ORF in den Anfangsjahren unterstützt wur­den – damit sie sich nicht entwickeln, sage ich in Klammern dazu.

Ich denke, Sie sollten ein bisschen darauf achten, dass diese zweite Säule des dualen Systems sich nicht plötzlich etwas besser entwickeln kann, als man es sich vielleicht wünscht. Ich hatte gestern eine schlechte und eine gute Nachricht. Die schlechte Nachricht war, dass unser erstes Diskussionsformat bei ATV, das sich mit einem Jahr Wirtschaftskrise auseinandergesetzt hat, nur 65 000 Zuseher hatte.

Die gute Nachricht war, dass der „Club 2“, in dem sich zum zweiten Mal in sechs Monaten die ORF-Führung öffentlich noch einmal feiern konnte und öffentlich noch einmal ihre zukünftigen Perspektiven darlegen konnte, auch die der Politik, nur 8 000 Zuschauer mehr hatte. Da denke ich mir, als kleines Pflänzchen ist der Unter­schied von 8 000 Zusehern durchaus etwas, das eine gewisse Wachstumsreserve zeigt, während der ORF mit nur 8 000 Zusehern mehr vielleicht ein kleines Problem hat – in seiner Relevanz.

Ich bitte das auch für die Zukunft ein bisschen zu berücksichtigen. Vielleicht entwickelt sich trotz der unglaublich schlechten Rahmenbedingungen für privates Fernsehen in Österreich aber doch ein Markt. Ich spreche jetzt nur vom österreichischen Privatfern­sehen und nicht vom Privatfernsehen, das Werbeblöcke mit deutschem Programm aus Österreich abzieht – was durchaus mehr bedenkenswert sein sollte als die geringfügi­gen Förderungen, die immer noch in der Diskussion stehen.

Man sollte da auch politisch ein doch etwas ausgewogeneres Feld beackern. Sonst passiert möglicherweise, was auch in anderen Ländern passiert: Wenn der private Sektor so weit chancenlos und in unfairen Wettbewerbsbedingungen ist, wird das Pri­vatfernsehen nicht mehr von einem einzelnen mittelständischen Investor aufgebaut, sondern dann gehört es auch irgendwann einmal Gewinn maximierenden Heu­schrecken, Venture Capitalists. Es wäre schade um das Privatfernsehen in Österreich, wenn es so enden würde. – Vielen Dank. (Beifall.)

17.03


Vorsitzende Präsidentin Mag. Barbara Prammer|: Ich danke nun allen Referenten. Damit ist auch der Themenblock III endgültig abgehandelt.

17.04.00Schlussstatements

 


Vorsitzende Präsidentin Mag. Barbara Prammer|: Wir gelangen, wie es auch im Be­schluss zur Enquete vereinbart wurde, zu den Schlussstatements. Die fünf Medien­sprecher kommen abschließend mit jeweils fünf Minuten zu Wort.

Es beginnt Herr Klubvorsitzender Dr. Cap. – Bitte.

 


17.04.11

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ)|: Das war eine sehr interessante Enquete, mit ausgewogenem Podium, wobei wir auch neue interessante Meinungen und Daten er­fahren haben. Ich glaube, dass es eine sehr gute Initiative war, dass das heute stattgefunden hat.

Wenn jetzt die Öffentlichen hier auf dem Prüfstand sind, so ist das gut, denn es werden ja dafür auch Gebühren entrichtet. Wenn die Privaten beginnen, den Begriff „öffentlich-rechtlich“ zu definieren, ist es ungefähr so, wie wenn Peugeot sagte, welches Auto VW bauen soll, und umgekehrt VW sagte, welches Auto Peugeot bauen soll. Da ist es na­türlich klar, dass das interessenbestimmt ist: Peugeot würde sagen, VW soll das Auto nur mit Rückwärtsgang bauen, damit man möglichst viel Peugeot kaufe. Das verstehe ich, das wurde heute von den Privaten auch ausgiebig zelebriert.

Trotzdem muss man natürlich gemeinsam darüber nachdenken, wie dieser Dualismus möglich ist. Markus Breitenecker hat wie immer den pragmatischsten Vorschlag ge­macht. Er hat schlicht und einfach gesagt: Wenn es eine Refundierung für den ORF gibt, muss man auch über eine Erhöhung der Medienförderung nachdenken. Ich stim­me ihm zu. Das ist ein pragmatischer, kluger Zugang. Ich glaube, dass das sicherlich Eingang in die Gespräche finden könnte. Es hat damals, als die Regierungsverhand­lungen waren, schon einmal, das sage ich ganz ehrlich, von mir den Versuch gegeben, zu sagen: wenn, dann beide – weil es gerecht ist und weil wir ja den Dualismus wollen.

Aber ich komme zu etwas anderem. Im Jahr 2001 wurde ein ORF-Gesetz beschlos­sen – beziehungsweise ein Rundfunkgesetz, es hatte einen anderen Namen – ohne die sogenannten, von Ihnen immer so bezeichneten ORF-Freunde der Sozialdemokra­ten. Diese waren damals nicht einmal in der Regierung, das waren damals ÖVP und FPÖ. Damals, 2001, wurde unter Beratung von Csoklich, Payrleitner, Keller und Gerd Bacher, Molterer, Khol und Schüssel ein Gesetz gemacht, mit dem man Politiker aus dem ORF verdrängen wollte. Es wurde ein aufsichtsratsähnliches Gremium vorgese­hen, wo man mit persönlicher Haftung dabei ist.

Man ist bei der Zahl 35 geblieben, weil man gesagt hat: Wenn der gemeinsame Wille da ist, dann ist das ein Gremium, das schnell entscheiden kann und schnell funktio­niert. Wenn man nicht will, funktioniert kein Gremium der Welt; und wenn man Blocka­destrategien hat, dann gibt es keinen Aufsichtsrat, der funktioniert, keine Regierung, die funktioniert, dann funktioniert eben nichts. Da muss eben ein gemeinsamer Wille da sein. – Das wurde damals beschlossen. Ich war damals sehr kritisch. Ich habe mir das dann in der Praxis angesehen und muss sagen: Dieses Gesetz hat sich bewährt!

Es war eine gute Initiative von Wilhelm Molterer. Ich habe mir gedacht, er würde heu­te bei seiner Wortmeldung herauskommen und loben, was er damals, 2001, ohne un­sere Beteiligung, ja gegen unseren Widerstand hier durchgeboxt hat, womit auch der Begriff „öffentlich-rechtlich“ definiert wurde, wobei ich meine, dass das noch heute gilt und ausreicht. Man hat sich ja etwas dabei gedacht.

Wenn ein begnadeter Machtpolitiker wie Wolfgang Schüssel an ein Machtinstrumenta­rium wie den ORF herangeht und an der Definition des Begriffes „öffentlich-rechtlich“ mitwirkt, dann wird wohl eine Überlegung dabei gewesen sein. Stimmt, es war eine Überlegung dabei. Und wenn ich mir das heute anschaue, dann muss ich sagen, das war eigentlich eine gute Initiative. Daher verstehe ich nicht, warum wir jetzt an diesen guten Elementen des Gesetzes Änderungen vornehmen sollten. Es ist doch viel wichti­ger, den gemeinsamen Willen zu erarbeiten, damit der Öffentlich-rechtliche auch wirk­lich ein starker Öffentlich-rechtlicher wird.

Da sollte, meine ich, auch die Opposition nachdenklich sein. Herr Kollege Vilimsky, ich weiß, Sie klagen darüber, dass Sie im ORF nicht oft vorkommen. Heute Abend sind Sie aber dabei, nämlich mit mir gemeinsam am Runden Tisch. Wenn es den ORF ein­mal nicht mehr gibt, wenn alles nur privat ist, dann weiß ich nicht, ob Sie und vielleicht auch ich echte Gassenfeger sind, ob wir dann wirklich noch irgendwann einmal die Möglichkeit hätten, im Fernsehen politische Standpunkte zu präsentieren.

Ich glaube, der Öffentlich-rechtliche wird auch im kulturellen, im sportlichen wie auch in vielen anderen Bereichen immer wieder als wirklich unersetzbar empfunden. Ich finde, da muss man doch alles daransetzen, dass das funktioniert, dass das die nötige Unter­stützung hat und dass man sich da jetzt nicht in irgendein Eck hineinreden lässt, nur aufgrund einer Wettbewerbssituation von denen, die im Wettbewerb stehen – wobei ich auch jene verstehe.

Ich möchte noch einmal sagen: Wenn wir eine Medienbehörde einrichten, soll sie na­türlich unabhängig, also weisungsfrei sein, aber keine Metternichbehörde, keine, die dem ORF erzählt, wo, was, wie und welches Programm er zu senden hat. Wenn man zur Politik pilgern und fragen muss, ob man dieses oder jenes darf, dann muss ich sa­gen: Wir wollen einen unabhängigen ORF! Er muss politisch unabhängig sein, auto­nom entscheiden können und die Gebührenhoheit haben! Das ist, glaube ich, entschei­dend.

Aber so, wie es die EU andiskutiert hat, Stichwort Transparenz, eine Medienbehörde, die hier einbezogen ist, die aber nicht das letzte Wort hat – das sind, glaube ich, ganz feine Unterschiede, die demokratiepolitisch wichtig sind. Ich denke, auch im demokra­tiepolitischen Verständnis des Jahres 2001 hat man immer gesagt, der Aufsichtsrat des ORF, sprich: der Stiftungsrat soll breit, pluralistisch sein, die gesellschaftlichen Kräfte repräsentieren und einen Publikumsrat haben, der sogar vom Publikum gewählt wer­den soll. (Zwischenruf des Abg. Mag. Molterer.) – Ich sage das, weil Sie das verges­sen! Wilhelm Molterer, leugnen Sie doch nicht die eigene Vergangenheit! Erinnern Sie sich ein bisschen! Ich finde, das gehört dazu. (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glo­ckenzeichen.)

Das sind Elemente, von denen ich glaube, dass heute wieder so ein Tag ist, wo man sich daran erinnert. Im Übrigen meine ich, dass Unterhaltung beim Öffentlich-Rechtli­chen dazugehört. Dem Slogan „Hollywood raus, Österreich rein“ kann ich nicht zustim­men, ich möchte beides haben, auch im ORF! Sonst geht es nicht. Sonst wird er näm­lich keine Werbeeinschaltungen bekommen. Und wenn man keine Werbeeinschaltun­gen hat, wird das zu Lasten der Zuseher sein, weil dann die Gebühren höher sein müs­sen. Dann bewegt sich die Spirale nach unten, und am Ende des Tages gibt es keinen ORF. Diejenigen, die das wollen, sollen das gleich sagen – anstatt es zu verbergen und eine verdeckte Diskussion zu führen! (Beifall.)

17.09


Vorsitzende Präsidentin Mag. Barbara Prammer|: Zu Wort gelangt Herr Klubobmann Kopf. – Bitte.

 


17.10.04

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP)|: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach Josef Caps Ausführungen können Sie sich ausmalen, was wir beide beim Ver­handeln ständig für eine Hetz haben. – Nein, es ist tatsächlich eine gute Kooperation!

Aber zur heutigen Enquete: Vielen herzlichen Dank an alle, die daran mitgewirkt ha­ben, an die Expertin und an die Experten auf dem Podium, an Sie alle, die Sie jetzt bis zum Schluss ausgeharrt und mitgetan haben.

Für manche, die sich mehr damit beschäftigen, mag einiges oder vieles nicht neu ge­wesen sein, aber ich denke, das war doch eine wichtige Gesamtschau – nicht nur für uns hier herinnen, sondern letzten Endes auch für die Zuseherinnen und Zuseher drau­ßen an den Fernsehschirmen.

Wir haben vieles gehört, vor allem viele Bekenntnisse: zur Medienvielfalt, zur Dualität der Medienlandschaft, zu einem starken, unabhängigen, nicht filetierten ORF, Herr Bauer. Ich unterstreiche alle diese Bekenntnisse und lege sie auch für mich persönlich ab. Jawohl, ich und die ÖVP, wir bekennen uns dazu. Aber ich habe heute wieder da und dort in Ausführungen festgestellt, dass so manche Verantwortliche im ORF in die­ser Dualität der Medienlandschaft mental noch nicht angekommen sind.

Das macht mir einige Sorge. Man muss jetzt im ORF endlich begreifen, dass die Über­lebenschance des Unternehmens schlechthin in der Legitimation des Gebührenpri­vilegs liegt. Das kann man nur legitimieren, wenn man den öffentlich-rechtlichen Auf­trag ernst nimmt und versucht, ihn bestmöglich und optimalst zu erfüllen.

Das heißt, die Chance liegt im Unverwechselbaren, im Österreichischen, im Identitäts­stiftenden. Die Chance liegt auch – aber nicht nur, wie Pirker das gesagt hat – in der Kompensation von Marktversagen. Zum Thema Marktversagen gäbe es viele Stich­worte – Barrierefreiheit, Migranten und viele andere, ich brauche sie nicht zu wiederho­len –; die Bedürfnisse dieser Gruppen haben bei Privaten und am Markt wenig Platz.

Die Überlebensnotwendigkeit des Unternehmens richtet sich auch ein Stück weit an uns Politiker. Wir sind gefordert, etwas zu tun, wenn es zum Beispiel um Werbebe­schränkungen geht. Herr Hausjell, ich bin nach wie vor überzeugt, dass es 2001 – selbstverständlich, wenn man das Bekenntnis zur Dualität ernst meint – richtig war, die Werbebeschränkungen einzuführen.

Aber wir müssen selbstverständlich, das sage ich schon dazu, mit dem Thema Werbe­beschränkungen, gerade in dieser wirtschaftlich schwierigen Zeit – auch was die Zeit­abfolge anbelangt – behutsam umgehen. Wie schon gesagt wurde: Es denkt jetzt nie­mand an weitere kurzfristige Werbebeschränkungen. Mittel- und längerfristig könnte ich mir so etwas wie werbefreie Primetime und Ähnliches zwar durchaus vorstellen, aber wir sind alle Realisten und wissen, was machbar ist.

Zu den Überlebensnotwendigkeiten für das Unternehmen gehört natürlich auch eines, nämlich – das sage ich jetzt noch einmal – der Appell an die Unternehmensführung: Passen Sie bitte so schnell wie möglich die Unternehmens- und Kostenstrukturen an die wirtschaftlichen, die finanziellen und an die Einnahmenverhältnisse an! Der bloße Ruf nach mehr Geld ist zu wenig, er wird in diesem Sinne auch nicht erfüllt werden können!

Da unterscheiden wir uns immer ein bisschen von der Sozialdemokratie, lieber Josef Cap. Die Vorgangsweise, dass, wenn der eine nach Geld ruft, wir das dann befriedi­gen, und dann sagen, befriedigen wir den anderen eben auch mit Geld – das ist uns ein bisschen zu einfach! Außerdem können wir es uns auch schwerlich leisten.

Zur Kostenanpassung im Unternehmen, Herr Generaldirektor, muss ich sagen: Derzeit ist der Rasenmäher unterwegs, und das ist gefährlich für das Unternehmen. Das spart zwar Kosten, aber es belastet erstens die einzelnen Abteilungen sehr unterschiedlich, und das ist natürlich in der Struktur problematisch. Ich habe den Eindruck, es geht sehr stark in die Bereiche Programm und Information hinein, das wird mit der Altersstruktur zu tun haben.

Was ist zu tun? – Für die Politik Folgendes: Wir werden im Gesetz den öffentlich-recht­lichen Auftrag noch einmal nachschärfen und präzisieren müssen. Wir werden eine un­abhängige, weisungsfreie Kontrolle einrichten, überhaupt keine Frage, und im Unter­nehmen noch einmal restrukturieren statt Programmrestriktionen zu machen – das ist die Aufgabe! (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.) – Ich kom­me schon zum Schluss, Frau Präsidentin.

Noch einmal zum Thema mehr Geld: Es wurde Valorisierung gefordert. Das ist alles keine Garantie dafür, dass wir in drei oder vier Jahren nicht wieder über dasselbe dis­kutieren. Wenn das Unternehmen im Bewusstsein nicht endlich in dieser Dualität der Medienlandschaft ankommt, dann haben wir dafür überhaupt keine Garantie. Es ist sinnlos, darüber zu diskutieren, dass durch Gebührenbefreiung oder durch Länderan­teile dem Unternehmen angeblich Geld entginge. Die Frage muss doch vielmehr sein: Wie viel Geld braucht das Unternehmen?!

Da braucht man nicht darüber zu diskutieren, wie die Technik lautet, damit das Unter­nehmen zu seinem Geld kommt. Aber ich meine noch einmal, dass 520 Millionen € Ge­bühreneinnahmen – das ist dieses Privileg, das damit verbunden ist –, wenn man sich ordentlich anstrengt, absolut ausreichend sein müssten, um dieses Unternehmen in der Qualität und auch in der Breite der beiden Vollprogramme zu erhalten, ja sogar noch stärker als heute dem öffentlich-rechtlichen Auftrag nachzukommen! (Beifall.)

17.16


Vorsitzende Präsidentin Mag. Barbara Prammer|: Zu Wort gelangt nun Herr Abge­ordneter Vilimsky. – Bitte.

 


17.16.25

Abgeordneter Harald Vilimsky (FPÖ)|: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf noch den beiden mächtigen Chef-Koalitionsverhandlern Cap und Kopf auch von meiner Seite Dank aussprechen – für die interessante Diskussion, für die vielen, vielen interessanten Inputs, für eine Diskussion, die mit dem heutigen Tag sicher nicht vorbei sein kann, sondern erst beginnen wird.

Herr Klubobmann Cap, ich möchte Ihnen gleich etwas replizieren. Sie haben gesagt, ich soll froh sein, dass ich als Politiker im ORF vorkomme. Das geht zurück auf einen Smalltalk, den wir da geführt haben. Ich habe mir erlaubt, Ihnen zu sagen: Wenn ich den ORF mit den privaten Sendern vergleiche, fühle ich mich zurzeit bei den Privaten fast besser behandelt als beim Öffentlich-Rechtlichen.

Wenn ich mir beispielsweise Puls 4 ansehe, wo ich alle vier, fünf Wochen – nicht als Generalsekretär meiner Partei, sondern einfach als Bereichssprecher – eine Einladung erhalte und zu den Themen Verkehrspolitik, Sicherheitspolitik, Europapolitik, was auch immer, meinen Senf abgeben darf, dann glaube ich, dass das ein wertvoller, auch öf­fentlich-rechtlicher Beitrag ist, wenn ein Politiker, ein gewählter Volksvertreter mit einem anderen einen Diskurs führen kann.

Ich sage das vor allem vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Politikverdrossen­heit ohnehin schon sehr, sehr hoch ist und all diejenigen, die an sich selbst öffentlich-rechtliche Postulate richten, gut beraten wären, dieser Politikverdrossenheit entgegen­zuwirken.

Herr Generaldirektor, als Bereichssprecher dieses Hohen Hauses beobachte ich in den letzten Jahren, dass es beim ORF, im öffentlich-rechtlichen, gebührenfinanzierten Rundfunk selbst bei wichtigen Sachmaterien keine Möglichkeit gibt, irgendwo einen Diskurs zu führen. Wenn das überhaupt möglich ist, kommt man einmal ganz kurz in einem herausgeschnittenen Satz beim „Hohen Haus“ zu Wort, aber ein lebhaftes Ma­gazin wie „Talk of Town“ auf Puls 4 gibt es beim ORF nicht. Das ist schade. Genau da ist aus meiner Sicht Nachjustierungsbedarf gegeben.

Wir haben heute viel über Krisen gesprochen. Die ORF-Krise ist ja in Wahrheit auch eine Folgewirkung der Finanzkrise, die wir haben. Und aus der Finanzkrise hat man mit Sicherheit nicht die richtigen Schlüsse gezogen. Das erkennt man, wenn man sich die internationalen Gazetten ansieht und dort überall – um das geflügelte Schlagwort zu verwenden – „BAB“ mitgeteilt bekommt, wo die Broker einander mit den Worten be­grüßen: „Bonuses are back“.

Genauso habe ich beim ORF den Eindruck, dass man in dieser krisenhaften Situation nicht die Chance nutzt, die eigentlich geboten wäre, um nicht nur den ORF, sondern die gesamte österreichische Medienpolitik in eine gute Zukunft zu führen.

Ich glaube, das Modell der reinen Gebührenfinanzierung ist ein Relikt aus dem vergan­genen Jahrhundert. Unsere Aufgabe wäre es, eine Medienförderung des 21. Jahrhun­derts zu etablieren, wo man den Printsektor, den Onlinesektor, den öffentlich-rechtli­chen wie auch den privaten Rundfunk, alle zusammen in einem guten Konzept bewer­tet, und all diejenigen, die dazu beitragen, im Sinne eines Bildungs- und Kulturauftra­ges gute öffentlich-rechtliche rotweißrote Inhalte zu transportieren, die sollen auch entsprechend von diesen Förderungen profitieren können; weil es auch Ausdruck einer entwickelten Medienpolitik sein muss, dass Pluralität sichergestellt wird und nicht die einen nur auf die Werbeseite gedrängt werden und die anderen – ohne dass Sie das falsch verstehen – im Faulbett einer Gebührenfinanzierung liegen können.

Ich habe heute mit dem Herrn Generaldirektor einen kurzen, zeitversetzten Disput ge­habt, wo wir über „Scrubs“, „Baywatch“ und „CSI“ diskutieren durften. Ich sagte, dass das etwas ist, das aus meiner Sicht das Postulat an den Öffentlich-rechtlichen nicht sein kann und nicht sein darf. Er hat mir entgegengehalten, dass auf ORF 2 ein doch sehr dichter Anteil an öffentlich-rechtlichen Inhalten gegeben ist. – Da gebe ich Ihnen völlig recht. Aber Sie sollten auch Verständnis dafür entwickeln, dass diese reine Kom­merzschiene, die eben auf ORF 1 und auf Ö 3 permanent zu sehen und zu hören ist, nicht das ist, was beim Gebührenzahler dazu führt, dass er gerne seine 22 € im Monat an Sie bezahlt. Vielmehr müsste es mehr Qualität, mehr Rotweißrot und auch mehr Eigenproduktionen im ORF geben.

Wenn Sie es ehrlich meinen mit dem ORF, meine Damen und Herren von ÖVP und SPÖ, dann sollten Sie zumindest dafür Sorge tragen, dass von den ORF-Gebühren nicht ein Drittel an diverse rote und diverse schwarze Landeshauptleute verteilt wird. Die APA hat erst unlängst einmal zu recherchieren versucht, wohin in Niederösterreich dieses Drittel an Landeskulturbeiträgen geht – sie konnte es nicht herausfinden, weil jeder Landeshauptmann das als separate Verteilmasse in seinem Landesbereich ir­gendwo verwendet.

Und: So wichtig die Landesstudios auch sein mögen, sie sind dann nicht mehr wichtig, wenn es nur mehr Pröll-Festspiele wie in Niederösterreich oder Häupl-Festspiele wie in Wien sind. Das ist auch der Grund, warum Sie beide daran festhalten. Das qualitätsvol­le, gute regionale Programm, nach dem die lokale Bevölkerung giert, das ist es nicht, und das wissen Sie beide. Es ist ein politisch sehr gutes Steuerungsinstrument für die zwei Regierungsparteien, ihre Interessen auf Landesebene umzusetzen.

Das, was mir heute zu kurz gekommen ist, ist der Onlinebereich, den ich als den zen­tralen Zukunftssektor schlechthin betrachte, wo Web und TV ineinander verschmelzen werden. Und wer, Herr Staatssekretär Ostermayer, von Brüssel zurückkommt und sagt, es wird Einschränkungen im Onlinebereich geben, ist, glaube ich, nicht in der richtigen Richtung unterwegs, denn genau dort liegt die Zukunft. In diesen Bereich müssen Förderungen gehen, da muss etwas entwickelt werden, wenn man am Ball bleiben möchte. – Danke. (Beifall.)

17.22


Vorsitzende Präsidentin Mag. Barbara Prammer|: Nächster Redner: Herr Abgeord­neter Petzner. – Bitte.

 


17.22.12

Abgeordneter Stefan Petzner (BZÖ)|: Meine Damen und Herren! Am Schluss möchte ich sagen, der ORF hat derzeit zwei TV-Kanäle, 12 Radios, neun Landesstudios, eine Onlineabteilung, einen Onlinedienst und zwei Spartenkanäle. Wenn man jetzt so tut, wie das heute der Fall war, als würde, wenn man jetzt von diesen vielen Kanälen und diesen vielen Sendern einen einzigen Sender an einen privaten Investor abgibt, sozu­sagen in die Freiheit entlässt, dann die Welt untergehen oder gar die Demokratie abge­schafft oder Österreich zu existieren aufhören, dann ist das wirklich der größte – ver­zeihen Sie mir diesen Ausdruck! – Unsinn, den ich jemals gehört habe. Denn: Wäre das nur ansatzweise der Fall, dann würde – um ein Beispiel zu nennen – der Präsident Amerikas heute nicht Barack Obama heißen.

Ich bitte Sie, über diese Aussage ein bisschen nachzudenken, Sie werden bald verste­hen, warum ich das so gesagt habe.

Unsinnig wäre es, so weiterzutun, wie man es bisher getan hat, und ich möchte das abschließend noch einmal an einigen Zahlen festmachen: Die ORF-Marktanteile sind gesunken, im August 2009 sind es nur mehr 34,2 Prozent gewesen. Personalkos-
ten 2008: 373 Millionen €, 3 500 Mitarbeiter; ORF-Bilanz 2008: minus 79 Millionen €, ORF-Bilanz 2009/Prognose: minus 53 Millionen €; durch Sparmaßnahmen will die ORF-Führung das Minus auf 30 Millionen € senken. Der Stiftungsrat will kein weiteres Minus haben – es weiß jeder, das ist illusorisch.

Parallel dazu ist das Eigenkapital von 180 Millionen € im Jahr 2008 auf 130 Millionen € im Jahr 2009 gesunken.

Schauen wir ein bisschen über die Grenzen hinaus, nachdem ja heute auch der Herr vom ZDF da war: Das ZDF hat 2008 ein Minus von 14 Millionen € geschrieben. Auch ein Vertreter vom Schweizer Rundfunk war da: Der Schweizer Rundfunk erwartet
für 2009 ein Minus von 160 Millionen €, meine Damen und Herren.

Würde man angesichts dieser Zahlen, Daten und Fakten dann noch so weit gehen wie Herr Kopf, der beispielsweise die Werbung im Hauptabendprogramm abschaffen will, dann würde das den ORF weitere 130 Millionen € kosten. Das wissen Sie, Herr Klub­obmann. So etwas zu fordern ist ein Unsinn. Wenn man diesen Weg mit dieser Füh­rung, mit dieser unwirtschaftlichen Führung im ORF weiter beschreiten will, dann ist der ORF gefährdet, dann geht der öffentlich-rechtliche Rundfunk wirklich unter, dann ist es mit dem ORF wirklich vorbei.

Ich darf Ihnen abschließend auch als jüngster Teilnehmer an der heutigen ORF-En­quete noch sagen, mit dem Hinweis darauf, dass Alter bekanntlich nicht immer für Weisheit steht, dass ich glaube, dass es langfristig gesehen der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht nur in Österreich, sondern europaweit – das traue ich mich hier zu pro­phezeien, und ich glaube, dass ich, wenn ich einmal so alt sein werde wie Herr Cap zum Beispiel, dann sehen werde, dass ich recht gehabt habe – generell sehr, sehr schwer haben wird. – Danke schön.

17.25


Vorsitzende Präsidentin Mag. Barbara Prammer|: Als Letzter gelangt Herr Abgeord­neter Brosz zu Wort. – Bitte.

 


17.25.28

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne)|: Nach dem heutigen Tag muss ich feststellen, dass es für mich eine sehr interessante Veranstaltung war. Ich habe mir gedacht, be­sonders spannend wäre es, wenn wir Sie jetzt alle da oben (in Richtung Regierungs­bank) erst rauslassen würden, wenn Sie uns einen Entwurf für ein ORF-Gesetz vorle­gen, wo alle ihre Unterschrift darunter setzen müssten. So etwas Ähnliches wird dann da passieren müssen, zumindest dann, wenn es um eine Zweidrittelmehrheit geht. Dann wird sich nämlich die Regierung mit der Opposition auch noch verständigen müs­sen. Und das zeigt schon, dass es hier letztlich um Interessenausgleich geht und nicht um einfache Wahrheiten.

Ich beschäftige mich jetzt nebenbei in Krems auf der Donau-Uni auch mit politischer Kommunikation, und da kommen eben ein paar Dinge von Entwicklungen auf einen zu, die man nicht negieren kann. Jetzt kann man, Kollege Petzner, natürlich die Zahlen da rauf- und runterbeten, aber man weiß, dass das Medienverhalten von Jugendlichen sich völlig verändert hat. Man weiß, dass das Internet eine ganz andere Größenord­nung eingenommen hat. Man weiß, dass die Privaten seit Anfang/Mitte der neunziger Jahre zunehmend Marktanteile gewonnen haben, und wenn man sich die Kurven an­schaut, dann kann man sich relativ leicht ausrechnen, wie hoch der Eigenanteil ist und wo sozusagen Entwicklungen sind, gegen die man relativ wenig machen kann.

Also vielleicht tut es einmal ganz gut, zu schauen zu versuchen, abgesehen von den klaren Standpunkten, die jeder hat: Was ist denn das reale Bild dahinter? – Ich kann mich gut erinnern, ich war mit Werner Amon, ich glaube, 2002 auf einer Bildungsspre­cherreise in Finnland. Nachdem wir uns das alles angeschaut haben, sind wir dann im Bus gemeinsam heimgefahren und haben beide festgestellt, dass es gar nicht schlecht ist, wenn man nicht immer nur an die eigene Propaganda glaubt. Das ist etwas, was mir da heute auch manchmal eingefallen ist, dass das manchmal hilft, also zu versu­chen, einmal einen Blick darauf zu werfen, wo die Problemlagen wirklich sind.

Ich möchte zwei Dinge von Professor Karmasin aufgreifen, die ich für sehr relevant hal­te: Österreich braucht nicht nur einen starken ORF, sondern Österreich braucht ein leistungsfähiges duales System. – Das ist überhaupt keine Frage. Von dem ausgehend könnten wir einmal versuchen zu diskutieren, dabei Maximalforderungen wie Werbe­verbot auf der einen Seite und „es gibt nicht mehr Förderungen“ auf der anderen Seite, was natürlich genauso problematisch ist, außer Acht lassend.

„Umfassende Neustrukturierung“ ist gefallen. Ich halte das für einen sehr wichtigen Punkt. Man kann das ORF-Gesetz nicht abgegrenzt sehen. Man braucht sich ja nur die Presseförderung in Österreich anzuschauen; mich wundert ja, dass das in den Zeitun­gen nicht viel mehr vorkommt, für mich war das jetzt auch eher eine wissenschaftliche Erkenntnis: Ein Drittel der Printpresseförderung in Österreich geht an zwei Zeitungen: „Neues Volksblatt“ und „Kärntner Tageszeitung“.

Die letzten zwei verbliebenen Parteizeitungen kriegen ein Drittel der Presseförderung in Österreich! Also es wird ja hier niemand ernsthaft sagen können, dass das ein Sys­tem ist, das in irgendeiner Weise gerechtfertigt ist. (Ruf: Das stimmt nicht!) – Das stimmt nicht? Okay, machen wir das, wie das der Broukal gestern gemacht hat, glei­chen wir das im Internet ab und schauen wir, wer recht hat! Ich lege Ihnen meine Zah­len, die aktuellen des Jahres, vor und Sie mir die Ihren. Sie werden sehen, dass wir dann auf diese Größenordnung kommen.

Auf das würde ja niemand kommen, zwei Zeitungen, die den Parteien gehören, nach wie vor in dem Ausmaß zu fördern! Also eine Neustrukturierung der Presseförderung, wo auch Journalistenausbildung und -weiterbildung eine zentrale Rolle spielen müs­sen, ist absolut notwendig. Es muss ja wohl auch ein Ziel von Presseförderung sein, die Qualität zu steigern und zu fördern.

Die Selbstregulierung halte ich für einen wichtigen Punkt. Das ist auch etwas, wo ich mir vom ORF schon mehr erwarten würde. Also wenn es darum geht zu bewerten, auch selbst zu bewerten, was öffentlicher Mehrwert ist, dann muss das irgendwie messbar sein, messbarer werden. Ich rede da gar nicht von einer Metternich-Behörde, ganz im Gegenteil, aber wenn es zum Beispiel – und da sollten wir uns einmal selbst an der Nase nehmen – im ORF-Gesetz die Verpflichtung zu einem ORF-Bericht gibt, der jährlich gelegt wird, aber hier im Haus nie diskutiert wird, dann ist das ja kein irrele­vanter Punkt, oder? Es gibt einen ORF-Bericht, und der findet hier im Haus keinen Widerhall. Es wäre zumindest eine Möglichkeit, über Medienpolitik einmal vernünftig zu reden.

Also Regulierung im Sinn von messbaren Kriterien für öffentlichen Mehrwert, das ist et­was, was wir auf jeden Fall brauchen, in welcher Form auch immer. Und wir werden nicht herumkommen, auch den privaten Bereich stärker zu fördern. Ich glaube, dass es eher um Förderungen geht, wenn man die Ziele erreichen will, als mit der Frage der Werbeeinschränkungen beim ORF zu agieren.

Ich möchte noch zwei Dinge zum Schluss sagen, die mir in den letzten zwei Tagen auf­gefallen sind. Noch einmal Krems, politische Kommunikation: Trennungspostulat habe ich da so im Hinterkopf, Trennung zwischen Meinung und Berichten. Und dann habe ich gestern die Moderation von Broukal gesehen auf Puls 4, mit all dem Hintergrund. Jetzt kann man sagen, interessantes Format, durchaus, aber gewisse Formen der Grenzziehung wären, glaube ich, schon gefragt. Das thematisiert auch niemand: Da sitzt im Puls 4-Studio der Herr Broukal mit seiner ORF-Karriere und vermutlich mittler­weile auch ganz guten ORF-Altersversorgung, auch mit seiner Karriere als SPÖ-Abge­ordneter – und es gibt dazu nicht einmal eine Wortmeldung! Und dann ist er noch dazu der Hauptdiskussionspartner!

Ob sich die Vertreter der Opposition wie Herr Vilimsky so gut gefühlt haben, die offen­bar hinter den Kameras gesessen sind und dann nicht drangekommen sind – also ich weiß nicht, ob das gestern so eine super Behandlung war. Um das geht es aber nicht zentral, sondern es war ein interessantes Format, das glaube ich auch. Wenn ich mir das als Oppositionsabgeordneter näher anschaue, denke ich mir, das ist ein Format von einem Zweiparteiensystem, denn wo da die Opposition ihren Platz hat, ist schwie­rig zu erkennen, aber man kann sich auch weiterentwickeln. Das Format ist für die Op­position, vielleicht auch verständlich, nicht unbedingt der Heuler. Es war dieser „Runde Tisch“ vielleicht für uns interessanter, aber das ist auch nicht immer so super, wenn al­le fünf gleichzeitig reden. Da muss man sich auch an der eigenen Nase nehmen. Mir ist das Problem schon bewusst.

Letzte Anmerkung heute: Fußballprogramm – SAT 1 Österreich. Die erste Meldung war, es hat Puls 4 die Rechte. (Mag. Breitenecker: Beide!) Beide haben die Rechte. Puls 4 hat es dann nicht gespielt. Wenn man sich jetzt die Ansetzung anschaut, weiß man, welche Interessen sich durchgesetzt haben: die Österreich-Spiele zuerst. Das Zweite auf SAT 1 Österreich ist dann interessanterweise die Austria-Gruppe, nur nicht Austria in Bilbao, sondern Funchal gegen Werder Bremen.

Wozu führt das? Dass alle, die an Fußball interessiert sind, jetzt sagen, jahrelang habe ich mich geweigert, dieses Abozeug zu kaufen, aber jetzt bin ich fast dazu gezwungen. Der ORF hat in diesem Bereich einiges versäumt, glaube ich. Die Privaten zeigen es aber jetzt auch nicht, und das führt dazu, dass nicht Privat-TV, sondern Pay-TV in Ös­terreich massiv gefördert wird. Ob das der Wunsch von beiden ist, dass jetzt Pay-TV sozusagen in die Zielgerade kommt, auch das könnte man – als Sportsprecher habe ich das am Schluss noch sagen müssen – durchaus überdenken. (Beifall.)

17.31


Vorsitzende Präsidentin Mag. Barbara Prammer|: Ich bedanke mich ebenfalls ab­schließend bei allen, bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern, natürlich bei den Re­ferenten, bei der Referentin und vor allen Dingen auch bei den Zuhörerinnen und Zu­hörern für diesen interessanten Tag.

Ich persönlich als Präsidentin würde mir wünschen, dass wir nicht nur ein gutes ORF-Gesetz bekommen, sondern dass wir in Zukunft auch öfter Enqueten abhalten.

Damit schließe ich diese Enquete. (Beifall.)

17.32.16Schluss der Enquete: 17.32 Uhr

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