124/A(E) XXV. GP

Eingebracht am 29.01.2014
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Christiane Brunner, Daniela Musiol, Freundinnen und Freunde

 

betreffend vollständige Umsetzung der Aarhus-Konvention

 

 

 

Begründung

 

Die Aarhus-Konvention, welche bereits im Juni 1998 unterzeichnet wurde, räumt BürgerInnen Informationsrechte (1), Mitwirkungsrechte in Genehmigungsverfahren (2) und die gerichtliche Durchsetzung von Umweltrecht im Fall der Verletzung desselben durch Behörden oder Dritte (3) ein. Während die ersten beiden  Säulen im Wege von Richtlinien durch die Europäische Union umgesetzt und damit vorgezeichnet wurden, kam es bei der dritten Säule zu keiner Einigung über den Richtlinienvorschlag der Kommission von 2003. Die meisten Staaten, darunter auch Österreich, verweigerten die Diskussion einerseits unter Berufung auf das Subsidiaritätsprinzip andererseits unter pauschalem Hinweis, es gäbe ohnehin Rechte der Öffentlichkeit.

 

Die Kommission gab einen Bericht zur Umsetzung von Art 9 Abs 3 der Konvention in Auftrag. Der Österreich betreffende Teil von 2007 (Univ.-Prof. Dr. Rudolf Feik) hielt in der Zusammenfassung ein klares Umsetzungsdefizit fest[1]:

 

Anlässlich des zehnjährigen Jubiläums fand im Juni 2008 eine Vertragsstaatenkonferenz statt. Die Grünen verlangten aus diesem Grunde eine aktuelle Aussprache im Umweltausschuss, welche dann am 19. 6. 2008 stattfand.

 

Die Parlamentskorrespondenz berichtete u.a. (Nr 592, 23. GP): „Abgeordnete Ruperta Lichtenecker (G) monierte, dass die Frage des Zugangs zu Gerichten in Umweltsachen (3. Säule) noch ungelöst sei und wollte dazu die Vorstellungen des Ministers hören.“ ….“Auch wenn Österreich bei der Umsetzung der Konvention schon sehr weit sei, müsse das Tempo bei der "3. Säule" erhöht werden, erklärte Umweltminister Pröll in Beantwortung der Fragen. Er sei an den Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts mit der Bitte um Beurteilung der damit verbundenen rechtlich hoch komplexen Fragen herangetreten. "Die Umsetzung wird geschehen", sagte der Minister, "aber zuerst müssen wir das rechtlich ausloten." Er hoffe aber, dass die Stellungnahme des Verfassungsdienstes in den nächsten Wochen, jedenfalls aber im Sommer, vorliegen werde.“

 

Im Juli 2009 wurden dann von Univ.-Profin MMaga Drin Schulev-Steindl die vom BMLFUW beauftragte Studie „Rechtliche Optionen zur Verbesserung des Zugangs zu Gerichten (Access to justice) im österreichischen Umweltrecht gemäß der Aarhus-Konvention (Artikel 9 Abs 3)“[2] vorgelegt. Die Studie schlägt ein Umweltrechtsbehelfsgesetz auf Bundes- und auf Landesebene vor, womit insbesondere Bürgerinitiativen und Umweltorganisationen öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Rechtsinstrumente, um gegen Umweltrechtsvorstöße vorgehen zu können, eingeräumt werden sollen. .

 

Ein entsprechender Ministerialentwurf blieb jedoch aus. Aus diesem Grunde reichte das Koordinationsbüro der österreichischen Umweltorganisationen (ÖKOBüro) am 13. März 2010 eine Beschwerde beim Aarhus Convention Compliance Comittee (ACCC) in Genf ein. Das BMLFUW beauftragte einen Wirtschaftsanwalt mit der Vertretung, also dem Vorbringen des Ökobüros entgegenzutreten, obwohl die Schulev-Steindl-Studie, die es selbst beauftragt hatte, bereits klaren Handlungsbedarf Österreichs aufgezeigt hatte.

 

Im April 2012  wurde die Entscheidung des ACCC (ACCC/C/2010-48) angenommen[3]. „Demnach ist Österreich dazu verpflichtet, Umweltorganisationen (UO) in allen Umweltmaterien Rechtsmittelbefugnisse („Verbandsbeschwerde“) im Hinblick auf Handlungen, Entscheidungen und Unterlassungen von Privatpersonen und Behörden einzuräumen, um der Verpflichtung des Art 9 Abs 3 nachzukommen (Rn 81). Während das ACCC zur Kenntnis nimmt, dass es im Rahmen von UVP und IPPC-Verfahren sowie bei der Umwelthaftung Rechtsmittel für UO gibt, wird klargestellt, dass dies in allen anderen Bereichen eben nicht der Fall ist. …Das ACCC stellte jedenfalls klar, dass weder das Zivilrecht noch die Umweltanwaltschaften ausreichen, um Art 9 Abs 3 zu entsprechen. Die Verpflichtung zur Einführung von Rechtsschutz für UO beschränkt sich, wie sich aus dem Wortlaut des Abkommens und der Entscheidung des ACCC ergibt, nicht auf Genehmigungsverfahren, sondern umfasst auch die Prüfung von Plänen und Programmen, die Einhaltung von Bescheidauflagen, UVP-Feststellungsverfahren oder andere Handlungen oder Unterlassungen von Privatpersonen und Behörden, die gegen Umweltrecht verstoßen.“ (Thomas Alge, Aarhus-Entscheidung: Österreich unter Handlungsdruck, Rdu 3/2012).

 

Sofern Österreich den Empfehlungen des ACCC nicht folgt, wird die nächste Vertragsstaatenkonferenz den „non compliance“- Status Österreichs bestätigen.

 

Auch der Europäische Gerichtshof hat die Relevanz der Aarhus-Konvention für das Europäische Recht festgehalten. Zuletzt besonders weitreichend in der sogenannten Braunbären-Entscheidung. Demnach sind Umweltorganisationen berechtigt, in EU-Richtlinien vorgesehene Umweltrechte (hier zugunsten einer nach der Habitatrichtlinie geschützten Art) national auf dem Rechtsweg durchzusetzen (Rs C-240/09 vom 8. 3. 2011). In diesem Zusammenhang ist auch die jüngste einschlägige Entscheidung des deutschen Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG 7 C 21.12) erwähnenswert: „Gemäß BVerwG ist die klagende Deutsche Umwelthilfe (DUH) in ihren Rechten verletzt, wenn der durch EU-Recht und deutsches Recht vorgeschriebene NO2-Grenzwert  zum Schutz der Gesundheit in Darmstadt nicht eingehalten wird und daher klagebefugt. Maßgeblich dafür seien zwei Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs:  Erstens die Entscheidung Janecek vom 25. 7. 2008, Rs. C-237/07, die unmittelbar betroffenen natürlichen und juristischen Personen das Recht einräumte, bei den zuständigen Behörden – gegebenenfalls unter Anrufung der zuständigen Gerichte –  entsprechende Maßnahmenpläne zu erwirken. Zweitens die Entscheidung  „slowakischer Braunbär“ vom 8. 3. 2011, Rs C-240/09, wonach der europarechtliche Individualrechtsschutz im Lichte der auch von der EU ratifizierten Aarhus-Konvention (…) weit auszulegen sei und Umweltorganisationen zugänglich sein müsse. Gemäß BVerwG trage allein ein solches erweitertes Verständnis des subjektiven Rechts der Entwicklung des Unionsrechts Rechnung. „Es ist von Anfang an von der Tendenz geprägt gewesen, durch eine großzügige Anerkennung subjektiver Rechte den Bürger auch für die dezentrale Durchsetzung des Unionsrechts zu mobilisieren.““[4]

 

Die unterzeichnende Abg. Brunner hat am 13. Juni 2012 einen Entschließungsantrag zur vollständigen Umsetzung der Aarhus-Konvention eingebracht (1979/A(E)). Er wurde vom Umweltausschuss und in weiterer Folge vom Nationalrat abgelehnt.

 

Die Europäische Kommission hat in den Jahren 2012/2013 abermals eine Untersuchung zum Umsetzungsstand von Art 9 Abs 3 und 4 Aarhus-Konvention in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union erarbeiten lassen. Der Bericht zu Österreich von Univ.-Prof. Dr. Verena Madner hält u.a. fest[5]:

 

 

Der österreichische Gesetzgeber hat bis jetzt die Anforderungen von Art 9 Abs 3 Aarhus-Konvention und die Vorgaben des EuGH zur Durchsetzung des Umweltrechts durch Einzelpersonen und Organisationen ignoriert. 16 Jahre nach Unterzeichnung der Aarhus-Konvention und  sehr viele Jahre nach erster Klarstellung des Individualrechtsschutzes durch den EuGH ist es an der Zeit, dass der österreichische Gesetzgeber effektive und leistbare Rechtsschutzinstrumente zur Durchsetzung des Umweltrechts bereitstellt.

 

 

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

 

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, der Bundeskanzler  und der Bundesminister für Justiz, wird aufgefordert, dem Nationalrat bis 30. Mai 2014 zur Umsetzung von Art 9 Abs 3 Aarhus-Konvention eine Regierungsvorlage für ein Bundes-Umweltrechtsschutzgesetz vorzulegen, das unter möglichster Ausnutzung der einschlägigen öffentlich-rechtlichen Kompetenzen als auch der Zivilrechtskompetenz des Bundes Umweltorganisationen,  Bürgerinitiativen  und Einzelpersonen effektive und leistbare Rechtsschutzinstrumente  gegen Umweltrechtsverstöße der Behörde oder Privater, insbesondere auch das Recht auf Verordnungserlassung, einräumt.

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Umweltausschuss  vorgeschlagen.

 



[1] http://www.unece.org/fileadmin/DAM/env/pp/compliance/C2010-48/Correspondence/Submissions%20commun%2011.10.2010/Annex_10_MilieuStudy2007Austria_Final_Report.pdf

[2] http://www.wiso.boku.ac.at/fileadmin/_/H73/H736/Schulev-Steindl/Endb-AarhusKV_Adobe.pdf

[3] http://www.unece.org/fileadmin/DAM/env/pp/compliance/C2010-48/Findings/ece_mp.pp_c.1_2012_4_eng.pdf

[4] Marlies Meyer, Mithilfe von Gerichten zu gesunder Luft, Die Presse vom 10. 11. 2013.

[5] Verena Madner, Study on the Implementation of Article 9.3 and 9.4 of the Aarhus Convention in 10 of the Member States of the European Union + Croatia – Austria, http://ec.europa.eu/environment/aarhus/access_studies.htm.