1303/A XXV. GP

Eingebracht am 01.09.2015
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ANTRAG

 

der Abgeordneten Judith Schwentner, Freundinnen und Freunde

 

 

betreffend Anrechnung der Kinderbetreuungszeiten für vor 2003 geborene Kinder auf die Wartefrist

 

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, zuletzt geändert mit BGBl. 118/2015, abgeändert wird

 

 

Der Nationalrat hat beschlossen:

 

Das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, zuletzt geändert mit BGBl. 118/2015, wird wie folgt abgeändert:

 

Nach § 236 Abs. 4a wird folgender Abs. 4b eingefügt:

„(4b) Als Beitragsmonate für die Erfüllung der Wartezeit nach Abs. 4 Z 1 lit. a sind auch Ersatzmonate nach § 227a dieses Bundesgesetzes oder nach § 116a GSVG oder nach § 107a BSVG im Ausmaß von höchstens 48 Kalendermonaten je Kind sowie insgesamt höchstens 96 Kalendermonate zu berücksichtigen, gezählt ab der Geburt des Kindes, wenn

  1. nur durch Anrechnung dieser Zeiten eine Erfüllung der Wartefrist nach Abs. 4 Z 1 möglich ist und
  2. sich diese Ersatzmonate nicht mit Beitragsmonaten decken.

Nach diesem Absatz berücksichtige Ersatzmonate sind nicht zur Berechnung der Pensionshöhe heranzuziehen.“

 

Begründung:

 

 

Die Pensionsrechtsänderungen 2003/2004 sahen eine volle Wirkung des Neurechts für Menschen vor, die ab dem 1.1.1955 geboren wurden. Damit erreicht 2015 der erste Jahrgang von Frauen das gesetzliche Pensionsantrittsalter nach diesen Rechtsgrundlagen. Auf diese Weise werden intendierte wie nicht intendierte Folgen der Pensionsrechtsänderungen erstmals vollständig sichtbar: Dazu zählt auch die Wirkung der unterschiedlichen Behandlung von Kinderbetreuungszeiten je nach Geburtsjahr des Kindes.

Diese Situation war zwar 2004/05 bekannt und von den damaligen Regierungsparteien ÖVP und FPÖ auch intendiert, ist aber angesichts der nun sichtbaren Ergebnisse einer neuen Bewertung zu unterziehen.

 

Zur unterschiedlichen Behandlung von Kinderbetreuungszeiten im Pensionsrecht:

 

Obwohl in allen drei Fällen das Erreichen von 15 Beitragsjahren die Mindestvoraussetzung für einen Pensionsanspruch darstellt, können Menschen bei Vorliegen entsprechender Zeiten der Kinderbetreuung nach unterschiedlich langer Erwerbstätigkeit einen Pensionsanspruch erreichen.

 

Diese Rechtslage gilt zwar im Kern seit 2005, wurde aber höchst widersprüchlich und missverständlich kommuniziert. In einer Presseaussendung aus Anlass des Beschlusses der Pensionskürzungsreform 2004 verkündete die damalige Frauenministerin Rauch-Kallat per OTS etwa:

 

„Durch die verbesserte Anrechnung der Kindererziehungszeiten sind Hausfrauen und Mütter die Gewinnerinnen der neuen Pensionsregelung, aber auch erwerbstätige Frauen profitieren. So ermöglicht die neue Langzeitversichertenregelung bis 2010 Frauen mit 40 Beitragsjahren mit 55 Jahren abschlagsfrei in Pension zu gehen. Die Kindererziehungszeiten können selbstverständlich angerechnet werden.

Diese Anrechnung der Kindererziehungszeiten wurde mit dem neuen Modell erheblich ausgeweitet. Die Beitragsgrundlage für die Pensionsanrechnung wird mehr als verdoppelt und auf vier Jahre ausgeweitet. Diese Beitragsgrundlage von Euro 1.350,- gilt additiv zu jeglicher Berufstätigkeit und rückwirkend für bereits geborene Kinder von Frauen unter 50 Jahren. Das heißt, wenn eine Frau neben der Kindererziehungsarbeit erwerbstätig war bzw. ist und 800 Euro verdient, so werden für die Zeit der Kindererziehung 2.150,- als Beitragsgrundlage herangezogen. Arbeitet sie in dieser Zeit nicht, so gelten die 1.350 Euro monatlich. "Kein Pensionsmodell zuvor war so frauenfreundlich", stellt Rauch-Kallat fest.

Voraussetzung für den Erhalt einer Pension sind künftig nur noch sieben Jahre Erwerbstätigkeit bei insgesamt 15 Versicherungsjahren. Hier können die Kindererziehungszeiten als Ersatzzeiten angerechnet werden - eindeutig eine Verbesserung für Frauen.“

Aus: Aussendung des BM für Gesundheit und Frauen, OTS0159, 19. Nov. 2004, 12:08

 

Auch wenn diese Darstellung der Änderungen bei der Anrechnung von Kindererziehungszeiten nicht grundsätzlich falsch ist, so erweckte sie doch einen falschen Eindruck: Dass nämlich alle Kindererziehungszeiten auf die Pension und auf die Erreichung von fünfzehn anwartschaftsbegründenden Beitragsjahren angerechnet würden. Es gab für Frauen mit zumindest sieben Jahren an Beitragszeiten aus Erwerbstätigkeit, die entsprechende Zeiten der Kinderbetreuung vorzuweisen haben, somit keinen Grund, zusätzliche Beitragszeiten zu erwerben.

 

Anders als im Jahr 2004/05 wissen wir heute im Jahr 2015, dass die Zahl der Personen zukünftiger Pensionierungsjahrgänge, die auf Grund von Familienarbeit ihr ganzes Leben nicht oder nur in geringem Ausmaß erwerbstätig gewesen sein werden, stark rückläufig ist. Es steht einer modernen, auf Inklusion bedachten Gesellschaft daher gut an, auch jenen Menschen, die vor 2003 Familienarbeit geleistet haben, diese im gleichen Ausmaß wie nach dem Allgemeinen Pensionsgesetz zur Erreichung der 15 Jahre an Mindestbeitragszeiten anzurechnen, sofern sie anders keinen eigenständigen Pensionsanspruch erreichen können.

 

Dieser Gesetzesvorschlag sieht vor, Zeiten der Betreuung von Kindern, die vor 2003 geboren wurden, im Ausmaß von bis zu acht Jahren auf die Erfüllung der Mindestwartezeit anzurechnen. Nicht enthalten ist der Vorschlag, diese Zeiten auch auf die Pensionshöhe anzurechnen. Eine Umsetzung dieses Gesetzesvorschlags hätte somit zur Folge, dass die betreffenden Personen eine Pension nur für Versicherungszeiten erhalten würden, in denen auch wirklich Versicherungsbeiträge entrichtet wurden.

Die AntragsstellerInnen sind wohl der Meinung, dass eine moderne, auf Inklusion orientierte Gesellschaft auch für diese wenigen betroffenen Frauen Ersatzzeiten bei der Berechnung der Pensionshöhe berücksichtigen sollte. Im Sinne einer realistischen und schnellen Umsetzung wurde jedoch auf dieses Element verzichtet: Den Regierungsparteien soll so die Möglichkeit geboten werden, über ihren Schatten zu springen und einer Maßnahme, die im Übrigen auch der Sozialsprecher der ÖVP bereits angeregt hat, tatsächlich umzusetzen.

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Sozialausschuss vorgeschlagen.