1351/A(E) XXV. GP

Eingebracht am 06.10.2015
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Resinger und Kollegen

betreffend Umsetzung des 10 Punkte Forderungprogramms der Sozialpartner und der Industriellenvereinigung bezüglich Elementarbildung

In Fragen der elementaren Bildung herrscht derzeit leider Stillstand in Österreich.  Die Verabschiedung eines Bundesrahmengesetzes für Kindergärten zur Sicherstellung qualitativer Mindeststandards wird bis heute blockiert. Gleiches gilt für das zweite verpflichtende Kindergartenjahr. Die Bundesregierung hat es immer noch nicht geschafft, die Zuständigkeit für elementare Bildungseinrichtungen einheitlich in Bundeskompetenz zu überführen, sie  ist entweder nicht in der Lage oder nicht willens, die anstehenden Herausforderungen mit nachhaltig tauglichen Strategien anzugehen. Die Vermutung liegt nahe, dass hier macht- und parteipolitische Interessen der Landeshauptleute die Ursache dieser Blockade sind. Es kann aber nicht sein, dass der Bund zahlt, während die Landeshauptleute anschaffen. Diese Art des Spendierföderalismus tut uns im Gesundheitssystem nicht gut und schadet uns auch massiv im Bildungsbereich. Dabei ist die inhaltliche Stoßrichtung seit Langem klar. Diesbezüglich gibt es aber auch erfreuliche und bemerkenswerte Entwicklungen in jüngster Zeit. Die Industriellenvereinigung, die Bundesarbeitskammer Österreich, die Landwirtschaftskammer Österreich, der Österreichische Gewerkschaftsbund sowie die Wirtschaftskammer Österreich haben sich in dem gemeinsamen Konzept „Der Zukunft der Elementarbildung in Österreich“ auf folgende zehn Forderungen geeinigt (Quelle: http://www.iv-net.at/d4689/zukunft_der_elementarbildung_in_oesterreich_sozialpartner_und_iv.pdf):

 

1. Elementarbildung in Bundeskompetenz

 

Änderung der Bundesverfassung mit einer Kompetenzverlagerung zum Bund in Hinblick auf Struktur- und Organisationsfragen: Elementare Bildungseinrichtungen erfüllen einen Bildungsauftrag. Der Bund (Bildungsressort) muss seine Verantwortung vor allem hinsichtlich der Gesetzgebung wahrnehmen, wie das in fast allen EU-Staaten die Regel ist.  Vorletztes und letztes Kindergartenjahr verpflichtend und kostenfrei: Ausgenommen davon ist nur die Verpflegung. Auch für die ersten vier Jahre darf keinem Kind aus Kostengründen die Inanspruchnahme elementarer Bildung verwehrt sein. Mittelfristiges Ziel ist es, die gesamte vorschulische Bildung kostenfrei zu stellen.

 

 2. Aus 9 mach 1 − ein Bundesrahmengesetz für elementare Bildungseinrichtungen

 

Österreichweites Bundesrahmengesetz mit einheitlichen und verbindlichen Standards auf hohem Niveau: Es regelt u.a. den Bildungsplan für Null- bis Sechsjährige, die Aus- und Fortbildung des Personals (einschließlich der unterstützenden Kräfte), die Kinderanzahl pro Gruppe und Fachkraft–Kind-Schlüssel, Vor- und Nachbereitungszeiten, räumliche Erfordernisse und Ausstattung, Öffnungszeiten und Elternbeiträge sowie perspektivisch den Rechtsanspruch auf einen Platz. Dieses Bundesrahmengesetz soll auch Tageseltern umfassen.

 

3. Flächendeckendes Angebot mit umfassenden Öffnungszeiten

 

Ausbau der Plätze in der elementaren Bildung: Ziel ist ein flächendeckendes Angebot auch bei den Unter-3-Jährigen. Ausweitung der Öffnungszeiten: Für die Eltern der betreuten Kinder muss eine ganzjährige Vollzeitbeschäftigung möglich sein.  Ausbildungsoffensive: Damit soll ausreichend qualifiziertes Personal gesichert werden.  Zusätzliche Betreuungsangebote für Randzeiten und Wochenenden (z.B. Tageseltern): Elementare Bildungsangebote sollen optimal ergänzt werden.

 

4. Fortsetzung der Bundesförderung und laufende Finanzierung nach Leistungserbringung

 

Weiterentwicklung der Anstoßfinanzierung des Bundes: Sie soll bis zur Einführung eines Bundesrahmengesetzes bzw. der Erreichung flächendeckender Versorgung mit umfassenden Öffnungszeiten weitergeführt und um konkrete Wirkungsziele ergänzt werden. Verknüpfung der laufenden Finanzierung mit der Leistungserbringung: Künftig soll die Finanzierung mit dem tatsächlichen bereitgestellten Angebot verknüpft werden, indem Zuschüsse pro betreutem Kind (differenziert nach Alter der Kinder, Öffnungszeit etc.) ausbezahlt werden.  Umsetzung des im Regierungsprogramm verankerten Pilotprojekts zur Aufgabenorientierung im Finanzausgleich: Dies versteht sich als erster Schritt. Mittelfristig sollen weitere Schritte für einen direkten Zugang der Einrichtungen zu den Mitteln geprüft werden.

 

5. Qualifizierungsschub in der Ausbildung

 

Anhebung des gesamten Ausbildungsniveaus auf mehreren Ebenen: Dies erfolgt durch eine einheitliche und bessere Ausbildung der unterstützenden Kräfte auch zur pädagogischen Assistenz, eine Neuausrichtung der BAKIP als BMHS sowie die schrittweise Tertiärisierung für Elementar- und HortpädagogInnen. Für die Ausbildung der Tageseltern sind bundesweit einheitliche Qualitätskriterien vorzusehen, die an die Ausbildungsstandards der pädagogischen Berufe anschließen und somit eine schrittweise Höherqualifizierung ermöglichen.  Ausbau der Lehrstühle für Elementarpädagogik und Einrichtung von Kooperationsmodellen der Ausbildungsstätten mit PH, FH, und Universitäten: Die Ausbildungsschiene der derzeitigen BAKIP bzw. der BAKIP-Kollegs ist bis zur Erarbeitung und Verwirklichung tertiärer Modelle als (post-) sekundäres Angebot weiter anzubieten. Verpflichtende Fort- und Weiterbildung für alle Fachkräfte: Die Ausbildungsinhalte des Bildungs-Rahmen-Plans werden in allen Ausbildungs- und Weiterbildungscurricula verankert.  Eine Anhebung der Entlohnung auch im Hinblick auf Höherqualifizierung ist für alle MitarbeiterInnen in diesem Bereich erforderlich.

 

6. Ganzheitliches Lernen und Fördern

 

Verbindliche Umsetzung der Inhalte des bundesländerübergreifenden Bildungs-Rahmen-Plans in elementaren Bildungseinrichtungen: Kinder sollen sich spielerisch in unterschiedlichen Lernfeldern optimal entfalten können − sprachlich, musisch, gestalterisch, motorisch oder im Bereich Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT). Dabei bedarf es auch eines gendersensiblen und interkulturellen Zugangs. Sprachbildung als Teil eines durchgängigen, strukturierten und nachhaltigen Bildungssprachförderkonzepts: Es erstreckt sich über alle Bildungsstufen und bis zum Ende der Schullaufbahn. Der Fokus ist dabei − unter gleichzeitiger Wertschätzung der jeweiligen Erstsprache − auf das Erlernen von Deutsch als relevanter Bildungssprache zu legen. Laufende Entwicklungsstandsfeststellungen: Sie sind auch Basis für individuelle Fördermaßnahmen, Sprachbildungsaktivitäten und die Unterstützung beim Übertritt in die Schule. Sie werden unterstützt durch ressourcenorientierte Beobachtungsinstrumente und die Dokumentation der individuellen Entwicklungsschritte (z.B. Portfolios).

 

7. Mehr Diversität

 

Mehr Wertschätzung und Anerkennung für elementarpädagogische Berufe als gleichwertige pädagogische Professionen: Zur Erhöhung der Diversität im Berufsfeld sind zudem umfassende Maßnahmen in Bezug auf Geschlecht, Kultur und Sprache, sowie (Zusatz-) Qualifikation notwendig. Erhöhung des Männeranteils: Dies erfordert klare Zielvorgaben, Förderprogramme für „Männer in die Elementarpädagogik“, den Ausbau der tertiären bzw. post-sekundären Angebote, Schwerpunktsetzungen bei den Ausbildungsinhalten und eine Verbesserung der Außendarstellung. Diversität als Ressource nützen: Durch den Einsatz von mehrsprachigem, interkulturell bzw. gendersensibel geschultem Personal sowie von PädagogInnen mit Migrationshintergrund kann die Diversität eines Teams in der pädagogischen Arbeit als Ressource genutzt werden.

 

8. Erfolgreicher Übergang in die Schule ohne „Brüche“

 

Zwei verpflichtende Kindergartenjahre für alle Kinder ab Vier („Basisphase“): Sie finden weiterhin in Verantwortung der Kindergärten und im letzten Kindergartenjahr in Kooperation mit der Schule statt. Im zweiten Basisjahr werden altersgerecht und spielerisch vorschulische Inhalte sowie sprachliche, motorische, emotionale und soziale Vorläuferfähigkeiten mit Fokus auf das Erlangen der Schulfähigkeit vermittelt. Optimaler Übergang vom Kindergarten in die Schule: Notwendig dafür sind u.a. eine professionelle, wertschätzende und gleichberechtigte Zusammenarbeit der PädagogInnen beider Institutionen, gemeinsame Basismodule in der Ausbildung, gemeinsame Fort- und Weiterbildung, wechselseitiges „Hospitieren“ oder institutionenübergreifende Übergangskonzepte. Dafür sind ausreichende Ressourcen vorzusehen. Vision ist die Weiterentwicklung von der Basisphase und der ersten beiden Schuljahre zu einer gemeinsamen Einheit. Neustrukturierung der bisherigen Schulreifefeststellung: Sie soll von einer punktuellen Entscheidung hin zu einer gemeinsamen (Kindergarten, Schule) Begleitung und Feststellung der Schulfähigkeit im letzten Kindergartenjahr weiterentwickelt werden. Dokumentationen über den Entwicklungsstand (z.B. Portfolio) sind kein Selektionsinstrument, sondern geben der Schule Auskunft, was das Kind an gezielter Förderung braucht und an Talenten mitbringt.

 

9. Systematische Qualitätssicherung

 

Qualitätssicherungsstelle: Eine beim Bund angesiedelte, weisungsfreie Qualitätssicherungsstelle überprüft Rahmenbedingungen und pädagogische Qualität anhand bestimmter Kriterien. Qualitätsbeauftragte: Innerhalb der Einrichtungen sollen Qualitätsbeauftragte für die kontinuierliche Qualitätsentwicklung und -feststellung verantwortlich sein.

 

10. Elternarbeit stärken und ausbauen

 

Bildungspartnerschaft zwischen Einrichtungen und Familie: Eltern müssen von Anfang an eingebunden werden und ihre Verantwortung für das positive Gelingen elementarer Bildungsprozesse wahrnehmen. Zur partnerschaftlichen und transparenten Zusammenarbeit zwischen Einrichtungen und Familie gehören u.a. Elternabende, Entwicklungsgespräche und Transitionsbegleitung. Akzeptanz von Elementarpädagogik als eigenständiger Bildungsbereich: Bei den Eltern muss das Bewusstsein gestärkt werden, dass in diesem Bereich Bildungsarbeit geleistet wird.

Langfristig könnten elementare Bildungseinrichtungen zu Familienzentren weiterentwickelt werden: (Beispiel: Großbritannien − Early Excellence Centers − dort werden Familien bei ihrer täglichen Erziehungsarbeit unterstützt und Angebote und Anregungen zur (Weiter-) Bildung angeboten).

Es ist nicht nachvollziehbar, warum eine derartige Einigung nicht auch auf politischer Ebene möglich sein soll.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG


Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Familie und die Bundesministerin für Bildung und Frauen, werden aufgefordert, sich zu den Forderungen der Industriellenvereinigung, der Bundesarbeitskammer Österreich, der Landwirtschaftskammer Österreich, des Österreichische Gewerkschaftsbund sowie der Wirtschaftskammer Österreich, aus deren gemeinsamen Konzept „Der Zukunft der Elementarbildung in Österreich“, zu bekennen und dafür Sorge zu tragen, dass diese ehestmöglich umgesetzt werden. In einem ersten Schritt ist dem Parlament bis Dezember 2015 eine dahingehende, verbindliche Umsetzungsstrategie inklusive Zeitplan vorzulegen."


In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Familienausschuss vorgeschlagen.