1613/A XXV. GP

Eingebracht am 17.03.2016
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Antrag

der Abgeordneten Maga. Michaela Steinacker, Dr . Johannes Jarolim, Andreas Ottenschläger, Erwin Spindelberger

Kolleginnen und Kollegen

betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Suchtmittelgesetz – SMG, BGBl.  Nr. 112/1997, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 144/2015, geändert wird

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

Bundesgesetz, mit dem das Suchtmittelgesetz – SMG, BGBl.  Nr. 112/1997, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 144/2015, geändert wird

Der Nationalrat hat beschlossen:

Bundesgesetz, mit dem das Suchtmittelgesetz – SMG, BGBl.  Nr. 112/1997, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 144/2015, geändert wird

1. In § 27 wird nach dem Abs. 2 folgender Abs. 2a eingefügt:

„(2a) Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren ist zu bestrafen, wer vorschriftswidrig in einem öffentlichen Verkehrsmittel, in einer dem öffentlichen Verkehr dienenden Anlage, auf einer öffentlichen Verkehrsfläche, in einem öffentlichen Gebäude oder sonst an einem allgemein zugänglichen Ort öffentlich oder unter Umständen, unter denen sein Verhalten geeignet ist, durch unmittelbare Wahrnehmung berechtigtes Ärgernis zu erregen, Suchtgift einem anderen gegen Entgelt anbietet, überlässt oder verschafft.“

2. In § 27 Abs. 3 wird die Wendung „Abs. 1 Z 1 oder 2“ durch die Wendung „Abs. 1 Z 1, Z 2 oder Abs. 2a“ ersetzt.

3. In § 35 Abs. 9 entfällt der letzte Halbsatz.

4. Dem § 47 wird folgender Abs. 16 angefügt:

„(16) § 27 Abs. 2a und 3 sowie § 35 Abs. 9 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr. xx/2016, treten mit 1. Juni 2016 in Kraft.

 


 

Begründung

Zu Z 1 (§ 27 Abs. 2a SMG)

1. In jüngerer Zeit, beginnend ab dem zweiten Halbjahr 2015, hat sich in Ballungsräumen, vor allem auf öffentlichen Plätzen und Verkehrsknotenpunkten, eine verstärkt auftretende Drogenhandelsszene entwickelt, die sowohl Polizei als auch Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter vor neue Herausforderungen stellt.

Gleichzeitig wird durch das zum Teil aggressive Auftreten der Händler und untereinander geführten „Revierkämpfen“ das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung massiv untergraben und erschwert den täglichen Weg zur Schule oder zum Arbeitsplatz. Diese neue Erscheinungsform des Drogenhandels berührt auch Unternehmen, die über Geschäftseinbußen durch das störende und insistierende Anbieten von Suchtgift in unmittelbarer Nähe ihrer Geschäftslokale klagen.

Schwerpunktaktionen der Polizei und der Sozialarbeit verfehlen ihre Wirkung, weil sich erweist, dass die Szene sehr beweglich ist und Festnahmen keinen Einfluss auf die Anzahl der Händler vor Ort zeigen (leichte Austauschbarkeit).

Diese Entwicklung bedeutet eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit und erweist sich als „öffentliches Ärgernis“, sodass der Antrag darauf abzielt, dieser neuen Erscheinungsform des Handels mit verbotenen Suchtmitteln durch eine neue Qualifikation in § 27 SMG wirksamer begegnen zu können.

2. Der vorgeschlagene neue Abs. 2a erfasst das vorschriftswidrige Anbieten, Überlassen oder Verschaffen von Suchtmitteln. Alle drei Begriffe sind bereits im geltenden Recht geläufig (u.a. § 27 Abs. 1 SMG) und sollen daher im gleichen Sinn wie dort zu verstehen sein; Verschaffen umfasst daher insbesondere Vermitteln. Die genannten Tathandlungen sollen – im Vergleich zum geltenden Recht – mit höherer Strafe bedroht sein, wenn drei Voraussetzungen hinzukommen:

a. Das Anbieten, Überlassen oder Verschaffen erfolgt gegen Entgelt,

b. es findet an einem allgemein zugänglichen Ort statt (unten 3.) und

c. die Handlung beinhaltet einen besonderen sozialen Störwert, der entweder in der öffentlichen Begehung (unten 4.) oder in der Eignung liegen kann, durch unmittelbare Wahrnehmung berechtigtes Ärgernis zu erregen (unten 5.)

3.  Zur Umschreibung des allgemein zugänglichen Orts wird vorgeschlagen, zunächst als Legalbeispiele bestimmte Bereiche zu nennen, die die oben skizzierte Realität widerspiegeln: öffentliche Verkehrsmittel, dem öffentlichen Verkehr dienenden Anlagen, öffentliche Verkehrsflächen und öffentliche Gebäude. Als umfassender Begriff wird vorgeschlagen, den „allgemein zugänglichen Ort“ (s §§ 126 Abs. 1 Z 4, 128 Abs. 1 Z 3 StGB) anzuführen. Allgemein zugänglich ist ein Ort, wenn man ihn ohne Erlaubnis betreten kann oder wenn die Erlaubnis dazu jedem, der gewisse Voraussetzungen erfüllt, regelmäßig gewährt wird, zB eine Universitätsbibliothek (OGH 12 Os 82/05h,15 Os 113/14b (RS0093027), OGH 13 Os 52/10m (RS0093645), OGH 12 Os 83/05f (RS0120221), OGH 12 Os 83/05f (RS0093356), OGH 12 Os 83/05f, RZ 2006/14). Öffentlich ist jedes Gebäude, das einer Gebietskörperschaft gehört, auch wenn es nicht allgemein zugänglich ist.

4. Die Tat muss überdies entweder „öffentlich“ iSv § 69 StGB begangen werden. Die Rsp nimmt einen Richtwert ab etwa zehn Personen an (SSt 55/28, 12 Os 119/05z, OGH  Ds 5/06 (RS0120578) OGH 13 Os 45/13m (RS0091902), OGH 12 Os 39/08i (RS0101372), OGH 12 Os 119/05z (RS0120580), OGH 12 Os 119/05z (RS0120579), OGH 12 Os 119/05z (RS0120577), OGH 12 Os 119/05z, OGH 11 Os 19/07i (RS0100622), SSt 2006/20 = RZ 2007/3, 52), lehnt aber ein starres Festhalten an dieser Personenzahl ausdrücklich ab (SSt 49/40).

Es kommt auf die Wahrnehmbarkeit, nicht auf die tatsächliche Wahrnehmung der Handlung an (EvBl 1977/262). Die Wahrnehmbarkeit durch den größeren Personenkreis muss eine konkrete sein. Personen müssen in der Lage sein, die Handlung wahrzunehmen, sie müssen sie sehen, hören oder sonst sinnlich erfassen können. Diese Wahrnehmbarkeit muss im Bereich einer nahen Möglichkeit liegen und ohne Hinzukommen der Fantasie der Zuschauer gegeben sein.

Öffentliche Begehung setzt ferner voraus, dass die Handlung unmittelbar von einem größeren Personenkreis wahrgenommen werden kann. Es genügt nicht, dass die Handlung nachträglich zur Kenntnis eines größeren Personenkreises gelangt. Der öffentliche Bericht eines Dritten über eine Handlung genügt nicht. Unmittelbar heißt nicht unbedingt gleichzeitig. Öffentlichkeit ist z.B. auch dann gegeben, wenn die Exemplare einer Zeitung an einen größeren Personenkreis versendet werden (SSt 53/9 = EvBl 1982/180).

5. Die zweite Handlungsalternative besteht in der Begehung unter Umständen, unter denen das Verhalten geeignet ist, durch unmittelbare Wahrnehmung berechtigtes Ärgernis zu erregen (s. § 218 Abs. 1 Z 2 und Abs. 2 StGB).

Ärgernis ist eine tiefgreifende Empfindung, die durch die Verletzung eines Wertgefühls hervorgerufen wird und sich gegen die verletzende Handlung oder ihren Urheber richtet. Die Eignung der Handlung, Ärgernis zu erregen, bestimmt sich im Allgemeinen am Gefühl des sittlich normal empfindenden Durchschnittsmenschen (EBRV 1971, 366). Dadurch, dass das Ärgernis ein berechtigtes sein muss, wird noch darüber hinaus ausgedrückt, dass die Bewertung nicht auf einer extrem subjektiven Auffassung beruhen darf. Maßgebliche Faktoren für die Annahme einer solchen Eignung sind, neben der Art und (erhöhten) Intensität der Handlung, insbesondere der in Betracht kommende Personenkreis, die Örtlichkeit ihrer Vornahme und die Begleitumstände der Tat. Nur wenn sich daraus die konkrete Gefahr eines Ärgernisses, wenn auch nur bei einzelnen der die Handlung unfreiwillig wahrnehmenden Personen, ergibt, ist der Tatbestand erfüllt. Ob jemand von ihnen tatsächlich Anstoß nimmt, ist irrelevant. Das potenzielle Ärgernis muss durch unmittelbare Wahrnehmung der Handlung selbst hervorgerufen sein, deren nachträgliches Bekanntwerden, sei es durch Erzählen, sei es durch Abbildungen etc. genügt nicht.

6. Die Strafdrohung ermöglicht bei Vorliegen von Haftgründen Festnahme und Verhängung der Untersuchungshaft.

Zu Z 2 (§ 27 Abs. 3 SMG)

Die als § 27 Abs. 2a neu vorgeschlagene Qualifikation soll auch die Qualifikation gewerbsmäßiger Begehung auslösen können, daher soll in Abs. 3 ein Verweis auf Abs. 2a aufgenommen werden.

Zu Z 3 (§ 35 Abs. 9 SMG)

Da die Einstellung nach § 35 Abs. 9 keine unmittelbaren Rechtsfolgen für den Betroffenen nach sich zieht, sondern dieser als nächster Schritt von der Gesundheitsbehörde kontaktiert werden wird, soll im Sinn einer Vereinfachung der Abläufe auf die Zustellung zu eigenen Handen verzichtet werden. Auch bei der Einstellung wegen Geringfügigkeit (§ 191 StPO) ist kein Zustellnachweis erforderlich (§ 194 Abs. 1 letzter Halbsatz StPO).

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zuweisungsvorschlag: Justizausschuss