1628/A(E) XXV. GP

Eingebracht am 27.04.2016
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

EntschlieSSungsantrag

 

der Abgeordneten Eva Mückstein, Freundinnen und Freunde

 

betreffend Kinder und Jugendliche in der Erwachsenenpsychiatrie – umgehende Behebung der Mangelversorgung

 

 

 

 

BEGRÜNDUNG

 

Trotz nachhaltiger, mehrfacher Kritik – Volksanwalt, VertretungsNetz, Patientenanwaltschaft etc. – werden weiterhin stationäre Aufnahmen von Jugendlichen an erwachsenenpsychiatrischen Abteilungen festgestellt. Dieser Notstand ist umgehend zu beheben und die erforderliche Zahl von kinder- und jugendpsychiatrischen Betten, inklusive alternative Versorgungsmöglichkeiten z. B. im ambulanten und tagesklinischen Bereich, bereit zu stellen.

 

Die Gesundheit Österreich GmbH geht aufgrund von epidemiologischen Studien davon aus, dass 299.946 Kinder und Jugendliche bis 19 Jahre im Jahr 2012 österreichweit psychisch erkrankt waren (Prävalenz von 17,5 Prozent). 9,7 Prozent, also 166.256 Kinder und Jugendliche, waren von einer psychiatrischen Störung im engeren Sinn betroffen und damit behandlungsbedürftig.

 

Für diese große Gruppe besteht allerdings ein bei weitem nicht ausreichendes Behandlungsangebot an FachärztInnen für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Kinder und Jugendliche werden in Österreich aus Mangel an speziell für sie geeigneten Einrichtungen immer wieder in der Erwachsenenpsychiatrie aufgenommen und teilweise nach dem Unterbringungsgesetz untergebracht.

 

Einer parlamentarischen Anfrage der Grünen zufolge gab es im Jahr 2013 noch immer 55 Aufenthalte von Kindern im Alter von 0 bis 14 Jahren auf allgemeinpsychiatrischen Stationen, bei den 15- bis 19-Jährigen waren es sogar 2829 Aufenthalte. 1,9 Prozent der psychiatrischen Aufenthalte erfolgten bei den
0- bis 14-Jährigen noch immer in allgemeinpsychiatrischen Abteilungen, bei 15- bis 19-Jährigen waren es sogar 49,7 Prozent. Im Vergleich zu den Vorjahren war hinsichtlich dieses Missstandes nur bei den 0- bis 14-Jährigen eine Verbesserung zu verzeichnen, bei den Jugendlichen stagniert der Ausbau trotz der seit Jahren bekannten dramatischen Versorgungssituation.

Die laut Anfragebeantwortung Nr. 5047/J letztverfügbaren Daten aus dem Jahr 2013 weisen bei den 15- bis 19-Jährigen das Burgenland 42, Kärnten 150, NÖ 418, OÖ 574, Salzburg 275, die Steiermark 342, Tirol 299, Vorarlberg 175 und Wien 554 Aufenthalte aus, die 9 bis 16 Tage auf einer Erwachsenenpsychiatrie stattfanden. Beim Pressefrühstück der Volksanwaltschaft am 15. März 2016 wurden für Wien neue Zahlen präsentiert. Es kam zu einer deutlichen Verbesserung, dennoch gab es auch in Wien im Jahr 2015 immer noch 191 Aufnahmen von Kindern und Jugendlichen auf der stationären Erwachsenenpsychiatrie.

 

Bei den Aufnahmen nach dem Unterbringungsgesetz hat sich die Situation in Wien entsprechend den Erhebungen von VertretungsNetz-Patientenanwaltschaft hingegen verschlechtert. Während im Jahr 2014 38 Minderjährige auf einer allgemeinpsychiatrischen Station angehalten wurden, waren es im Jahr 2015 76 Personen. Nur 49,8 Prozent aller Aufnahmen von Jugendlichen nach dem Unterbringungsgesetz fanden in Wien im Jahr 2015 auf einer kinder- und jugendpsychiatrischen Station statt. Im Jahr 2009 konnte die Kinder- und Jugendpsychiatrie immerhin noch 94,9 Prozent dieser Anhaltungen selbst durchführen.

 

Die Bettenmessziffer der Kinder- und Jugendpsychiatrie beträgt laut ÖSG 0,08 bis 0,13 pro 1000 Einwohner. Laut Anfragebeantwortung wird jedoch keine „konkrete Anzahl von Betten“ vereinbart, weil die erforderliche Bettenanzahl von „regionalen Gegebenheiten, insbesondere von alternativen Versorgungsmöglichkeiten z. B. im ambulanten Bereich abhängt“. Auch wird darauf verwiesen, dass die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Krankenhäusern im Kompetenzbereich der Bundesländer liegt.

 

Seitens des Bundes könne aber auf einen Ausbau der kinder- und jugendpsychiatrischen Versorgung gedrängt werden und die Entwicklung einem Monitoring unterzogen werden. Dieser Aufgabe sollte seitens des BMG unbedingt nachgekommen werden, unter der Voraussetzung, dass ambulante Versorgungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche im Vergleich zu stationären Aufnahmen soweit irgend möglich jedenfalls vorzuziehen sind. Denn jeder Aufenthalt auf einer Kinder- und Jugendpsychiatrie ist ein einschneidendes Erlebnis. 

 

Das gilt umso mehr für Aufenthalte auf einer Erwachsenenpsychiatrie. Die Konfrontation mit psychisch schwer erkrankten Erwachsenen erleben Kinder und Jugendliche als sehr belastend. Behandlungssetting, Beziehungsangebot, Beschäftigungs- und Beschulungsmöglichkeiten, Mobiliar und Räumlichkeiten entsprechen nicht den Bedürfnissen von jungen PatientInnen. Dazu kommt, dass aufgrund von Personalmangel oft der begleitete Ausgang ins Freie eingeschränkt wird. Außerdem werden Kinder und Jugendliche ausgerechnet während einer akuten Krise nicht durch einen Facharzt oder eine Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie behandelt, sondern durch eine/n allgemeine/n PsychiaterIn, der/die auf diesem Gebiet meist nicht spezialisiert ist.

 

Die Volksanwaltschaft stellt in ihrem jüngsten Bericht fest, dass die Behandlung und Unterbringung von Kindern und Jugendlichen in der Erwachsenenpsychiatrie eine Verletzung präventiver, menschenrechtlicher und fachlicher Standards darstellt:

„2014 hat auch der OGH in einer aktuellen Grundsatzentscheidung das „Trennungsgebot“ für Jugendliche in psychiatrischen Krankenanstalten betont. Dadurch konkretisiert der OGH erstmals den Persönlichkeitsschutz Minderjähriger in der psychiatrischen Unterbringung. Daraus ergibt sich zwingend eine räumliche Trennung jugendlicher und erwachsener Erkrankter. Auch wenn sich dieses Urteil konkret auf eine forensische Abteilung einer psychiatrischen Krankenanstalt bezieht, lassen sich daraus Wertungen ableiten, die eine generelle Trennung von Jugendlichen und Erwachsenen in allen psychiatrischen Krankenanstalten zwingend erforderlich machen.“

 

In einem Fall hat das Bezirksgericht Fünfhaus eine Unterbringung auf der Akutstation für Erwachsenenpsychiatrie im Sinne des § 34a Unterbringungsgesetz (Beschränkung sonstiger Rechte) für unzulässig erklärt. Mit der durch die UbG-Novelle 2010 eingefügten Bestimmung wurde der Rechtsschutz der PatientInnen erheblich verbessert. Die Unterbringung ist lt. Bezirksgericht auch weder mit der UN-Kinderrechtskonvention, die Österreich 1992 ratifiziert hat, noch mit dem Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern, noch mit § 138 ABGB, der die Beachtung des Kindeswohls vorschreibt, im Einklang.

 

Die UN-Kinderrechtskonvention, die Österreich 1992 ratifiziert hat, fordert, dass psychiatrische Betreuungseinrichtungen hohen Qualitätsstandards entsprechen, insbesondere was die fachliche Eignung des jeweiligen Personals betrifft. Denn auch das Pflegepersonal der Erwachsenenpsychiatrie ist selten auf die Betreuung von Kindern und Jugendlichen spezialisiert.

 

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Die Bundesministerin für Gesundheit wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Gesetzesvorlage vorzulegen bzw. eine Verordnung zu erlassen, wonach die Versorgung von Kindern und Jugendlichen auf allgemeinpsychiatrischen Abteilungen ab dem Jahr 2020 nicht mehr zulässig ist.

 

Es sollen zudem neue Funktionseinheiten im Rahmen der „Transitionspsychiatrie“ etabliert werden, die Jugendliche und junge Erwachsene am Übergang zum jungen Erwachsenenalter (etwa im Alter von 16 bis 26 Jahren) betreuen.

 

Zudem soll für jedes Bundesland ein spezifischer integrierter Versorgungsplan zu erstellt und dem Nationalrat vorgelegt werden, der den stufenweisen Vollausbau bis 2020 mit der dafür erforderlichen Bettenanzahl unter Einbeziehung und Ausweisung der alternativen Versorgungsmöglichkeiten z. B. im ambulanten und teilstationären (tagesklinischen) Bereich umfasst.

 

Zudem soll vom Bundesministerium für Gesundheit jährlich ein Monitoring-Bericht erstellt werden, um den Ausbau der kinder- und jugendpsychiatrischen Versorgungskapazitäten transparent darzustellen.

 

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Gesundheitsausschuss  vorgeschlagen.