1984/A XXV. GP

Eingebracht am 31.01.2017
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Antrag

der Abgeordneten Dr. Matthias Strolz, Mag. Gerald Loacker, Sepp Schellhorn, Kollegin und Kollegen

betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) geändert wird

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) geändert wird

 

Der Nationalrat hat beschlossen:

Das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 106/2016, wird wie folgt geändert:

 

Artikel 120a Abs. 2 entfällt.

Begründung

Mit dem ersten Bundesverfassungsbereinigungsgesetz wurden im Dezember 2007 die Kammern und die aus ihnen zusammengesetzte Sozialpartnerschaft von den parlamentarischen Angehörigen des untergehenden rot-schwarzen Machtkartells in den Verfassungsrang gehoben.

Die Hintergründe dieser Entscheidung von ÖVP und SPÖ liegen auf der Hand: die schwindende Bedeutung der Sozialpartnerschaft und die damit verbundene Legitimationskrise hätte möglicherweise zu einer allgemeinen Diskussion über die Notwendigkeit der Sozialpartner geführt. Ein Zurückdrängen der Macht der auf Zwangsmitgliedschaft basierenden Interessensvertretungen würde allerdings gleichzeitig einen direkten Machtverlust der beiden Traditionsparteien bedeuten. Statt über mögliche zukunftsweisende Reformen des aus der Zeit gefallenen Modells der Sozialpartnerschaft nachzudenken, wurde der institutionalisierte Reformunwille - ohne Anspruch auf eine Anpassung an geänderte wirtschaftliche Rahmenbedingungen - in der Bundesverfassung verankert; ein Musterbeispiel falschverstandener österreichischer Nostalgie und des zu hoch gehaltenen Strukturkonservativismus.

Schon bei der Beschlussfassung zeigten sich namhafte Verfassungsexperten verwundert über das Vorgehen von SPÖ und ÖVP. Als "völlig überflüssig" bezeichnete etwa der renommierte Verfassungsjurist Heinz Mayer die Verankerung der Sozialpartner in der Verfassung (siehe dazu: http://derstandard.at/3130357/Sozialpartner-in-Verfassungsrang-ueberfluessig).

Weshalb die Kammern als gesetzliche Interessensvertretungen keine verfassungsrechtliche Festschreibung verdienen, liegt auf der Hand: das österreichische Kammersystem ist die zur Institution gewordene Reformblockade, ein Instrument des rot-schwarzen Machtkartells und Mittel der parteipolitischen Einflussnahme auf Staat und Wirtschaft. Es ist ein System, das existiert, um eingefahrene Machstrukturen zu erhalten, und dabei Grundrechte missachtet. Unternehmer_innen und Arbeitnehmer_innen werden durch gesetzlichen Zwang dazu verpflichtet, ein System zu finanzieren, das vorrangig die Interessen einiger weniger vertritt und übergeordnete Ziele wie Gemeinwohl und Fortschritt aus den Augen verloren hat.

Die sozialpartnerschaftlichen Kammern sind in diesem Sinne Schumpeters Antithese. Sie verhindern die schöpferische Zerstörung. Sie stehen jenen im Weg, zu deren Vertretung sie gedacht wären. Sie sind in der Verfassung stehende, von der Allgemeinheit finanzierte Vorfeldorganisationen der Altparteien, die immer mehr Zuspruch verlieren.

Das Kammersystem basiert auf der ökonomischen und gesellschaftlichen Struktur der Nachkriegsjahrzehnte. Durch sie wird versucht, eine klare Trennung zwischen selbstständigen und unselbstständigen Erwerbstätigen wiederzugeben. Doch gerade die Entwicklungen der letzten Jahre lassen sich in diesem dichotomen System nicht abbilden. Die Kammern wollen diese Entwicklungen auch nicht aufnehmen, weil es bedeuten würde, dass sie ihre eigene Positionierung überdenken müssten. Dies mündet darin, dass sie diese zweigeteilte Struktur in allen ihren Handlungen, Forderungen und damit in ihrer Arbeit als Interessensvertretung reproduzieren. Dies wiederum ist natürlich ein Hemmschuh für Weiterentwicklungen von verschiedenen Formen der Erwerbstätigkeit (egal ob selbstständig oder unselbstständig) und damit letztlich ein Hemmschuh für die gesamten wirtschaftliche Entwicklung des ganzen Landes.

Über das System der Sozialpartnerschaft hinter verschlossenen Türen üben die Kammern Einfluss auf Politik und Gesetzgebung aus. Die oft gesetzlich zugestandene Macht manifestiert sich einerseits in direkter Einflussnahme auf wesentliche Politikbereiche, aber auch durch direkte Machtzugeständnisse von Seiten der ehemaligen Großparteien.

Wesentlich für die indirekte Macht der Kammern ist die in unzähligen Gesetzen zugestandene Teilnahme und Repräsentation in unterschiedlichsten Aufsichts- und Entscheidungsgremien, insbesondere in der Bundesverwaltung. Beispielhaft müssen hier die Sozialversicherungsträger genannt werden, die durchgängig sozialpartnerschaftlich organisiert sind und genau wie die Kammern ein System des Machterhalts repräsentieren, was sich insbesondere im Widerstand gegen eine Reform der verschiedenen Versicherungsträger manifestiert.

Dieser Einfluss der Kammern geht damit auch deutlich über das Aufgabengebiet der eigentlichen Interessenvertretung hinaus und ist gekennzeichnet von Intransparenz, unzureichender öffentlicher Kontrolle und zu wenig ausgeformten Kontrollrechten. Die Zwangsmitglieder wissen nicht, was alles mit ihren bezahlten Beiträgen finanziert wird. Das rot-schwarze Machtkartell versucht diese strukturelle Korruption zu legitimieren.

In formeller Hinsicht wird beantragt, diesen Antrag unter Verzicht auf die erste Lesung dem Verfassungsausschuss zuzuweisen.