2022/A(E) XXV. GP

Eingebracht am 01.03.2017
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

der Abgeordneten Josef Schellhorn, Kollegin und Kollegen

betreffend Neustrukturierung der Wirtschaftskammer

Niemand bestreitet, dass die Kammern vor langer Zeit praktikabel waren und ihre Organisation einen Zweck erfüllt haben. Doch seit Jahren steigt aliquot mit dem Vermögen der Kammern das Unvermögen Reformen durchzuführen. Eine selbstbewusste Wirtschaftskammer braucht keine Pflicht- bzw. Zwangsmitgliedschaft. Im Artikel 20 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte heißt es unmissverständlich: "Niemand darf gezwungen werden, einer Vereinigung anzugehören."

Dieses grundlegende Prinzip sollte auch hierzulande umgesetzt werden. Die Wirtschaftskammer hat als gesetzliche Vertretung der Wirtschaft zweifellos anerkennenswerte historische Verdienste um den sozialen Ausgleich in Österreich erlangt. Aufgrund ihrer tief verankerten, blockierenden Denkmuster und des einengenden Parteizugriffs war der Sprung ins 21. Jahrhundert für die Kammer aber nicht schaffbar. Weltweit ist Österreich das einzige Land, das die Kammern in der Verfassung verankert hat. Europaweit gibt es nur noch wenige Staaten, in denen das System der Zwangsmitgliedschaft sowohl für Unternehmer_innen als auch für Arbeitnehmer_innen besteht. Zahlreiche Länder, wie bspw. Polen oder Slowenien zeigen, dass die Kammern auch ohne Pflichtmitgliedschaften sehr wohl gut funktionieren können Die Wirtschaft braucht weniger Bürokratie, weniger Parteieneinfluss, mehr unternehmerische Freiheit und ein echtes Sprachrohr für Unternehmertum. Es braucht eine moderne, effiziente, effektive Interessenvertretung und Serviceorganisation - eine Wirtschaftskammer 2.0, die keine Pflichtmitgliedschaft mehr braucht. Bei jedem Euro an Mehrinvestitionen und bei jedem/r zusätzlichen Mitarbeiter_in kassiert die Wirtschaftskammer mehr Beiträge. Dies ist nicht nur ein finanzieller Mehraufwand für die Unternehmen, sondern auch wettbewerbsschädlich.

Die österreichischen Kammern, Wirtschaftskammer und Arbeiterkammer, sind öffentlich-rechtliche Interessensvertretungen und nach dem Prinzip der Selbstverwaltung aufgebaut. Ihre Macht spiegelt sich einerseits in ihrer starken, Eigeninteressen geleiteten Lobbyarbeit wider und andererseits nehmen die Sozialpartner auf viele politische Entscheidungen sehr starken Einfluss (Stichwort Schattenkabinett).

Die Wirtschaftskammer besteht aus einer Bundesorganisation (Wirtschaftskammer Österreich), die in sieben Sparten (Bundessparte Gewerbe und Handwerk, Industrie, Handel, Bank und Versicherung, Transport und Verkehr, Tourismus und Freizeitwirtschaft, Information und Consulting) aufgegliedert ist. Hinzu kommen neun Wirtschaftskammern in den Bundesländern, die jeweils wieder in die sieben Sparten aufgegliedert sind. Diese Sparten gliedern sich wiederum in Fachorganisationen, Fachverbände, Fachgruppen, Innungen oder Gremien. In allen zehn Bund/Länderorganisationen gibt es zusätzlich Abteilungen, die politische und organisatorische Aufgaben erfüllen. Insgesamt bläht sich diese Organisation aufgrund der Verzehnfachung durch die Bundesländer und einer generell völlig veralteten Organisationsstruktur auf rund 800 Fachorganisationen, die insgesamt 4644 Mitarbeiter_innen benötigen, auf. Auch an Funktionär_innen mangelt es nicht, alleine die Wirtschaftskammer Wien leistet sich neben dem Präsidenten zusätzlich sieben bezahlte Vizepräsidenten.

Durch Zwangsbeiträge (welche nicht die einzige Einnahmequelle darstellen) finanzieren Unternehmer_innen Gesamteinnahmen in Höhe von 873,2 Millionen Euro. (Stand 2014). Durch diese Beiträge haben die Wirtschaftskammern fast 1 Mrd Euro (2015: 0,97 Mrd Euro) angehäuft. Der § 131 des Wirtschaftskammergesetz sieht hier lediglich vor "angemessene Rücklagen zu bilden."

Genauer besagt der §131 WKG folgendes:

 "Die Gebarung der nach diesem Bundesgesetz gebildeten Organisationen hat nach den Grundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit zu erfolgen. Die in den §§ 122 bis 125 vorgesehenen Kammerumlagen, Grundumlagen und Gebühren für Sonderleistungen sind innerhalb der in diesen Bestimmungen festgelegten Höchstgrenzen nur in solcher Höhe festzusetzen, dass ihr Aufkommen zusammen mit allfälligen sonstigen Erträgen einschließlich der Leistungsentgelte den in den genehmigten Jahresvoranschlägen festgelegten Aufwand deckt und unter Bedachtnahme auf die unterschiedliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Unternehmungen der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt wird. Zum Ausgleich von unvorhergesehenen Schwankungen bei den Erträgen und Aufwendungen sowie zur Bedeckung bestimmter Vorhaben sind angemessene Rücklagen zu bilden."

Aus diesem Grund bedarf es einer strukturellen Reform der Kammer.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG



Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft, wird aufgefordert, dem Nationalrat ehestmöglich Gesetzesvorschläge mit folgenden Zielen vorzulegen:

1.    Die Wirtschaftskammerorganisation (wie sie in § 3 des Wirtschaftskammergesetz geregelt ist) zu entschlacken;

2.    Schlankere Interessensvertretung ohne Pflichtmitgliedschaft: Die Mitgliedschaft sollte freiwillig erfolgen und soll in Branchen unterteilt werden. Landesorganisationen sind nicht notwendig. Servicestellen kann es auch auf z.B. Bezirksebene geben."



In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Wirtschaft und Industrie vorgeschlagen.