244/A XXV. GP

Eingebracht am 24.02.2014
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ANTRAG

 

der Abgeordneten Alev Korun, Nikolaus Scherak, Freundinnen und Freunde

 

 

betreffend Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 23. Jänner 1974 über die mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlungen (Strafgesetzbuch) geändert wird

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 23. Jänner 1974 über die mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlungen, BGBl Nr. 60/1974, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 134/2013, geändert wird

 

 

Der Nationalrat hat beschlossen:

 

Das Bundesgesetz vom 23. Jänner 1974 über die mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlungen, BGBl Nr. 60/1974, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 134/2013, wird geändert wie folgt:

 

§282 Abs.2 entfällt

 

 

Begründung:

 

Wie der Fall von Michael Genner, Obmann des Vereins Asyl-in-Not, zeigt (er hatte in seinem Artikel den Tatbestand der Schlepperei hinterfragt und darauf hingewiesen, dass jene FluchthelferInnen, die Menschen die Flucht vor Verfolgung, Folter und Mord ermöglichen, „sozial nützliche Arbeit“ verrichten und wurde daraufhin angeklagt), gibt es im Strafgesetzbuch Regelungen, die von Teilen der Strafverfolgungsbehörden so ausgelegt werden, dass sie bereits eine leidenschaftlich vorgebrachte Gesellschaftskritik unter Strafe stellen. Menschen, die bestehende Strafgesetze vehement oder leidenschaftlich kritisieren, indem sie die pönalisierte Handlung billigen, droht damit eine bis zu zweijährige Gefängnisstrafe. Herr Genner wurde anonym angezeigt und die Staatsanwaltschaft erhob wegen §282 Abs. 2 StGB Anklage. Als das mediale Aufsehen stieg, veranlasste die Oberstaatsanwaltschaft die Einstellung des Strafverfahrens mit dem Argument, Art. 10 EMRK (Meinungsfreiheit) sei nicht ausreichend berücksichtigt worden.


Das zeigt, welch weiten Interpretations- und damit Ermessenspielraum §282 Abs. 2 StGB („Gutheißung mit Strafe bedrohter Handlung“) den Behörden und Gerichten eröffnet. Der Paragraph 282 Abs. 2 StGB bedient sich relativ unbestimmter Gesetzesbegriffe. So wird auf die „Empörung des allgemeinen Rechtsempfindens“ oder das „Aufreizen“ zur Begehung einer strafbaren Handlung abgestellt. Den Gerichten kommt hier ein sehr breiter Spielraum zu, um zu beurteilen, wann eine Äußerung vehement genug war, um –theoretisch– jemanden zur Tatbegehung „aufzureizen“ oder eine entsprechende Empörung zu verursachen. Das ist umso unklarer, als es sich bei § 282 Abs. 2 StGB um ein sogenanntes „abstraktes Gefährdungsdelikt“ handelt, es also dabei völlig unerheblich ist, ob eine solche „Empörung“ bei irgendjemand tatsächlich stattgefunden hat oder jemand tatsächlich zu einer Tat „aufgereizt“ wurde. Wie unterschiedlich die Auffassungen in der Gerichtsbarkeit sein können, zeigte sich klar im Fall von Herrn Genner. Diese Unklarheit, wann und wie diese Regelung zur Anwendung kommt, untergräbt die im Strafrecht zentrale Rechtssicherheit.

 

Außerdem steht die Regelung in einem offenen Konflikt zu Art 10 EMRK, der Meinungsfreiheit. Denn während mit dem §282 Abs. 2 StGB empörende Aussagen kriminalisiert werden, schützt die Meinungsfreiheit gerade auch solche Aussagen und Meinungen, die Teile der Bevölkerung oder auch die Regierung schockieren, verletzen oder beunruhigen (siehe Handyside vs GB, Erdogdu and Ince vs Turkey[1]). Das gilt besonders bei der Auseinandersetzung mit politischen Aussagen. Sogar explizites Protestverhalten (zB das Stören einer Jagd, Aufhalten eines Autobahnbaus) kann davon umfasst sein. Das heißt, dass das Kriminalisieren solcher Äußerungen dem Grundgedanken der Meinungsfreiheit widerspricht: Dieser soll sicherstellen, dass politische Debatten zu heiklen Themen – darunter auch das Strafrecht- angstfrei und offen geführt werden können. Dieser gesellschaftliche Dialog ist in einer demokratischen Gesellschaft unabdingbar, da sich nur anhand einer gesellschaftlichen Debatte Rechtsnormen, wie auch das Strafrecht, weiterentwickeln. Zur Erinnerung: Auch der "Homosexuellen-Paragraph" (§209 StGB), wurde erst nach offener, oft leidenschaftlicher, Kritik und Diskussion abgeschafft. Diese Diskussionen sind in einer Demokratie notwendig und dürfen nicht durch überbordende Strafdrohungen unterbunden werden.

 

Dem Antrag folgend soll das Auffordern zu einer Straftat (§ 282 Abs. 1 StGB) grundsätzlich auch weiterhin strafbar bleiben, und damit eine Annäherung an die entsprechenden Bestimmungen im deutschen und schweizerischen Strafgesetzbuch erfolgen, wo ebenfalls mit dem „Auffordern zu einer Straftat“ das Auslangen gefunden wird.

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Justizausschuss vorgeschlagen

 



[1]Freedom of expression constitutes one of the essential foundations of a democratic society and one of the basic conditions for its progress and for each individual's self-fulfilment. Subject to paragraph 2 of Article 10, it is applicable not only to “information” or “ideas” that are favourably received or regarded as inoffensive or as a matter of indifference, but also to those that offend, shock or disturb. Such are the demands of that pluralism, tolerance and broadmindedness without which there is no “democratic society”.