645/A(E) XXV. GP

Eingebracht am 24.09.2014
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Entschließungsantrag

 

der Abgeordneten Steinbichler,

Kolleginnen und Kollegen

betreffend „Qualitätsgütesiegel-Gesetz“

 

Eingebracht im Zuge der Debatte zum Dringlichen Antrag "Wirtschaftskrieg, Rekordarbeitslosigkeit und TTIP: Ös-terreich als Marionette, gefangen zwischen Ost und West" in der Sondersitzung des Nationalrates vom 23.09.2014.

 

Seit Jahren wird die Realisierung und rechtliche Verbindlichkeit eines einheitlichen Gütesiegels für die Lebensmittelkennzeichnung in Österreich diskutiert. In Österreich sind Produktion und Handel von Nahrungsmittel durch eine Vielzahl von Vermerken, Aufdrucken, Gütesiegel, Biosiegel und anderer rechtlich nicht einheitlich geregelter Kennzeichnungen geprägt. Die Konsumenten sehen sich einer Kennzeichnungsinflation ausgeliefert, die statt Anleitung zum sicheren Einkauf von Lebensmittel Verwirrung und Unsicherheit stiftet. Verarbeiter und Endverbraucher können nicht 100%ig sicher gehen, woher die von ihnen bezogenen Lebensmittel tatsächlich stammen, wie und wo sie verarbeitet wurden und unter welchen Bedingungen die Aufzucht bzw. der Anbau erfolgt ist. Die in Österreich kursierenden Kennzeichnungen sind untereinander nicht vergleichbar und haben damit für die Konsumenten keine Aussagekraft über tatsächliche Qualität und fairen Preis der angebotenen Produkte.

So sind neben dem AMA-Gütesiegel über 100 weitere „Gütezeichen“ und Eigenmarken in Verkehr, die das AMA-Gütesiegel zu einem unverbindlichen Scheinsiegel degradieren. Aus Konsumentensicht ermöglicht aber auch das AMA-Gütesiegel keinen echten Qualitätsvergleich, da nur der geringere Teil der in Österreich angebotenen Lebensmittel den AMA-Richtlinien folgt.

Dessen ist sich auch der Landwirtschaftsminister bewusst:

„In Österreich gibt es derzeit im Bereich der Lebensmittelkennzeichnung nur das AMA- Gütesiegel und das AMA – Biozeichen sowie in diesem Bereich auch die Zeichen BOS, SUS und OVUM, welche rechtlich relevant sind. Alle anderen Auslobungen auf Lebensmitteln sind reine Wort-Bildmarken, die keine rechtlich verbindliche Güteaussage treffen. Es gibt kein Instrument, mit dem die AMA die Verwendung von anderen Wort-Bildmarken unterbinden könnte. Die Auslobung unwahrer Angaben ist allenfalls nach patentrechtlichen oder strafrechtlichen Vorschriften zu beurteilen.“[1]

Darüber hinaus kann die derzeitige Handhabung des AMA-Gütesiegels ebenso keine Sicherheit für die 100%ige österreichische Herkunft des damit versehenen Lebensmittels garantieren. Eine einheitliche, verbindliche Kennzeichnung für alle in Österreich angebotenen Lebensmittel muss daher endlich um-gesetzt werden. Laut Grünem Bericht ist die Zahl der am AMA-Gütesiegel teilnehmenden Betriebe rückläufig. Nahmen 2011 noch 48.599 Betriebe die AMA-Richtlinien an, so ging 2013 die Anzahl der teilnehmenden Betriebe um 2.299 auf 46.300 Betriebe zurück[2]. Mit der Erfassung von AMA-Gütesiegel-Betrieben kommt es in der Regel zu Mehrfacherfassung, was bedeutet, dass die absolute Zahl der


teilnehmenden Betriebe tatsächlich niedriger ausfällt. Insgesamt gab es 2010 in Österreich laut Statistik Austria 173.317 Land- und Forstwirtschaftliche Betriebe, gemessen an dieser Zahl liegt der Anteil der am AMA-Gütesiegel teilnehmenden Betriebe dann gerade einmal bei 28%.

In der Vergangenheit hat es bereits mehrere Anläufe gegeben, um die Bundesregierung zu einer einheitlichen, rechtlich verbindlichen Kennzeichnung von Lebensmittel zu bewegen. So gab es im November 2009 einen Fünfparteienantrag für eine Reform der Gütezeichenverordnung. Damals forderten die Abgeordneten aller im Parlament vertretenen Parteien die Umsetzung der im Regierungsprogramm von 2010 zwischen SPÖ und ÖVP vereinbarten Reform der Gütezeichenverordnung. Im derzeit aktuellen Regierungsprogramm steht im Kapitel Gesundheit, dass „die Umsetzung einer klaren Herkunftskennzeichnung der Produkte und Rohstoffe auf EU-Ebene KonsumentInnen verlässliche und gesicherte Informationen sowie Schutz vor Täuschung bieten[3] soll.

Von einer echten Herkunftskennzeichnung für Lebensmittel kann trotz aller Bemühungen und Anläufen leider noch immer nicht die Rede sein. Im Gegenteil, die geheim gehaltenen Verhandlungen um TTIP   & Co lassen Schlimmstes für Konsumenten und heimische Lebensmittelproduzenten erwarten. Globa-lisierung und Industrialisierung der Lebensmittelproduktion führen zu einer für die Konsumenten nicht mehr nachzuvollziehenden „Reisetätigkeit“ von Lebensmittel. Denn Lebensmittel haben zu einem großen Teil bereits mehrere tausend Kilometer hinter sich, bevor sie in den österreichischen Supermärkten zum Verkauf angeboten werden. Bei Obst und Gemüse ist noch leicht erkennbar, dass etwa Bananen aus Kolumbien, Weintrauben aus der Türkei, Ananas aus Costa Rica, Clementinen aus Spanien, Kiwis aus Neuseeland, Mangos aus Brasilien oder Papayas aus Thailand mehr von der Welt gesehen haben als diejenigen, die sie kaufen und verzehren. Bei Fleischprodukten wird es schon schwieriger, denn die wenigsten Konsumenten wissen, dass Lamm aus Neuseeland, Rindfleisch aus Brasilien und Argenti-nien, Shrimps und Geflügel aus China oder Fisch (Pangasius) aus dem Mekong-Delta nach tausenden Reisekilometern u.a. als Gefrierware in Österreichs Supermärkten landen. Selbst die Fertigbackmischungen für die vorgebliche Frischware aus dem Supermarktaufbackofen beinhalten zum größten Teil Rohstoffe, die nicht aus Österreich stammen.

Und auch bei so Alltäglichem wie Kartoffel gibt es negative Beispiele. Im Frühjahr bot eine renommierte österreichische Supermarktkette heurige Kartoffel aus Ägypten an, obwohl zu diesem Zeitpunkt mit der Sorte „Eferdinger Landl“ ausreichend inländische Kartoffel höchster Qualität vorhanden waren. Solche Vorgehensweisen führen dazu, dass heimische Ware nicht konkurrenzfähig angeboten werden kann und vernichtet wird. Ausländische Ware ist trotz tausender, klimaschädigender Transportkilometer und fehlender Umweltstandards sowie fragwürdiger Produktionsweisen (Kinderarbeit etc.) in Österreich bil-liger zu haben, als die heimische Qualitätsproduktion vor Ort. Den österreichischen Konsumenten wird dabei tunlichst verheimlicht, wieviel Klimaschädigung und soziales Leid mit dem Angebot solcher Produkte verursacht wird. Solche Beispiele ließen sich für alle Bereiche der Lebensmittelproduktion fortsetzen.

Wir brauchen daher eine rechtlich verbindliche Regelung, die garantiert, dass auf allen angebotenen Lebensmitteln wo Österreich drauf steht, auch Österreich drinnen ist. Es muss Schluss sein mit Produkten, die sich als „österreichisch“ ausgeben dürfen, obwohl lediglich die Schlachtung bzw. die Verpackung in Österreich erfolgt. Österreich braucht ein transparentes Qualitätsgütesiegel-Gesetz für alle  in Österreich angebotenen Lebensmittel, das Herkunft, Erzeugungsart, Verarbeitung, Transport und La-gerung ausweist, um den Konsumenten den fairen Vergleich von Qualität und Preis zu ermöglichen. Nur so kann den österreichischen Konsumenten Lebensmittelwahrheit garantiert werden.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachstehenden Entschließungsantrag:


 

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt- und Wasserwirtschaft, wird aufgefordert, in Einvernehmen mit den in der gegenständlichen Angelegenheit relevanten Ressorts dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der geeignet ist, die Einführung eines rechtlich verbindlichen, einheitlichen Qualitätssiegels für alle in Österreich angebotenen Lebensmittel zu ermöglichen.“

 

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft vorgeschlagen.



[1] 108/AB XXV. GP (Steinbichler an Berlakovich, BA durch Rupprechter)

[2] Grüner Bericht 2014 (Tabellenteil)

[3] Arbeitsprogramm der Österreichischen Bundesregierung 2013-2018 S.59