929/A(E) XXV. GP

Eingebracht am 25.02.2015
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Nikolaus Scherak, Kollegin und Kollegen

betreffend Beitritt der Europäischen Union zur Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten

 

Der am 1. Dezember 2009 in Kraft getretene Vertrag von Lissabon (2007) verlieh der durch ihn geschaffenen neuen Europäischen Union die Kompetenz, einen Beitrittsvertrag zur Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention) zu schaffen. Art 6 Abs 2 EUV stattet in diesem Zusammenhang die Europäische Union aber nicht nur mit dieser Kompetenz aus; die Europäische Union wird geradezu verpflichtet, der Europäischen Menschenrechtskonvention beizutreten, indem unmissverständlich postuliert wird: "Die Union tritt der EMRK bei".

Erstmals in der Geschichte des internationalen Menschenrechtsschutzes müssen daher nun zwei bisher unterschiedlich ausgeformte und judikativ verdichtete Menschenrechtsschutz-Systeme nicht nur einander angeglichen, sondern sogar ineinander übergeführt werden.

Der Europäische Gerichtshof äußerte sich allerdings negativ zum Entwurf der Übereinkunft über den Beitritt der Europäischen Union zur Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten und stellte Probleme bei der Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht fest. Nachdem der EuGH einen früheren Versuch eines Beitritts als mit den Verträgen unvereinbar gesehen hatte (Gutachten 2/94), hat er es nun wieder getan und deklariert damit abermals seinen Widerwillen, die Unionsrechtsordnung (insbesondere seine eigenen Urteile) einer externen Prüfung durch den EGMR zu unterwerfen. Zusammengefasst betont der EuGH vor allem die Autonomie des EU-Rechts und die ausschließliche Zuständigkeit des EuGH. Die Bedeutung der Autonomie liegt laut EuGH darin, dass einem internationalen Gericht nicht die Zuständigkeit für eine verbindliche Auslegung des Unionsrechts übertragen werden darf, insbesondere nicht über die Kompetenzverteilung zwischen der EU und den Mitgliedstaaten. Gemäß Artikel 344 AEUV hat zudem der EuGH die ausschließliche Zuständigkeit zur Auslegung des Unionsrechts. Der Beitritt der EU zur EMRK würde den EGMR befugen, über die Vereinbarkeit von Handlungen und Unterlassungen der Union mit der EMRK zu entscheiden; und genau darin liegt der wesentliche Punkt. Lückenloser Rechtsschutz kann nämlich nur genau so gewährleistet werden, weil der Einzelne dadurch seine Rechte nicht nur gegenüber dem Nationalstaat, sondern auch gegenüber EU-Institutionen mithilfe einer Klage beim EGMR geltend machen könnte.

Die Union ist also aus der Sicht des EuGH in ihrer momentanen Verfasstheit und angesichts ihres Entwicklungsstatus nicht in der Lage, der EMRK beizutreten; sie wird es erst dann sein, wenn es zu grundlegenden Änderungen, die auch das Primärrecht betreffen, gekommen ist. Da das Gutachten des EuGH ablehnend war, kann die geplante Übereinkunft somit nur in Kraft treten, wenn sie oder die Verträge geändert werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG




Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres wird aufgefordert, sich auf EU-Ebene verstärkt dafür einzusetzen, dass die rechtlichen Regelungen, die nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs einem Beitritt der Europäischen Union zur Europäischen Menschenrechtskonvention entgegenstehen, entsprechend abgeändert werden, sodass ein Beitritt der Europäischen Union zur Europäischen Menschenrechtskonvention, wie in Art 6 Abs 2 EUV vorgesehen, so rasch wie möglich erfolgen kann."



In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Menschenrechte vorgeschlagen.