1165/AB XXV. GP

Eingelangt am 05.06.2014
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz

Anfragebeantwortung

Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 1287/J des Abgeordneten Neubauer und weiterer Abgeordneter wie folgt:

 

Frage 1:

Das Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz hat bereits im Jahr 2009 die Ergebnisse einer Befragung von Expertinnen und Experten in österreichischen Beratungs- und Hilfeeinrichtungen zum Thema „Übergriffe, Gewalt und Aggression gegen ältere Menschen“ veröffentlicht (Durchführung durch Univ. Prof. Dr. Hörl, Institut für Soziologie der Universität Wien).

·        Fragebogenunterstützte Online- und Telefoninterviews wurden mit insgesamt 247 ExpertInnen von Einrichtungen in ganz Österreich (Vertreter/innen von Behörden, Familien- und Frauenberatungsstellen, Selbsthilfegruppen, Opferberatungsstellen, Wohlfahrtsorganisationen, Beschwerdestellen, Interessensvertretungen und medizinischen Einrichtungen) durchgeführt.

·        Grundsätzlich wurde unterschieden zwischen vier Situationen, in denen Gewalthandlungen bzw. Übergriffe gegen ältere Menschen auftreten und ein Beratungs- und Hilfebedarf entsteht: Kriminalität (durch fremde Personen), in Heimen und Krankenhäusern, im private Nahbereich von Familie und Nachbarschaft sowie im öffentlichen Raum (z.B. Ämter, Verkehrsmittel, Massenmedien).

·        Nur eine von zehn befragten Stellen hat keinerlei Erfahrungen mit dem Themenbereich. Etwa ein Viertel (26%) der befragten Einrichtungen haben „oft“ bzw. „sehr oft“ mit Gewalt aus dem privaten Nahbereich zu tun. 12% der Einrichtungen berichten über Vorkommnisse in Institutionen und dem öffentlichen Raum. Die wenigsten, nämlich etwa 6% berichten über Erfahrungen mit Gewalt an Älteren durch Kriminalität. Der persönliche Nahbereich birgt somit die relativ größte Gefahr für Gewalt an älteren Menschen in sich.

·        Am häufigsten manifestiert sich Gewalt in Form finanzieller Ausbeutung, grober Beschimpfung und Drohung, gefolgt von Missständen im Sinne von Verwahrlosung (z.B. infolge von Alkoholismus).

·        Auf einer anderen Ebene liegend, aber ebenso schwerwiegend und nicht isoliert zu betrachten sind die Überforderungsprobleme von pflegenden Angehörigen, womit sich 85% der Einrichtungen konfrontiert sehen.

 

Weiters liegen Zahlen aus einer Studie im Rahmen des EU-Programms Daphne vor, an der das Forschungsinstitut des Roten Kreuzes als österreichscher Partner teilgenommen hat. Das Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz hat diese „Prävalenzstudie zu Gewalt an älteren Frauen im sozialen Nahraum” kofinanziert, die Ergebnisse wurden 2011 veröffentlicht.

·        An der Studie haben in Privathaushalten lebende ältere Frauen im Alter zwischen 60 bis 97 Jahren teilgenommen. Sie wurden 2010/2011 per telefonischer Umfrage zu ihren persönlichen Erfahrungen mit Gewalt und Misshandlung in den letzten 12 Monaten durch persönlich nahestehende Personen befragt.

·        Die Ergebnisse zeigen, dass in Österreich etwa jede vierte (24 %) ältere Frau Gewalt im sozialen Nahraum erlebt hat.

·        Nach unterschiedlichen Formen der Gewalt analysiert, war psychische Misshandlung die am häufigsten erlebte Form von Gewalt (24 %), gefolgt von finanzieller Ausbeutung (9 %), Verletzung der Persönlichkeitsrechte (6 %) und Vernachlässigung (5 %). Sexuelle und physische Gewalt (je 3 %) kamen am seltensten vor.

 

Frage 2:

Das Sozialministerium setzt seit einigen Jahren gezielt Maßnahmen zur Verhinderung von Gewalt an älteren Menschen. Basis dieser Aktivitäten ist kein strafrechtlicher Gewaltbegriff, sondern eine breitere sozialwissenschaftliche Definition der Gewalt an älteren Menschen, der das Ziel eines Lebens in Würde und mit Selbstbestimmung zugrunde liegt.

·        Der vom Sozialministerium 2009 herausgegebene Folder „Gewalt erkennen. Fragen und Antworten zu Gewalt an älteren Menschen“ behandelt verschiedene Formen von Gewalt. Neben physischer Gewalt werden finanzielle Ausbeutung, Einschränkung des freien Willens, seelische Gewalt und Vernachlässigung thematisiert. Der Folder wird anhaltend stark nachgefragt, mittlerweile wurden rd. 60.000 Stück bundesweit verteilt.

·        In Workshops zum Aufbau regionaler Beratungskompetenz, die im Herbst 2011 und 2012 in allen Bundesländern stattgefunden haben, wurden die verschiedenen Formen von Gewalt diskutiert. Teilgenommen haben Personen aus Organisationen und Einrichtungen, die in ihrer beruflichen oder ehrenamtlichen Tätigkeit direkten Kontakt mit alten Menschen haben und schon mit Fragen der Gewalt an älteren Menschen konfrontiert waren (z.B. in SeniorInnen- oder Wohlfahrtsorganisationen, Opferhilfeeinrichtungen, regionalen Netzwerken,  Beratungsstellen, dem medizinischen Bereich, Pflegebereich). 

·        Die TeilnehmerInnen dieser Workshops haben betont, dass in Einrichtungen des Sozial- und Gesundheitswesens oftmals das Bewusstsein über den Themenbereich Gewalt fehlt. Ein Leitfaden zur Gewaltprävention in Betreuungsorganisationen wird derzeit durch mein Ressort erstellt und Anfang 2015 vorliegen. In diesem Leitfaden soll gezeigt werden, wie mittels eines Stufenplans konkrete Präventionsmaßnahmen in der jeweiligen Einrichtung umgesetzt werden können.

Zu allen genannten Maßnahmen siehe auch: http://www.sozialministerium.at//site/Soziales/Seniorinnen_und_Senioren/Gewalt_gegen_aeltere_Menschen/ )

 

Frage 3:

Spezifische Gewaltprävention soll durch die 2009 gestartete Folderserie „Gewalt erkennen“unterstützt werden. Ziel ist durch  Bewusstseinsbildung beizutragen, dass Gewalthandlungen wahrgenommen und Situationen, die zu Gewalt (auch subtiler Gewalt) führen können, frühzeitig erkannt werden.

Veröffentlicht wurden die mittlerweile drei Folder jeweils am 15. Juni, dem Internationalen Tag gegen Gewalt an älteren Menschen.  Verteilt wurden/werden sie u.a. über Apotheken und Praxen der AllgemeinmedizinerInnen und das Broschürenservice des Sozialministeriums. Alle Folder werden nach wie vor stark nachgefragt.

·        Neben dem o.g. Folder „Gewalt erkennen. Fragen und Antworten zu Gewalt an älteren Menschen“ wurde 2011 der Folder „Gewalt erkennen. Fragen und Antworten zu Demenz und Gewalt“ herausgegeben. Dieser Folder stellt die komplexen Zusammenhänge zwischen  Krankheitsfolgen, fehlender Information, Überforderung und Gewalthandlungen dar und verdeutlicht anhand konkreter Beispiele die verschiedenen Formen der Gewalt an Menschen mit Demenz. Er thematisiert aber auch die Tabuisierung der Krankheit Demenz in der Gesellschaft und die Stigmatisierung der Betroffenen und der Betreuungspersonen, die dazu beitragen, dass die Krankheit lange ignoriert und eine ärztliche Abklärung hinauszögert wird. 

·        Der 2012 herausgegebene Folder „Gewalt erkennen. Ältere Menschen in Institutionen“ geht auf die unterschiedlichen Formen „seelischer Gewalt“ wie respektlosen Umgang, fehlende Privatsphäre oder Einschränkungen durch überbordende Reglementierungen ein. Er stellt Zusammenhänge zwischen direkter personeller Gewalt und indirekter struktureller bzw. kultureller Gewalt her. Der Folder sensibilisiert dafür, wie Werthaltungen in der Gesellschaft und Vorurteile gegen ältere Menschen den Nährboden dafür bilden können, dass respektloses Verhalten, Demütigungen und Übergriffe toleriert werden.

Bei Gewaltprävention geht es nicht zuletzt auch darum, ein positives und differenziertes Bild älterer Menschen in der Gesellschaft zu bewirken. Der Dokumentarfilm „Lebenssinn bleibt“, den am 1.  Oktober 2010 öffentlich präsentiert und verstärkt  im EU-Jahr 2012 für Diskussionsrunden in den Bundesländern zum Thema „Aktiv altern“ und „Altern in Würde“ eingesetzt wurde, trägt als  eine der Maßnahmen meines Ressortebenfalls dazu bei.