19/AB XXV. GP
Eingelangt am 09.01.2014
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfragebeantwortung
Ich
beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische Anfrage Nr.
119/J der Abgeordneten Dr. Jessi Lintl u.a. betreffend „Berücksichtigung
der
Qualifikation von Migrant/innen“ wie folgt:
Einleitend möchte ich kurz auf den in der Anfrage wiedergegebenen Artikel auf orf.at vom 30.10.2013 eingehen. Der zitierte Projektbericht „MIQUAM – MigrantInnen, Qualifizierung, Arbeitsmarkt“ stammt aus Dezember 2011. Daher konnten in diese Arbeit wichtige Entwicklungen betreffend die Anerkennung ausländischer Qualifikationen, die in den letzten beiden Jahren stattfanden, nicht einfließen. Dies betrifft v.a. die im Rahmen einer Interministeriellen Arbeitsgruppe im Laufe des Jahres 2012 erfolgte Konzepterarbeitung für Maßnahmen zur Anerkennung und Bewertung von ausländischen Qualifikationen, die Anfang 2013 zur flächendeckenden Einrichtung von Anlaufstellen für Personen mit Fragen zur Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen führte.
Das
BMASK fördert dabei vier regionale Anlaufstellen in Wien, Graz,
Linz und Innsbruck – mit wöchentlichen Beratungstagen in den
übrigen Landeshauptstädten. Die neuen Anlaufstellen bieten
niederschwellig mehrsprachige Information, Beratung und Unterstützung in
Anerkennungsfragen, unterstützen beim Einholen benötigter Unterlagen
und Weiterleitung an die zuständigen Anerkennungs- oder Bewertungsstellen
und begleiten durch das gesamte Anerkennungsverfahren. Alle Leistungen, inkl.
Übersetzung benötigter Zeugnisse oder Diplome, werden kostenlos
angeboten. Dadurch sollen in Ergänzung zu bestehenden Strukturen eine
qualifikationsadäquate Integration in den Arbeitsmarkt erleichtert und
mitgebrachte Kompetenzen bestmöglich für den Arbeitsmarkt genutzt
werden.
Das neue Angebot der Anlaufstellen wird sehr gut angenommen – im ersten
Halbjahr 2013 wurden bereits mehr als 3.000 Beratungen durchgeführt.
Zusätzlich bietet auch die Website www.berufsanerkennung.at eine erste Übersicht, Hinweise auf Beratungsmöglichkeiten und Kontakte sowie Informationen zum Arbeiten in Österreich.
Frage 1:
In Österreich gibt es keine einheitlichen Regelungen betreffend die formale Anerkennung von aus dem Ausland mitgebrachten Qualifikationen. Entsprechende Verfahren finden sich in einer Vielzahl von Bundes- und Landesgesetzen und sind davon abhängig, für welchen Bereich (etwa Beruf oder Studium) sie benötigt werden.
Eine formale Anerkennung beruflicher Qualifikationen oder von Arbeitserfahrung ist nur in reglementierten Berufen zwingend notwendig – also in solchen Berufen, in denen der Nachweis bestimmter Qualifikationen (etwa bei ÄrztInnen, ApothekerInnen, ArchitektInnen) oder ein Befähigungsnachweis für reglementierte Gewerbe (z.B. Handwerk) die Voraussetzung für das Recht der Berufsausübung ist.
Über die berufliche Anerkennung entscheidet die jeweils zuständige Berufsbehörde. Die Zuständigkeit für die Durchführung der Verfahren kann sich danach unterscheiden, ob die Qualifikation im EU-/EWR-Raum bzw. in der Schweiz (EU-Berufsanerkennungsrichtlinie) oder aber in einem Drittstaat erworben wurde – wie z.B. bei der Nostrifikation nichtärztlicher Gesundheitsberufe.
Wichtige Formen der Anerkennung von ausländischen Qualifikationen in Bezug auf die Berufsausübung sind:
·
Gleichhaltung von Lehrabschlüssen
(Zuständigkeit: BMWFJ)
Einige in Deutschland, Ungarn oder Italien (Südtirol) abgeschlossenen
Berufsausbildungen sind aufgrund von Berufsbildungsabkommen voll
gleichgehalten.
Ansonsten kann ein Antrag auf Gleichhaltung zu drei unterschiedlichen
Ergebnissen führen: volle Gleichhaltung, Zulassung zur verkürzten
Lehrabschlussprüfung oder zur außerordentlichen vollen Lehrabschlussprüfung
·
Nostrifikation von Schulzeugnissen (Zuständigkeit:
BMUKK)
Der Nostrifikationsbescheid listet zu absolvierende Zusatzprüfungen auf.
Innerhalb des EWR gilt die EU-Anerkennungsrichtlinie, die einen unmittelbaren
Berufszugang ohne Nostrifikation ermöglicht.
·
Nostrifizierung von akademischen Graden(Zuständigkeit:
jeweilige Universität bzw. Fachhochschule)
Ist die Anerkennung eines ausländischen Studienabschlusses als
gleichwertig mit dem Abschluss eines inländischen Bachelor-, Master-,
Diplom- oder Doktoratsstudiums durch das für Studienangelegenheiten
zuständige Organ einer Universität bzw. durch das
Fachhochschulkollegium, inkl. Recht auf Führung des österreichischen
akademischen Grades und der Berechtigung zur Ausübung eines Berufes.
Innerhalb des EWR gilt die EU-Anerkennungsrichtlinie mit unmittelbarem
Berufszugang, eine Nostrifizierung ist daher nicht notwendig und auch nicht
möglich. Mit einzelnen Staaten gibt es bilaterale Abkommen, in denen die
Gleichwertigkeit bestimmter Studien anerkannt wird.
·
Bewertung von akademischen Abschlüssen
(Zuständigkeit: BMWF)
Das Nationale Informationszentrum für akademische Anerkennung (ENIC NARIC
Austria) stellt auf Antrag eine offizielle, nicht bindende Empfehlung für
die Bewertung ausländischer Hochschuldiplome aus. Berücksichtigt
werden dabei u.a. der Status der Bildungsinstitution, das Niveau der Ausbildung
sowie allf. berufliche Berechtigungen im Herkunftsland. Ein solches
Bewertungsschreiben ist relativ unbürokratisch zu erhalten und in der
Praxis hilfreich.
Möchten ZuwanderInnen eine weiterführende Schule besuchen oder (weiter) studieren, gibt es eine Vielzahl an multi- oder bilateralen Verträgen, in denen Reifezeugnisse, Prüfungen und Studien wechselseitig als gleichwertig anerkannt werden. Ansonsten entscheidet die betreffende Schule, Universität oder Fachhochschule über eine Zulassung zum Schulbesuch bzw. Studium und evtl. Auflagen.
Frage 2:
Aufgrund des dezentral organisierten Anerkennungswesens in Österreich sind keine zentral erstellten Statistiken über die Zahl von erfolgten Anerkennungen verfügbar.
Ein Sondermodul der Arbeitskräfteerhebung im Rahmen des Mikrozensus 2008 zur Arbeits- und Lebenssituation von MigrantInnen (Statistik Austria, 2009) zeigte, dass sieben von zehn MigrantInnen ihre Ausbildung nicht in Österreich abgeschlossen hatten. Davon stellten lediglich 18% Anträge auf Anerkennung ihrer Ausbildung, welche größtenteils erfolgreich erledigt werden konnten. Häufig wurde die formale Anerkennung der Ausbildung nicht als notwendig für die ausgeübte Erwerbstätigkeit betrachtet.
Hinweise auf die Größenordnung der Anerkennungsverfahren in den Jahren 2010 bzw. 2011 liefert die Studie „Anerkennung ausländischer Qualifikationen und informeller Kompetenzen in Österreich“ der Donau-Universität Krems (Biffl/Pfeffer/ Skrivanek, 2012). Demnach wurden insgesamt rund 700 ausländische Schulzeugnisse nostrifiziert bzw. die Gleichwertigkeit von Reifezeugnissen durch Abkommen bestätigt. In knapp 400 Fällen wurden damals ausländische Berufsausbildungszeugnisse mit der österreichischen Lehrabschlussprüfung gleichgehalten – laut Wirtschaftsministerium sind die Zahlen in den letzten beiden Jahren - nicht zuletzt aufgrund des neuen Informationsangebots durch die Anlaufstellen - jedoch stark gestiegen.
Nostrifizierende
Stellen müssen jährlich die Anzahl der ausgestellten Nostrifizierungen
an Statistik Austria übermitteln. Für die letzten Studienjahre liegen
dazu folgende Zahlen vor:
|
Nostrifizierende Stellen |
2008/09 |
2009/10 |
2010/11 |
2011/12 |
|
Universitäten |
97 |
95 |
93 |
119 |
|
Fachhochschulen |
3 |
10 |
8 |
9 |
|
Pädagogische Hochschulen |
3 |
1 |
2 |
8 |
Quelle: Statistik Austria (2013)
Dazu kommen laut Donau-Universität geschätzte ca. 100 aufgrund bilateraler Abkommen als gleichwertig anerkannte Diplome.
Frage 3:
Die für die Anerkennung ausschlaggebenden Kriterien sind je nach Verfahren unterschiedlich, wofür nachstehend Beispiele angeführt werden.
Für die Gleichhaltung mit einem österreichischen Lehrabschluss muss nachgewiesen werden, dass die Berufsausbildung und die in der Prüfung nachgewiesenen Fertigkeiten und Kenntnisse gemeinsam mit facheinschlägigen Tätigkeiten insofern gleichwertig sind, dass der/die AntragstellerIn die dem entsprechenden Lehrberuf eigenen Tätigkeiten selbst fachgerecht ausführen kann.
Die Nostrifikation ausländischer Zeugnisse beruht auf einem Vergleich des im Ausland absolvierten Schulbesuchs und der abgelegten Prüfungen mit den aktuellen österreichischen Lehrplänen. Falls einzelne Unterrichtsgegenstände oder Lehrstoffgebiete nicht ausreichend nachgewiesen erscheinen, werden vom BMUKK entsprechende Zusatzprüfungen vorgeschrieben und im Nostrifikationsbescheid angeführt.
Die Nostrifizierung akademischer Grade beruht auf einem Vergleich der ausländischen und österreichischen Studienpläne.
Frage 4:
Daten dazu liegen, nicht zuletzt aus Gründen des Datenschutzes, nicht vor.
Frage 5:
Nein.
Mit konkreten Diskriminierungsfällen beschäftigt sich die Gleichbehandlungsanwaltschaft als unabhängige staatliche Einrichtung zur Durchsetzung des Rechts auf Gleichstellung und zum Schutz vor Diskriminierung auf Grundlage des Gleichbehandlungsgesetzes. Für die Rechte von Diskriminierungsopfern setzen sich auch NGOs wie der Klagsverband oder Zara ein, deren Berichte ebenfalls Hinweise auf Einzelfälle enthalten.
Frage 6:
Siehe Frage 5
Frage 7:
Ein Austausch mit anderen EU- und OECD-Mitgliedstaaten erfolgt in Bezug auf die Themen Diskriminierung wie auch Anerkennung und Bewertung ausländischer Qualifikationen. Im EU- und EWR-Bereich gibt es einen gemeinsamen Rahmen durch die EU-Richtlinie zur Anerkennung von Berufsqualifikationen bzw. die wesentlichen Rechtsakte im Bereich Gleichbehandlung und Antidiskriminierung, die von den Mitgliedstaaten umzusetzen sind.