634/AB XXV. GP

Eingelangt am 14.04.2014
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Finanzen

Anfragebeantwortung

Frau Präsidentin

des Nationalrates

Mag. Barbara Prammer                                                          Wien, am     April 2014

Parlament

1017 Wien                                                                GZ: BMF-310205/0045-I/4/2014

 

 

 

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

 

Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 636/J vom 14. Februar 2014 der Abgeordneten Ulrike Weigerstorfer, Kolleginnen und Kollegen beehre ich mich Folgendes mitzuteilen:

 

Zu 1.:

Artikel 296 Abs. 1 RL 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (in der Folge MwSt-RL) ermächtigt die Mitgliedstaaten aus Gründen der Vereinfachung eine Pauschalbesteuerung für landwirtschaftliche Erzeuger einzuführen. Als landwirtschaftliche Erzeuger gelten gemäß Art. 295 Abs. 1 Z 1 MwSt-RL Steuerpflichtige, die ihre Tätigkeiten im Rahmen eines land-, forst- oder fischwirtschaftlichen Betriebs ausüben. In zwei Urteilen (EuGH 15.7.2004, Rechtssache C-321/02, Harbs; 26.5.2005, Rechtssache C-43/04, Stadt Sundern) erkannte der Europäische Gerichtshof, dass ein Steuerpflichtiger, der landwirtschaftlicher Erzeuger ist, nicht mit all seinen Umsätzen in die Vereinfachungsregel einzubeziehen ist: Die Pauschalbesteuerung kann nur dann Anwendung finden, wenn der Steuerpflichtige tatsächlich landwirtschaftliche Erzeugnisse liefert oder landwirtschaftliche Dienstleistungen erbringt. Die Erbringung von Dienstleistungen, die der Freizeitgestaltung dienen oder die Nutzung von land- und forstwirtschaftlichen Flächen zur Verschaffung von Freizeiterlebnissen ist von der Definition von landwirtschaftlichen Dienstleistungen nicht umfasst.

 

Zu 2. und 13.:

Als Folge daraus, dass die Einstellung von Pferden nicht unter die Vereinfachungsregelung der Land- und Forstwirtschaft fällt, ist das Normalregime der Umsatzbesteuerung anzuwenden. Da der beschränkte österreichische Steuersatz in Höhe von 10% ebenfalls aus europarechtlichen Gesichtspunkten nicht auf die Einstellung von Pferden angewendet werden darf, sind die Einstellgebühren dem Normalsteuersatz zu unterwerfen.

 

Zur Vermeidung des Mehraufwandes für land- und forstwirtschaftliche Betriebe wurde zur vereinfachten Aufteilung der Vorsteuerbeträge die Verordnung über die Aufstellung eines Durchschnittssatzes für die Ermittlung der abziehbaren Vorsteuerbeträge bei Umsätzen aus dem Einstellen von fremden Pferden (in der Folge PferdePauschV), BGBl II Nr. 48/2014, erlassen. Im Anwendungsbereich der PferdePauschV entfällt für die Pferdeeinstellbetriebe die Verpflichtung zur Aufteilung der Vorsteuern, die auf die pauschalierte Land- und Forstwirtschaft einerseits und den regelbesteuerten Pferdeeinstellbetrieb andererseits entfallen.

 

Zu 3.:

Um nicht unter die Regelbesteuerung zu fallen bedürfte es einer Änderung der MwSt-RL. Aufgrund des Einstimmigkeitskriteriums für Änderungen von EU-Richtlinien in Steuerangelegenheiten ist eine Verhinderung oder Rückgängigmachung der Regelbesteuerung allerdings de facto äußerst unwahrscheinlich.

 

Zu 4.:

Die vom Industriewissenschaftlichen Institut herausgegebene Studie über die volkswirtschaftliche Bedeutung des Pferdes in Österreich bezieht eine Reihe an Faktoren mit ein, für die die umsatzsteuerlichen Änderungen im Rahmen der Umsatzsteuerrichtlinien keine Bedeutung haben (bspw. Umsätze der Spanischen Hofreitschule und Fiaker-Umsätze). Zudem berücksichtigt die Studie nicht die Auswirkungen des Vorsteuerabzuges, der im Rahmen der Regelbesteuerung zusteht.

 

Zu 5.:

Die Anwendung der Regelbesteuerung ist unionsrechtlich geboten.


Zu 6.:

Da pauschalierte Land- und Forstwirte (§ 22 UStG 1994) nicht für (umsatz)steuerliche Zwecke erfasst sind, ist eine Schätzung der Zahl jener Land- und Forstwirte, die aufgrund eindeutiger europarechtlicher Vorgaben mit ihren Umsätzen aus der Pferdehaltung zur Ausübung des Freizeitsports (keine landwirtschaftliche Produktion wie beispielsweise Zucht- und Arbeitstiere) wie gewerbebetriebliche Reiterhöfe zu behandeln sind, derzeit nicht ermittelbar. Die vom Industriewissenschaftlichen Institut herausgegebene Studie über die volkswirtschaftliche Bedeutung des Pferdes in Österreich geht von in etwa 20.000 Betrieben aus. Eine seriöse Schätzung von Steuerausfällen bzw. Steuermindereinnahmen, sofern diese überhaupt auftreten sollten (z.B. könnten die Umsätze aufgrund der Kleinunternehmerregelung steuerfrei sein bzw. kann bei Regelbesteuerung der Vorsteuerabzug geltend gemacht werden), ist mangels entsprechender Daten nicht durchführbar.

 

Zu 7.:

Im Bundesministerium für Finanzen wurden bis zum Einlangen der gegenständlichen schriftlichen parlamentarischen Anfrage 225 Schreiben zum Thema „Erhöhter Mehrwertsteuersatz für Pferdehalter“ schriftlich beantwortet.

 

Zu 8. und 9.:

Die Änderungen der UStR 2000 hinsichtlich der umsatzsteuerlichen Behandlung erfolgten bereits im so genannten Wartungserlass 2012. Dieser Wartungserlass wurde am 25.10.2012 zur Begutachtung an eine Reihe von Interessenvertretungen versendet (darunter beispielsweise Wirtschaftskammer Österreich, Landwirtschaftskammer Österreich, Kammer der Wirtschaftstreuhänder, Industriellenvereinigung).

 

Zu 10.:

Sofern mit der in der Frage genannten Verordnung die Umsatzsteuerrichtlinien gemeint sind, gilt Folgendes: In der Stellungnahme zum Begutachtungsentwurf 2012 regte die Landwirtschaftskammer eine Übergangsfrist bis 1.1.2014 an. In der Stellungnahme zum Begutachtungsentwurf 2013 regte die Landwirtschaftskammer die Einführung eines Vorsteuerpauschales an.

 

Zu 11.:

Im Rahmen der Stellungnahme zum Begutachtungsentwurf 2012 wurde eine Übergangsfrist zur Herstellung des unionsrechtskonformen Zustandes bis 1.1.2014 gewährt.


Zu 12.:

Sofern mit der in der Frage genannten Verordnung die Umsatzsteuerrichtlinien gemeint sind, gilt Folgendes: Da der unionsrechtskonforme Zustand eine Unterwerfung unter die Regelbesteuerung verlangt, ist eine Änderung der Umsatzsteuerrichtlinien nicht möglich.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Dr. Michael Spindelegger eh.