646/AB XXV. GP

Eingelangt am 15.04.2014
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BM für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft

Anfragebeantwortung

 

 

 

Präsidentin des Nationalrates

Mag. Barbara PRAMMER

Parlament

1017 Wien

 

 

 

                                                                                            Wien, am 15. April 2014

 

                                                                                            Geschäftszahl:

                                                                          BMWFJ-10.101/0042-IM/a/2014

 

 

In Beantwortung der schriftlichen parlamentarischen Anfrage Nr. 643/J be-treffend „Transatlantisches Handelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den USA“, welche die Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber,           Kolleginnen und Kollegen am 17. Februar 2014 an mich richteten, stelle ich fest:

 

 

Antwort zu Punkt 1 der Anfrage:

 

Diesbezüglich ist zunächst auf die Beantwortung der parlamentarischen Anfrage Nr. 358/J und die darin genannten Schwerpunkte zu verweisen.

 

Zum Bereich Marktzugang für Waren und Dienstleistungen kann ergänzt werden, dass im Warenbereich die Abschaffung noch bestehender Zölle und anderer    Beschränkungen angestrebt wird, wobei für sensible Agrarwaren längere Zollabbaufristen und/oder Kontingentierungen in Aussicht genommen werden.


Im Dienstleistungs- und Niederlassungsbereich soll grundsätzlich das aufgrund der Rechtsvorschriften der EU und der Mitgliedstaaten höchstmögliche            Liberalisierungsniveau festgeschrieben werden. Es sind aber Ausnahmen möglich und es kann auf die Sensibilität einzelner Sektoren und Bereiche Rücksicht     genommen werden. Die audiovisuellen Dienstleistungen werden vom Dienst-leistungs- und Niederlassungskapitel ausgenommen bleiben. Für die öffentlichen Dienstleistungen sowie die einzuhaltenden Arbeits- und Beschäftigungs-bestimmungen wird schon im Verhandlungsmandat ein wirksamer Schutz      vorgesehen. In dieser Hinsicht wird sich das TTIP nicht von bestehenden EU-Freihandelsabkommen oder dem WTO-Dienstleistungsabkommen GATS unterscheiden.

 

 

Antwort zu den Punkten 2, 11 bis 13 und 17 der Anfrage:

 

Österreich hat sich von Anfang an in der EU dafür eingesetzt, dass die für        Österreich wichtigen Interessen auch im Verhandlungsmandat der EK klar zum Ausdruck gebracht werden. Daher trägt Österreich das Verhandlungsmandat, das vom Rat am 14. Juni 2013 beschlossen wurde, vollinhaltlich mit. Nachstehend werden zentrale Punkte der österreichischen Position wiedergegeben:

 

Für Österreich ist neben der Abschaffung von bestehenden Zöllen (für sensible Agrarwaren werden längere Zollabbaufristen und/oder Kontingentregelungen in Aussicht genommen) insbesondere die Beseitigung von nicht-tarifären Handelshemmnissen besonders wichtig. Der regulatorische Bereich wird auch von       Österreich als einer der wichtigsten Verhandlungsbereiche angesehen. Zu       berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass der US-Markt der größte Überseemarkt etwa für landwirtschaftliche Produkte aus Österreich ist,       während es derzeit in den USA viele administrative Hürden gibt.

 

Österreich hat von Beginn weg die Aufnahme eines Investitionsschutzkapitels in den TTIP-Verhandlungen befürwortet.

 

Österreich strebt eine wesentliche Verbesserung des Zugangs zum US-Beschaffungsmarkt auf allen Ebenen an, vor allem den Abbau diskriminierender US-Maßnahmen wie etwa der "Buy-American"-Bestimmungen.


Österreich ist auch daran interessiert, dass KMUs die Chancen aus diesem Abkommen gut nützen können.

 

Im Dienstleistungssektor sind Themen wie die audiovisuellen Dienstleistungen, die öffentlichen Dienstleistungen und die von Dienstleistern einzuhaltenden     Arbeitsbedingungen ("labour clause") mit besonderer Sensibilität zu behandeln.

 

Österreich tritt weiters für ehrgeizige Bestimmungen im Zusammenhang mit nachhaltiger Entwicklung ein.

 

Wesentlich ist auch, dass das sogenannte "right to regulate" im Mandat enthalten ist, womit jeder Vertragspartner das Schutzniveau insbesondere für Gesundheit, Sicherheit, Konsumenten, Arbeits- und Umweltschutz nach eigenem Ermessen festlegen kann.

 

Österreich hat sich auch speziell dafür eingesetzt, dass im Bereich sanitäre und phytosanitäre Maßnahmen dem Vorsorgeprinzip Rechnung getragen wird,       wonach insbesondere bei ungenügender wissenschaftlicher Beweislage jeder   Vertragspartner Maßnahmen zum Schutz von Menschen-, Tier- und Pflanzenleben oder Gesundheit ergreifen kann.

 

Darüber hinaus ist festzuhalten, dass das Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft beim Rat durch mich oder durch hohe Beamte meines Ressorts vertreten wird; beim EU-Ratsausschuss Handelspolitik in dessen       jeweiligen Formationen durch die zuständigen Mitarbeiter/innen des Bundes-ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft.

 

Die Österreich-interne Koordinierung erfolgt in regelmäßig stattfindenden interministeriellen Besprechungen. Gleichzeitig erhalten die betroffenen Ministerien und die Sozialpartner laufend Gelegenheit, schriftliche Stellungnahmen zu den jeweiligen Verhandlungsinhalten abzugeben.

 

Im Übrigen ist auf die Beantwortung der parlamentarischen Anfrage Nr. 358/J zu verweisen.


Antwort zu Punkt 3 der Anfrage:

 

Die Studie "Modeling the Effects of Free Trade Agreements between the EU and Canada, USA and Moldova/Georgia/Armenia on the Austrian Economy: Model Simulations for Trade Policy Analysis"; Autoren: Joseph Francois, Olga Pindyuk, [FIW Studien 2012/13 N° 3], kommt zum Ergebnis, dass der TTIP-Abschluss für Österreich mittelfristig binnen acht bis zehn Jahren zu einem BIP-Anstieg von 1,7 % Punkten, rund 20.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen und einem um 1 %   höheren Lohnniveau führen würde. Der jährliche TTIP-Wachstumsbeitrag zum österreichischen BIP liegt demnach bei rund 0,2 %.

 

 

Antwort zu Punkt 4a der Anfrage:

 

Schiedsgerichtsklauseln haben sich seit Jahrzehnten im internationalen           Geschäftsleben als Mittel zur Erhöhung der Rechtssicherheit bewährt und sind auch in mehr als 2.800 völkerrechtlichen Abkommen enthalten, darunter in allen 62 Investitionsschutzabkommen, die Österreich bisher abgeschlossen hat. Mit den USA hat Österreich - wie die meisten EU-Mitgliedstaaten - kein bilaterales Investitionsschutzabkommen und kann aus EU-rechtlichen Gründen auch keines abschließen. Es ist daher nur folgerichtig, entsprechende Regeln in TTIP aufzunehmen.

 

 

Antwort zu Punkt 4b der Anfrage:

 

Nationale Gerichte haben in der Regel wenig Erfahrung mit der direkten           Anwendung völkerrechtlicher Verpflichtungen und gerade US-Gerichte zeigten diesbezüglich zuletzt eine zunehmend restriktive Anwendungspraxis. In solchen Fällen bietet die Anrufung eines unabhängigen Schiedsgerichts eine alternative - und mitunter die einzige - Möglichkeit zur Geltendmachung völkerrechtlicher Verpflichtungen.

 


 

Antwort zu Punkt 4c der Anfrage:

 

Die von den EU-Mitgliedstaaten beschlossenen Verhandlungsrichtlinien, auf deren Grundlage die Europäische Kommission die TTIP-Verhandlungen führt, haben zum Ziel, nicht erforderliche oder unerwünschte Souveränitätseinschränkungen zu vermeiden und stellen unmissverständlich klar, dass das "right to regulate" jedenfalls unberührt bleibt und es jedem Vertragspartner grundsätzlich freisteht, das Schutzniveau für Gesundheit, Sicherheit, Konsumenten, Umwelt etc. auch weiterhin nach eigenem Ermessen festzulegen.

 

 

Antwort zu Punkt 4d der Anfrage:

 

Wie erwähnt, haben die EU-Mitgliedstaaten im TTIP-Verhandlungsmandat gleich wie in allen anderen Verhandlungsmandaten für EU-Drittstaatenabkommen    unmissverständlich festgehalten, dass das "right to regulate" jedenfalls unberührt bleibt und es jedem Vertragspartner weiterhin freistehen muss, berechtigte    Gemeinwohlziele in den Bereichen Soziales, Umwelt, Sicherheit, öffentliche     Gesundheit sowie Förderung und Schutz der kulturellen Vielfalt zu verfolgen. TTIP wird daher entsprechende Bestimmungen enthalten, an die auch Schieds-gerichte gebunden sein werden.

 

 

Antwort zu Punkt 4e der Anfrage:

 

Der Schritt der Europäischen Kommission, die Verhandlungen im Bereich        Investitionsschutz vorläufig auszusetzen, um im Rahmen einer dreimonatigen öffentlichen Konsultation auf die zuletzt vermehrt geäußerten Bedenken verstärkt eingehen zu können, ist begrüßenswert. Mein Ressort wird sich aktiv in diesen Konsultationsprozess einbringen, der zu einem besseren Verständnis der Sinnhaftigkeit und Wirkungsweise von Investitionsschutzbestimmungen beitragen wird.

 


 

Antwort zu Punkt 5 der Anfrage:

 

Eine Beurteilung konkreter Entscheidungen betreffend Maßnahmen ausländischer Regierungen auf der Basis eines völkerrechtlichen Abkommens, in dem               Österreich nicht Partei ist, stellt keinen Gegenstand der Vollziehung meines          Ressorts dar. Jedenfalls ist Österreich noch nie auf Grundlage eines der 62 in Kraft befindlichen Investitionsschutzabkommen geklagt worden.

 

 

Antwort zu Punkt 6 der Anfrage:

 

Eine OECD Studie aus dem Jahr 2012 ("Effects of NAFTA on US Employment and Policy Responses": C. J. O’Leary, R. W. Eberts, B. M. Pittelko [OECD Trade Policy Working Papers No. 131]), die die Ergebnisse unterschiedlicher Studien über die Auswirkungen von NAFTA auf den US-Arbeitsmarkt vergleicht, fand keine      gravierenden Unterschiede zwischen Studien, die vor dem Inkrafttreten von NAFTA erstellt wurden und jenen, die danach erschienen. Die meisten Studien gingen von geringen Arbeitsmarkteffekten aus. Erstere divergierten in der      Einschätzung, ob der Nettoeffekt positiv oder negativ sein werde, letztere       tendierten zu einem positiven Nettoeffekt.

 

Abgesehen von der Frage der Vergleichbarkeit legen diese Ergebnisse keine Zweifel an der Aussagekraft der uns vorliegenden TTIP-Studien nahe.

 

 

Antwort zu Punkt 7 der Anfrage:

 

In der Folgenabschätzung der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2013, die auch auf der Website der EK/Generaldirektion Handel abrufbar ist, untersucht die Europäische Kommission die Frage des CO2-Ausstoßes. Demnach wird erwartet, dass es im Zusammenhang mit TTIP nur zu einem sehr begrenzten Anstieg des weltweiten CO2-Ausstoßes kommt.


Vor allem sollen im Rahmen des Nachhaltigkeitskapitels detaillierte Be-stimmungen betreffend die Umwelt enthalten sein, insbesondere im Zusammenhang mit dem "right to regulate", der Förderung eines hohen Schutzniveaus, multilateralen Umweltabkommen (z.B. CITES/Artenschutzübereinkommen), dem Schutz und der Erhaltung von natürlichen Ressourcen sowie der Zusammenarbeit in für die Umwelt wichtigen Bereichen (z.B. Bekämpfung des Klimawandels). Ein weiteres Element wird die Förderung des Handels mit umweltfreundlichen     (einschließlich klimarelevanten) Gütern sein.

 

 

Antwort zu Punkt 8 der Anfrage:

 

Durch das geplante transatlantische Handelsabkommen/TTIP ist keine Änderung der geltenden Regelungen des österreichischen Bundesvergabegesetzes vor-gesehen. Dies gilt auch für die diesbezüglichen Bestimmungen betreffend         Umwelt- und Arbeitsstandards.

 

Ziel des TTIP ist vor allem, die Transparenz bei den Beschaffungsregeln zu        verbessern und die bestehenden amerikanischen Präferenzbestimmungen, wie etwa die "Buy American"-Regelungen oder die Sonderregelungen zugunsten der US-KMUs, zu beseitigen, um europäischen Unternehmen, und damit vor allem auch österreichischen KMUs, den Zugang zu US-Vergaben zu erleichtern.

 

 

Antwort zu Punkt 9 der Anfrage:

 

Das TTIP-Verhandlungsmandat stellt klar, dass das "right to regulate" unberührt bleibt. Dies gilt auch für Umwelt- und Sozialstandards.

 

Das TTIP soll als integralen Bestandteil auch ein Nachhaltigkeitskapitel enthalten. Ziel des Nachhaltigkeitskapitels ist die Förderung eines möglichst hohen          Umsetzungsniveaus wesentlicher, international anerkannter Umwelt- und Sozialstandards. Österreich unterstützt dabei ausdrücklich die EK-Position, dass dieses Ziel mittels Kooperation und nicht durch einen Sanktionsmechanismus erreicht wird. Damit soll auch verhindert werden, dass Umwelt- und Sozialstandards unter Druck geraten.


Antwort zu Punkt 10 der Anfrage:

 

Es ist auf die Beantwortung der parlamentarischen Anfrage Nr. 358/J sowie auf die vorstehenden Ausführungen zu verweisen.

 

 

Antwort zu Punkt 14 der Anfrage:

 

Die Information seitens der Europäischen Kommission erfolgt laufend im Wege der einschlägigen EU-Gremien, insbesondere durch mündliche und schriftliche Berichterstattung im Rahmen des EU-Ratsausschuss Handelspolitik, bei          Expertensitzungen und bei Tagungen des Rates. Bei diesen Gelegenheiten kann das Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft                   österreichische Positionen einbringen. Zudem besteht jederzeit die Möglichkeit von schriftlichen Stellungnahmen an die Europäische Kommission.

 

Im Übrigen ist auf die Antwort zu den Punkten 2, 11 bis 13 und 17 der Anfrage zu verweisen.

 

 

Antwort zu Punkt 15 der Anfrage:

 

Derzeit befindet sich TTIP in einem frühen Verhandlungsstadium. Daher gibt es noch verhältnismäßig wenige Dokumente zu den einzelnen Verhandlungs-bereichen. Die Diskussionen auf europäischer Ebene finden bisher hauptsächlich auf Basis von EU-Positionspapieren statt, die die Europäische Kommission erstellt hat, sowie auf Basis von dazu vorgelegten Kommentaren der EU-Mitgliedstaaten.

Antwort zu Punkt 16 der Anfrage:

 

Mein Ressort hat kein umfassendes eigenes Positionspapier erstellt, wohl aber wiederholt schriftliche und mündliche Stellungnahmen abgegeben, die den        jeweiligen in Österreich koordinierten Positionen entsprachen. Auch das            Parlament wurde und wird über die Ergebnisse der diesbezüglichen EU-internen Tagungen im Rahmen des EU-Ratsausschuss Handelspolitik laufend informiert.

 


 

Antwort zu Punkt 18 der Anfrage:

 

Das Parlament wird über die Ergebnisse der diesbezüglichen EU-internen         Tagungen des EU-Ratsausschuss Handelspolitik gemäß Art. 23e B-VG sowie § 3 Z 10 EU-InfoG laufend informiert.

 

 

Antwort zu Punkt 19 der Anfrage:

 

Ein alle Bereiche des Verhandlungsmandats umfassendes Abkommen wäre als gemischtes Abkommen zu qualifizieren, welches gemäß Art. 50 B-VG vom          österreichischen Parlament zu ratifizieren ist.