744/AB XXV. GP
Eingelangt am 24.04.2014
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BM für Justiz
Anfragebeantwortung
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BMJ-Pr7000/0038-Pr 1/2014 |
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Museumstraße 7 1070 Wien
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Tel.: +43 1 52152 0 E-Mail: team.pr@bmj.gv.at
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Frau
Präsidentin des Nationalrates
Zur Zahl 737/J-NR/2014
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Albert Steinhauser, Freundinnen und Freunde haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Suizid eines Häftlings“ gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1, 2, 4, 5, 8, 9, 17 und 21 bis 27:
Der der Anfrage zu Grunde liegende Vorfall in der Justizanstalt Graz-Karlau ist derzeit Gegenstand strafrechtlicher Ermittlungen gegen unbekannte Täter (wegen des Verdachts des Vergehens der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen nach § 81 Abs. 1 Z 1 StGB) durch die Staatsanwaltschaft Graz. Die strafrechtlichen Ermittlungen wurden unmittelbar nach Feststellung des Todes des Insassen aufgenommen.
Im Zuge der Ermittlungen durch das Landeskriminalamt Steiermark wurden die Spurensicherung und weitere Erhebungen vor Ort vorgenommen, Meldungen und Protokolle eingeholt sowie Befragungen in der Justizanstalt durchgeführt. Angeordnet wurden ferner die gerichtsmedizinische Obduktion sowie eine chemisch-toxikologische Untersuchung. Weiters wurden Ermittlungen zur Kontrolle und Überwachung des Strafgefangenen in der Absonderungszelle sowie zum vorliegenden Suizidbericht der Justizanstalt und den vorgenommenen Vorkehrungen im Sinne des Erlasses der Vollzugsdirektion vom 15. November 2007, BMJ‑VD42406/0014-VD 2/2007, geführt.
Die strafrechtlichen Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen. Ich bitte daher um Verständnis, dass die Ergebnisse abzuwarten sind und keine Vorab-Informationen veröffentlicht werden können.
Zu 3:
Häftlinge mit Suizidgefahr werden unverzüglich einem speziellen Fachdienst vorgeführt. Die zu treffenden Maßnahmen hängen von der Einschätzung der Suizidgefährdung durch die betreffenden Fachdienste ab. So kann bei Vermutung einer latenten – jedoch nicht akuten – Suizidgefährdung die Anordnung vergleichsweise „gelinder Mittel“, wie z.B. die Verlegung in einen Gemeinschaftshaftraum, eine Wohngruppe oder einen „Listener-Haftraum“ in Kombination mit dichterer Betreuung durch Fachdienste ausreichend sein.
Bei Vorliegen hochgradig akuter Suizidgefährdung sind, neben medikamentöser Interventionen durch den psychiatrischen Dienst, die vorübergehende Verlegung in einen videoüberwachten Haftraum, die Unterbringung in einer besonders gesicherten Zelle (§ 103 Abs. 2 Z 4 StVG als besondere Sicherheitsmaßnahme) oder im extremen Fall die stationäre Aufnahme in einer öffentlichen Krankenanstalt für Psychiatrie (§ 71 Abs. 3 StVG) gängige Praxis.
Die Entscheidung, welche konkrete Maßnahme getroffen wird, erfolgt im Einzelfall durch den Anstaltsleiter nach Beratung durch den psychiatrischen und/oder psychologischen Dienst.
Zu 6 und 7:
Gemäß § 116 Abs. 2 StVG (Verfahren bei Ordnungswidrigkeiten) ist ein Insasse dann abzusondern, wenn dies für die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung erforderlich ist. Zweck der Absonderung ist ausschließlich, durch diese zwangsweise Trennung von anderen Insassen eine negative Einwirkung auf diese zu verhindern und dadurch die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten. Ein Ermessensspielraum besteht bei dieser Entscheidung nicht. Während einer Absonderung werden dem Insassen keine subjektiven Rechte entzogen, sie kann auch in seinem eigenen Haftraum vollzogen werden.
Hingegen handelt es sich bei der Unterbringung in einer besonders gesicherten Zelle um eine besondere Sicherheitsmaßnahme, die ausschließlich bei Vorliegen akuter Selbst- und Fremdgefährdung verhängt werden darf. Eine akute Selbst- oder Fremdgefährlichkeit schließt somit jedenfalls eine Absonderung in einem einfachen Einzelhaftraum aus.
Zu 10 bis 12:
Es gibt insgesamt 88 für eine Unterbringung gemäß § 116 Abs. 2 StVG gewidmete Hafträume. Die Ausstattung dieser Hafträume orientiert sich an den Mindeststandards normaler Hafträume (§ 40 Abs. 1 und 3 StVG) und nicht an jenen eines besonders gesicherten Haftraums. Sofern ein Insasse schon vor Begehung einer Ordnungswidrigkeit in einem Einzelhaftraum untergebracht und eine Absonderung notwendig ist, kann diese auch in seinem Haftraum vollzogen werden.
Alle Absonderungshafträume in der Justizanstalt Graz-Karlau weisen die in § 40 Abs. 1 und 3 StVG normierte Mindestausstattung eines Haftraumes auf. Die Hafträume in der bisherigen Absonderungsabteilung (die Abteilung wird derzeit verlegt) unterschieden sich von gewöhnlichen Einzelhafträumen nur insoweit, als keine Kästen zur Aufbewahrung von Bekleidungsstücken vorhanden waren. Der Grund dafür ist, dass Absonderungen im Regelfall nur von kurzer Dauer sind (bis zur Klärung des Sachverhalts/niederschriftliche Einvernahme im Zuge eines eingeleiteten Ordnungsstrafverfahrens) und die Mitnahme von Ersatz- bzw. Wechselbekleidung daher nicht erforderlich ist. Die neuen Absonderungshafträume sind nun mit Kästen ausgestattet.
Zu 13:
Voraussetzung für die Verbringung in Absonderungshafträume gemäß § 116 Abs. 2 StVG ist der Verdacht einer mit Strafe zu ahndenden Ordnungswidrigkeit und dass die Absonderung zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung in der Anstalt notwendig ist.
Gemäß § 66 Abs. 2 StVG ist eine Absonderung (von anderen Insassen) auch zwingend durchzuführen, wenn ein Insasse eine ansteckende Krankheit hat oder von Ungeziefer befallen ist. Diese Maßnahme darf vom Anstaltsleiter nur solange aufrechterhalten werden, bis der Arzt eine Anordnung trifft.
Zu 14:
§ 116 StVG enthält keine Befristung für die Dauer einer Absonderung. Die Anhaltung ist grundsätzlich so lange möglich, als der Grund für die Anordnung weiterhin besteht. Bei einer Anhaltung von mehr als vier Wochen greifen allerdings die Bestimmungen des § 125 Abs. 2 StVG (Zuständigkeit des Vollzugsgerichtes).
Zu 15:
Jede Absonderung eines Insassen wird gemeinsam mit der Meldung gemäß § 108 Abs. 3 StVG unverzüglich dem Anstaltsleiter schriftlich zur Kenntnis gebracht. Sofern mit der Absonderung ein Haftraumwechsel verbunden ist, wird dies in der Datenbank der Integrierten Vollzugsverwaltung (IVV) erfasst. In den meisten Justizanstalten gibt es auch ein so genanntes „Absonderungs- und Hausarrestbuch“, in dem Absonderungen gemäß § 116 Abs. 2 StVG sowie die Vollziehung von Hausarreststrafen gemäß § 114 StVG eingetragen werden.
Zu 16:
Nachdem nicht alle Absonderungsfälle automationsunterstützt erfasst werden (siehe Fragepunkt 15) wäre der Erhebungsaufwand unvertretbar hoch. Ich bitte daher um Verständnis, wenn ich diese Frage nicht beantworten kann.
Zu 18 bis 20:
Ich verweise auf meine einleitenden Bemerkungen. Fragen nach allfälligen Konsequenzen stellen sich erst nach Abschluss der Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft Graz.
Zu 28 und 29:
Es liegen derzeit keinerlei konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass das angesprochene freundschaftliche Verhältnis in irgendeiner Form Einfluss auf die Ermittlungstätigkeit gehabt hätte und die Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit bei den Ermittlungen in Zweifel zu ziehen wären.
Wien, . April 2014
Dr. Wolfgang Brandstetter