810/AB XXV. GP
Eingelangt am 25.04.2014
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind
möglich.
BM für Bildung und Frauen
Anfragebeantwortung
|
|
|
|
|
|
|
Frau Präsidentin des Nationalrates Mag. Barbara Prammer Parlament 1017 Wien
|
Wien, 16. April 2014
Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 866/J-NR/2014 betreffend rassistische und diskriminierende Inhalte in Schulbüchern und sonstigen Unterrichtsbehelfen, die die Abg. Dr. Harald Walser, Kolleginnen und Kollegen am 26. Februar 2014 an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur richteten, wird wie folgt beantwortet:
Zu Frage 1:
Die Eignungserklärung von Unterrichtsmittel ist im § 15 des Schulunterrichtsgesetzes geregelt. Die näheren Kriterien der Eignungserklärung sind in § 9 der Verordnung über die Gutachterkommissionen zur Eignungserklärung von Unterrichtsmitteln festgeschrieben. Werke, die zur Eignungserklärung eingereicht werden, werden nach folgenden Kriterien seitens der Gutachterkommissionen geprüft:
- der Übereinstimmung mit der vom Lehrplan vorgeschriebenen Bildungs- und Lehraufgabe sowie den didaktischen Zielsetzungen und den wesentlichen Inhalten des Lehrstoffes,
- der Berücksichtigung des Grundsatzes der Selbsttätigkeit des Schülers bzw. der Schülerin und der aktiven Teilnahme des Schülers bzw. der Schülerin am Unterricht,
- der Berücksichtigung des Grundsatzes der Anpassung des Schwierigkeitsgrades an das Auffassungsvermögen des Schülers bzw. der Schülerin (Schüleradäquatheit des Unterrichtsmittels in Bezug auf Aufnahmekapazität, Alter, Interessen, Bedürfnisse und Möglichkeiten der Schüler und Schülerinnen),
- der sachlichen Richtigkeit des Inhaltes und seiner Übereinstimmung mit dem jeweiligen Stand des betreffenden Wissensgebietes, unter Berücksichtigung der den Sachbereich berührenden Normen im Sinne des Normengesetzes, BGBl. Nr. 240/1971, und der sonstigen technischen Vorschriften,
- der ausreichenden Berücksichtigung der Lebenswelt der Schüler bzw. der Schülerinnen sowie ihrer zukünftigen Arbeitswelt einschließlich der spezifischen österreichischen und europäischen Verhältnisse,
- der staatsbürgerlichen Erziehung der Schüler bzw. der Schülerinnen, der Vermittlung demokratischer Einstellungen sowie der geltenden Rechtsvorschriften und der Anleitung zu selbsttätigem Handeln der Schüler bzw. Schülerinnen ,
- der sprachlichen Gestaltung und der guten Lesbarkeit (unter Einschluss der didaktischen Elemente der optischen Darstellung),
- der Zweckmäßigkeit vom Standpunkt des Materials, der Darstellung und der sonstigen Ausstattung und
- der Gleichbehandlung von Frauen und Männern und der Erziehung zur partnerschaftlichen Gestaltung der gesellschaftlichen Entwicklungen.
Die Vermittlung von demokratischen Werten sowie der geltenden Rechtsvorschriften und die staatsbürgerliche Erziehung werden taxativ als Kriterien in der genannten Verordnung aufgezählt. Diese werde von den Gutachterkommissionen auch im Zuge der Eignungserklärung geprüft.
Zu Fragen 2, 4 und 5:
Bei den im Konferenzbericht der 8. Tagung der Kultur- und Sozialanthropologie, auf den im einleitenden Teil der Parlamentarischen Anfrage Bezug genommen wird, zitierten Schulbüchern handelt es sich um folgende Werke:
- Hofmann, Paul; 2010; System Erde 5/6; 2. Auflage [approb. 2006]; Wien.
- Huber, Gerhard; 2010; einst und heute 2; Geschichte und Sozialkunde; 4. Auflage [approb. 2000]; Wien.
Das Werk „System Erde 5/6“ wurde im Jahr 2006 für die AHS-Oberstufe für die 5. und 6. Klasse approbiert und entspricht noch dem geltenden Lehrplan. Bei der als Beleg für Diskriminierung angeführten Stelle handelt es sich um einen Zeitungsartikel der Tiroler Tageszeitung. Die Quelle wird im Schulbuch auch entsprechend zitiert und könnte im Unterricht auch als Anlass genommen werden, darüber zu diskutieren, wie österreichische Medien die Thematik darstellen.
Das Werk „einst und heute 2“ wurde im Jahr 2000 für die Hauptschule und die AHS-Unterstufe für die 6. Schulstufe approbiert. Das Werk wurde vom Verlag bereits storniert und kann über die Schulbuchaktion nicht mehr bestellt werden.
Zudem wird bemerkt, dass Werke, die älter als zehn Jahre unverändert in der Schulbuchaktion angeboten werden, dem Bundesministerium für Bildung und Frauen neuerlich zur Prüfung vorzulegen sind. Erfolgt keine Einreichung seitens des Verlags werden die Werke aus den Schulbuchlisten gestrichen. Prinzipiell muss in diesem Zusammenhang erwähnt werden, dass Neuauflagen zur Eignungserklärung eingereicht werden müssen. Lediglich unveränderte Nachdrucke liegen im Wirkungsbereich der Verlage.
Darüber hinaus erscheint es dem Bundesministerium für Bildung und Frauen wesentlich darauf hinzuweisen, dass die im einleitenden Teil der Parlamentarischen Anfrage namentlich genannten Studienautorinnen Heidemarie Weinhäupl und Christa Markom wissenschaftliche Mitarbeiterinnen an dem Projekt „Migration(en) im Schulbuch“ und Lektorinnen am Institut für Kultur- und Sozialanthropologie der Universität Wien sind. Das Projekt wurde im Herbst 2013 fertiggestellt und durch „Sparkling Science“, das Forschungsprogramm des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft finanziert. Projektleitende Institution war das Ludwig-Boltzmann-Institut für Europäische Geschichte und Öffentlichkeit.
Am 10. April 2013 hat eine internationale Tagung „Hat (nichts) mit mir zu tun!“ stattgefunden, wo unter anderem erste Ergebnisse des Projekts präsentiert wurden. An der am Vormittag stattfindenden Podiumsdiskussion hat auch die Leiterin der Abteilung „Schulbuch“ des Bundesministeriums für Bildung und Frauen teilgenommen.
Eine detaillierte Auseinandersetzung mit den Ergebnissen der Studie konnte allerdings noch nicht stattfinden, da die Ergebnisse bis dato dem Bundesministerium für Bildung und Frauen nicht zugänglich sind. Der Forschungsbericht wurde weder seitens der Forscherinnen noch der zuständigen Programmleiterin im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft trotz etlicher Urgenzen seitens des Bundesministeriums für Bildung und Frauen nicht übermittelt, da dieser laut Auskunft nicht zur Veröffentlichung gedacht sei. Die Studienergebnisse bzw. die Befunde sind dem Bundesministerium für Bildung und Frauen nur aus den Medien bekannt bzw. aus dem in der parlamentarischen Anfrage zitierten Konferenzbericht.
Bereits nach dem Erscheinen der ersten Medienberichte Ende 2012 wurde mit den Studienautorinnen bezüglich der Ergebnisse Kontakt aufgenommen. In einer Besprechung im Februar 2013 gemeinsam mit dem Leiter der Abteilung „Diversitäts- und Sprachenpolitik; Sonderpädagogik, inklusive Bildung; Begabungsförderung“ des Bundesministeriums für Bildung und Frauen und den Studienautorinnen wurde vereinbart, nach Abschluss des Projektes eine Handreichung zum Thema „Darstellung von Migrantinnen und Migranten“ für Schulbuchautorinnen und -autoren, Schulbuchverlage und Mitglieder der Gutachterkommissionen zu erstellen. Die geplante Handreichung zielt darauf ab, Migration(en), migrierte Menschen und deren Nachkommen sowie Sprachminderheiten in Schulbüchern vielperspektivisch und wertschätzend abzubilden. Eine Fertigstellung ist nach derzeitigem Stand mit Spätherbst 2014 zu erwarten.
Zu Frage 3:
Beide Texte finden sich im Kapitel „Mit beschreibenden Sachtexten informieren“ von „Vielfach Deutsch 3“, das die Problematik Kinderarbeit zum Thema hat. Die oftmals hoffnungslos scheinende Lage dieser Kinder sollte auch mit Beispielen konterkariert werden, die Chancen und Auswegmöglichkeiten aufzeigen – wie auch in den beiden monierten Texten.
Beiden monierten Texten liegen journalistische Quellen zugrunde:
- Der Text über Kadia stammt aus einer für den Unterricht aufbereitenden Filmdokumentation: FWU – Schule und Unterricht: Kinderarbeiter in der „Dritten Welt“. DVD 4610558. ©FWU Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht, Grünwald 2006.
- Zu dem Text über die Kamelrennen finden sich (auch noch ganz aktuell) zahlreiche Medienberichte in Print und Fernsehen, siehe zB. http://www.ardmediathek.de/das-erste/weltspiegel?documentId=14562726 und http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/abu-dhabi-roboter-reiten-kamelrennen-1257166.html.
Bedauerlicherweise sind nach mehrmaligem Überarbeiten (um die Lesbarkeit für die Kinder dieser Altersgruppe zu gewährleisten) seitens des Lektorats im Zuge der Herstellung des Schulbuches in beiden Texten inhaltliche Fehler passiert, die nun leider den Eindruck erwecken, dem Autorenteam und dem Verlag wären die geografischen Gegebenheiten nicht bekannt. Folgende Korrekturen sind für den Nachdruck für das kommende Schuljahr vorgemerkt:
- S. 71, Übung 24: Die 12-jährige Kadia aus dem westafrikanischen Staat Mali stammt aus einer armen Bauernfamilie …
- S. 76, Übung 36: In Arabien sind Kamelrennen sehr beliebt. Leider wurden dafür Buben als Reiter eingesetzt. Offiziell sind dafür Kindersklaven verboten, darum wurden tausende kleine Buben aus Asien und Afrika [ins Land] verschleppt und als Kameljockeys trainiert.
Generell muss hier angemerkt werden, dass man sich im schulischen Kontext in einem Spannungsfeld befindet, wo es einerseits Aufgabe der Schule ist, ein entsprechendes Problembewusstsein zu schaffen und Kinder sowie Jugendliche für Themen zu sensibilisieren, und andererseits bei der Beschreibung von Entwicklungen und Auswirkungen, wie zB. von Kinderarbeit, nicht zu verallgemeinern und dadurch das Bild von Problemen zu verfestigen.
Zu Frage 6:
Im Vorschlag des Entwicklungsrates vom 3. Juli 2013 zu den „Professionellen Kompetenzen von PädagogInnen – Zielperspektive“ ist „Diversitäts- und Genderkompetenz“ als einer von sechs Kompetenzbereichen genannt. Dort wird ausdrücklich unter anderem auf die Themenfelder Migrationshintergrund, sprachliche Bildung, Mehrsprachigkeit, Deutsch als Bildungssprache, Deutsch als Zweitsprache und auf den sozio-ökonomischen Status hingewiesen. Diese Professionskompetenzen sind verpflichtend für die Curriculumsentwicklung zur „PädagogInnenbildung NEU“ und sind auch Teil des nachstehend genannten Rundschreibens zu den neuen Schwerpunkten in der Fort- und Weiterbildung und somit ein durchgehendes Prinzip für die gesamte Lehrerinnen- und Lehrerlaufbahn.
In den neuen Schwerpunktsetzungen 2014 - 2018 für die Fort- und Weiterbildung an den Pädagogischen Hochschulen (Rundschreiben Nr. 5/2014 des Ressorts) ist als einer der ersten Punkte „Umfassende Sprachförderung und Leseerziehung in allen Altersstufen, mit besonderer Berücksichtigung der Elementar- und Grundschulpädagogik, Sprachenvielfalt, Mehrsprachigkeit, Interkulturalität und Internationalisierung“ vorgesehen. Die Thematik ist somit auch in der Fort- und Weiterbildung verpflichtend verankert. So wird beispielsweise der Lehrgang „Frühe sprachliche Förderung“ seit 2008 an allen Pädagogischen Hochschulen und damit in allen Bundesländern durchgeführt und auch vom Bundesministerium speziell und zweckgewidmet dotiert. Der Lehrgang wurde also immer „flächendeckend“ angeboten und wird dies auch 2014 weiter so gehandhabt.
Darüber hinaus wurde vom Bundesministerium für Bildung und Frauen ein umfassender Leitfaden „Sprache in Schulbüchern“ für Schulbuchautorinnen und -autoren, Gutachterinnen und Gutachter sowie Verlage herausgegeben, der Hinweise für die Gestaltung sprachsensibler Schulbücher enthält. Im Rahmen einer Veranstaltung wurde dieser Leitfaden an die betreffenden Zielgruppen entsprechend disseminiert (http://www.unifdz.at/images/Dokus_Forschung/broschre_sprache_in_schulbchern_end.pdf bzw. http://www.bmbf.gv.at/medienpool/22418/spracheinschulbchern.pdf)
Zu Fragen 7 und 8:
Die Auswahl der Unterrichtsmaterialien erfolgt schulautonom durch das Schulforum bzw. durch die Schulkonferenz, bei der den Elternvertreterinnen und –vertretern sowie den Schülervertreterinnen und -vertretern ein Mitbestimmungsrecht auf Mitentscheidung bei der Festlegung von Unterrichtsmitteln zukommt. Im Rahmen der Schulbuchaktion werden nur Werke angeboten, die vom Bundesministerium für Bildung und Frauen für geeignet erklärt werden und den Kriterien der Verordnung über die Gutachterkommissionen zur Eignungserklärung von Unterrichtsmitteln entsprechen.
Losgelöst von einer Eignungserklärung haben gemäß § 14 Abs. 2 und 4 des Schulunterrichtsgesetzes Unterrichtsmittel nach Inhalt und Form dem Lehrplan der betreffenden Schulstufe sowie der Kompetenzorientierung der Schulart (Bildungsstandards, abschließende Prüfung) zu entsprechen. Sie haben nach Material, Darstellung und sonstiger Ausstattung zweckmäßig und für die Schülerinnen und Schüler der betreffenden Schulstufe geeignet zu sein. Die Lehrkraft darf nur solche Unterrichtsmittel im Unterricht einsetzen, die nach dem Ergebnis ihrer gewissenhaften Prüfung den Voraussetzungen nach Abs. 2 entsprechen. Die Frage der Zeitgemäßheit wird daher von der Lehrkraft im Rahmen der Prüfung der Eignung des Unterrichtsmittels zu berücksichtigen sein. Eine Aufsichtskompetenz kommt hier der Schulleitung in Hinblick auf das Qualitätsmanagement (§ 56 Schulunterrichtsgesetz) zu.
Die Bundesministerin:
Gabriele Heinisch-Hosek eh.