91/AB XXV. GP

Eingelangt am 20.01.2014
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

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BMJ-Pr7000/0243-Pr 1/2013


Republik Österreich
dER bundesminister für justiz

 

 

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1070 Wien

 

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Frau
Präsidentin des Nationalrates

 

 

Zur Zahl 44/J-NR/2013

Der Abgeordnete zum Nationalrat Mag. Harald Stefan und weitere Abgeordnete haben an meine Amtsvorgängerin eine schriftliche Anfrage betreffend „die Anwendung der Scharia in Österreich“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1 bis 7:

Der kulturelle Hintergrund des Täters stellt keinen im Gesetz genannten Milderungsgrund dar. Im Schrifttum werden das Handeln aus religiöser oder ethischer Überzeugung neben dem Handeln zur Durchsetzung der Strafrechtsordnung, zur Förderung des Umweltschutzes, aus Tierliebe, aber auch aus Freundschaft, Mitleid oder Diensteifer als Beispiele für Handeln um übergeordneter oder doch als übergeordnet angesehener Interessen willen genannt (Ebner in WK2 StGB § 34 Rz 10 mwN), das sich – im Einzelfall – strafmildernd im Sinn des § 34 Abs. 1 Z 3 StGB – „wenn der Täter die Tat aus achtenswerten Beweggründen begangen hat“ – auswirken kann. Auf terroristische oder politisch motivierte Delikte findet dieser Milderungsgrund jedoch grundsätzlich keine Anwendung (Ebner aaO). In diesem Zusammenhang sei noch erwähnt, dass die von Österreich jüngst ratifizierte Europarats-Konvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt die Rechtfertigung derartiger Gewalt aus Gründen der Kultur, des Brauchtums, der Religion, der Tradition oder der sogenannten „Ehre“ ausdrücklich untersagt (vgl. Art 12 Abs. 5 sowie Art 42 Abs. 1 des Übereinkommens).

Strafprozessual ist die Staatsangehörigkeit oder der Kulturkreis der Beschuldigten bzw. Angeklagten unerheblich. Daher ist auch irrelevant, ob die Beteiligten eines Strafprozesses etwa einen islamisch geprägten Hintergrund aufweisen oder nicht. Es kommen in allen Strafverfahren nach der StPO die im 1. Teil der StPO normierten Grundsätze zur Anwendung (§§ 1 – 17 StPO), wobei im gegebenen Zusammenhang insbesondere die Grundsätze der Gesetz- und Verhältnismäßigkeit (§ 5 StPO), der Objektivität und Wahrheitsforschung (§ 3 StPO), des Rechtlichen Gehörs (§ 6 StPO) und der Unschuldsvermutung (§ 8 StPO) wesentliche Bedeutung haben. Zu beachten sind ferner auch zwei im Verfassungsrang stehende Grundsätze, und zwar einerseits der Gleichheitsgrundsatz nach Art 2 StGG und anderseits das Fairnessgebot des Art 6 EMRK. Die Gefahr einer Ungleichbehandlung durch das richterliche Entscheidungsorgan sehe ich vor dem Hintergrund dieser Rechtslage nicht.

Statistisches Zahlenmaterial im Zusammenhang mit Straftaten, begangen “im Namen der Scharia” steht mir nicht zur Verfügung, weil dieses Sachverhaltselement in den elektronischen Registern der Verfahrensautomation Justiz nicht erfasst wird und sich daher einer automationsunterstützten Auswertung entzieht.

 

Wien,        . Jänner 2014

 

 

 

Dr. Wolfgang Brandstetter