1321 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Arbeit und Soziales

über den Antrag 1317/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erhöhung der Treffsicherheit der Bildungskarenz

Die Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 23. September 2015 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Die Bildungskarenz stellt eine potenzialstarke aktive arbeitsmarktpolitische Maßnahme dar, die bereits frühzeitig den Zugang zu Qualifizierungsmaßnahmen erleichtert und präventiv vor Arbeitslosigkeit schützen kann. Gerade aus diesem Grund ist es erfolgsentscheidend, dass diese Maßnahmen vor allem von jener Gruppe von Arbeitsmarktteilnehmer_innen in Anspruch genommen wird, für die eine erhöhte Gefahr der Betroffenheit von Arbeitslosigkeit besteht.

Bereits 2011 zeigte eine Studie bzw. Evaluierung des Instituts für Höhere Studien deutlich, dass das Ziel der Förderung von Personen, die stärker von Arbeitslosigkeit bedroht sind, durch die Bildungskarenz und deren Rahmenbedingungen nicht erreicht wird. Aus diesem Grund wurden weitere Maßnahmen und Bestimmungen eingeführt, die die Treffsicherheit erhöhen sollten. Aktuelle Zahlen über die durch die Bildungskarenz bzw. durch das Weiterbildungsgeld geförderte Personen zeigen allerdings, dass die gesetzten Maßnahmen kaum ausgereicht haben, um eine Trendumkehr in der Inanspruchnahme zu erreichen.

Von der Bildungskarenz (und der monetären Förderung durch das Weiterbildungsgeld) sollten Personen profitieren, die ausbildungsbedingt Probleme haben, sich vor Arbeitslosigkeit abzusichern. Zu diesen Gruppen gehören überdurchschnittlich stark ältere Arbeitnehmer_innen, Arbeitnehmer_innen mit niedrigen Bildungsabschlüssen und Arbeitnehmer_innen in Branchen, die besonders häufig von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Es zeigt sich aber, dass diese Gruppen nur bedingt tatsächlich gefördert werden: Ein Vergleich der Zahlen der IHS-Studie und den aktuellen Leistungsbezieher_innen-Daten des AMS machen dies deutlich.

Die im Folgenden angeführten Zahlen sind ein Vergleich einer Studie zur ‚Evaluierung der Bildungskarenz‘ zwischen 2000 und 2009 und den aktuellsten Zahlen des AMS. Die Vergleichbarkeit ist nicht immer gegeben, da die Daten aus verschiedenen Datensätzen stammen. Die Zahlen von 2009 sind aufgrund der Konjunkturkrise und den damit in Zusammenhang stehenden arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen wie der Kurzarbeit mit Vorsicht zu genießen und dienen nur bedingt einem Vergleich mit den aktuellen Zahlen.

Inanspruchnahme Weiterbildungsgeld/Bildungskarenz nach Alter

Gemäß IHS-Studie sollte die Bildungskarenz bzw. das Weiterbildungsgeld vor allem auch älteren Arbeitnehmer_innen ab 45 zu Gute kommen, damit diese Personengruppe Weiterbildungsmaßnahmen auch im fortgeschrittenen Erwerbsalter in Anspruch nehmen und ihre Erwerbschancen langfristig absichern kann. Die Zahlen der IHS-Studie nach Alter sind nach Geschlechtern getrennt. Die uns vorliegenden Zahlen vom AMS sind insgesamt, ohne Unterscheidung nach Geschlechtern ausgewiesen. Der Vergleich der Daten zeigt, dass sich einerseits die Altersstruktur der Inanspruchnehmer_innen kaum geändert hat und andererseits, dass eine wesentliche Zielgruppe (45+) die Möglichkeiten kaum nützt. Insbesondere bei der Hauptzielgruppe (45+) zeigt sich, dass keine wesentliche Erhöhung der Treffsicherheit in Bezug auf das Alter in Inanspruchnehmer_innen feststellbar ist.

 

15-29 Jahre

30-44 Jahre

Ab 45 Jahren

 

Männer

Frauen

Männer

Frauen

Männer

Frauen

2000-2008

62

29

31

57

7

14

2009

51

37

37

49

12

15

2013

41,5

47,5

11

2014

46,4

44,2

9,4

2015 (Jänner-Mai)

46,9

43,7

9,4

Angaben in Prozent, eigene Auswertung aufgrund von Daten des AMS und der IHS-Studie ‚Evaluierung der Bildungskarenz‘

Inanspruchnahme Weiterbildungsgeld/Bildungsteilzeit nach Branchen

Auch im Vergleich der Branchen gibt es Unterschiede in den Betrachtungen von IHS und den Daten des AMS. Die Daten des AMS wurden – entsprechend den IHS-Kategorien – zusammengefasst, um eine Vergleichbarkeit herzustellen. Das Jahr 2009 ist aufgrund entsprechender Maßnahmen aufgrund der Konjunkturkrise kaum vergleichbar.

Auffallend ist die hohe Zahl an ‚sonstigen‘ Inanspruchnahmen. Bei ‚Sonstigen‘ ist gemäß Daten des AMS vor allem die Branche ‚Erbringung freiberuflicher Dienstleistungen‘ besonders hervorzuheben, die über ein Drittel der Teilnehmer_innen bei sonstigen Branchen ausmacht. Diese Berufe erfordern meist ein hohes Ausbildungsniveau, was der Grund für die hohe Inanspruchnahme sein könnte – dieser mögliche Zusammenhang (Ausbildung/Inanspruchnahme) wird weiter unten genauer beleuchtet.

Interessant ist der Vergleich bei Branchen in Bezug auf die Zahl der Beschäftigten. Hier zeigt sich, dass vor allem der Bereich Soziales/Erziehung/Gesundheit und Verwaltung überrepräsentiert sind. Die Baubranche und die Güterproduktion sind unterrepräsentiert, aber vor allem deutlich gering ist die Nutzung dieser Weiterbildungsangebote im Handel. Was hier nicht aufscheint, aber auch deutlich unterrepräsentiert ist, ist der Tourismus.

 

2000-2008

2009

2013

2014

2015

Bau

6

4

4,8

8,1

8,5

Handel

11

8

10,5

11

11

Soziales/Erz.

33

14

23,4

20,8

20,7

Verwaltung

14

5

10,4

9,3

9,1

Produktion

17

48

12,6

14,2

14,1

Sonstiges

20

20

38,4

36,7

36,5

Angaben in Prozent, eigene Auswertung aufgrund von Daten des AMS und der IHS-Studie ‚Evaluierung der Bildungskarenz‘

Inanspruchnahme Weiterbildungsgeld/Bildungsteilzeit nach Bildungsgrad

Auch bei der Erfassung des Bildungsgrades gibt es Unterschiede zwischen IHS-Studie und den Daten des AMS. In den Daten nimmt die Kategorie ‚ungeklärt‘ jeweils über zehn Prozent ein, weshalb diese Kategorie extra angeführt wird, auch wenn es in der IHS-Studie keine vergleichbare Kategorie gibt. Die IHS-Studie unterscheidet bei Ausbildungen nach der Matura und Studien – diese Kategorien werden zusammengefasst und mit der Kategorie ‚akademische Ausbildung‘ aus den AMS Daten verglichen, weil von einer generellen Vergleichbarkeit auszugehen ist. Problematisch ist lediglich die Zuordnung von Gesundheits- und Krankepflegeschulen – wie zuvor gezeigt, kommt ein hoher Anteil der Teilnehmer_innen an Bildungsteilzeit und Bildungskarenz aus dem Sozial/Gesundheitsbereich – bei der IHS-Studie sind diese den BMS zugewiesen, bei den AMS Daten ist dies nicht ersichtlich.

 

2008

2009

2013

2014

2015

Akademisch

23,3

21,5

23

20,6

20,7

Höhere

25,8

24,4

26,2

24,6

24,1

Mittlere

9

9,1

6,4

6

6

Lehre

29,7

40,5

20,1

24,2

24,6

Pflicht

2,3

4,4

13,1

12,9

13,7

Ungeklärt

 

11,2

11,6

11,6

Angaben in Prozent, eigene Auswertung aufgrund von Daten des AMS und der IHS-Studie ‚Evaluzierung der Bildungskarenz‘

Insgesamt zeigt sich, dass die Einbeziehung von gering Qualifizierten (nur Pflichtschulabschluss, oder kein Abschluss) inzwischen etwas besser funktioniert bzw. verbessert wurde. Allerdings zeigt sich auch, dass noch immer ein überproportional hoher Anteil von Akademiker_inne n und Personen mit geringeren Problemen am Arbeitsmarkt das Angebot der Bildungskarenz und Bildungsteilzeit nutzen (Akademiker_innen und Personen mit Abschluss einer höheren Schulausbildung - zwischen 45-50%) – und das obwohl diese Gruppen gemessen an der Gesamtbevölkerung die kleinsten sind – so sind Personen nur mit/ohne Pflichtschulabschluss auch hier noch immer deutlich unterrepräsentiert. Personen mit Hochschulausbildung oder höherem Schulabschluss sind überrepräsentiert.

Vor allem was den Bildungsabschluss angeht, besteht noch enormes Potenzial zur Weiterentwicklung - insbesondere weil sich die Bildungskarenz bzw. das Weiterbildungsgeld gerade nicht als vorteilhaft für die Arbeitsmarktchancen von Akademiker_innen gezeigt hat. Grund dafür sind auch lange Erwerbsunterbrechungen, die sich insbesondere im hochqualifizierten Bereich als negativ erwiesen haben. Die Einführung der Bildungsteilzeit stellt hier einen positiven Schritt dar, um die Erwerbschancen entsprechend hoch zu halten und ist damit für höher Qualifizierte wesentlich besser zu Weiterbildungsmaßnahmen geeignet, als die Bildungskarenz bzw. das Weiterbildungsgeld an sich.

Grundsätzlich zeigen die Daten, dass sich die Treffsicherheit der Bildungskarenz kaum verändert hat. Noch immer wird sie hauptsächlich von Personen die Anspruch genommen, die bereits gut am Arbeitsmarkt integriert sind und unterdurchschnittlich von Arbeitslosigkeit bedroht sind.“

 

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 20. Oktober 2016 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Mag. Gerald Loacker die Abgeordneten Mag. Helene Jarmer, Mag. Birgit Schatz, Dr. Franz-Joseph Huainigg, Herbert Kickl, Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, August Wöginger, Ulrike Königsberger-Ludwig sowie der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé.

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag keine Mehrheit (dafür: F, G, N, T, dagegen: S, V).

Zur Berichterstatterin für den Nationalrat wurde Abgeordnete Mag. Gertrude Aubauer gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Arbeit und Soziales somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 2016 10 20

                          Mag. Gertrude Aubauer                                                          Josef Muchitsch

                                 Berichterstatterin                                                                          Obmann