1403 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP
Bericht
des Justizausschusses
über die Regierungsvorlage (1300 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975, das Geschworenen- und Schöffengesetz 1990, das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz (ARHG) und das Bundesgesetz über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-JZG) geändert werden (Strafprozessrechtsänderungsgesetz II 2016)
Bis zum 27. November 2016 ist die Richtlinie 2013/48/EU über das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand in Strafverfahren und in Verfahren zur Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls sowie über das Recht auf Benachrichtigung eines Dritten bei Freiheitsentzug und das Recht auf Kommunikation mit Dritten und mit Konsularbehörden während des Freiheitsentzugs (in der Folge: RL Rechtsbeistand), ABl. Nr. L 294 vom 06. 11.2013 S. 1, vollständig umzusetzen.
Sitzungspolizeiliche Maßnahmen sind nur im Rahmen erstinstanzlicher Hauptverhandlungen möglich.
Ungeachtet der jeweiligen Begleitumstände ist eine Diversion bei Todesfolge unzulässig.
Die Kronzeugenregelung nach den §§ 209a und 209b StPO steht nur befristet bis 31. Dezember 2016 in Geltung; die praktische Anwendung leidet an Mängel der Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit.
Für den Fall einer fehlerhaften Entscheidung der Staatsanwaltschaft über die nachträgliche Fortsetzung nach vorläufigem Rücktritt von der Verfolgung (Diversion) besteht keine prozessuale Konsequenz.
Die geltende Zuständigkeit kraft Zusammenhangs kann verfahrensunökonomische Konsequenzen nach sich ziehen, wenn das später (wegen des zeitlich früheren Tatvorwurfs) angerufene Gericht auch das früher (hinsichtlich zeitlich späterer Tatvorwürfe) bereits anhängig gewordene Verfahren jedenfalls einzubeziehen hat.
Die Zuordnung von Kosten einer Überstellung von Strafgefangenen zur weiteren Strafvollstreckung in das Ausland als Kosten des Strafverfahrens ist gesetzlich ungeregelt.
Seit dem Inkrafttreten des Strafprozessrechtsänderungsgesetzes 2014, BGBl. I Nr. 71/2014, ist bereits jeder Verdächtige von der Ausübung des Amtes als Schöffe oder Geschworener ausgeschlossen.
Die gegenständliche Regierungsvorlage verfolgt nachstehende Ziele:
1. Vollumsetzung der RL Rechtsbeistand.
2. Ermöglichung der Ergreifung sitzungspolizeilicher Maßnahmen auch außerhalb erstinstanzlicher Hauptverhandlungen im Rechtsmittelverfahren und in Haftverhandlungen.
3. Zulässigkeit der Diversion im Erwachsenenstrafrecht unter bestimmten Umständen auch bei Vorliegen einer Todesfolge.
4. Neugestaltung der „Kronzeugenregelung“ nach den §§ 209a und 209b StPO unter Klarstellung des Anwendungsbereichs und des Verfahrensablaufs unter Berücksichtigung bisheriger Erfahrungswerte und den Beratungen einer Expertengruppe sowie Verlängerung der Geltung um weitere fünf Jahre.
5. Möglichkeit der Korrektur einer fehlerhaften Entscheidung der Staatsanwaltschaft über die nachträgliche Fortsetzung nach vorläufigem Rücktritt von der Verfolgung (Diversion).
6. Vermeidung verfahrensunökonomischer Einbeziehungen im Fall einer Zuständigkeit kraft Zusammenhangs.
7. Klarstellung der Eigenschaft der Kosten einer Überstellung von Strafgefangenen zur weiteren Strafvollstreckung in das In- oder Ausland als Kosten des Strafverfahrens.
8. Vermeidung des Ausschlusses vom Amt als Schöffe oder Geschworener bei einer bloß unkonkreten und noch zu bestimmenden Verdachtslage.
Das Vorhaben umfasst hauptsächlich folgende Maßnahmen:
1. Möglichkeit des Beschuldigten, vor seiner Vernehmung einen Verteidiger zu verständigen, beizuziehen und zu bevollmächtigen; gesetzliche Verankerung und Ausbau des (bislang auf vertraglicher Basis mit dem ÖRAK betriebenen) Rechtsanwaltlichen Journaldienstes; Teilnahme eines Verteidigers auch bei der Vernehmung zu den Voraussetzungen der Untersuchungshaft; Klarstellung, dass eine aufgrund eines Europäischen Haftbefehls festgenommene Person das Recht hat, auch im Ausstellungsstaat desselben einen Verteidiger zu bevollmächtigen.
2. Zulässigkeit sitzungspolizeilicher Maßnahmen im Rahmen des Gerichtstags zur öffentlichen Verhandlung vor dem OGH, der Berufungsverhandlung vor dem jeweiligen Rechtsmittelgericht und der Haftverhandlung im Hauptverfahren.
3. Zulässigkeit der Diversion im Erwachsenenstrafrecht dann, wenn ein Angehöriger des Beschuldigten fahrlässig getötet wurde und eine Bestrafung im Hinblick auf die durch den Tod des Angehörigen beim Beschuldigten verursachte schwere psychische Belastung nicht geboten erscheint.
4. Klarstellung des Anwendungsbereichs der Kronzeugenregelung durch Regelung des Verhältnisses zwischen Kronzeugentat und aufzuklärenden Taten; Rechtssicherheit für den Kronzeugen (raschere Entscheidung und Rechtsanspruch bei Vorliegen aller Voraussetzungen); Harmonisierung mit § 41a StGB und Erfordernis des aktiven Herantretens des Kronzeugen an die Staatsanwaltschaft; Präzisierung, dass das Verfahren gegen den Kronzeugen wiederaufzunehmen ist, wenn seine Informationen keinen wesentlichen Beitrag zur Aufklärung der Straftat geliefert haben; neuerliche Befristung der §§ 199, 209a und 209b StPO bis 31. Dezember 2021.
5. Schaffung eines zusätzlichen Einspruchsgrundes gegen die Anklageschrift bzw. Zurückweisungsgrundes des Strafantrags.
6. Abstellen auf den Zeitpunkt des Vorliegens einer rechtswirksamen Anklage in bestimmten Fällen der Zuständigkeit kraft Zusammenhangs.
7. Ausdrückliche Anführung der Kosten der Überstellung von Strafgefangenen in den in- oder ausländischen Strafvollzug in § 381 StPO.
8. Klarstellung, dass für den Ausschluss von der Ausübung des Amts als Schöffe oder Geschworener auf eine konkrete Beschuldigung abzustellen ist.
Der Justizausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 6. Dezember 2016 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger die Abgeordneten Mag. Philipp Schrangl, Mag. Albert Steinhauser, Christoph Hagen und Dr. Nikolaus Scherak sowie der Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter und die Ausschussobfrau Abgeordnete Mag. Michaela Steinacker.
Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker und Dr. Johannes Jarolim einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:
„Zu Z 1 bis 3 (§§ 49 Z 4, 164 Abs. 1, 188 Abs. 3 StPO):
Im Zuge der Änderungen in § 59 StPO kommt es auch zu Verschiebungen innerhalb der einzelnen Absätze. Die in §§ 49 Z 4, 164 Abs. 1 und 188 Abs. 3 StPO enthaltenen Verweise auf (Teile des) § 59 StPO sind daher entsprechend anzupassen, wobei in § 49 Z 4 StPO der Verweis auf einen konkreten Absatz überhaupt entfallen kann, weil nunmehr sämtliche Absätze den Verteidigerkontakt (bzw. Abs. 3 die Unzulässigkeit von dessen Überwachung) regeln.
Zu Z 4 (§ 140 Abs. 15 EU-JZG):
Zeitpunkt des Inkrafttretens der Änderungen im EU-JZG soll im Einklang mit den Änderungen in der StPO und dem ARHG der 1. Jänner 2017 sein.“
Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des oben erwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker und Dr. Johannes Jarolim einstimmig beschlossen.
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Justizausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.
Wien, 2016 12 06
Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger Mag. Michaela Steinacker
Berichterstatter Obfrau