1571 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP

 

Bericht

des Ausschusses für innere Angelegenheiten

über die Regierungsvorlage (1469 der Beilagen): Vertrag zwischen der Republik Österreich, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über die grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit

Am 27. April 1999 wurde der Vertrag zwischen der Republik Österreich, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Sicherheits- und Zollbehörden (BGBl. III Nr. 120/2001; im Folgenden: Vertrag 1999) in Bern unterzeichnet. Der Vertrag 1999 trat am 1. Juli 2001 in Kraft. Zu diesem Zeitpunkt war der Vertrag 1999 in Bezug auf den Umfang der Zusammenarbeit zwischen den Sicherheits- und Zollbehörden beispielgebend. Er wurde zum Vorbild für den Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zur polizeilichen Gefahrenabwehr und in strafrechtlichen Angelegenheiten (BGBl. III Nr. 210/2005) und somit für einige Bestimmungen des Prümer Vertrags (BGBl. III Nr. 159/2006). Der Vertrag 1999 ist auch heute noch eine sehr gute Grundlage für die enge polizeiliche und grenzpolizeiliche Zusammenarbeit zur Gefahrenabwehr und Kriminalitätsbekämpfung.

Seit der Unterzeichnung des Vertrages 1999 fand jedoch eine rasante Weiterentwicklung der internationalen polizeilichen Zusammenarbeit statt. Im österreichisch-deutschen Vertrag und im Prümer Vertrag finden sich Bestimmungen, die weit über den trilateralen Vertrag hinausgehen. In der Europäischen Union (EU) wurde eine Zusammenarbeit zwischen den Spezialeinheiten der Mitgliedstaaten in Krisensituationen geschaffen (ABl. Nr. L 210 vom 6.8.2008, S. 73). Österreich und die Schweiz haben im Rahmen der Fußball-Europameisterschaft EURO 2008 wertvolle Erkenntnisse über Regelungslücken im Vertrag gewonnen. Überdies hat Österreich bei der Anwendung des Prümer Vertrages zusätzliche Erfahrungen gesammelt, die für die Weiterentwicklung der grenzüberschreitenden Polizeikooperation nützlich sind.

Die wichtigste Entwicklung seit 1999 stellt jedoch die volle Beteiligung der Schweiz und des Fürstentum Liechtenstein an der Schengener Zusammenarbeit dar. In Vorbereitung dieser Schengen-Zusammenarbeit unterzeichneten die zuständigen Minister der Schweiz, Liechtensteins und Österreichs bereits am 21. April 2008 ein Memorandum of Understanding über die Verstärkung der trilateralen grenzüberschreitenden polizeilichen Zusammenarbeit vor und nach der Inkraftsetzung des Schengen-Besitzstandes an den gemeinsamen Staatsgrenzen. In Punkt 13 des Memorandums vereinbarten die Minister die Prüfung und allfällige Adaptierung der bestehenden relevanten Abkommen, also auch des Vertrages 1999.

Die erste formelle Verhandlungsrunde für einen neuen trilateralen Vertrag fand von 5. bis 6. Dezember 2011 in Wien statt. Bereits die zweite formelle Verhandlungsrunde von 16. bis 17. Februar 2012 in Vaduz führte zur Einigung über den neuen Vertragstext.


 

Die wichtigsten Neuerungen des neuen trilateralen Vertrages im Vergleich zum in Kraft befindlichen Vertrag 1999 betreffen die Zusammenarbeit in den folgenden Bereichen:

-       Verdeckte Ermittlungen zum Zwecke der Verhinderung auslieferungsfähiger Straftaten von erheblicher Bedeutung,

-       Befugnis zur Ergreifung von vorläufigen Maßnahmen im grenznahen Bereich auf dem Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates bei unmittelbarer erheblicher Gefahr,

-       Zeugen- und Opferschutz,

-       Unterstellung von Beamten zum Zwecke der Regelung und Sicherung des Verkehrs,

-       Unterstützung bei Rückführungen,

-       polizeiliche Durchbeförderung,

-       Übergabe von Personen an der Staatsgrenze,

-       Zusammenarbeit bei der Verfolgung von Zuwiderhandlungen gegen Vorschriften des Straßenverkehrs.

Neben diesen inhaltlichen Ergänzungen wurden in einer Vielzahl von bestehenden Bestimmungen, wie zum Beispiel in den Art. 14, 15 oder 16 die Möglichkeiten der Zusammenarbeit ausgeweitet. Der Vertrag zwischen der Republik Österreich, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über die grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit (im Folgenden: Vertrag 2012) wurde auch gegenüber dem Vertrag 1999 redaktionell verbessert. Dazu wurde eine neue Gliederung gewählt und es wurden sprachliche Bereinigungen durchgeführt.

Im Vertrag werden einerseits Formen der polizeilichen Zusammenarbeit, andererseits solche der Amts- und Rechtshilfe zur Verfolgung von Straßenverkehrsdelikten vereinbart. Mit dem Abschluss des Vertrages am 4. Juni 2012 werden die Möglichkeiten der österreichischen Behörden zur Zusammenarbeit mit vergleichbaren Stellen in der Schweiz und Liechtenstein bei der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, der Kriminalitätsbekämpfung, im fremdenpolizeilichen Bereich und im Bereich der Sicherheit des Straßenverkehrs erweitert. Weiters wird die Zusammenarbeit bei der Verfolgung von Zuwiderhandlungen gegen Vorschriften des Straßenverkehrs verstärkt werden. Der Vertrag 2012 ersetzt nach seinem Inkrafttreten den Vertrag 1999.

Der Vertrag 2012 wird voraussichtlich für die meisten Bereiche der Zusammenarbeit keine erheblichen finanziellen Auswirkungen haben; sofern es dennoch zu solchen kommen sollte, werden sie aus den dem zuständigen Ressort zur Verfügung gestellten Mitteln bedeckt.

Lediglich für die Bestimmungen des Art. 13 Abs. 1 lit. c und des Kapitels VI sind mit der Umsetzung des Vertrages höhere einmalige und laufende Kosten verbunden. Nachdem die zusätzlichen Einnahmen aus der grenzüberschreitenden Verfolgung von Verkehrsdelikten nach heutigem Gesichtspunkt die finanziellen Erfordernisse für die Umsetzung des Vertrages erheblich übersteigen werden, wäre der tatsächliche Verwaltungsaufwand im Zuge der Umsetzung – so wie im Regierungsprogramm für die XXIV. Gesetzgebungsperiode im Kapitel Inneres, Justiz, Landesverteidigung unter Punkt D.5. Verkehrssicherheit festgelegt – bei der Verteilung der Strafgeldeinnahmen entsprechend zu berücksichtigen. Des Weiteren wird es durch den Vertrag zu einer Erhöhung der Verkehrssicherheit kommen, die zu einer Ersparnis der Folgekosten aus Verkehrsunfällen führen wird.

Die im Vertrag enthaltenen Formen der polizeilichen Zusammenarbeit stellen eine Weiterentwicklung der im Bundesgesetz über die polizeiliche Kooperation mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und dem Europäischen Polizeiamt (EU-PolKG) – BGBl. I 2009/132 idgF. – vorgesehenen Möglichkeiten der internationalen polizeilichen Amtshilfe dar. Gemäß Art. 2 Ziffer 1 des EU-PolKG sind die Schweiz und das Fürstentum Liechtenstein als Schengen-assoziierte Staaten, Mitgliedstaaten der EU gleichzuhalten.

Die in Kapitel VI vereinbarten Formen der Zusammenarbeit zur Verfolgung von Zuwiderhandlungen gegen Vorschriften des Straßenverkehrs stellen Bestimmungen der Amts- und Rechtshilfe dar.

Vergleichbare Formen der Zusammenarbeit finden sich in verschiedenen Rechtsakten der EU, zu denen die Schweiz und Liechtenstein jedoch keine Vertragsparteien sind.

Der gegenständliche Staatsvertrag hat gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Charakter und bedarf daher gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG der Genehmigung durch den Nationalrat.

Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG ist erforderlich, da Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, geregelt werden.

 

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten hat den gegenständlichen Staatsvertrag in seiner Sitzung am 21. März 2017 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich im Anschluss an die Ausführungen des Berichterstatters Abgeordneten Hermann Gahr die Abgeordneten Christoph Hagen und Dr. Walter Rosenkranz sowie der Bundesminister für Inneres Mag. Wolfgang Sobotka.

 

Bei der Abstimmung wurde mit Stimmenmehrheit (dafür: S, V, F, N, T dagegen: G) beschlossen, dem Nationalrat die Genehmigung des Abschlusses dieses Staatsvertrages zu empfehlen.

 

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten vertritt weiters mit Stimmenmehrheit (dafür: S, V, F, N, T dagegen: G) die Auffassung, dass die Bestimmungen des Staatsvertrages zur unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Bereich ausreichend determiniert sind, sodass sich eine Beschlussfassung des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 4 B-VG zur Erfüllung des Staatsvertrages erübrigt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für innere Angelegenheiten somit den Antrag, der Nationalrat wolle beschließen:

Der Abschluss des Staatsvertrages: Vertrag zwischen der Republik Österreich, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über die grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit (1469 der Beilagen) wird gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG genehmigt.

Wien, 2017 03 21

                                  Hermann Gahr                                                                       Otto Pendl

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann