1597 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Arbeit und Soziales

über die Regierungsvorlage (1585 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz zur Arbeitsmarkt­integration von arbeitsfähigen Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten sowie AsylwerberInnen, bei denen die Zuerkennung des internationalen Schutzes wahrscheinlich ist, im Rahmen eines Integrationsjahres (Integrationsjahrgesetz – IJG) erlassen wird und das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz geändert wird (Arbeitsmarktintegrationsgesetz) sowie

über den Antrag 1398/A(E) der Abgeordneten Mag. Birgit Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend arbeitsmarktpolitischer Gesamtstrategie zur Integration von anerkannten Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt

Regierungsvorlage 1585 der Beilagen

Mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf sollen die im „Maßnahmenpaket zur Integration von Flüchtlingen“ (Ministerratsvortrag vom 20. Juni 2016) und die im Arbeitsgruppenbericht (Ministerratsvortrag vom 12. Oktober 2016) angekündigten Maßnahmen zur Integration von Flüchtlingen im Rahmen eines Integrationsjahres umgesetzt werden. Zielgruppe der Maßnahmen sind Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte, aber auch AsylwerberInnen mit hoher Anerkennungswahrscheinlichkeit.

Dabei besteht Konsens, dass die Integrationsbemühungen so früh wie möglich ansetzen und ein möglichst einheitliches Integrationskonzept verfolgt wird. Auch die Aussicht auf einen positiven Asylbescheid oder subsidiären Schutz soll als Grundlage für Integrationsmaßnahmen schon während des Asylverfahrens gelten, um Inaktivität und Isolation zu vermeiden und eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen.

Zentrale Maßnahme der Integrationsbemühungen ist ein gesamtheitlich konzipiertes Integrationsjahr mit dem Ziel, Asylberechtigte, subsidiär Schutzberechtigte und AsylwerberInnen mit sehr hoher Anerkennungswahrscheinlichkeit auf die Teilhabe an der Gesellschaft und am Arbeitsmarkt vorzubereiten und ihnen die dafür notwendigen sprachlichen und beruflichen Qualifikationen zu vermitteln.

Das verpflichtende Integrationsjahr basiert auf einem System des Förderns und des Forderns. Die je nach vorhandenen Qualifikationen und Vorkenntnissen erforderlichen, modular aufgebauten Maßnahmen werden in einer Integrationskarte festgehalten. Die konkreten Integrationsangebote gehen mit der Verpflichtung zur Mitwirkung und der Möglichkeit einer Sanktionierung bei Nichtteilnahme an angebotenen Maßnahmen einher.

Der Spracherwerb, die berufliche Qualifizierung und die Möglichkeit des Arbeitstrainings im Rahmen eines systematisierten Integrationsjahres sollen Spätfolgen mangelhafter Unterstützung im Integrationsprozess, wie insbesondere einen schwierigen Einstieg in den regulären Arbeitsmarkt oder länger andauernde Arbeitslosigkeit aufgrund unzureichender Qualifikation, vermeiden und die Selbsterhaltungsfähigkeit sowie die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gewährleisten.

Kompetenzgrundlage:

In kompetenzrechtlicher Hinsicht stützt sich das vorliegende Bundesgesetz auf Art. 10 Abs. 1 Z 3 und 11 B-VG („Asyl“ und „Arbeitsrecht und Sozialversicherungswesen“).

Antrag 1398/A(E)

Die Abgeordneten Mag. Birgit Schatz, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 11. November 2015 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Die seit Jahren gefährliche Lage in den Krisen- und Kriegsländern des Nahen und Mittleren Ostens führt seit geraumer Zeit zu verstärkten Flüchtlingsbewegungen bis nach Österreich. Zudem hat sich die Situation in den Flüchtlingslagern der Region etwa durch Lebensmittelrationsreduktionen weiter verschlechtert. Auch Österreich hat in diesem Zusammenhang lange keine rühmliche Rolle gespielt und ist seiner finanziellen Verantwortung nicht nachgekommen. Besonders besorgniserregend ist auch die Tatsache, dass es für Generationen keine Zukunftsperspektiven in diesen Lagern gibt, Kinder und Jugendliche erhalten seit Jahren dort keine schulische Bildung.

Seit Sommer 2015 kommen also nun durch die Länder des Balkans immer mehr vor allem durchreisende Flüchtlinge nach Österreich. Im September 2015 passierten 200.000 Flüchtlinge Österreich, ein vergleichsweise kleiner Teil stellte einen Asylantrag (9.031 Anträge im September, insgesamt 55.200 von Jänner bis September 2015). Obwohl in dieser Situation Prognosen schwierig sind, ist von einem weiteren Anstieg der Zahl der Asylverfahren und mit einer steigenden Anerkennungsrate zu rechnen. Es geht Schätzungen zufolge um 80.000-85.000 Asylwerbende und 25.000-30.000 Asylberechtigte am Arbeitsmarkt im Jahr 2015.

Diese komplexe Krisensituation braucht umfassende politische Lösungen. Zentral ist eine politische Konfliktlösung für die Region und eine massive Verbesserung der Situation in den Flüchtlingslagern. Parallel dazu ist das Engagement für die humanitäre Hilfe gemäß der UN-Flüchtlingskonvention hier in Österreich unabdingbar. Die Reduktion des Problems auf eine europäische Quoten-Diskussion ist unmittelbar für die prekäre Lage hunderttausender Flüchtlinge in vielen europäischen Ländern wenig hilfreich. Es geht um eine professionelle Krisenbewältigung, Betreuung und Versorgung der betroffenen Menschen und Unterstützung bei der Entwicklung neuer Lebensperspektiven.

Ein wichtiger Teil der Perspektivenentwicklung betrifft den Arbeitsmarkt. Es braucht dafür effektive integrative Maßnahmen im Rahmen der Arbeitsmarktpolitik. Der erste Zugang und dessen Ausgestaltung zum Arbeitsmarkt spielt dabei eine wesentliche Rolle. EU-Kommissionspräsident Juncker hat in seiner vielbeachteten Rede im September 2015 neben der Schaffung eines gemeinsamen europäischen Asylverfahrens u.a. gefordert, AsylwerberInnen so schnell wie möglich Zugang zum Arbeitsmarkt zu geben.

Basierend auf der EU-Richtlinie (2013/33/EU) werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, AsylwerberInnen spätestens nach neun Monaten einen effektiven Zugang zum Arbeitsmarkt zu gewährleisten. Die Umsetzungsfrist war im Juli 2015. Ob Österreich mit seiner restriktiven Linie á la Bartenstein-Erlass tatsächlich entsprechend dieser Richtlinie agiert, ist strittig. Derzeit ist nur eine kurzfristige Beschäftigung in der Erntearbeit und im Tourismus als auch freie selbstständige Arbeit z.B. in der Prostitution oder Zeitungszustellung möglich. Asylberechtigte sind hingegen ÖsterreicherInnen am Arbeitsmarkt rechtlich gleichgestellt. Fehlende Sprachkenntnisse, keine Anerkennung formeller oder informeller Kompetenzen und mangelnde Berufsorientierung verunmöglichen bzw. erschweren eine stabile Arbeitsmarktintegration und damit die Chance auf materielle Selbsterhaltungsfähigkeit. Die Gefahr ist groß, dass bei einem missglückten Arbeitsmarkteinstieg auf Dauer eine Unterstützung durch die Mindestsicherung notwendig bleiben wird. Dem gilt es entgegen zu wirken.

Der Fokus dieses Antrags liegt auf der Gruppe der anerkannten Flüchtlinge, also der Asylberechtigten. Es geht darum, dieser Gruppe berufliche Perspektiven zu bieten und sie durch gezielt entwickelte und angewandte Einstiegsmodule des AMS-Maßnahmenbereichs nachhaltig in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

Das vorgeschlagene Maßnahmenpaket dauert sieben Monate und umfasst eine Sprachaufbau- und Berufsorientierungsphase. Eine wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration am Arbeitsmarkt sind Sprachkenntnisse, auch berufs- bzw. branchenspezifische. Dieser Sprachkursphase folgt, um eine erfolgreiche berufliche Integration zu gewährleisten, eine berufliche Orientierungsphase. Deren Ziel ist es auch, die mitgebrachten formellen und informellen Qualifikationen und Kompetenzen zu erheben und verwertbar zu machen. Um dieser Zielsetzung nachzukommen, gehört die Anerkennung international erworbener beruflicher Qualifikationen erleichtert und durch ein one-stop-shop Verfahren abgewickelt. Denn die systematische Nicht-Anerkennung und Vernachlässigung von international erworbenen Berufsqualifikationen und Arbeitspraxis kommen einer Dequalifizierung gleich und können als eine Sonderform des Lohndumpings betrachtet werden.

In der Phase der konkreten Arbeitssuche braucht es in Folge Unterstützung und Vermittlung für Unternehmen, die Beschäftigte suchen, als auch begleitende Betreuung für Arbeitssuchende. Eine geglückte Arbeitsmarktintegration soll so kein Zufall bleiben. Die folgende Abbildung verdeutlicht die zeitliche und inhaltliche Struktur des vorgeschlagenen Maßnahmenpakets:

Derzeit gibt es vereinzelt Pilotprojekte (wie der im Herbst 2015 gestartete ‚Kompetenzcheck‘ des AMS Wien), die vermehrt experimentell organisiert sind. Zu einem einheitlichen flächendeckenden garantierten Angebot durch die Arbeitsmarktpolitik ist es aber offenbar noch ein weiter Weg. Klar zu stellen ist noch, dass im Anschluss an das beschriebene gezielte Maßnahmenpaket für anerkannte Flüchtlinge dieselben AMS-Angebote wie für alle anderen Arbeitssuchenden bzw. Arbeitslose zur Verfügung stehen sollen.“

 

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat den Entschließungsantrag 1398/A(E) erstmals in seiner Sitzung am 10. März 2016 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordneten Mag. Birgit Schatz die Abgeordneten Johann Hechtl, Johann Höfinger, Ing. Waltraud Dietrich, Johann Hell, Peter Wurm, Mag. Gerald Loacker, Dr. Angelika Winzig, Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Josef Muchitsch und Carmen Schimanek. Anschließend wurden die Verhandlungen vertagt.

Am 28. Juni 2016 wurden die Verhandlungen zum Entschließungsantrag 1398/A(E) wieder aufgenommen. In der Debatte ergriffen die Abgeordneten Mag. Michael Hammer, Mag. Gerald Loacker, Johann Hechtl, Mag. Birgit Schatz, Mag. Judith Schwentner, Gabriel Obernosterer, Mag. Gertrude Aubauer, Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Ing. Waltraud Dietrich, Josef Muchitsch, Ulrike Königsberger-Ludwig und Herbert Kickl sowie der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé das Wort. Im Anschluss wurden die Verhandlungen erneut vertagt.

In seiner Sitzung am 6. April 2017 hat der Ausschuss für Arbeit und Soziales die Regierungsvorlage 1585 der Beilagen in Verhandlung genommen; als Berichterstatterin fungierte Abgeordnete Mag. Gertrude Aubauer. Außerdem wurden die Verhandlungen zum Entschließungsantrag 1398/A(E) wieder aufgenommen. An der gemeinsamen Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Mag. Gertrude Aubauer, Mag. Alev Korun, Mag. Gerald Loacker, Mag. Judith Schwentner, Mag. Birgit Schatz, Herbert Kickl, Peter Wurm, Ing. Waltraud Dietrich, Johann Hechtl, Josef Muchitsch, August Wöginger, Ulrike Königsberger-Ludwig und Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein sowie der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé.

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf mit Stimmenmehrheit (dafür: S, V, G, dagegen: F, N, T) beschlossen.

Ferner beschloss der Ausschuss für Arbeit und Soziales mit Stimmenmehrheit (dafür: S, V, G, dagegen: F, N, T) folgende Feststellung:

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales stellt fest, dass Arbeitstrainings im Sinne des § 5 Abs. 3 Z 7 Integrationsjahrgesetz keine Verpflichtung zu Arbeitsleistung darstellen, sondern den Charakter einer Weiterbildung haben, die auf den bereits bestehenden Qualifikationen aufbaut und der Vorbereitung einer Integration in den Arbeitsmarkt oder einer weiterführenden Ausbildung dienen.

Der Entschließungsantrag 1398/A(E) gilt als miterledigt.

Zur Berichterstatterin für den Nationalrat wurde Abgeordnete Mag. Gertrude Aubauer gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Arbeit und Soziales somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (1585 der Beilagen) die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2017 04 06

                          Mag. Gertrude Aubauer                                                          Josef Muchitsch

                                 Berichterstatterin                                                                          Obmann