1637 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP

 

Bericht

des Familienausschusses

über den Antrag 366/A(E) der Abgeordneten Dr. Marcus Franz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schaffung von Beratungsstellen für ungewollt Schwangere“

Die Abgeordneten Dr. Marcus Franz, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 27. März 2014 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„In Österreich liegt die statistische Geburtenrate derzeit bei 1,4 Kinder pro Frau. Um eine positive Bevölkerungsentwicklung aufrechterhalten zu können, ist jedoch eine Geburtenrate von 2,1 pro Frau notwendig. Auch die Zuwanderung bringt langfristig keine positive Geburtenbilanz. Eine ausreichend hohe Geburtenrate ist für eine positive wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Gesellschaft von besonderer Bedeutung. Mittel- und langfristig stellen zu niedrige Geburtenraten und die Überalterung der Bevölkerung in diesem Zusammenhang die größten Herausforderungen für die Sozialpolitik dar.

Ein Umstand, der einer positiven Geburtenbilanz entgegensteht, ist die hohe Zahl an Abtreibungen. In Österreich werden im Gegensatz zu Deutschland[1] keine diesbezüglichen Statistiken geführt, Experten schätzen die Zahl der Abtreibungen für Österreich zwischen 30.000 bis 60.000 pro Jahr[2]. 2012 wurden in Österreich 78.952 Lebendgeborene statistisch erfasst. Die Abtreibungsquote liegt in Österreich daher bei rund 27% bis 43% (der gesamt möglich Lebendgeborenen), in Deutschland bei rund 23%. Österreich liegt mit dieser Quote signifikant höher als Deutschland.

In Deutschland wird die Beratung im Vorfeld zu einem Schwangerschaftsabbruch mit dem „Gesetz zur Vermeidung und Bewältigung von Schwangerschaftskonflikten“ geregelt. Konkret normiert dieses Gesetz u.a. „…eine notwendige Beratung ist ergebnisoffen zu führen. Sie geht von der Verantwortung der Frau aus. Die Beratung soll ermutigen und Verständnis wecken, nicht belehren oder bevormunden. Die Schwangerschaftskonfliktberatung dient dem Schutz des ungeborenen Lebens.“[3] Deutsche Frauen müssen mindestens drei Tage vor einem Schwangerschaftsabbruch ein Beratungsgespräch durchführen. Die Schwangere benötigt eine Bescheinigung einer zugelassenen Beratungsstelle. Anschließend darf ein Arzt, der nicht an der Beratung teilgenommen hat, die Schwangerschaft bis zur zwölften Woche nach der Empfängnis abbrechen.

In Österreich gibt es keine vorgeschriebene Wartezeit, keine vorgeschriebene Beratung in einer Beratungsstelle, keine inhaltlichen Vorgaben für die ärztliche Beratung und die Frau muss ihre Gründe für den Abbruch nicht angeben. Persönliche Daten werden nicht weitergegeben, da es keine Meldung an die Krankenkassen oder irgendeine andere Institution gibt, da der Abbruch in Österreich nicht, wie in fast allen anderen Westeuropäischen Ländern von der Krankenkasse bezahlt wird. Ausnahme ist eine medizinische Indikation, die einen Schwangerschaftsabbruch notwendig macht.

Das österreichische Negativszenario erfordert ein Umdenken bei den Regierungsverantwortlichen. Es muss über begleitende Geburtshilfe diskutiert werden anstatt über Sterbehilfe. Österreich braucht eine fundierte Debatte zum Thema Abtreibung und die Schaffung neuer Optionen für das Leben. Frauen, die eine Abtreibung vornehmen lassen, dürfen nicht diskreditiert werden. Es muss werdenden Müttern derart geholfen werden, dass insbesondere wirtschaftliche Faktoren kein Grund mehr für eine Abtreibung sind.

Neben standardisierten Beratungszentren in allen Bundesländern müssen ab dem Zeitpunkt der Geburt Hilfen wie etwa subventionierte „Leihomas“, Babysitter-Zuschüsse und besondere Unterstützung von arbeitslosen Jungvätern und Jungmüttern durch das AMS, etwa mit Sonderaktionen für Unternehmer, die Jungväter bzw. Jungmütter beschäftigen, realisiert werden.

In Österreich hat sich leider eine gesellschaftliche Haltung entwickelt, die Kinder eher als ein Hindernis denn als eine Bereicherung ansieht. Gerade in einer überdurchschnittlich alten Gesellschaft, mit zu geringer Geburtenrate, zu wenig Kindern und zu wenig Kinderbetreuungsmöglichkeiten und nicht zuletzt angesichts der gerade begonnenen Sterbehilfe-Diskussion, dürfen zentrale gesellschaftspolitischen Fragen wie die Eindämmung der Schwangerschaftsabbrüche nicht ausgeklammert werden.“

 

Der Familienausschuss hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 20. April 2016 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Leopold Steinbichler die Abgeordneten Dr. Marcus Franz, Nikolaus Prinz, Claudia Angela Gamon, MSc (WU), Katharina Kucharowits, Mag. Aygül Berivan Aslan, Carmen Schimanek, Ulrike Königsberger-Ludwig, Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller sowie die Bundesministerin für Familien und Jugend MMag. Dr. Sophie Karmasin. Im Anschluss an die Debatte wurden die Verhandlungen vertagt.

An der Debatte am 10. Mai 2017 beteiligten sich die Abgeordneten Dr. Marcus Franz, Angela Fichtinger, Angela Lueger und Leopold Steinbichler.

 

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Marcus Franz, Kolleginnen und Kollegen nicht die Zustimmung der Ausschussmehrheit (für den Antrag: F, T, dagegen: S, V, G, N).

 

Zur Berichterstatterin für den Nationalrat wurde Abgeordnete Angela Fichtinger gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Familienausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 2017 05 10

                               Angela Fichtinger                                                       Dipl.-Ing. Georg Strasser

                                 Berichterstatterin                                                                          Obmann

 



[1] Das Statistische Bundesamt in Deutschland verzeichnet für 2011 108.867 Abtreibungen, bei 662.685 Lebendgeborenen.

[2] Ärztekammer Niederösterreich, Der Standard, 11. Juli 2013; wobei manche Experten die Zahlen noch weit höher ansetzen;

[3] Gesetz zur Vermeidung und Bewältigung von Schwangerschaftskonflikten (Schwangerschaftskonfliktgesetz - SchKG)