414 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Arbeit und Soziales

über die Regierungsvorlage (365 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird

Hauptgesichtspunkte des Entwurfes:

Wie im Regierungsprogramm für die XXV. Gesetzgebungsperiode vorgesehen und von der Reformarbeitsgruppe Pflege empfohlen wurde, sollen das Pflegegeld und der Pflegefonds als zentrale Säulen der Pflegefinanzierung durch den Bund beibehalten und weiterentwickelt werden; beim Pflegegeld wäre hierbei der Fokus auf Fälle höherer Pflegebedürftigkeit und Bedarfsgerechtigkeit zu richten.

Das österreichische Pflegevorsorgesystem basiert im Wesentlichen auf drei Säulen.

Die erste Säule bildet das Pflegegeld, welches in Form eines Beitrages pflegebedingte Mehraufwendungen pauschal abgelten sowie pflegebedürftige Personen bei der Verwirklichung eines selbstbestimmten und bedürfnisorientierten Lebens unterstützen soll. Im Jahr 2013 bezogen durchschnittlich 447.351 Personen ein Pflegegeld nach den Bestimmungen des Bundespflegegeldgesetzes; die Kosten hiefür beliefen sich auf rund € 2,48 Mrd.

Die zweite essentielle Säule ist die Pflege und Betreuung durch Angehörige. Aus diesem Grund ist es wichtig, diese Personen zu unterstützen. Neben der im Jahr 2014 neu eingeführten Möglichkeit der Pflegekarenz bzw. der Pflegeteilzeit mit Rechtsanspruch auf ein Pflegekarenzgeld, wofür jährlich rund € 5,5 Mio. budgetiert sind, werden vom Bund jährlich rund € 11 Mio. (Wert 2013) an Zuwendungen zu den Kosten der Ersatzpflege gemäß § 21a BPGG geleistet sowie die Beiträge zur sozialversicherungsrechtlichen Absicherung in der Pensionsversicherung im Wert von jährlich rund € 39 Mio. (Wert 2013) übernommen.

Die Gesamtausgaben des Bundes und der Länder für die Förderung der 24-Stunden-Betreuung sind aufgrund der verstärkten Inanspruchnahme kontinuierlich gestiegen und betrugen € 9,1 Mio. im Jahr 2008, € 58,4 Mio. im Jahr 2010 und € 105,3 Mio. im Jahr 2013. Davon trägt der Bund 60% der Kosten, die im Jahr 2013 das 11,5fache des Förderbetrages ausmachten, der im Jahr 2008 ausbezahlt wurde.

Im Bereich der dritten wesentlichen Säule des österreichischen Pflegevorsorgesystems, der sozialen Dienste, beteiligt sich der Bund – zusätzlich zu den Geldern über den Finanzausgleich – maßgeblich an den Kosten für die Sicherung sowie den bedarfsgerechten Aus- und Aufbau des Betreuungs- und Pflegedienstleistungsangebotes. So gewährt der Pflegefonds für die Jahre 2011 bis 2016 insgesamt € 1,335 Mrd. beginnend mit € 100 Mio. im Jahr 2011 ansteigend auf € 350 Mio. im Jahr 2016.

In Summe ist das Pflegebudget des Bundes in den Jahren 2008 bis 2013 aufgrund des Ausbaus und der Sicherung des bestehenden Pflegevorsorgesystems sowie aufgrund demografischer Entwicklungen um mehr als ein Viertel gestiegen.

Verbesserungen im Bereich der Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes nach § 18a ASVG wurden im Rahmen des Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes im Ministerrat beschlossen: Zum einen soll die Möglichkeit einer die Selbstversicherung nicht ausschließenden Erwerbstätigkeit neben der Pflege eröffnet, zum anderen die Beitragsgrundlage auf das Niveau der § 18b-Selbstversicherung angehoben werden. Sie soll damit von derzeit € 1.105,50 monatlich auf € 1.649,84 monatlich steigen.

Die Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über die gemeinsame Förderung der 24-Stunden-Betreuung war Teil des Finanzausgleiches 2008 bis 2013, welcher bis Ende 2014 verlängert wurde und in der derzeit geltenden Fassung nur bis Ende 2014 in Geltung steht. Die LandesfinanzreferentInnenkonferenz stimmte in ihrer Tagung am 9. Mai 2014 dem Vorhaben der österreichischen Bundesregierung, den bestehenden Finanzausgleich bis Ende 2016 zu verlängern, zu und ersuchte den Bundesminister für Finanzen, die dafür notwendigen Grundlagen zu erarbeiten. Weiters wurde der Bundesminister für Finanzen ersucht, dafür Sorge zu tragen, dass sämtliche finanzausgleichsrelevanten Art. 15a B-VG Vereinbarungen und finanzausgleichsrelevanten bundesgesetzlichen Regelungen zumindest im bisherigen Umfang bis zu diesem Zeitpunkt verlängert werden. Das Bundesministerium für Finanzen beabsichtigt, die erforderlichen Maßnahmen zur Verlängerung im Rahmen eines Gesamtpakets vorzunehmen.

Um die budgetären Mittel für die zu erwartenden künftigen Ausgabensteigerungen, wobei insbesondere die Entwicklung der Ausgaben für die Förderung der 24-Stunden-Betreuung zu erwähnen ist, sicher zu stellen, ist es erforderlich, Anpassungen im Pflegevorsorge- bzw. Pflegegeldsystem vorzunehmen.

Die Zahl der Menschen mit Pflegebedarf nimmt aufgrund der demografischen Entwicklung sowie der steigenden Lebenserwartung auch weiterhin kontinuierlich zu: derzeit (Stand September 2014) haben 455.284 Personen bzw. 5,35% der österreichischen Bevölkerung einen Anspruch auf Pflegegeld (davon rund 76% gegenüber der Pensionsversicherungsanstalt). Allein in den Jahren 2012 und 2013 kam es zu rund 130.000 Neuzuerkennungen und 140.000 Erhöhungen eines Pflegegeldes. Auch in den nächsten Jahren sind eine Fortsetzung dieses Trends und eine stetige Zunahme der PflegegeldbezieherInnen und damit ein Anstieg der Kosten für das Pflegegeld zu erwarten. Um eine nachhaltige Finanzierung des Pflegevorsorgesystems sicherzustellen sowie um den Finanzrahmen einzuhalten und eine zielgerichtetere Mittelverwendung entsprechend des Regierungsprogramms für die XXV. Gesetzgebungsperiode zu gewährleisten, sind somit Kostendämpfungseffekte erforderlich.

Wie Studien und Auswertungen belegen, werden professionelle Dienste in den unteren Pflegegeldstufen in geringerem Ausmaß in Anspruch genommen. Da dadurch im Vergleich zu BezieherInnen eines Pflegegeldes der höheren Stufen geringere Kosten für die erforderliche Pflege und Betreuung entstehen, ist eine Anhebung des für die Stufen 1 und 2 erforderlichen zeitlichen Pflegebedarfes vertretbar. Die Zugangsschwelle zum Pflegegeld bleibt im internationalen Vergleich weiterhin niedrig.

Die Zugangskriterien für die Pflegegeldstufen 1 und 2 sollen nun dahingehend neu definiert werden, dass jenen Personen, die ab 1. Jänner 2015 einen Antrag auf Gewährung oder Erhöhung des Pflegegeldes stellen, künftig ein Pflegegeld in Höhe der Stufe 1 bei einem durchschnittlichen monatlichen Pflegebedarf von mehr als 65 Stunden und ein Pflegegeld in Höhe der Stufe 2 bei einem durchschnittlichen monatlichen Pflegebedarf von mehr als 95 Stunden gebühren soll. Diese Stundenwerte sollen allerdings nicht für Personen gelten, denen bereits vor dem 1. Jänner 2015 rechtskräftig ein Pflegegeld der Stufen 1 oder 2 zuerkannt wurde oder die vor dem 1. Jänner 2015 ein Pflegegeld beantragt haben.

Die Pflegegeldbeträge wurden in sämtlichen Stufen zuletzt mit Wirkung vom 1. Jänner 2009 sowie in der Stufe 6 zusätzlich mit 1. Jänner 2011 erhöht. Als wesentliche Verbesserung für PflegegeldbezieherInnen, zur Unterstützung der Angehörigenpflege und um die Preisentwicklung für die professionelle Pflege zu berücksichtigen und abzufedern, soll eine Erhöhung des Pflegegeldes in allen Pflegegeldstufen sowie der Ausgleiche um 2% mit 1. Jänner 2016 erfolgen. Dadurch erhalten die PflegegeldbezieherInnen ab 1. Jänner 2016 jährlich im Durchschnitt um € 111.- mehr Pflegegeld.

Im Regierungsprogramm ist auch vorgesehen, dass die Hausbesuche bei PflegegeldempfängerInnen zur Beratung pflegender Angehöriger ausgebaut werden sollen. Dementsprechend sollen als weitere Verbesserung die Hausbesuche qualitativ ausgebaut und kostenlose Besuche auf Wunsch der PflegegeldbezieherInnen oder ihrer Angehörigen angeboten werden. Darüber hinaus soll es zu weiteren Unterstützungsleistungen für pflegende Angehörige in Form von kostenlosen Angehörigengesprächen bei psychischen Belastungen sowie zu Verbesserungen des Informationsangebotes kommen.

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ist für den Vollzug des Förderverfahrens zur 24­Stunden-Betreuung nach § 21b BPGG, zuständig. Mit den neuen gesetzlichen Bestimmungen des § 21b Abs. 6 bis 12 sollen die komplexen Verfahrensabläufe entsprechend den Grundsätzen der Zweckmäßigkeit, der Sparsamkeit und der Wirtschaftlichkeit optimiert und die Verarbeitung und Übermittlung der Daten elektronisch vereinfacht werden.

Zur Feststellung, ob eine Vollversicherung der selbstständigen Betreuungskräfte im gesetzlichen Ausmaß vorliegt, hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen bislang im Antragsformular deren Zustimmungserklärung zur Übermittlung ihrer personenbezogenen Daten (Namen, Sozialversicherungsnummer und Geburtsdatum der jeweiligen selbstständigen Betreuungskraft) an die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft eingeholt. Durch Einführung eines datenschutzrechtlichen Sondertatbestandes soll im neuen § 21b Abs. 8 die bisherige Zustimmungserklärung der selbstständigen Betreuungskräfte durch eine gesetzliche Ermächtigung zur elektronischen Übermittlung personenbezogener Daten an die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft ersetzt werden.

Durch die vorgeschlagene Änderung des § 3a soll klargestellt werden, dass entsprechend der Praxis vor den beiden Urteilen des Obersten Gerichtshofs 10 ObS 2/14p und 10 ObS 36/14p Österreich nur dann zur Leistung von Pflegegeld verpflichtet ist, wenn nicht ein anderer Staat aufgrund der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABl. Nr. L 166 vom 30.04.2004 S. 1, zuletzt berichtigt ABl. Nr. L 204 vom 04.08.2007 S. 30, zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) Nr. 1372/2013, ABl. Nr. L 346 vom 20.12.2013 S. 27, für die Pflegeleistungen im Rahmen der Koordination als Leistung bei Krankheit zuständig ist.

Der gegenständliche Novellenentwurf enthält weiters Klarstellungen und redaktionelle Anpassungen.

Kompetenzgrundlage:

In kompetenzrechtlicher Hinsicht stützt sich der vorliegende Entwurf auf Art. 10 Abs. 1 Z 11 („Pflegegeldwesen“) und Art. 17 B-VG.

 

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 3. Dezember 2014 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten August Wöginger die Abgeordneten Herbert Kickl, Mag. Judith Schwentner, Mag. Helene Jarmer, Johann Hechtl, Mag. Gerald Loacker, Ulrike Königsberger-Ludwig, Ing. Waltraud Dietrich und Ing. Norbert Hofer sowie der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer.

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf mit Stimmenmehrheit (dafür: S, V dagegen: F, G, T, N) beschlossen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Arbeit und Soziales somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (365 der Beilagen) die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2014 12 03

                               August Wöginger                                                               Josef Muchitsch

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann