Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Problem

Der EuGH hat mit Urteil C-417/13 vom 28. Jänner 2015 in der Rechtssache Starjakob festgestellt, dass der bisherige § 53a Bundesbahngesetz (BBG) unionsrechtswidrig ist. Der bisherige § 53a BBG sah neben der Anrechnung von Vordienstzeiten vor dem 18. Lebensjahr auch eine rückwirkende Verlängerung der ersten Vorrückungszeiträume vor. Der EuGH lehnte die aus Anlass der EuGH-Entscheidung Hütter erfolgte Gesetzesreparatur als altersdiskriminierend ab, da die Reparatur den Unterschied zwischen diskriminierten und nicht-diskriminierten ÖBB Bediensteten nicht beseitigt, sondern festschreibt (siehe auch die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Schmitzer, C-530/13 vom 11. November 2014).

Ziel

Mit der gegenständlichen Novelle erfolgt eine Anpassung der Regelungen über die einstufungswirksame Anrechnung von (Vor-)Dienstzeiten an die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000, konkretisiert durch das Urteil C-417/13 des Europäischen Gerichtshofs vom 28. Jänner 2015 in der Rechtssache Starjakob sowie in dem Urteil C-501/12 vom 19. Juni 2014 in der Rechtssache Specht.

Inhalt

Rückwirkende Reformierung von Bestimmungen betreffend die Berechnung des Vorrückungsstichtages, wobei nicht mehr an ein bestimmtes Lebensalter angeknüpft wird. Es erfolgt nur mehr die Anrechnung branchenspezifischer (Vor-)Dienstzeiten, unabhängig vom Lebensalter.


 

Besonderer Teil

Zu Z 1 und 2 (§§ 53a und 56 Bundesbahngesetz):

Art. 16 der Richtlinie 2000/78/EG verpflichtet Mitgliedstaaten zur Beseitigung diskriminierender Rechtsvorschriften. Diese Vorschrift schreibt den Mitgliedstaaten aber keine bestimmte Maßnahme im Fall einer Verletzung des Diskriminierungsverbots vor, sondern belässt ihnen nach Maßgabe der unterschiedlichen denkbaren Sachverhalte die Freiheit der Wahl unter den verschiedenen Lösungen, die zur Verwirklichung des mit ihr verfolgten Ziels geeignet sind.

Ziel des neuen § 53a BBG ist es, das bisherige diskriminierende Entlohnungssystem zu beseitigen und durch ein von Anfang an diskriminierungsfreies Entlohnungssystem zu ersetzen. Um dies zu erreichen, wird das Gehaltssystem unter Beachtung unionsrechtlicher Vorgaben reformiert. Das Gehaltssystem baut weiterhin auf einen Vorrückungsstichtag auf und sieht wie bisher ein dienstzeitabhängiges Vorrücken in höhere Gehaltsstufen vor. Die Vorrückung findet wie bereits nach dem § 53a BBG a.F. am 1. Jänner jenes Jahres statt, das auf das Jahr folgt, in welchem der Vorrückungszeitraum vollendet wurde.

Die bisherige Anrechnung aller Vordienstzeiten, insbesondere die uneingeschränkte Halbanrechnung sämtlicher nicht ausdrücklich voll angerechneter Zeiten, stellt mittelbar auf das Lebensalter der Bediensteten zu ihrem Eintrittsdatum ab. Diese überschießende Anrechnung von Vordienstzeiten geht weit über die Honorierung erworbener Berufserfahrung, die Bediensteten ermöglicht, ihre Arbeit besser zu verrichten, hinaus (siehe die Urteile des EuGH C-88/08, Hütter, Rn. 47 C‑297/10).

Zur Berechnung des Vorrückungsstichtages werden nunmehr branchenspezifische Dienst- und Ausbildungszeiten als Lehrling, und zwar unabhängig von dem Alter in dem diese erworben wurden (vgl. das Urteil vom EuGH in der Rechtssache, C-88/08, Hütter), herangezogen: Angerechnet werden zum einen Dienst- und Lehrzeiten, die bei der ÖBB verbracht wurden, und zwar ungeachtet ob dies im Inland oder europäischen Ausland der Fall war (siehe Abs. 2 lit. a). Zum anderen werden Vordienstzeiten (Dienst- und Lehrzeiten) angerechnet, die bei Eisenbahninfrastrukturunternehmen und/oder Eisenbahnverkehrs-unternehmen im Sinne des Eisenbahngesetzes absolviert wurden bzw. bei vergleichbaren Eisenbahninfrastruktur- und Eisenbahnverkehrsunternehmen in einem Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraums, der Türkischen Republik oder der Schweizerischen Eidgenossenschaft (siehe Abs. 2 lit. b) sofern hiefür eine rechtliche Verpflichtung besteht. Eine solche Verpflichtung besteht für branchenspezifische Zeiten, die in der Türkischen Republik erworben wurden, ab dem 1. Jänner 1995 und für die entsprechenden Zeiten aus der Schweiz ab dem 1. Juli 2002. Andere als die im Gesetz genannten (Vor-)Dienstzeiten werden nicht mehr angerechnet.

Die Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages erfolgt durch die ÖBB anhand jener Informationen, die ihr entweder bereits bekannt sind – dies ist insbesondere dann der Fall, wenn es sich um Dienstzeiten bzw. Lehrzeiten handelt, die bei der ÖBB selbst geleistet wurden – oder die ihr von den jeweiligen Bediensteten innerhalb der festgelegten Frist mitgeteilt und auch nachgewiesen werden können. Der Nachweis kann beispielsweise in Form eines Dienstvertrages oder Dienstzeugnisses erfolgen. Mit der Ausnahmebestimmung des § 53a Abs. 4 Satz 3 BBG soll sichergestellt werden, dass jene Bediensteten, denen es unverschuldet – also etwa durch Krankheit oder Fälle höherer Gewalt – nicht möglich war, die Informationen hinsichtlich anrechenbarer Vordienstzeiten zu übermitteln, nach Wegfall des Hindernisgrundes die Versäumnis nachholen können. In diesem Fall beginnt mit Wegfall des Verhinderungsgrundes, was ebenfalls nachzuweisen ist, eine Frist von drei Monaten zu laufen, in denen der bzw. die Bedienstete die Mitteilung und/oder den Nachweis nachholen muss. Spätestens nach Ablauf der Frist erfolgt die Einstufung anhand der mitgeteilten und nachgewiesenen (Vor-)Dienstzeiten.

Das neue Anrechnungssystem wird rückwirkend auf alle Bediensteten angewendet, um von Beginn an ein diskriminierungsfreies System zu schaffen. Die Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages kann zu einer Veränderung des Vorrückungsstichtages und somit auch zu einer Veränderung der Einstufung in eine Gehaltsstufe führen. Führt die Neuberechnung zu einer Einstufung in eine höhere Gehaltsstufe, erhalten die betroffenen Bediensteten das Entgelt, das ihnen aufgrund der diskriminierungsfreier Berücksichtigung genannter (Vor-)Dienstzeiten zusteht; dies auch rückwirkend unter Berücksichtigung der nationalen Verjährungsvorschriften. Führt die Neuberechnung des Vorrückungsstichtages zu der Einstufung in eine niedrigere Gehaltstufe, bleibt zunächst das zum Zeitpunkt der Neuberechnung tatsächlich bezogene Gehalt aus Besitzstandsgründen gewahrt. Diesen Bediensteten ist ihr Gehalt in der zuletzt tatsächlich bezogenen Höhe im letzten Monat vor Kundmachung so lange garantiert, bis sie die nach dem neuen Vorrückungsstichtag für die Erreichung einer höheren Gehaltsgruppe erforderliche Dienstzeit erworben haben. Sie behalten ihr Gehalt so lange unverändert bei, bis sie die dem bisherigen tatsächlich bezogenen Gehalt nunmehr entsprechende Gehaltsstufe erreichen. Die nächste Vorrückung erfolgt schließlich an dem nach Ablauf der für diese, nun (wieder-)erreichte Gehaltsstufe vorgesehene Vorrückungsfrist nächstfolgenden 1. Jänner. Zu einer Rückzahlung für vor der Kundmachung dieser Bestimmung bezogene Gehälter kommt es durch die Neuregelung nicht. Ehemals diskriminierte und ehemals bevorzugte Bedienstete werden so innerhalb kurzer Zeit gleich gestellt, also diskriminierungsfrei entlohnt.

Um die Erwartungen in Bezug auf die künftige Entwicklung des Gehalts jener Bediensteten zu wahren, deren Vorrückungsstichtag sich durch die Neufestsetzung verschlechtert hat, legt der Gesetzgeber in § 53a Abs. 7 BBG die Verpflichtung fest, dass binnen sechs Monaten nach Kundmachung dieses Bundesgesetzes in den Allgemeinen Vertragsbedingungen für Dienstverträge bei den Österreichischen Bundesbahnen (AVB) vor der jeweils letzten Gehaltsstufe eine weitere Gehaltsstufe vorzusehen ist. Diese weitere Gehaltsstufe gilt für alle den AVB unterliegenden Bediensteten und hat daher selbst keine weitere Diskriminierung zur Folge.

§ 53a Abs. 8 BBG dient der Klarstellung, dass die Rechte und Pflichten, die den Bediensteten aufgrund der Bestimmungen des § 53a zustehen, zweiseitig zwingend sind und daher vertraglich weder zu Gunsten noch zu Lasten der Bediensteten abgeändert werden können.

§ 56 Abs. 18 bis 24 BBG legt den Geltungsbereich des § 53a BBG fest. Der persönliche Geltungsbereich entspricht jenem der Vorgängerbestimmung, BGBl. I Nr. 129/2011 (§ 56 Abs. 18 BBG). Hier tritt keine Änderung ein.

Die materiellen Bestimmungen des § 53a BBG betreffend die Vorrückung und den Vorrückungsstichtag, also die Abs. 1 bis 3 und Abs. 8, treten rückwirkend in Kraft, um damit der (unionsrechtlichen) Verpflichtung der Schaffung eines durchgehend diskriminierungsfreien Systems nachzukommen. Da der Vorrückungsstichtag der Bediensteten nach Absatz 18 aber nach unterschiedlichen „Lohn- bzw. Besoldungsordnungen“ berechnet wurde, richtet sich die Rückwirkung nach den jeweils zugrundeliegenden Regelungswerken und deren jeweiligen Datum des In-Krafttretens (§ 56 Abs. 19 bis 23 BBG).

Die Absätze 4 bis 7, welche die Folgen der Neuregelung und die Mitteilungs- und Nachweisregeln regeln, treten demgegenüber erst mit der Kundmachung dieser Novelle in Kraft (§ 56 Abs. 24 BBG).