Vorblatt

 

Ziel(e)

 

-       Verfahrensbeschleunigung bei berichtspflichtigen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren

-       Entkräftung des allfälligen Anscheins einer politischen Beeinflussung der Staatsanwaltschaften

-       Dauerhafte Einrichtung eines die Anonymität wahrenden Hinweisgebersystems

 

Inhalt

 

Das Vorhaben umfasst hauptsächlich folgende Maßnahme(n):

 

-       Verringerung und Präzisierung der staatsanwaltschaftlichen Berichtspflichten

-       Gesetzliche Einrichtung eines Beirats für den ministeriellen Weisungsbereich ("Weisungsrat")

-       Schaffung einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage für das BKMS®-Hinweisgebersystem für Wirtschafts- und Korruptionsstrafsachen im StAG

 

Finanzielle Auswirkungen auf den Bundeshaushalt und andere öffentliche Haushalte:

 

Ein finanzieller Mehraufwand in der Höhe von jährlich rund EUR 34.000,-- ab dem Jahr 2016 ist lediglich durch die Erweiterung des Aufgabenbereichs des gesetzlich zu verankernden (derzeit gemäß § 8 BMG eingerichteten) Weisungsrats zu erwarten. Die übrigen Maßnahmen sind kostenneutral.

 

In den weiteren Wirkungsdimensionen gemäß § 17 Abs. 1 BHG 2013 treten keine wesentlichen Auswirkungen auf.

 

Verhältnis zu den Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

Die vorgesehenen Regelungen fallen nicht in den Anwendungsbereich des Rechts der Europäischen Union.

 

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Keine

 

Wirkungsorientierte Folgenabschätzung

 

Bundesgesetz, mit dem das Staatsanwaltschaftsgesetz geändert wird

 

Einbringende Stelle:

Bundesministerium für Justiz

Vorhabensart:

Bundesgesetz

Laufendes Finanzjahr:

2015

 

Inkrafttreten/

Wirksamwerden:

2016

 

 

Problemanalyse

 

Problemdefinition

Das Weisungsrecht des Bundesministers für Justiz gegenüber den Staatsanwaltschaften ist seit Jahrzehnten Gegenstand von Diskussionen sowohl in der Rechtswissenschaft als auch - meist aus Anlass einzelner konkreter Strafverfahren - der allgemeinen und insbesondere der medialen Öffentlichkeit. Als wesentliche Kritikpunkte am bestehenden Weisungsregime werden der Anschein einer politischen Beeinflussung der Staatsanwaltschaften sowie die sich durch die Berichtspflichten der Staatsanwaltschaften ergebende Verfahrensverzögerung genannt.

 

Seit 20. März 2013 steht bei der WKStA im Probebetrieb ein speziell für Ermittlungen im Bereich der Wirtschafts- und Korruptionsdelikte geeignetes Hinweisgebersystem als internetbasiertes anonymes Anzeigesystem zur Verfügung (BKMS® System). Aufgrund des erfolgreichen Probebetriebs soll eine Überführung in den Dauerbetrieb erfolgen, wofür aus datenschutzrechtlichen Erwägungen eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage für das Hinweisgebersystem geschaffen werden soll.

 

Nullszenario und allfällige Alternativen

Die vorgeschlagenen Änderungen im Bereich des staatsanwaltschaftlichen Berichtswesens und Weisungsrechts gründen auf den Ergebnissen eines vom Bundesminister für Justiz zu diesem Thema eingesetzten Expertengremiums. Dieses Expertengremium hat sich im Rahmen seiner Sitzungen auch mit alternativen Lösungsvarianten auseinandergesetzt. Zur Alternative einer Übertragung der Weisungsspitze an ein vom Bundesminister für Justiz verschiedenes Organ ergab eine Anhörung von Verfassungsexperten und die daran anschließende eingehende Diskussion, dass eine (auch nur teilweise) Übertragung der Weisungsspitze nur mit einem tiefgreifenden Eingriff in das verfassungsrechtliche Gefüge möglich wäre und insbesondere im Hinblick auf die Letztverantwortlichkeit samt parlamentarischer Kontrolle verfassungspolitisch nicht zu empfehlen bzw. nicht wünschenswert ist. Dieser Auffassung hat sich die Mehrheit des Beratungsgremiums angeschlossen.

 

Eine Weiterführung des (Probe-)Betriebs des BKMS®-Hinweisgebersystems ohne über § 2 StPO hinausgehende gesetzliche Grundlage begegnet datenschutzrechtlichen Bedenken. Eine Abschaffung des die Anonymität wahrenden Hinweisgebersystems brächte einen Rückschritt gegenüber dem bestehenden Standard für Ermittlungen im Bereich der Wirtschafts- und Korruptionsdelikte mit sich.

 

Interne Evaluierung

 

Zeitpunkt der internen Evaluierung: 2021

Evaluierungsunterlagen und -methode: Die Anzahl der staatsanwaltschaftlichen Berichte und erteilten Weisungen wird im Bundesministerium für Justiz evident gehalten. Ebenso erfolgt bei der WKStA eine regelmäßige Erfassung und Auswertung der über das BKMS®-Hinweisgebersystems einlangenden Eingaben.

 

Ziele

 

Ziel 1: Verfahrensbeschleunigung bei berichtspflichtigen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren

 

Beschreibung des Ziels:

Im Bereich der sogenannten "clamorosen" Strafverfahren (§ 8 Abs. 1 StAG) bestehen derzeit umfassende Berichtspflichten der Staatsanwaltschaften an die Oberstaatsanwaltschaften und dieser an das Bundesministerium für Justiz. So sind die Staatsanwaltschaften - mit Ausnahme der WKStA - verpflichtet, gemäß § 8 Abs. 1 StAG hinsichtlich Strafverfahren, an denen wegen der Bedeutung der aufzuklärenden Straftat oder der Person des Tatverdächtigen ein besonderes öffentliches Interesse besteht, oder in denen noch nicht hinreichend geklärte Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu beurteilen sind, von sich aus der jeweils übergeordneten Oberstaatsanwaltschaft unter Mitteilung der etwa schon getroffenen Anordnungen zu berichten und in diesen Berichten zum beabsichtigten weiteren Vorgehen Stellung zu nehmen.

 

Künftig sollen Berichte aller Staatsanwaltschaften nach § 8 Abs. 1 StAG grundsätzlich nur noch vor einer Beendigung des Ermittlungsverfahrens, Absehen von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens (§ 35c StAG) oder vor der Entscheidung über die Anmeldung oder Ausführung eines Rechtsmittels im Hauptverfahren erstattet werden, es sein denn, dass zuvor ein Vorgehen von der Beurteilung einer noch nicht hinreichend geklärten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Im Übrigen haben die Staatsanwaltschaften in berichtspflichtigen Strafsachen über bedeutende Verfahrensschritte jedenfalls zu informieren, nachdem diese angeordnet wurden. Durch den Entfall von Vorhabensberichtspflichten während des Ermittlungsverfahrens kann eine Verkürzung der Verfahrensdauer der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren erwartet werden.

 

Wie sieht Erfolg aus:

 

Ausgangszustand Zeitpunkt der WFA

Zielzustand Evaluierungszeitpunkt

Durch Vorhabensberichtspflichten während laufender Ermittlungsverfahren ergibt sich (im Vergleich zu nicht berichtspflichtigen Akten) eine längere Dauer des Ermittlungsverfahrens, weil mehrere Instanzen in den Prozess eingebunden werden. Genaue Zahlenwerte betreffend die Unterschiede in der Verfahrensdauer zwischen berichtspflichtigen und nicht berichtspflichtigen Verfahren sind jedoch ebensowenig vorhanden wie Daten über die Dauer der Aktenbearbeitung in den einzelnen staatsanwaltschaftlichen Instanzen. Eine Einführung von zusätzlichen Registeraufzeichnungen allein zu diesem Zweck ist vor dem Hintergrund des Umbaus der VJ durch Bestrebungen im Hinblick auf die elektronische Aktenführung ("Justiz 3.0") nicht indiziert und aufgrund der damit notwendigerweise verbundenen Kosten auch nicht zweckmäßig.

Kürzere Dauer des Ermittlungsverfahrens im Bereich berichtspflichtiger Strafsachen.

 

Ziel 2: Entkräftung des allfälligen Anscheins einer politischen Beeinflussung der Staatsanwaltschaften

 

Beschreibung des Ziels:

Herr Bundesminister für Justiz Prof. Dr. Wolfgang Brandstetter hat zu Beginn seiner Amtsführung einen Beirat gemäß § 8 Bundesministeriengesetz (BMG) eingesetzt, dem es obliegt, in Strafsachen,

1. in denen er vor Berufung in das Amt des Bundesministers für Justiz als Strafverteidiger oder sonst in beratender Funktion tätig war,

2. gegen amtierende oder ehemalige oberste Organe der ordentlichen Gerichtsbarkeit, sowie

3. in denen eine (inhaltliche) Weisung gemäß § 29a Abs. 1 StAG erteilt werden soll,

auf Ersuchen des Bundesministeriums für Justiz eine Äußerung über die rechtliche Vertretbarkeit der Erledigungsvorschläge des Bundesministeriums für Justiz abzugeben.

 

Der Weisungsrat ist als Beirat für den ministeriellen Weisungsbereich gesetzlich verankert. Insbesondere durch seine Besetzung, die Weisungsfreistellung seiner Mitglieder und die gesetzlich normierte Transparenz bei im Ergebnis abweichenden Erledigungen des Bundesministers für Justiz wird der allfällige Anschein einer politischen Einflussnahme auf die Staatsanwaltschaften im Wege des Bundesministers für Justiz entkräftet. Die Wahrnehmung der Tätigkeit der Staatsanwaltschaften in der Öffentlichkeit als frei von politischer Einflussnahme wird gestärkt.

 

Wie sieht Erfolg aus:

 

Ausgangszustand Zeitpunkt der WFA

Zielzustand Evaluierungszeitpunkt

Insbesondere in der medialen Berichterstattung werden Entscheidungen der Staatsanwaltschaft als durch den jeweiligen Bundesminister (möglicherweise) politisch beeinflusst dargestellt.

Verstärkte öffentliche Wahrnehmung der Tätigkeit der Staatsanwaltschaften als frei von politischer Einflussnahme.

 

Ziel 3: Dauerhafte Einrichtung eines die Anonymität wahrenden Hinweisgebersystems

 

Wie sieht Erfolg aus:

 

Ausgangszustand Zeitpunkt der WFA

Zielzustand Evaluierungszeitpunkt

Das BKMS®-Hinweisgebersystems existiert im Probebetrieb auf Grundlage des § 2 StPO.

Das BKMS®-Hinweisgebersystems existiert im Dauerbetrieb, mit § 2a Abs. 6 StAG besteht eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage für ein die Anonymität wahrendes Hinweisgebersystem.

 

Maßnahmen

 

Maßnahme 1: Verringerung und Präzisierung der staatsanwaltschaftlichen Berichtspflichten

Beschreibung der Maßnahme:

Die staatsanwaltschaftlichen Berichtspflichten im Bereich des § 8 StAG werden derart eingeschränkt, dass Vorhabensberichte nach § 8 Abs. 1 StAG grundsätzlich nur mehr vor einem Absehen von der Einleitung des Ermittlungsverfahrens (§ 35c), einer Beendigung des Ermittlungsverfahrens nach den Bestimmungen des 10. bis 11. Hauptstückes der StPO, dem Einbringen einer Anklage, dem Zurückziehen einer Anklage oder vor der Entscheidung über einen Rechtsmittelverzicht oder die Ausführung eines Rechtsmittels im Hauptverfahren zu erstatten sind, es sein denn, dass zuvor eine Anordnung oder ein Antrag von der Beurteilung einer noch nicht hinreichend geklärten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Im Übrigen haben die Staatsanwaltschaften in Strafverfahren, die einer Berichtspflicht nach Abs. 1 unterliegen, über bedeutende Verfahrensschritte zu informieren, nachdem diese angeordnet wurden. Damit entfällt im Wesentlichen die Pflicht zur Berichterstattung über einzelne Anordnungen während laufender Ermittlungsverfahren.

 

Maßnahme 2: Gesetzliche Einrichtung eines Beirats für den ministeriellen Weisungsbereich ("Weisungsrat")

Beschreibung der Maßnahme:

Wie vom Beratungsgremium zur Reform der Berichtspflichten und des Weisungsrechts des Bundesministers für Justiz vorgeschlagen, soll für den ministeriellen Weisungsbereich ein Beirat ("Weisungsrat") gesetzlich verankert werden, der organisatorisch bei der Generalprokuratur angesiedelt ist. Aufgabe des Weisungsrats ist die Beratung des Bundesministers für Justiz in einer Reihe von gesetzlich determinierten Fällen, insbesondere, wenn eine Weisung zur Sachbehandlung in einem bestimmten Verfahren (§ 29a Abs. 1 letzter Satz StAG) erteilt werden soll. Es obliegt dem Weisungsrat, ehestmöglich eine schriftliche Äußerung zum Erledigungsentwurf des Bundesministers für Justiz zu erstatten. Trägt der Bundesminister für Justiz der Äußerung des ihn beratenden Weisungsrats im Ergebnis nicht Rechnung, so ist im Sinne größtmöglicher Transparenz die Äußerung samt der Begründung, weshalb ihr nicht Rechnung getragen wurde, im Bericht an den Nationalrat und den Bundesrat gemäß § 29a Abs. 3 StAG zu veröffentlichen. Dem Weisungsrat gehören der Generalprokurator als Vorsitzender und zwei weitere Mitglieder an. Im Fall ihrer Verhinderung werden der Generalprokurator durch seine Ersten Stellvertreter in der Rangfolge (§ 182 Abs. 3 RStDG), die beiden weiteren Mitglieder durch Ersatzmitglieder vertreten. Die Mitglieder des Weisungsrats sind in Ausübung ihres Amtes unabhängig und an keine Weisungen gebunden. Durch die Einrichtung eines solchen unabhängigen Weisungsrats soll künftig jeglichem Anschein einer politischen oder persönlichen Einflussnahme auf den Inhalt eines Strafverfahrens entgegengewirkt werden.

 

 

Maßnahme 3: Schaffung einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage für das BKMS®-Hinweisgebersystem für Wirtschafts- und Korruptionsstrafsachen im StAG

Beschreibung der Maßnahme:

Der bisherige erfolgreiche Probebetrieb des BKMS®-Hinweisgebersystems rechtfertigt die Überführung des die Anonymität wahrenden Hinweisgebersystems in einen Dauerbetrieb. Um dahingehenden datenschutzrechtlichen Bedenken zu begegnen, ist eine ausdrückliche - über § 2 StPO hinausgehende - Rechtsgrundlage zu schaffen.

 

 

Abschätzung der Auswirkungen

 

Finanzielle Auswirkungen auf den Bundeshaushalt und andere öffentliche Haushalte

 

 

Ein finanzieller Mehraufwand in der Höhe von jährlich rund EUR 34.000,-- ab dem Jahr 2016 ist lediglich durch die Erweiterung des Aufgabenbereichs des gesetzlich zu verankernden (derzeit gemäß § 8 BMG eingerichteten) Weisungsrats zu erwarten. Die übrigen Maßnahmen sind kostenneutral.

 

Diese Folgenabschätzung wurde mit der Version 3.9 des WFA – Tools erstellt.