712 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP
Bericht
des Umweltausschusses
über die Regierungsvorlage (695 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Chemikaliengesetz 1996 und das Biozidproduktegesetz geändert werden
Mit der Novellierung des Chemikaliengesetzes 1996 vom Februar 2012 (BGBl. I Nr. 7/2012) wurde neben zahlreichen anderen Änderungen auch eine Umstellung der giftrechtlichen Bestimmungen eingeleitet:
Bei der Definition des Giftbegriffs (§ 35) wurde in Entsprechung zu dem zeitlichen Umstellungskonzept bezüglich der Einstufung von Chemikalien (Art. 61 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien 67/548/EWG und 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006, ABl. Nr. L 353 vom 31.12.2008 S. 1 (im Folgenden: CLP-V)) in einer ersten Stufe eine Umstellung (und zwar bei chemischen Stoffen) auf die neuen Gefahrenklassen (der CLP-V) vorgenommen, wobei jedoch vorerst auch die Einstufungen nach der Richtlinie 67/548/EWG (Stoffrichtlinie) und der Richtlinie 1999/45/EG (Zubereitungsrichtlinie) noch weiter – bei Gemischen – in Geltung blieben.
Als zweite wesentliche Änderung des Giftrechts wurde der Wirtschaft eine Umstellung der Trägerschaft der Giftbezugsberechtigung ermöglicht. Bis zur Novelle 2012 hatten im Auftrag des Betriebes im Betrieb beschäftigte Einzelpersonen die Bezugs-Berechtigung für im Betrieb benötigte Gifte (Giftbezugslizenzen auf fünf Jahre) erworben, mit der Novelle 2012 war es nun Betrieben selbst ermöglicht worden, unter bestimmten Voraussetzungen Gifte (mittels einer unbefristeten Giftbezugsbescheinigung) zu beziehen (§ 41 Abs. 3 Z 6 ChemG 1996). Da nun Betriebe selbst zu Trägern der Giftbezugs-Berechtigung werden, sind auch die zukünftig zu vergebenden Giftbezugsbescheinigungen auf den Namen des jeweiligen Betriebes auszustellen.
Mit dieser Änderung war dem Umstand Rechnung getragen worden, dass der Einsatz von Giften in der Wirtschaft im Rahmen der beruflichen Tätigkeit oftmals regelmäßig erfolgt und sich dann auch nur auf ganz bestimmte und somit weitgehend eingrenzbare Gifte beschränkt und daher der mit dem Giftrecht verfolgte Schutzzweck (Gesundheitsschutz) erfüllt sein sollte, wenn im Betrieb mindestens eine Person dauerhaft beschäftigt und verfügbar ist, die
- ein spezifisches Fachwissen über die Gefahren, die mit der konkreten Verwendung der Gifte im Betrieb verbunden sind, und
- genaue Kenntnisse und geübte Fertigkeiten in Bezug auf den Umgang mit den Giften besitzt.
Somit war mit Umstellung des Trägers der Giftbezugsberechtigung (Giftbezugslizenzen) auch eine Verlagerung der Bedeutung des verlangten Nachweises einer sachlichen Qualifikation bezüglich des Umgangs mit Giften von einen allgemeinen Sachkundekurs zur angemessenen beruflichen Ausbildung bzw. Qualifikation verbunden, da davon ausgegangen wird, dass die Vermittlung einer Berufsausbildung zur Ausübung eines Gewerbes (Berufsausbildungsgesetz) oder die geübte (praktische) Tätigkeit im land- und forstwirtschaftlichen Bereich auch den Umgang mit den für den jeweiligen Beruf erforderlichen Giften beinhaltet. Es erschien daher nicht mehr zeitgemäß, zusätzlich zu einer diesbezüglich ausreichenden Berufsausbildung weitere Qualifikationen zu verlangen. Um die Umstellung zu erleichtern, blieb jedoch das alte System der Giftbezugslizenzen parallel bis auf weiteres in Geltung.
Dieses System soll ab Juni 2015, wenn die CLP-V (Umstellung der Einstufung von Gemischen auf die neuen Gefahrenkategorien) voll wirksam wird, vereinfacht werden und damit die Lesbarkeit und Transparenz für die Rechtsadressaten (Betriebe, berufliche Verwender etc.), sowie die Vollziehbarkeit der giftrechtlichen Bestimmungen verbessert werden. Durch eine Verringerung der Komplexität der giftrechtlichen Bestimmungen wird auch eine entsprechende Verwaltungsvereinfachung angestrebt.
Mit der nunmehr geplanten Novellierung des Chemikaliengesetzes werden daher folgende Weiterentwicklungen vorgenommen:
Der Giftbegriff soll ab Mitte 2015 nur mehr auf das neue Einstufungssystem der CLP-V abstellen und darüber hinaus deutlich vereinfacht werden; damit kann sowohl für die Vollzugsorgane als auch für die Betriebe und berufsmäßigen Verwender zukünftig der Verwaltungsaufwand verringert werden.
Die mit der Novellierung des ChemG 1996 im Jahr 2012 begonnene Umstellung des Giftrechts für Betriebe, die gewerblich oder land- und forstwirtschaftlich tätig sind, wird mit der vorliegenden Novellierung vervollständigt und auf alle berufsmäßigen Verwender ausgedehnt sowie die parallele Existenz des alten Bewilligungssystems und des neuen Systems der Bescheinigungen mittelfristig beendet; dies wird dadurch erreicht, dass in Zukunft für berufsmäßige Verwender keine neuen Giftbezugslizenzen, sondern nur mehr unbefristete Bescheinigungen ausgestellt werden, und geltende Giftbezugsbewilligungen nach Ablauf ihrer fünfjährigen Befristung nicht mehr „verlängerbar“ sein werden. Die parallele Existenz von Giftbezugsbewilligungen und Bescheinigungen soll damit abgeschafft und das System für Betriebe und berufsmäßige Verwender, aber auch für die zuständigen Behörden vereinfacht werden.
Da Pflanzenschutzmittel EU-weit mit speziellem Recht umfassend geregelt sind, und zwar sowohl in Bezug auf das Inverkehrbringen als auch auf die Verwendung, werden sie mit November 2015 explizit aus dem Geltungsbereich des III. Abschnittes des ChemG 1996 herausgenommen; Ausnahme ist die Rechtsgrundlage für die Begasungssicherheitsverordnung, BGBl. II Nr. 287/2005, die sich sowohl auf Biozidprodukte als auch Pflanzenschutzmittel bezieht und bestimmte Regelungen für den Umgang mit besonders toxischen Begasungsmitteln beinhaltet, die weder durch EU-Recht noch durch andere nationale Rechtsvorschriften abgedeckt sind.
Das Biozidproduktegesetz, BGBl. I Nr. 105/2013 beinhaltet bisher ebenfalls giftrechtliche Bestimmungen, die jedoch mit jenen des Chemikaliengesetzes nicht hinreichend harmonisiert sind und daher zu unverhältnismäßigem Aufwand vor allem für die Bezirksverwaltungsbehörden und die Vollzugsorgane der Länder (Chemikalieninspektorate) führen. Die bisherigen Bestimmungen des Biozidproduktegesetzes, die auf das Giftrecht des Chemikalienrechts verweisen, werden mit Artikel 2 des Artikelgesetzes aufgehoben, und damit im Giftbereich die Bestimmungen für Biozidprodukte (die fachlich als Chemikalien zu qualifizieren sind) und für andere Chemikalien vereinheitlicht; bei der Meldung zwecks Erlangung einer Bescheinigung ist nicht mehr (wie bisher) zwischen Chemikalie und Biozidprodukt zu unterscheiden (was bisher mit einem unverhältnismäßigen Aufwand für den Vollzug verbunden war), da die Kriterien für die Erlangung einer Bescheinigung für Biozidprodukte und andere Stoffe und Gemische harmonisiert werden. Auch in diesem Bereich soll daher mit diesem Bundesgesetz die Transparenz der Vorschriften verbessert und damit Erleichterungen für Behörden und Betriebe erreicht werden. Mit der Novellierung werden daher im Biozidrecht nur jene sich auch auf Gifte beziehenden Bestimmungen belassen, die direkt aus dem EU-Recht stammen (Verordnung (EU) Nr. 528/2012 über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten, ABl. Nr. L 167 vom 27.06.2012 S. 1, im Folgenden: Biozidprodukteverordnung). Demnach dürfen Biozidprodukte mit solchen gefährlichen Eigenschaften nicht zur Bereitstellung auf dem Markt zwecks Verwendung durch die breite Öffentlichkeit zugelassen werden.
Gemäß Chemikaliengesetz 1996 ist die Abgabe von „Giften“ gemäß § 35 an private Konsumenten (Letztverbraucher) nur zulässig, wenn die private Person im Besitz eines Giftbezugsscheines ist. Der Giftbezugsschein berechtigt zum einmaligen Kauf eines bestimmten Giftes, im Antrag sind detaillierte Angaben zur beabsichtigten Verwendung zu machen; diese Bestimmungen werden nicht geändert. Die Bescheinigung soll in Hinkunft alle berufsmäßigen Verwender erfassen.
Für die betroffenen Wirtschaftsteilnehmer (Betriebe, berufsmäßige Verwender) sollen daher mit diesem Bundesgesetz folgende Erleichterungen erreicht werden:
- Verbesserung der Transparenz der Vorschriften (Giftbegriff, Harmonisierung mit den Biozidprodukten);
- Verringerung des Aufwandes für Betriebe durch vollständige Umstellung auf das Bescheinigungssystem; in diesem System wird mit einer Meldung der benötigten Gifte durch den Betrieb das Auslangen gefunden, um eine Bescheinigung für den Giftbezug zu erlangen; nur wenn sich die Voraussetzungen im Betrieb ändern, ist die grundsätzlich unbefristet geltende Bescheinigung anzupassen;
- Abschaffung der Notwendigkeit, alle fünf Jahre (oder gegebenenfalls in kürzeren Abständen) Anträge auf Giftbezugsbewilligungen zu stellen; stattdessen wird eine Verpflichtung eingeführt, eine Änderung der Voraussetzungen zur Erlangung einer Bescheinigung der Behörde zu melden.
- Herausnahme von Pflanzenschutzmitteln aus dem Geltungsbereich des III. Abschnittes des ChemG 1996 (mit Ausnahme von Regelungen betreffend Umgang mit und Verwendung von „giftigen“ Pflanzenschutzmitteln als Begasungsmittel).
Der Umweltausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 24. Juni 2015 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich im Anschluss an die Ausführungen des Berichterstatters Abgeordneten Erwin Preiner die Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Mag. Johannes Rauch, Michael Pock, Ulrike Weigerstorfer und Dr. Susanne Winter sowie der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Andrä Rupprechter.
Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf mit Stimmenmehrheit (dafür: S, V, F, T, N; dagegen: G) beschlossen.
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Umweltausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (695 der Beilagen) die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.
Wien, 2015 06 24
Erwin Preiner Mag. Christiane Brunner
Berichterstatter Obfrau