730 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP

 

Bericht

des Justizausschusses

über den Antrag 244/A der Abgeordneten Mag. Alev Korun, Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 23. Jänner 1974 über die mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlungen, BGBl.  Nr. 60/1974, zuletzt geändert durch das BGBl. I Nr. 134/2013, geändert wird.

Die Abgeordneten Mag. Alev Korun,  Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Initiativantrag am 24. Februar 2014 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Wie der Fall von Michael Genner, Obmann des Vereins Asyl-in-Not, zeigt (er hatte in seinem Artikel den Tatbestand der Schlepperei hinterfragt und darauf hingewiesen, dass jene FluchthelferInnen, die Menschen die Flucht vor Verfolgung, Folter und Mord ermöglichen, „sozial nützliche Arbeit“ verrichten und wurde daraufhin angeklagt), gibt es im Strafgesetzbuch Regelungen, die von Teilen der Strafverfolgungsbehörden so ausgelegt werden, dass sie bereits eine leidenschaftlich vorgebrachte Gesellschaftskritik unter Strafe stellen. Menschen, die bestehende Strafgesetze vehement oder leidenschaftlich kritisieren, indem sie die pönalisierte Handlung billigen, droht damit eine bis zu zweijährige Gefängnisstrafe. Herr Genner wurde anonym angezeigt und die Staatsanwaltschaft erhob wegen §282 Abs. 2 StGB Anklage. Als das mediale Aufsehen stieg, veranlasste die Oberstaatsanwaltschaft die Einstellung des Strafverfahrens mit dem Argument, Art. 10 EMRK (Meinungsfreiheit) sei nicht ausreichend berücksichtigt worden.

Das zeigt, welch weiten Interpretations- und damit Ermessenspielraum § 282 Abs. 2 StGB („Gutheißung mit Strafe bedrohter Handlung“) den Behörden und Gerichten eröffnet. Der Paragraph 282 Abs. 2 StGB bedient sich relativ unbestimmter Gesetzesbegriffe. So wird auf die „Empörung des allgemeinen Rechtsempfindens“ oder das „Aufreizen“ zur Begehung einer strafbaren Handlung abgestellt. Den Gerichten kommt hier ein sehr breiter Spielraum zu, um zu beurteilen, wann eine Äußerung vehement genug war, um –theoretisch– jemanden zur Tatbegehung „aufzureizen“ oder eine entsprechende Empörung zu verursachen. Das ist umso unklarer, als es sich bei § 282 Abs. 2 StGB um ein sogenanntes „abstraktes Gefährdungsdelikt“ handelt, es also dabei völlig unerheblich ist, ob eine solche „Empörung“ bei irgendjemand tatsächlich stattgefunden hat oder jemand tatsächlich zu einer Tat „aufgereizt“ wurde. Wie unterschiedlich die Auffassungen in der Gerichtsbarkeit sein können, zeigte sich klar im Fall von Herrn Genner. Diese Unklarheit, wann und wie diese Regelung zur Anwendung kommt, untergräbt die im Strafrecht zentrale Rechtssicherheit.

Außerdem steht die Regelung in einem offenen Konflikt zu Art 10 EMRK, der Meinungsfreiheit. Denn während mit dem § 282 Abs. 2 StGB empörende Aussagen kriminalisiert werden, schützt die Meinungsfreiheit gerade auch solche Aussagen und Meinungen, die Teile der Bevölkerung oder auch die Regierung schockieren, verletzen oder beunruhigen (siehe Handyside vs GB, Erdogdu and Ince vs Turkey). Das gilt besonders bei der Auseinandersetzung mit politischen Aussagen. Sogar explizites Protestverhalten (zB das Stören einer Jagd, Aufhalten eines Autobahnbaus) kann davon umfasst sein. Das heißt, dass das Kriminalisieren solcher Äußerungen dem Grundgedanken der Meinungsfreiheit widerspricht: Dieser soll sicherstellen, dass politische Debatten zu heiklen Themen – darunter auch das Strafrecht- angstfrei und offen geführt werden können. Dieser gesellschaftliche Dialog ist in einer demokratischen Gesellschaft unabdingbar, da sich nur anhand einer gesellschaftlichen Debatte Rechtsnormen, wie auch das Strafrecht, weiterentwickeln. Zur Erinnerung: Auch der "Homosexuellen-Paragraph" (§ 209 StGB), wurde erst nach offener, oft leidenschaftlicher, Kritik und Diskussion abgeschafft. Diese Diskussionen sind in einer Demokratie notwendig und dürfen nicht durch überbordende Strafdrohungen unterbunden werden.

Dem Antrag folgend soll das Auffordern zu einer Straftat (§ 282 Abs. 1 StGB) grundsätzlich auch weiterhin strafbar bleiben, und damit eine Annäherung an die entsprechenden Bestimmungen im deutschen und schweizerischen Strafgesetzbuch erfolgen, wo ebenfalls mit dem „Auffordern zu einer Straftat“ das Auslangen gefunden wird.“

 

Der Justizausschuss hat den gegenständlichen Initiativantrag erstmals in seiner Sitzung am 2. April 2014 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordneten Mag. Alev Korun die Abgeordneten Ing. Hermann Schultes, Dr. Johannes Hübner, Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, und Dr. Georg Vetter sowie der Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter.

 

Der Justizausschuss hat den Initiativantrag erneut in seiner Sitzung am 30. Juni 2015 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim, Mag. Albert Steinhauser, Mag. Philipp Schrangl, Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Dr. Nikolaus Scherak, Dr. Kathrin Nachbaur, Mag. Alev Korun, Mag. Gernot Darmann, Mag. Gisela Wurm, Ing. Mag. Werner Groiß, Mag. Dr. Beatrix Karl, Dr. Peter Wittmann und Dr. Harald Troch sowie der Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter und die Ausschussobfrau Abgeordnete Mag. Michaela Steinacker.

 

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Initiativantrag keine Mehrheit (für den Antrag: G, N, dagegen: S, V, F, T).

 

Zum Berichterstatter für den Nationalrat wurde Abgeordneter Mag. Friedrich Ofenauer gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Justizausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 2015 06 30

                         Mag. Friedrich Ofenauer                                               Mag. Michaela Steinacker

                                   Berichterstatter                                                                            Obfrau