744 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP

 

Bericht

des Gesundheitsausschusses

über die Regierungsvorlage (530 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Gentechnikgesetz geändert wird

Problem und Ziel:

Der vorliegende Gesetzentwurf dient dazu, Anpassungen an das Unionsrecht hinsichtlich der mit der Richtlinie (EU) 2015/412 eröffneten Möglichkeit des Opt-out beim Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Organismen vorzunehmen.

Produktzulassungen zum Zwecke des Inverkehrbringens für den Anbau werden auf EU-Ebene in einem gemeinschaftlichen Verfahren nach der RL 2001/18/EG bzw. der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 geregelt. Österreich hat – wie auch andere Mitgliedstaaten – bislang unter Anwendung der Schutzklausel nach Art. 23 (vormals Art. 16 der RL 90/220/EWG) der RL 2001/18/EG das Inverkehrbringen zum Zwecke des Anbaus von GVO nach dieser Richtlinie verboten. Nach VO (EG) Nr. 1829/2003 erfolgte bislang keine Marktzulassung für den Anbau. Auch wäre die in dieser Rechtsvorschrift festgelegte Notfallmaßnahme gemäß Art. 34 nicht geeignet, nachhaltig ein Verbot des Inverkehrbringens für den Anbau in einem Mitgliedstaat aufrechtzuerhalten: All diesen Maßnahmen liegt zugrunde, dass sich ein Mitgliedstaat auf Mängel in der Risikobewertung für Mensch, Tier und Umwelt berufen muss. Die EK hat in der Vergangenheit mehrmals Vorstöße zur Aufhebung dieser nationalen Verbote gesetzt. Das bisher eingesetzte Rechtsinstrument ist aber auch nicht geeignet, die Gentechnik-Freiheit beim Anbau in Österreich langfristig sicherzustellen.

Die Richtlinie (EU) 2015/412 bietet nunmehr unter Beibehaltung des gesamteuropäischen Zulassungsverfahrens die Möglichkeit, das nationale Selbstbestimmungsrecht durch Ausnahme vom geografischen Geltungsbereich im Rahmen der Zulassung zum Zwecke des Inverkehrbringens für den Anbau von GVO EU-weit zu ermöglichen und damit Rechtsicherheit für jene Mitgliedstaaten zu schaffen, die das Inverkehrbringen von GVO auf ihrem Staatsgebiet nicht wünschen.

Im Hinblick darauf, dass die Richtlinie (EU) 2015/412 für das Ausoptieren bei bereits EU-weit zugelassenen Produkten und solchen, deren Zulassungsverfahren noch nicht abgeschlossen sind, lediglich den kurzen Zeitraum zwischen dem 2. April 2015 und dem 3. Oktober 2015 vorsieht, ist ein möglichst rasches Inkrafttreten des vorgelegten Gesetzentwurfes unabdingbar. Dies soll daher bereits mit dem der Kundmachung des Gesetzes folgenden Tag geschehen.

Wesentliche Inhalte des Gesetzesvorhabens:

Der Entwurf regelt in Umsetzung der Richtlinie (EU) 2015/412 das nationale Selbstbestimmungsrecht (opt-out) im Rahmen des Zulassungsverfahrens.

Der Vorschlag sieht ein ein- oder zweistufiges Vorgehen vor: In der Phase 1 kann der Antragsteller ab dem Zeitpunkt des Vorliegens des Marktzulassungsantrags über die Europäische Kommission aufgefordert werden, Teile oder das gesamte Staatsgebiet vom geografischen Geltungsumfang des Antrags auszunehmen. Hat der Antragsteller innerhalb von 30 Tagen keine Einwände (Schweigen gilt als Zustimmung), ist die Selbstbestimmung erreicht.

Sollte aber der Antragsteller den ursprünglichen geografischen Geltungsumfang bestätigen, so kann die Inanspruchnahme der Selbstbestimmung noch – in Phase 2 – wie in Art. 26b Abs. 3 und 4 beschrieben, erfolgen: Der Mitgliedstaat kann Maßnahmen erlassen, um den Anbau eines GVO oder einer Gruppe von nach Kulturen oder Merkmalen festgelegten GVO nach dessen/deren Zulassung gemäß Teil C der RL 2001/18/EG oder gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 in seinem gesamten Hoheitsgebiet oder in Teilen davon zu beschränken oder zu untersagen. Aufgrund der Zuständigkeit der Länder gemäß Art. 15 Abs.1 B-VG für den Anbau erfolgt die Umsetzung dieser Vorschrift in landesgesetzlichen Bestimmungen. Im Übrigen wird im Hinblick auf Art. 23d B-VG auf die unmittelbare Anwendbarkeit der Vereinbarung zwischen Bund und den Ländern gemäß Art. 15a B-VG über die Mitwirkungsrechte der Länder und Gemeinden in Angelegenheiten der europäischen Integration, BGBl. Nr. 1992/775, verwiesen.

Im Falle, dass die in Ausübung der Selbstbestimmung ausgenommenen Gebiete wieder in den ursprünglichen Geltungsumfang der Zulassung aufgenommen werden sollen, kann ein entsprechendes Ersuchen an die zuständige Behörde, die nach der RL 2001/18/EG die Zustimmung erteilt hat oder an die Europäische Kommission für Verfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003, gerichtet werden.

Von besonderer Bedeutung sind die Übergangsbestimmungen: Artikel 26c der Richtlinie sieht für bereits bestehende Marktzulassungen (Mais MON810/ Mais T25 – beide sind in Ö mit einem Verbot des Inverkehrbringens für den Anbau belegt) sowie für noch nicht abgeschlossene Zulassungsverfahren eine Übergangsfrist vom 2. April 2015 bis zum 3. Oktober 2015 zur Umsetzung vor. Bedingt durch diese knapp bemessene Frist zur Nutzung der Selbstbestimmung ist eine rasche und zügige Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht notwendig.

Die Umsetzung der Neufassung von Artikel 26a der RL 2001/18/EG betrifft den Anbau von GVO und den damit verbundenen notwendigen Schutz von Grenzgebieten jener Mitgliedstaaten, die die Selbstbestimmung angewendet haben. Aufgrund der Zuständigkeit der Länder gemäß Art. 15 Abs.1 B­VG für den Anbau erfolgt die Umsetzung dieser Vorschrift in landesgesetzlichen Bestimmungen.

Kompetenzgrundlage:

Da die Gentechnik potentiell geeignet ist, die Gesundheit des Menschen sowohl unmittelbar als auch mittelbar über die Umwelt zu gefährden und solche Gefahren in mehreren Verwaltungsbereichen auftreten können, ist die Zuständigkeit des Bundes zur Erlassung dieses Gesetzes gemäß dem Kompetenztatbestand „Gesundheitswesen“ ( Art.l 10 Abs. 1 Z 12 B-VG) gegeben. Des Weiteren gründet sich dieser Entwurf auf die Kompetenztatbestände „Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie (Art. 10 Abs. 1 Z 8 B-VG), Wasserrecht (Art. 10 Abs.1 Z 10 B-VG), sowie Luftreinhaltung und Abfallwirtschaft, soweit diese Angelegenheiten gemäß Art. 10 Abs. 1 Z 12 B-VG dem Bund zugewiesen sind.

Im Hinblick auf das vorrangige Schutzziel der Gesundheit des Menschen und seiner Nachkommenschaft und unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen des Bundesministeriengesetzes 1986 in der Fassung BGBl. I Nr. 11/2014 ist in der Vorbereitung und der Vollziehung die federführende Zuständigkeit des Bundesministeriums für Gesundheit gegeben.

 

Der Gesundheitsausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 30. Juni 2015 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Michael Ehmann die Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Mag. Gerald Loacker und Josef A. Riemer sowie die Bundesministerin für Gesundheit Dr. Sabine Oberhauser, MAS.

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf mit Stimmenmehrheit (dafür: S, V, N dagegen: F, G, T) beschlossen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Gesundheitsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (530 der Beilagen) die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2015 06 30

                                Michael Ehmann                                              Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein

                                   Berichterstatter                                                                            Obfrau