764 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft

über die Regierungsvorlage (673 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem Vorschriften über die Untersagung des Anbaus von gentechnisch veränderten Organismen (Gentechnik-Anbauverbots-Rahmengesetz) erlassen und das Sortenschutzgesetz geändert werden

Allgemeines:

Die gesetzliche Festlegung eines generellen Verbots von GVO in der Landwirtschaft wurde erstmals im Jahre 2002 vom Land Oberösterreich initiiert, allerdings wurde dieses Gesetzesvorhaben von der Europäischen Kommission abgelehnt (Entscheidung Nr. 2003/653/EG); letztlich wurde vom EuGH entschieden, dass ein generelles Verbot von GVO nicht zulässig ist (T‑366/03 und T‑235/04).

Das Land Oberösterreich hat in der Folge anstelle des beabsichtigen Gentechnik-Verbotsgesetzes das Landesgesetz über Regelungen und Maßnahmen zur Gentechnikvorsorge (Oö. Gentechnik-Vorsorgegesetz, LGBl. 79/2006) erlassen, welches ein Registrierungsverfahren für den Anbau von GVO vorsieht, um behördliche Koexistenzmaßnahmen – im Falle des Anbaus von GVO – vorschreiben zu können.

Die Länder haben – unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des EUGH – Regelungen zur Gentechnikvorsorge erlassen:

-       Gesetz über Maßnahmen der Gentechnik-Vorsorge – Burgenländisches Gentechnik-Vorsorgegesetz (LGBl. 2005/64);

-       Gesetz über die Regelung von Maßnahmen der Gentechnik-Vorsorge – Kärntner Gentechnik-Vorsorgegesetz (LGBl. 2005/5 idF 2005/77);

-       Niederösterreichisches Gentechnik-Vorsorgegesetz (LGBl. 6180–1);

-       Oberösterreichisches Gentechnik-Vorsorgegesetz 2006 (LGBl. 2006/79);

-       Salzburger Gesetz über Maßnahmen der Gentechnik-Vorsorge – Gentechnik-Vorsorgegesetz (LGBl. 2004/75);

-       Gesetz, mit dem Maßnahmen zur Gentechnik Vorsorge getroffen werden – Steiermärkisches Gentechnik-Vorsorgegesetz (LGBl. 2006/97);

-       Gesetz, mit dem Maßnahmen zur Gentechnik-Vorsorge getroffen werden – Tiroler Gentechnik-Vorsorgegesetz (LGBl. 2005/36);

-       Vorarlberger Gesetz über Naturschutz und Landschaftsentwicklung (LGBl. 1997/22 idF 2008/1);

-       Gesetz über Maßnahmen der Gentechnik-Vorsorge – Wiener Gentechnik-Vorsorgegesetz (LGBl. 2005/53).

Die Europäische Kommission hat 2010 ihre Gentechnik-Politik neu ausgerichtet und einen Änderungsvorschlag zur Richtlinie 2001/18/EG vorgelegt sowie Empfehlungen zur Koexistenz erlassen (2010/C 200/01). In dieser Empfehlung der Kommission ist erstmals festgehalten, dass auch ein Anbauverbot von GVO in bestimmten, vom Mitgliedstaat festgelegten, geographischen Gebieten möglich ist. Österreich hat darüber hinaus eine Verankerung in einem rechtsverbindlichen Rechtsakt gefordert.

Die nunmehr vorliegende Richtlinie (EU) 2015/412 sieht vor, dass einerseits in der EU-Zulassung bereits Ausnahmen vom Anwendungsbereich unter Einbeziehung des Antragstellers festgelegt werden können, andererseits in weiterer Folge die Möglichkeit besteht, – unter Einhaltung bestimmter Voraussetzungen – den Anbau zu untersagen.

Mit Art. 26b Abs. 3 und 4 der Richtlinie (EU) 2015/412 wurde explizit eine EU-Rechtsgrundlage zur Erlassung von Anbauverboten geschaffen. Damit wurde das von Österreich geforderte Selbstbestimmungsrecht, nämlich auf nationaler Ebene selbst entscheiden zu dürfen, ob genetisch verändertes Saat- oder Pflanzgut angebaut werden darf, im EU-Recht verankert.

Die Richtlinie räumt den Mitgliedstaaten eine Ermächtigung zum Erlass von Anbauverboten ein; sie enthält jedoch keine Verpflichtung zur Umsetzung.

Die nunmehr eingeräumte Möglichkeit, Verbote zu erlassen, betrifft nach dem Wortlaut der Richtlinie stets bestimmte GVO (bzw. Gruppen von GVO), für die bereits eine Zulassung in der EU besteht; die Erlassung genereller Verbote ohne Bezugnahme auf einen bestimmten GVO (bzw. Gruppe von GVO) ist aus der vorliegenden Richtlinie nicht ableitbar.

Über die grundsätzliche Frage zum Einsatz der Gentechnik in der Landwirtschaft und Umwelt besteht in Österreich ein breiter Konsens, insbesondere sind folgende Beschlussfassungen des Österreichischen Parlaments, der Landtage, Gemeinden und Interessensvertretungen hervorzuheben:

Beschlüsse des Österreichischen Parlaments:

-       Stellungnahme gemäß Art. 23e Abs. 3 B-VG vom 4. Dezember 2013 (1/SEU XXV. GP) mit der Aufforderung an den zuständigen Bundesminister „das Selbstbestimmungsrecht der Mitgliedstaaten in der Frage des gentechnikfreien Anbaus dringlich voranzutreiben“.

Der Beschluss erfolgte einstimmig.

-       Entschließung des Nationalrats vom 13. Juni 2012 (251/E XXIV. GP), vom 6. Dezember 2011 (215/E XXIV. GP) und vom 11. März 2009 (15/E XXIV. GP) mit dem Ersuchen an die Bundesregierung „alle Rechtsmittel auszuschöpfen, damit auch in Zukunft keine gentechnisch veränderten Pflanzen in Österreich angebaut werden“ sowie dafür einzutreten, dass „das Selbstbestimmungsrecht der Regionen Europas auf eine gentechnikfreie Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion endlich anerkannt wird“.

Die Entschließungen des Nationalrats erfolgten alle einstimmig.

-       Entschließung des Bundesrats (7512/BR der Beilagen) mit der Aufforderung an die Bundesregierung, „Freisetzungs- und Ausbringungsverbote in Abstimmung mit den Landesregierungen durchzusetzen“ sowie „die Bundesländer bei der eigenständigen Prüfung in Bezug auf Erhaltungsziele in Europaschutzgebieten und in Bezug auf den Schutz der natürlichen Lebensräume und wildlebenden Tier- und Pflanzenarten in anderen Schutzgebieten nationalen und internationalen Ranges bestmöglich zu unterstützen“.

Beschlüsse der Landtage und Landesregierungen:

-       Resolution des Burgenländischen Landtags vom 16. März 2006 betreffend die Gentechnikfreiheit in der Landwirtschaft und Umwelt.

-       Beschlüsse des Kärntner Landtags vom 1. Februar 2007 (LH-1/2007) und vom 13. Dezember 2012 (LH-3525/11/2013) mit der Aufforderung an die Bundesregierung sich dafür einzusetzen, dass die Landwirtschaft gentechnikfrei bleibt.

-       Entschließung des Vorarlberger Landtags vom 4. Februar 2009 (Blg. 134/2008), mit dem Ersuchen an die Bundesregierung durch Maßnahmen die gentechnikfreie Region Vorarlberg abzusichern.

-       Beschluss des Tiroler Landtags vom 7. Mai 2009 (216/09), mit dem Ersuchen an die Bundesregierung durch Maßnahmen die gentechnikfreie Region Tirol abzusichern.

-       Beschluss des Nö. Landtags vom 22. Juni 2009 (LAD1-VD-16030/031-2009) betreffend die Förderung der Produktion heimischer gentechnikfreier Eiweißfuttermittel.

-       Beschluss des Salzburger Landtags vom 5. Mai 2010 (Blg. 489 14.GP) mit dem Ersuchen an die Bundesregierung die Gentechnikfreiheit verbindlich festzuschreiben und sich auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass „die Regionen zukünftig selbst und alleine darüber entscheiden können, ob und in wie weit sie mit der Gentechnikfreiheit umgehen wollen“.

-       Beschluss des Steiermärkischen Landregierung vom 8. April 2014 (Nr. 879) mit dem Ersuchen an die Bundesregierung sich auf EU-Ebene dafür einzusetzen, dass das Selbstbestimmungsrecht der Regionen Europas auf eine gentechnikfreie Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion endlich anerkannt werde“.

Beschlüsse der Interessensvertretungen:

-       Beschluss der Arbeiterkammer Salzburg vom 8. Juni 2011 betreffend ein Verbot von Gentechnik in der Landwirtschaft.

-       Resolution der Landwirtschaftskammer Niederösterreich vom 2. Juli 2011 betreffend den Einsatz von gentechnikfreien Futtermittel.

-       Resolution der Landwirtschaftskammer Oberösterreich vom 28. Juni 2011 betreffend ein Verbot von gentechnisch verändertem Saatgut.

Weiters haben Gemeinden (u.a. Stadt Graz, Stadtgemeinde Ebreichsdorf), NGOs und Bürgerinitiativen Beschlüsse und Aufforderungen an die Bundesregierung gerichtet, sich dafür einzusetzen, dass das Selbstbestimmungsrecht der Regionen Europas auf eine gentechnikfreie Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion rechtlich abgesichert wird und „die Wahlfreiheit der KonsumentInnen und BäuerInnen geschützt werden muss“.

Der Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 1. Juli 2015 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich im Anschluss an die Ausführungen des Berichterstatters Abgeordneten Hermann Gahr die Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Mag. Nikolaus Alm, Ing. Hermann Schultes, Georg Willi, Harald Jannach, Leopold Steinbichler und Erwin Preiner sowie der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.­Ing. Andrä Rupprechter.

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf mit Stimmenmehrheit (dafür: S, V, N , dagegen: F, G, T ) beschlossen.

 

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (673 der Beilagen) die verfassungs­mäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2015 07 01

                                  Hermann Gahr                                                                      Jakob Auer

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann