854 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP

 

Bericht

des Umweltausschusses

über die Regierungsvorlage (823 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Strahlenschutzgesetz geändert wird

Die geplante Änderung des Strahlenschutzgesetzes (StrSchG) dient im Wesentlichen der vollständigen Umsetzung der Richtlinie 2011/70/Euratom über einen Gemeinschaftsrahmen für die verantwortungsvolle und sichere Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle, ABl. Nr. L 199 vom 02.08.2011 S. 48, in nationales Recht.

Eine Teilumsetzung der Richtlinie erfolgte bereits durch die Änderung der Allgemeinen Strahlenschutzverordnung und der Radioaktive Abfälle-Verbringungsverordnung 2009, BGBl. II Nr. 22/2015.

Darüber hinaus erfolgen punktuelle, zur Umsetzung der Richtlinie 2013/59/Euratom zur Festlegung grundlegender Sicherheitsnormen für den Schutz vor den Gefahren einer Exposition gegenüber ionisierender Strahlung und zur Aufhebung der Richtlinien 89/618/Euratom, 90/641/Euratom, 96/29/Euratom, 97/43/Euratom und 2003/122/Euratom, ABl. Nr. L 13 vom 17.01.2014 S. 1, erforderliche Anpassungen sowie einige der Klarstellung dienende textliche Anpassungen bestehender Festlegungen.

1. Inhalt und Ziele der Richtlinie 2011/70/Euratom:

Ziel der Richtlinie ist die Schaffung nationaler Vorkehrungen für ein hohes Sicherheitsniveau bei der Entsorgung der im Mitgliedstaat anfallenden abgebrannten Brennelemente und radioaktiven Abfälle, wobei alle Entsorgungsschritte vom Anfall der radioaktiven Abfälle bis zu ihrer Endlagerung einzubeziehen sind.

Zur Erreichung dieses Ziels haben die Mitgliedstaaten einen nationalen Gesetzes-, Vollzugs- und Organisationsrahmen („nationaler Rahmen“) zu schaffen, der die Verantwortlichkeiten regelt und ein „Nationales Programm“ zur Umsetzung der Politik für die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle beinhaltet (im Folgenden als „Nationales Entsorgungsprogramm“ bezeichnet). Dies hat transparent, d.h. unter Einbindung der Öffentlichkeit, zu erfolgen. Darüber hinaus ist dafür Sorge zu tragen, dass unangemessene Lasten für künftige Generationen vermieden werden.

Weiters fordert die Richtlinie – analog zur Richtlinie 2009/71/Euratom über einen Gemeinschaftsrahmen für die nukleare Sicherheit kerntechnischer Anlagen, ABl. Nr. L 172 vom 02.07.2009 S. 18, zuletzt geändert durch die Richtlinie 2014/87/Euratom, ABl. Nr. L 219 vom 25.07.2014 S. 42 –, dass die Behörde, der die Bewilligung und Überprüfung von Anlagen zur Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle obliegt, zur Gewährleistung ihrer Unabhängigkeit „funktional von allen anderen Stellen und Organisationen getrennt ist, die mit der Förderung oder Nutzung von Kernenergie oder radioaktivem Material, einschließlich der Elektrizitätserzeugung und der Anwendung von Radioisotopen, oder mit der Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle befasst sind“. Die Mitgliedstaaten haben ferner für eine adäquate personelle und finanzielle Ausstattung der Behörde zu sorgen.

Die Richtlinie enthält darüber hinaus eine Erweiterung der Bestimmungen für eine grenzüberschreitende Verbringung von radioaktiven Abfällen gegenüber der Richtlinie 2006/117/Euratom über die Überwachung und Kontrolle der Verbringungen radioaktiver Abfälle und abgebrannter Brennelemente, ABl. Nr. L 337 vom 05.12.2006 S. 21, umgesetzt in Österreich durch die Radioaktive Abfälle-Verbringungsverordnung 2009 idF BGBl. II Nr. 22/2015.

2. Situation in Österreich betreffend Aufbereitung und Zwischenlagerung radioaktiver Abfälle:

Abgebrannte Brennelemente fallen in Österreich nicht an, da für die Brennelemente der einzigen in Österreich betriebenen kerntechnischen Anlage (Forschungsreaktor am Atominstitut der TU Wien) – konform mit § 87 Abs. 2 Allgemeine Strahlenschutzverordnung, BGBl. II Nr. 191/2006 idF BGBl. II Nr. 22/2015 (AllgStrSchV) – eine Rücknahmevereinbarung mit dem Lieferanten der Brennelemente besteht. Die Umsetzung der Richtlinie 2011/70/Euratom in österreichisches Recht ist daher auf die Entsorgung radioaktiver Abfälle fokussiert.

In Österreich fallen ferner keine hoch radioaktiven Abfälle, sondern ausschließlich schwach- und mittelradioaktive Abfälle an, wobei mehr als 95 % der Abfälle schwach radioaktiv sind. Gemäß § 36c Abs. 1 StrSchG ist die Nuclear Engineering Seibersdorf GmbH (im Folgenden: NES) von der Republik Österreich mit der Entsorgung der in Österreich anfallenden radioaktiven Abfälle beauftragt. Dieser Auftrag umfasst die Sammlung, Sortierung, Aufbereitung, Konditionierung sowie die längerfristige Zwischenlagerung der radioaktiven Abfälle am Standort Seibersdorf.

Die laufende Finanzierung des Managements radioaktiven Abfalls erfolgt durch die Abfallverursacher. Gemäß § 36c Abs. 2 StrSchG haben jene Unternehmen / Institutionen, bei denen radioaktive Abfälle anfallen, bei Übergabe an NES einerseits ein Entgelt für die Aufarbeitung und Zwischenlagerung dieser radioaktiven Abfälle zu entrichten, und andererseits ein „Vorsorgeentgelt“, das vom Bund als zweckgebundene Einnahmen ausschließlich zur Finanzierung einer späteren Endlagerung dieses Abfalls verwendet werden darf. Die Republik Österreich trägt die Kosten für die Errichtung der Entsorgungsanlagen und Zwischenlagereinrichtungen bzw. für größere Anpassungen an aktuelle technische Standards.

3. Endlagerung radioaktiver Abfälle:

Eine Entscheidung über die spätere Endlagerung der radioaktiven Abfälle ist in Österreich – wie auch in vielen anderen Staaten weltweit – noch nicht gefallen. Im StrSchG ist verankert, dass neben der Errichtung eines nationalen Endlagers auch die Möglichkeit von internationalen Kooperationen bei der Abfallbehandlung und -entsorgung in Betracht zu ziehen ist.

Angesichts der geringen Abfallmengen und des niedrigen Gefährdungspotenzials (wie dargelegt handelt es sich fast ausschließlich um schwach radioaktive Abfälle) wird bislang vonseiten der Republik Österreich die längerfristige Zwischenlagerung der radioaktiven Abfälle im Seibersdorfer Zwischenlager als zweckmäßig angesehen, um die europäischen und internationalen Entwicklungen betreffend Abfallendlager zu beobachten und letztlich eine optimale Lösung für Österreich zu finden. Andere europäische Staaten setzen ebenfalls auf eine langfristige Zwischenlagerung der radioaktiven Abfälle. Aktuell besteht eine rechtliche Absicherung der Abfallaufbereitung und -zwischenlagerung am Standort Seibersdorf bis zum Jahr 2045.

Im Hinblick auf die Endlagerung radioaktiver Abfälle werden die erforderlichen Schritte zur Entscheidungsfindung seitens der Republik Österreich im „Nationalen Entsorgungsprogramm“ festzulegen und in weiterer Folge zu setzen sein.

4. Bereits erfolgte bzw. noch erforderliche Umsetzungsmaßnahmen:

Die Umsetzung der Richtlinie 2011/70/Euratom bringt Verpflichtungen einerseits für die Republik Österreich und andererseits für den Betreiber einer Entsorgungsanlage (konkret die NES) mit sich. Im Hinblick auf die Verpflichtungen der Verursacher radioaktiver Abfälle ergeben sich keine Änderungen.

Die aus der Richtlinie für die NES resultierenden Vorgaben sowie die Anpassung der Bestimmungen betreffend die grenzüberschreitende Verbringung von radioaktiven Abfällen wurden bereits mittels der o.zit. Verordnungsnovelle BGBl. II Nr. 22/2015 in nationales Recht umgesetzt.

Die Verpflichtungen an die Mitgliedstaaten, somit auch an die Republik Österreich, betreffen

-       die Schaffung eines rechtlichen Rahmens für die Entsorgung radioaktiver Abfälle;

-       Anforderungen an die für die Bewilligung und Überprüfung von Entsorgungsanlagen zuständigen Behörden;

-       die Etablierung von nationalen Grundsätzen für die sichere Entsorgung von radioaktiven Abfällen (in der Richtlinie als „Nationale Politik“ bezeichnet) sowie

-       die Erstellung, Umsetzung und regelmäßige Aktualisierung eines „Nationalen Entsorgungsprogramms“ unter Einhaltung der Vorgaben hinsichtlich Transparenz und Öffentlichkeitsbeteiligung.

Ein Großteil dieser Verpflichtungen ist in Österreich bereits durch die bestehende Strahlenschutzgesetzgebung erfüllt.

Das betrifft zum einen die Vorgaben der Richtlinie in Bezug auf den rechtlichen Rahmen zur Entsorgung radioaktiver Abfälle (z.B. behördliches Genehmigungs- und Überprüfungssystem, Zuständigkeitsregelungen, Finanzierung), welche durch die bestehenden Festlegungen im StrSchG sowie den darauf gegründeten Verordnungen und vertraglichen Vereinbarungen vollinhaltlich erfüllt sind.

Zum anderen sind auch die Anforderungen, welche die Richtlinie an die Regulierungsbehörde einer Entsorgungsanlage in Bezug auf personelle und finanzielle Ausstattung stellt, im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (BMLFUW) als der gemäß § 41 Abs. 1 Z 1 lit. b StrSchG zuständigen Behörde gegeben. Zur geforderten funktionalen Trennung der Regulierungsbehörde (BMLFUW) von den in Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie genannten Stellen ist Folgendes anzuführen: Da in Österreich die Nutzung der Kernenergie zum Zweck der Energiegewinnung untersagt ist, ist diese funktionale Trennung nur auf die Tätigkeiten der NES anzuwenden. Zwischen dem BMLFUW und der NES besteht eine vollständige organisatorische, funktionelle und personelle Trennung.

Auch die Vorgabe der Richtlinie, dass die Regulierungsbehörde (sowie auch der Betreiber der Entsorgungsanlage) die Öffentlichkeit über deren Tätigkeiten zu informieren hat, ist bereits in nationales Recht umgesetzt worden (§ 79a Abs. 4 und 5 AllgStrSchV).

Die wesentlichen Grundsätze und Ziele betreffend die Entsorgung der in Österreich anfallenden radioaktiven Abfälle sind ebenfalls im bestehenden StrSchG verankert und werden – angepasst an den Wortlaut der Richtlinie – in § 36b Abs. 1 bis 4 zusammengefasst.

Im Rahmen der vorgesehenen Änderung des StrSchG festzulegen wären die Ziele, Inhalte und Rahmenbedingungen das „Nationalen Entsorgungsprogramms“, basierend auf Art. 11 und 12 der Richtlinie 2011/70/Euratom. Diese Festlegungen erfolgen in § 36b Abs. 6 und 7 des Novellenentwurfes, wobei der Richtlinientext großteils übernommen worden ist.

Da die in Österreich erforderlichen Maßnahmen für eine sichere Entsorgung radioaktiver Abfälle, insbesondere im Hinblick auf eine spätere Endlagerung, ausschließlich im nationalen Konsens getroffen werden können, wird die Bundesregierung mit der Erstellung und späteren Aktualisierung des Nationalen Entsorgungsprogramms betraut, wobei dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft die Koordination obliegt.

Gemäß den Vorgaben der Richtlinie 2001/42/EG über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (im Folgenden: SUP-Richtlinie), ABl. Nr. L 197 vom 21.07.2001 S. 30, ist das Nationale Entsorgungsprogramm einer Umweltprüfung zu unterziehen.

Mit dieser Änderung des Strahlenschutzgesetzes wird somit die Vollumsetzung der Richtlinie 2011/70/Euratom erreicht. Weiters werden einige geringfügige Ergänzungen und Korrekturen bereits bestehender Bestimmungen des StrSchG vorgenommen.

 

Der Umweltausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 27. Oktober 2015 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich im Anschluss an die Ausführungen der Berichterstatterin Abgeordneten Martina Diesner-Wais die Abgeordneten Matthias Köchl, Michael Pock, Harry Buchmayr, Ulrike Weigerstorfer, Johann Rädler, Mag. Günther Kumpitsch sowie der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Andrä Rupprechter.

 

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf mit Stimmenmehrheit (dafür: S, V, G, N,T, dagegen: F) beschlossen.


Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Umweltausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (823 der Beilagen) die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2015 10 27

                           Martina Diesner-Wais                                                  Mag. Christiane Brunner

                                 Berichterstatterin                                                                           Obfrau