957 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Arbeit und Soziales

über den Antrag 1362/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend humanem Umgang mit Patienten und Pflegebedürftigen

Die Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 6. Oktober 2015 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Folgendes Rechtsanwalts-Schreiben wurde am 2. Oktober 2015 an SPÖ-Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely gerichtet, worin ein Skandal im Bereich des Gesundheits- und Pflegewesens der Stadt Wien geschildert wird.

Auftrags meines Mandanten Dr. Heinrich Baier habe ich Ihnen nachfolgenden Sachverhalt zur Kenntnis zu bringen:

           1. Gegenständlich sind Pflegekosten für die Mutter meines Mandanten, Dr. Getrud Baier, angeblich entstanden durch einen Aufenthalt im Geriatriezentrum des Sophienspitals von 31.1.2013 bis 29.4.2013 in Höhe von € 30.302,72 , die im noch offenen Betrag von € 22.363,94 mit Schreiben vom 22.9.2014 im Verlassenschaftsverfahren nach Dr. Getrud Baier, gest. 18.6.2014 angemeldet wurden sowie der zuviel eingeforderte Betrag von € 7.938,78

           2. Generell ist festzustellen, dass die gesamten Modalitäten der angeblichen Unterschriftsleistungen sehr fragwürdig sind, da die Formulare von unbekannten fremden Personen zu einem unbekannten Zeitpunkt ausgefüllt worden sind, teilweise sogar bis dato blanko und unausgefüllt sind, die Mutter schwerkrank und unter Medikamenteneinfluß stand, teilweise die Texte gar nicht lesen konnte und auch sich nicht an eine Unterfertigung oder auch nur Inkenntnissetzung von solchen Formularen erinnern konnte.

           3. Rechtsgültige, einen Anspruch des Fonds Soziales Wien untermauernde Urkunden liegen nicht vor, im Einzelnen:

               a) Frau Dr. Baier stellte bei einem Spitalsaufenthalt im Wilhelminenspital einen Antrag auf Förderung für stationäre Pflege und Betreuung, weil man sie dort beraten hat, sie müsse einen solchen Antrag stellen, um ihren Wunsch umzusetzen, eine Wohnung im Haus Hohe Warte, in dem sie sich bereits 1989 angemeldet hat, zu bekommen. Dieser Antrag datiert mit 20.11.2012 - eine Reaktion darauf seitens des Fonds Soziales Wien ist –bis heute- nie erfolgt. Statt dessen wird dieses Dokument nunmehr zum Beweis dafür ins Treffen geführt, dass Frau Dr. Baier quasi gewusst habe, dass ein Aufenthalt in einem Pflegeheim entgeltlich sei. Frau Dr. Baier wollte aber niemals in ein Pflegeheim, sondern ins Pensionistenheim Hohe Warte und dass sie dafür Geld zu zahlen hätte, war ihr bekannt. Es war ihr Wunsch, dort (nur dort) hinzukommen und auch die einzige Motivation, diesen Antrag zu stellen und ist dieser Antrag auch ausdrücklich auf das Haus Hohe Warte gestellt. Mit der späteren Kurzzeitpflege hatte dieser Antrag entgegen der nunmehrigen Darstellung durch den Fonds Soziales Wien gar nichts zu tun.

               b) Aus Anlass ihres Spitalaufenthaltes im Sophienspital wurde Frau Dr. Baier eine ‚Einverständniserklärung‘ mit der Aufnahme ins Sofienspital (sehr großgeschrieben, darunter kleingedruckt Kurzzeitpflege) vorgelegt. Begründet wurde dieser Antrag ihr gegenüber damit, dass sie lediglich in ein anderes Zimmer verlegt werde. Dieser Antrag datiert vom 8.1.2013. Einen Hinweis auf irgendeine Entgeltlichkeit der Unterbringung enthält die Frau Dr. Baier zur Unterfertigung (mit der Begründung ‚medizinisch notwendig!‘) vorgelegte Einverständniserklärung nicht! Nach ihrem Wissen und dem der Angehörigen befand sie sich zu diesem Zeitpunkt und auch weiterhin in einem regulären Spitalsaufenthalt.

               c) Am 10.4.2013 legte man Frau Dr. Baier eine ‚Vereinbarung über die Aufnahme ins Geriatriezentrum Sophienspital‘, da ihr mitgeteilt wurde, dass sie in den nächsten Wochen entlassen würde und diese Vereinbarung vorher noch unterschreiben müsse. Dass diese Vereinbarung eine Rechtsgrundlage für eine zu diesem Zeitpunkt angeblich bereits über 2 Monate bestehende entgeltliche Kurzzeitpflege für den Zeitraum 31.1.2013 - 10.4.2013 darstellen soll, geht hieraus in keiner Form hervor. Die in diesem Zusammenhang von Volksanwalt Dr. Günther Kräuter vorgebrachte Argumentation, dass es genüge, dass der Heimvertrag Frau Dr. Baier ‚offensichtlich vor Aufnahme in die Kurzzeitpflege‘ zur Verfügung gestanden und erst später eigenhändig unterfertigt wurde, entbehrt jeglicher Grundlage. Auch die rechtliche Wertung, dass Heimverträge gemäß §27d Abs. 5 KSchG bis zur Aufnahme des Heimbewohners schriftlich zur errichten seien, dies aber nicht gleichzeitig eine Unterfertigung derselben bedeutet, entbehrt jeder Grundlage, zumal in der Urkunde auch die Vertrauensperson Dr. Heinz Baier namhaft gemacht wird, ohne dass diese in irgendeiner Form verständigt wurde.

               d) §27d des KSchG legt Mindestinhalt und Form des Heimvertrages fest. Unter anderem sind bei der Kurzzeitpflege Beginn und Ende derselben anzugeben. Diese Inhalte fehlen der Urkunde. Der Heimvertrag ist gemäß Abs. 5 leg cit bis zur Aufnahme des Heimbewohners schriftlich zur errichten, wobei dem Heimbewohner, dessen Vertreter und der Vertrauensperson eine Abschrift der Vertragsurkunde auszufolgen ist. Alle genannten Voraussetzungen liegen nicht vor, da die Urkunde erst am 10.4.2013 unterfertigt und der Vertrauensperson Dr. Heinz Baier nie übermittelt worden ist. Auch das als Anlage zur Urkunde angeführte Preisblatt lag weder im Krankenakt, noch der Volksanwaltschaft vor, die dieses jedenfalls aus Anlass der Übermittlung der Urkunde an den Rechtsfreund von Herrn Dr. Baier nicht mitsandte.

                    Damit wurde auch der Patientin und den Angehörigen das gesetzlich zustehende Rücktrittsrecht und die Möglichkeit dazu genommen.

                   Dass genau dieser im Gesetz ausdrücklich vorgeschriebene Ablauf nicht erfolgt ist – und auch generell offenbar gar nicht erfolgt-, wird durch das in der TV Sendung Bürgeranwalt vom 9. Mai 2015 vom Geschäftsführer des FSW, Herrn Hacker, in genau diesem Zusammenhang geäusserte wörtliche Zitat:

                   ‚Selbstverständlich gibt der FSW keinen Angehörigen Schriftstücke oder Dokumente‘ ausdrücklich bestätigt.

                   Zusammengefasst mangelt es der Forderungsanmeldung des Fonds Soziales Wien im Verlassenschaftsverfahren nach Dr. Gertrud Baier an jeder Rechtsgrundlage.

           4. Dessen ungeachtet wird die Forderung nunmehr unter anwaltlicher Assistenz betrieben, wobei Herrn Dr. Baier erstmals mit 24.9.2015 (also vergangene Woche) das angeblich der Vertragsurkunde angeschlossene Preisblatt zur Verfügung gestellt wurde. Die nach dem Vertragstext auch anzuschließende Hausordnung fehlt nach wie vor.

           5. Der Ordnung halber ist zu erwähnen, dass bei einer sorgfältigen Abwicklung zum Besten der Patientin (!) eine Kur, eine Remobilisation oder ähnliches wohl angemessen gewesen wäre und dies auch ebenso wie der Aufenthalt im Sofienspital- egal in welchem Zimmer- mit der zuständigen Krankenkasse der Patientin abzurechnen gewesen wäre. Eine solche Abrechnung wurde durch diese Vorgangsweise aber zum gesundheitlichen und finanziellen Nachteil der Patientin aktiv verhindert.

           6. Es besteht kein Grund zur Annahme, dass eine derartige Anhäufung von Fehlern gegenüber einer alten, kranken und wehrlosen Frau ein Einzelfall ist. Es besteht hinreichend Anlass, die Fehlerursachen zu überprüfen und die Strukturen zu hinterfragen. Es kann nicht sein, dass wehrlose Menschen, die der Hingabe und Pflege bedürfen, einem System ausgesetzt sind, das diese Voraussetzungen eben nicht erfüllt.

           7. Eine über 90 jährige alte kranke Frau ohne ihr Wissen gegen ihren Willen und gegen den Willen der Angehörigen vom Spital in eine Pflegestation zu verlegen und dafür im nachhinen noch rund € 30.000 zu verlangen, ist untragbar. Sogar Hr. Hacker vom FSW gesteht öffentlich (TV­ Bürgeranwalt) ein, dass die Mutter ausdrücklich und nachweislich nach Hause wollte.

           8. Letztlich ist das Betreiben dieser Forderung sofort einzustellen und die zuviel verlangten Beträge zurückzuzahlen

Der geschilderte Fall ist keineswegs ein Einzelfall, sondern schildert den Umgang anonymer Institutionen, wie den FSW und anderer Einrichtungen der Stadt Wien im Gesundheits-, Pflege- und Sozialbereich mit hilfsbedürftigen Personen. Hier muss umgehend ein humaner und rechtskonformer Umgang mit Patienten und Pflegebedürftigen wiederhergestellt werden.“

 

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 3. Dezember 2015 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Ing. Norbert Hofer die Abgeordneten Dietmar Keck, Dr. Eva Mückstein, Johann Hechtl, Mag. Gerald Loacker, Mag. Judith Schwentner, Johann Hell, August Wöginger, Walter Schopf, Werner Neubauer, Ing. Waltraud Dietrich, Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Mag. Gertrude Aubauer, Erwin Spindelberger, Peter Wurm, Ulrike Königsberger-Ludwig und Josef Muchitsch sowie der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer.

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag keine Mehrheit (für den Antrag: F, T, dagegen: S, V, G, N).

Zum Berichterstatter für den Nationalrat wurde Abgeordneter Erwin Spindelberger gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Arbeit und Soziales somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 2015 12 03

                             Erwin Spindelberger                                                            Josef Muchitsch

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann