10209/J XXV. GP

Eingelangt am 14.09.2016
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ANFRAGE

 

des Abgeordneten Dr. Andreas F. Karlsböck und weiterer Abgeordneter

an den Bundesminister für Justiz

betreffend Tatprovokationen, Täuschungshandlungen und weitere rechtlich bedenkliche Vorgehensweisen im Rahmen des „Mystery Shoppings“

 

„Mystery Shopping“, also die umstrittene Bespitzelung ärztlicher Ordinationen durch „Testpatienten“ der Krankenkassen, wird von der Bundesregierung vorgeblich im Kampf gegen Sozialbetrug eingesetzt. Tatsächlich aber werden Ärzte wie Patienten unter den Generalverdacht des Betruges gestellt und das Arzt-Patienten-Verhältnis massiv belastet.

 

Ein weiteres Problemfeld eröffnet sich durch unzulässige Tatprovokationen in Ordinationen, die nicht einmal verdeckten Polizeiermittlern erlaubt sind. Einem Urteil des Obersten Gerichtshofes (OGH 14.07.2016, 12 Os 5/16a) ist zu entnehmen, dass verdeckte Ermittler unbescholtene Personen zur Begehung einer Straftat nicht verleiten dürfen und sich im Wesentlichen „auf eine passive Ermittlung strafbarer Aktivitäten zu beschränken“ haben. Ihnen ist untersagt „einen solchen Einfluss auf die Person auszuüben, dass diese zur Begehung einer Tat verleitet wird, die sie sonst nicht begangen hätte“. Bei Vorliegen einer unzulässigen Tatprovokation ist von der strafrechtlichen Verfolgung abzusehen.

 

Übertragen auf das umstrittene „Mystery Shopping“, hieße dies, dass „Testpatienten“ einen Arzt nicht durch Vortäuschung einer Krankheit dazu veranlassen dürften, etwa Krankschreibungen vorzunehmen oder Medikamente zu verschreiben. Ein solches Verhalten wird aber von der Gebietskrankenkasse offensichtlich nicht nur geduldet, sondern ausdrücklich legitimiert. Auch Verfassungsjurist Heinz Mayer sieht es als „ohne Zweifel verfassungswidrig“ an, wenn Krankenkassen Lockspitzel in die Ordinationen schicken, um Ärztinnen und Ärzte zu Straftaten zu verleiten.

 

Überdies ist es nicht nur moralisch bedenklich, sondern auch rechtlich höchst zweifelhaft, wenn „Testpatienten“ ihre falsche Identität auch mit gefälschten Papieren untermauern (dürfen).  

 

Die unterfertigten Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für Justiz folgende

 


Anfrage

 

 

1.    Ist Ihnen die „Mystery-Shopping-Richtlinie“ der Wiener Gebietskrankenkasse bekannt?

2.    Wenn ja, ist der Einsatz verdeckter Ermittler, die als „Testpatienten“ ärztliche Ordinationen aufsuchen und dadurch das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient belasten, aus Ihrer Sicht in Ordnung?

3.    Wie stehen Sie grundsätzlich zu verdeckten Ermittlungen?

4.    Schließen Sie sich der Rechtsmeinung namhafter Verfassungsjuristen wie Heinz Mayer an, wonach es verfassungswidrig sei, wenn Krankenkassen Lockspitzel in Ordinationen schicken, um Ärztinnen und Ärzte zu Straftaten zu verleiten?

5.    Muss – juristisch gesehen – für den Einsatz von „Testpatienten“ ein begründeter Anfangsverdacht vorliegen?

6.    Wenn ja, warum werden „Testpatienten“ der Krankenkassen – im Gegensatz zu früheren Einsätzen – nunmehr auch ohne begründeten Verdacht eingesetzt?

7.    Wenn nein, wie bewerten Sie diese juristische Ungleichbehandlung gegenüber verdeckten Ermittlern der Polizei?

8.    Ist das Operieren der „Testpatienten“ mit gefälschten Papieren zur Untermauerung ihrer falschen Identität rechtmäßig?

9.    Wenn ja, aus welcher Rechtsgrundlage und welchen konkreten Bestimmungen ergibt sich dies?

10. Welche rechtlichen Möglichkeiten haben Arzt und Angestellte von bespitzelten Ordination, um gegen in flagranti ertappte „Testpatienten“ vorzugehen?

11. Ist es rechtlich gedeckt, dass „Testpatienten“ bei offensichtlichen Tatprovokationen besser gestellt sind als verdeckte Ermittler der Polizei, die sich gemäß dem Urteil des OGH auf passive Ermittlungen von strafbaren Aktivitäten zu beschränken haben?

12. Wenn ja, durch welche Rechtsgrundlage bzw. welche konkreten Bestimmungen?

13. Werden Sie eine entsprechende Angleichung der (angesprochenen) Rechte von „Testpatienten“ an jene von verdeckten Polizeiermittlern anregen?

14. Wenn ja, wann und auf welche Weise?

15. Wenn nein, warum nicht?