10468/J XXV. GP

Eingelangt am 07.10.2016
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Anfrage

 

der Abgeordneten Georg Willi, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie

betreffend "Flüsterbremsen" für Güterwaggons

 

Die Weltgesundheitsorganisation stuft den Lärm als zweitschlimmstes Gesundheitsrisiko ein. Mittlerweile hat ein Umdenken eingesetzt: Die Lärmreduktion ist offizielles Ziel der EU. Bei der Bekämpfung des Bahnlärms steht das Nachrüsten lauter Güterwaggons mit Flüsterbremsen im Mittelpunkt. Das geht schneller und ist zudem kostengünstiger als der alleinige Bau von Lärmschutzwänden.

 

Auf der Homepage der Deutschen Bahn ist zu diesem Thema nachzulesen:

 

Güterwagen mit neuen Bremstechnologien verursachen nur halb so viel Lärm wie Wagen mit Graugussbremsen. Die Umrüstung der Bestandsflotte liefert den nachhaltigsten Effekt zur Lärmminderung.

Die Hauptlärmquellen von Schienenfahrzeugen sind die Bremssohlen aus Grauguss: Bei jedem Bremsvorgang drücken die Bremsklötze auf die Laufflächen der Räder und verursachen dabei ein Aufrauen dieser Flächen. Dies führt zu lauten Rollgeräuschen während der Fahrt. Lärm lässt sich deshalb am effektivsten dort zu verhindern, wo er entsteht: direkt an der Quelle. Leise Bremstechnologien im Schienengüterverkehr sind deshalb die wichtigste Maßnahme zur Begrenzung der Lärmemissionen. Ihr großer Vorteil liegt darin, dass sie ihre Wirkung im gesamten Streckennetz entfalten.

Leise Güterwagen, die mit „Flüsterbremsen“ ausgestattet sind, verursachen nur halb so viel Lärm wie herkömmliche Güterwagen, denn bei ihnen bleiben die Laufflächen der Räder glatter, die Wagen rollen somit leiser. Bereits seit 2001 kauft DB Cargo Neuwagen nur noch mit leiser Bremstechnologie: Ende 2015 waren bereits über 10.000 Wagen mit der leisen Bremssohle K-Sohle (K steht für Komposit-Werkstoffe) im Einsatz. Die K-Sohle wurde bereits vor einigen Jahren für den lärmmindernden Einsatz zertifiziert und freigegeben. Bei Neuwagen ist sie ohne Probleme unmittelbar einbaubar. Soll ein Bestandswagen auf sie umgerüstet werden, muss dafür die gesamte Bremsanlage des Fahrzeugs umgebaut und je nach Wagenbauart neu zugelassen werden. Die Umrüstung auf die K-Sohle ist also aufwendig und teuer, sie kostet zwischen 5.000 und 7.000 Euro pro Wagen.

 

Wesentlich reduzierte Kosten entstehen durch die Umrüstung auf die seit Juni 2013 zugelassene LL-Sohle (LL steht für „low noise, low friction“ – wenig Lärm, wenig Abrieb). Weil der Reibungskoeffizient dieser leisen Sohle mit dem der herkömmlichen Grauguss-Sohle vergleichbar ist, können die alten Grauguss-Sohlen bei Standardgüterwagen ohne weiteren Umbau 1:1 gegen die neue Verbundstoffbremssohle ausgetauscht werden. Die Kosten liegen mit rund 1.700 Euro pro Wagen um rund zwei Drittel niedriger als würde man die K-Sohle einsetzen.

Mit der Zulassung der LL-Sohle Mitte 2013 wurde ein Durchbruch für die Umrüstung bestehender Güterwagen erreicht. Und das Ziel von DB Cargo erreichbar: Bis 2020 will der Logistiker sämtliche Bestandsgüterwagen umrüsten und zusätzlich insgesamt rund 10.000 leise Neuwagen mit K-Sohle beschafft haben.

In einer ersten Etappe wurden in den Jahren 2014 und 2015 insgesamt über 10.000 Bestandsgüterwagen auf LL-Sohle umgerüstet. Nimmt man die neu beschafften Wagen und die im Rahmen des vom Bund geförderten Programms „Leiser Rhein“ umgerüsteten Wagen hinzu, hatte DB Cargo Ende 2015 bereits über 21.000 mit Flüsterbremsen ausgestattete Güterwagen in Betrieb. Die Umrüstung wird kontinuierlich vorangetrieben. Ende 2020 wird DB Cargo sämtliche relevanten Güterwagen umrüsten.

 

Schrittweise in Revisionszyklen bis 2020

Aufgrund der mit der Umrüstung verbundenen hohen Kosten und um trotz laufender Umrüstungsmaßnahmen den Schienengüterverkehr weiterhin planmäßig laufen zu lassen, erfolgt der Austausch bei den Bestandswagen in Etappen über mehrere Jahre. Die Umrüstung der Güterwagen erfolgt in den so genannten Revisionszyklen: Sobald ein Wagen in eine Servicewerkstatt muss oder eine Revision durchgeführt wird, erfolgt zeitgleich die Umrüstung. Der Umbau erfolgt überwiegend dezentral in den Servicestellen, einzelne Wagen gehen aber auch in größere Revisionen.

 

Gemeinsamer Kraftakt

Subjektiv wird die Lärmminderung allerdings erst wahrgenommen, wenn die überwiegende Mehrheit der Güterwagen mit der leisen Bremstechnologie ausgestattet ist. Dies betrifft in Deutschland etwa 180.000 Güterwagen, von denen rund ein Drittel zur Flotte der DB Cargo gehören. Es bedarf einer gemeinsamen Kraftanstrengung aller Beteiligten, d.h. der EU, des Bundes, der Wagenhalter und der Eisenbahnverkehrsunternehmen auf nationaler und europäischer Ebene, um die Lärmbelastung spürbar zu reduzieren.

 

Die AnfragestellerInnen haben bereits vor rund eineinhalb Jahren im Nationalrat einen Antrag eingebracht („Antrag der Abgeordneten Georg Willi, Kolleginnen und Kollegen betreffend Eindämmung der Lärmbelastung durch den Schienenverkehr“, 1056/A(E) XXV.GP).

Dieser Antrag wurde im Verkehrsausschuss des Nationalrats am 30.3.2016 mit Regierungsmehrheit von SPÖ und ÖVP vertagt, wobei als Begründung eine „derzeit laufende Evaluierung des Problems durch das Ministerium“ angegeben wurde.

 

Leider liegt mehr als ein halbes Jahr später weder ein Ergebnis dieser Evaluierung vor noch wurde öffentlich bekannt, dass entsprechende konkrete Umsetzungsmaßnahmen zur Lärmminderung an der Güterwaggon-Quelle gesetzt oder auch nur gestartet worden wären.

 

Bei dem von der Schienen-Control organisierten Symposium „Herausforderungen des Einzelwagenverkehrs“ am 27.9.2016 in Wien referierte auch der Leiter der entsprechenden Fachabteilung des BMVIT. Er stellte erneut nur in Aussicht, dass im Güterverkehr „mittelfristig“ Kunststoffbremsen zum Einsatz kommen würden, es von deutscher Seite Druck gäbe und das Umrüstprogramm mit der Europäischen Kommission abgestimmt werde, ohne sich auf konkrete Zeithorizonte festzulegen.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Laut Jahresbericht 2015 der Schienen-Control wies das Fahrzeugregister der Schieneninfrastruktur-Dienstleistungsgesellschaft einen Bestand von 21.481 Güterwagen aus (S. 52/53 des Berichtes). Wie viele davon haben Flüsterbremsen?

2)    Wieviele davon sind jeweils im Einzelnen mit a) K-Sohle, b) LL-Sohle oder c) gegebenenfalls anderen lärmmindernden Bremssohlen ausgestattet?

3)    Was war der konkrete Auftrag und das Datum der Beauftragung/des Beginns der laut Vertagungsantrag im Verkehrsausschuss am 30.3.2016 „derzeit laufenden Evaluierung des Problems durch das Ministerium“?

4)    Was war bzw ist das konkrete Ergebnis dieser Evaluierung und seit wann liegt dieses Ergebnis vor?

5)    Was bedeutet die Aussage des BMVIT-Abteilungsleiters, der den Einsatz von Flüsterbremsen „mittelfristig“ in Aussicht gestellt hat, konkret in Jahreszahlen?

6)    Ist daran gedacht, dafür ein spezielles Förderprogramm aufzulegen?

7)    Wenn ja: Welchen finanziellen Umfang hat dieses, welches Auftaktdatum und welche Laufzeit sind vorgesehen?

8)    Wenn ja: Wann wurde die Abstimmung dieses Programms mit der EU-Kommission gestartet und wann ist mit einem Ergebnis dieser Abstimmung zu rechnen?

9)    Wenn nein: Warum nicht?

10) Die Deutsche Bahn will bis 2020 bereits alle Güterwaggons auf Flüsterbremsen umgerüstet haben. Wie sieht der konkrete Umrüstplan für Österreich aus und wann wird die vollständige Umrüstung in Österreich abgeschlossen sein?

11) Welche Aktivitäten a) haben Sie bzw Ihr Ressort gesetzt, b) werden Sie bzw. Ihr Ressort konkret bis wann setzen, um auch für den „Rest“ der auf Österreichs Schienenstrecken in Verwendung stehenden Güterwagen-Flotte die baldmöglichste Ausrüstung mit Flüsterbremsen voranzutreiben?